Protokoll der Sitzung vom 21.08.2002

Frau Hövelmann, wir unterhalten uns über die Flutkatastrophe, über Flutopfer. Finden Sie es da passend, wenn Sie durch Zwischenrufe hier die Miss Piggy aus der Muppets-Show spielen wollen? Das finde ich unangemessen!

(Unruhe – Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, ich weise den Ausdruck zurück!

Ich nehme die Muppets zurück, aber Miss Piggy bleibt stehen!

(Unruhe – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Von Kermit braucht sie sich das nicht sa- gen zu lassen!)

Meine Damen und Herren, es wäre genug und ausreichend – –. Herr Präsident, können Sie bitte für Ruhe sorgen!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das könn- ten Sie eigentlich auch!)

Laufen Sie hinaus, wie immer, Herr Röwekamp! Entziehen Sie sich Ihrer Verantwortung, das sind wir nicht anders gewohnt!

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, wären genug und ausreichende Mittel für eine dringende und schnelle Soforthilfe vorhanden, wenn Sie frühzeitig den Forderungen und Anträgen der DVU zugestimmt hätten.

Mitgefühl, Herzensbildung, Mitmenschlichkeit kann man nicht erzwingen, schon gar nicht bei Ihnen, aber es wäre ein außerordentlicher solidarischer Akt, zumal wir unter Punkt 29 und selbstverständlich gegen die Stimme der Deutschen Volksunion und natürlich auch von Ihnen ohne Debatte eine unverschämte Diätenerhöhung beschließen werden. Wenn die Abgeordneten und die Mitglieder des Senats einmalig auf ihre monatlichen Diäten verzichten würden und die Gelder auf ein eingerichtetes Spendenkonto überweisen würden, ich mache das auch, das wäre endlich einmal eine effektive solidarische Maßnahme und ein Akt der Solidarität mit den Opfern, für die Umwelt und die armen Opfer dieser schrecklichen Jahrhundertflutkatastrophe.

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder, der die Bilder aus Passau, Dresden und vielen anderen Städten und Dörfern gesehen hat, weiß spätestens heute, mit welch einer Macht Naturkatastrophen hausen. Mitgefühl für die Betroffenen und Nachdenken darüber, ob es auch uns so treffen kann, sind momentan an der Tagesordnung. Ich denke, es sind viele Faktoren, die zusammentreffen: Die Erderwärmung, schlecht erhaltene Deiche und die Begradigung von Flüssen sind hier zu nennen.

Doch warum haben die Grünen dieses Thema in die Aktuelle Stunde eingebracht? Nicht, um ihr Mitgefühl auszudrücken, sondern um sich mit erhobenem Zeigefinger hier hinzustellen getreu dem Motto, wir haben es ja immer schon gesagt. Die Bilanz der rotgrünen Bundesregierung spricht leider eine andere Sprache, denn der nationale Klimaschutz in Deutschland wird vernachlässigt. Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis mehr, dass die CO2Emissionen in Deutschland seit dem letzten Jahr wieder ansteigen, trotz einer Rezession.

Für die Zielsetzung 25 Prozent weniger CO2-Ausstoß fehlt der Bundesregierung jegliche Strategie. Die Bundesregierung will nach ihren Aussagen die Erderwärmung bekämpfen, doch hat sie klimapolitisch nur heiße Luft produziert.

(Zuruf der Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/Die Grünen])

Eine andere Problematik ist der von der rotgrünen Koalition beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie. Dieser stellt nämlich zusätzliche klimapolitische Herausforderungen, denn nicht nur der CO2Ausstoß muss reduziert werden, sondern auch die CO2-neutrale Kernenergie muss man durch klimafreundliche Energien ersetzen. Überzeugende Konzepte hierzu liegen nicht vor. So fehlt es an einem abgestimmten, langfristig angelegten Energiekonzept der Regierung. Oder glaubt hier irgendjemand, dass Verbrennen von Kohle weniger CO2 ausstößt als ein Kernkraftwerk?

