Protokoll der Sitzung vom 21.08.2002

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Ach so, Sie wollten über die Hartz-Kommission disku- tieren, gar nicht über die Jugendlichen, das habe ich jetzt mitbekommen! – Unruhe bei der SPD)

Frau Dreyer, es geht um die Zukunft der jungen Leute, und da hat die Hartz-Kommission, wie ich finde, gute Vorschläge gemacht! Die kann man sich doch wohl ansehen und prüfen und übernehmen, wenn sie dann zielführend sind!

(Zuruf von der SPD: Darf Frau Dreyer nicht mehr reden?)

Wir müssen uns insbesondere auch um die Jugendlichen kümmern, die unter 25 Jahre sind und jetzt verstärkt leider wieder arbeitslos sind, weil sie von den Arbeitgebern nicht übernommen werden.

Da müssen wir mit dem Arbeitsamt reden, ob wir Maßnahmen, Fördermöglichkeiten für die Betriebe entwickeln können, dass wir die Jugendlichen wenigstens in den Betrieben halten können.

Insgesamt gibt es eine Latte von Aufgaben. Es geht um die Zukunft unserer jungen Menschen. Es geht darum, dass wir ihnen Perspektiven bieten, es geht darum, dass wir ihnen konkrete Angebote machen. Ich bin mir sicher, dass die Wirtschaft uns dabei unterstützt. Ich führe jedenfalls sehr positive Gespräche und bin sicher, dass die Wirtschaft auch erkennt, dass es um ihre eigene Zukunft geht und nicht nur um die Zukunft der Jugendlichen. Beides zusammen, hoffe ich, bringt uns dahin, dass wir noch eine Zahl von zusätzlichen Ausbildungsplätzen gewinnen können. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Bürgermeister Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es in den letzten Jahren weitgehend geschafft, junge Menschen in Ausbildungsplätze zu bringen, überwiegend in Unternehmen und zum Teil, wo es nicht gereicht hat, in überbetriebliche Ausbildung.

Wenn das in diesem Jahr schwieriger wird, dann, mit Verlaub, muss es möglich sein, auch über die Ursachen zu reden. Ich kann doch nun nicht im Ernst so tun, als hätte die dramatisch angestiegene Insolvenzquote, als hätte die angestiegene Arbeitslosenquote, als hätte der Sachverhalt, dass wir zurzeit eine große Zahl mittelständischer Unternehmer haben, die im Grunde genommen ganz kurz vor der Insolvenz stehen und sich überlegen, wie sie mit einer viel zu niedrigen Kapitalquote über dieses Jahr und vielleicht über das nächste Jahr kommen, damit nichts zu tun.

(Unruhe bei der SPD)

Weil das so ist, ist es doch mit dem platten Appell an die eine oder andere Gruppe nicht getan. Das heißt, wir müssen mit den Unternehmen reden, die helfen können und denen wir das auch zumuten können und bei denen wir auch möglicherweise mit freundlichem Druck helfen.

Nun, nur der Fairness halber: Ich habe nicht die Absicht, hier irgendeine Parteirede zu halten und würde das auch anderen nicht unbedingt empfehlen.

(Unruhe bei der SPD)

Nun hören Sie doch einmal auf dazwischenzuquatschen! Wenn das denn so ist, dann müssen wir doch auch begreifen, dass gerade die große Zahl der Handwerksbetriebe und der mittelständischen Un

ternehmen in der Vergangenheit vorrangig der Garant waren, dass wir Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt untergebracht haben. Nun stellen wir fest, dass exakt in dieser Zielgruppe die Probleme größer werden.

Ich