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ziel muss es meines Erachtens sein, Klimaschutz und Wirtschaftswachstum in Einklang zu bringen. Bayern macht uns das vor: hohes Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit und ein um 30 Prozent niedrigerer CO2-Ausstoß pro Kopf! Genau das ist das Beispiel dafür, dass Klimaschutz in der Union erfolgreich ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch wenn die Schäden im Vergleich zum Elbehochwasser hier in Bre

men eher gering ausgefallen sind, so müssen wir uns hier in Bremen aber auch Gedanken um unseren eigenen Hochwasserschutz machen, denn zirka 1750 Hektar überflutete Fläche in Borgfeld, Timmersloh und Oberneuland mit einem Schaden von geschätzten 800 000 Euro auf zirka 35 betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben sind auch für unsere Region extrem. Wie sieht die derzeitige Situation auf den Höfen aus? Die Tiere sind aufgestallt worden, sie fressen das Winterfutter, das schon eingefahren worden ist. Die Ernte von Gras kann zu zwei Dritteln nicht eingefahren werden, die Maisernte fällt komplett aus. Die Gülle- und Mistlager sind voll und können auch nicht auf das Feld gebracht werden. Des Weiteren ist die Grasnarbe kaputt, sie muss neu angesät werden. Das alles sind schlimme Sachen, bei denen wir uns auch Unterstützung für die Landwirte erhoffen. Ich freue mich, dass das Wirtschaftsressort das so positiv begleitet, und gestern sind auch schon erste konkrete Maßnahmen auf der Beiratssitzung in Borgfeld vorgeschlagen worden, die wir dann auch, hoffe ich, umsetzen werden.

(Beifall bei der CDU)

Doch nicht nur Landwirte, sondern auch Anwohner sind betroffen. Sie haben Angst, dass bei länger stehendem Wasser die Deiche von unten her aufweichen und so nicht mehr die Sicherheit für ihre Häuser gewährleisten, von dem über Wochen anhaltenden penetranten Gestank einmal ganz abgesehen. Doch woran liegt es jetzt? Staustufen mit Rückstauklappen sind zugunsten des Fischzuges entfernt worden. Gräben zur Entwässerung sind teilweise zugeschüttet, und einen Sommerdeich in Oberneuland hat man gar nicht fertig gestellt. So ist ein seit Generationen bewährtes Wassersystem verändert worden, wie mir viele ältere Menschen berichteten. Dass es diese Überflutungen bei solchen Niederschlägen gibt, ist ja nachvollziehbar, doch das Wasser muss weg können, das ist die Hauptsache. Dann kommt noch das andere Problem mit der Versandung der Wümme zwischen Kuhsiel und Borgfelder Landhaus. Früher wurde hier ausgebaggert und der Sand im Blockland abgelagert. Die letzte Ausbaggerung im Jahr 1999 hatte aber nur kurzzeitigen Erfolg, weil der Sand in tieferen Wümmeabschnitten verklappt wurde mit dem Erfolg, dass es wieder neue Sandbänke an anderen Stellen gab. Wenn es einen Engpass in der Wümme gibt und alles dafür spricht, dass sich hier neuerdings das Wasser zu sehr aufstaut, müssen hier auch Maßnahmen getroffen werden, um eine Änderung herbeizuführen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gutachten, das jetzt in Auftrag gegeben wird, zu diesem Ergebnis kommt.

Des Weiteren muss der Bewuchs an der Wümme nicht nur nach naturschutzfachlichen, sondern auch nach wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten entfernt werden. Auf Naturschutzflächen, die zur Überflutung vorgesehen sind, muss endlich einmal im Jahr der Aufwuchs abgetragen werden, damit sich diese Flächen nicht weiter erhöhen. Alles in allem darf kein jahrelanges Gezerre um Gutachten entstehen, genauso wie es endlich kein Kompetenzgerangel mehr um Zuständigkeiten länderübergreifend geben darf. Die Menschen vor Ort erwarten von uns vor allem, dass wir uns für sie einsetzen, denn Bremen darf nicht das Flussdelta für andere Gebiete werden, sondern das Wasser muss auch hier weg können. Versäumnisse aus der Vergangenheit müssen endlich aufgearbeitet werden.

Frau Wischer, Sie sehen, es gibt viel zu tun. Ich hoffe, Sie packen es an! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn vor zwei Monaten irgendjemand in dieser Republik die Katastrophe prognostiziert hätte, mit der wir es heute zu tun haben, der wäre im besten Fall ausgelacht worden, im schlimmsten Fall wäre er als Ökospinner oder so etwas gebrandmarkt worden. Heute, hoffe ich, sind wir klüger und versuchen noch einmal konsequent und ernsthaft, die Situation zu erfassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn ich höre, was Herr Imhoff hier gesagt hat, kann man nur dazu kommen, er hat überhaupt nicht begriffen, was da abgelaufen ist. Wir haben es mit einer gigantischen Katastrophe zu tun, die durch eine Klimaerwärmung verursacht ist, die langfristig wirkt, also immer wieder solche Katastrophen hervorbringen wird. Das ist erstmals Realität geworden.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Es gibt auch Leute, die das anders sehen!)

Das bedeutet, dass wir doch einmal darüber nachdenken müssen, machen wir alles richtig.

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Schuster´sche Wahlkampfrede!)

Ich werde dazu gleich mehr sagen. Ich glaube, es ist offensichtlich, dass wir deutlich mehr Anstrengungen im Klimaschutz und im Umweltschutz brauchen, als wir uns bisher haben träumen lassen. Es

ist auch ökonomisch billiger, weil Sie von der CDU das immer gern hören. Diese Milliarden, die das jetzt kostet, sind ein deutlicher Beweis dafür, dass unterlassener Umweltschutz deutlich mehr kostet als realisierter Umweltschutz.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Zweifel, ob die CDU richtig reagiert, kann man schon bei den kurzfristigen Maßnahmen haben. Es ist ein peinliches Trauerspiel, wie die Opposition im Bundestag meint, auf die Art und Weise, wie man jetzt wenigstens erst einmal eine kurzfristige Finanzierung anbietet – die Gelder, die da jetzt freigestellt werden, werden ja gar nicht ausreichen –, reagieren zu müssen und dann kommt gleich: So und so geht es nicht!

(Abg. F o c k e [CDU]: Kommen Sie doch einmal zum Thema zurück!)

Ja, wir sind beim Klima- und Umweltschutz! Das haben Sie noch nie begriffen, Herr Focke!

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, und das finde ich an dem Beitrag von Karin Mathes nicht ganz schön, es ist sehr leicht zu sagen, wir haben das schon immer gewusst. Es gibt viele Hinweise, es ist nicht vom Himmel gefallen, und es gibt genug Leute, die vor der Situation gewarnt haben. Ich glaube, wir müssen aber in der Tat sehr ordentlich prüfen, welche Maßnahmen realistisch sind, und da vor allen Dingen auch bei uns in Bremen anfangen. Es ist wichtig, bevor man leichtfertig nach Ausbaggern ruft, weil das Wasser schneller abfließen kann, sich auch klar zu machen, dass die Erde keine Scheibe ist. Das Wasser ist danach nicht weg, sondern es kommt irgendwann wieder zurück. Auch wenn man es erst einmal schnell durchfließen lässt, es fließt nirgendwo herunter.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern müssen wir darüber nachdenken, wie können wir Flusssysteme insgesamt so entwickeln, dass wir einen Hochwasserschutz gewährleisten. Da muss man sich auch Fragen gefallen lassen, die wir bisher ignoriert haben. Zum Beispiel müssen wir nämlich auch Besiedlungsgebiete sorgsamer planen und nicht immer leichtfertig fordern: Hollerland, Niedervieland, die machen wir auf jeden Fall platt, weil wir sie angeblich ökonomisch brauchen! Das sind Fragen, über die wir nachdenken müssen, wie schaffen wir es, dass, wenn Überschwemmungskatastrophen kommen, die Gewässer auch dort bleiben, wo sie relativ unschädlich sind.

Ein weiterer Punkt, über den wir nachdenken müssen, ist die Frage Klimaschutz. Ich habe daher auch wenig Verständnis dafür, wie jetzt gerade wieder die Ökosteuer behandelt wurde. Es ist zwar die Tradition der CDU, dass sie hier vor anderthalb Jahren vier Mal die Sau durchs Dorf getrieben hat,

(Widerspruch bei der CDU – Abg. T e i - s e r [CDU]: Mit der Rentenversicherung können Sie kein Hochwasser bekämpfen!)

aber eine Ökosteuer ist zumindest ein erster Anreiz dafür, dass überhaupt ökologische Kriterien in wirtschaftliches Handeln eingehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Wo haben Sie das Geld denn gelassen? – Starke Un- ruhe und Zurufe)

Deswegen sagt ja auch Ihr Kollege Klaus Töpfer, dass diese Ökosteuer unbedingt beibehalten werden soll. Man kann sie verbessern. Darüber können wir gern reden. Wir können sie gern verbessern. Darüber können wir gern nachdenken, dazu bin ich bereit.

(Anhaltende Unruhe – Abg. H e r d e r - h o r s t [CDU]: Dummes Gewäsch ist das! – Zuruf des Abg. T e i s e r [CDU] – Glocke)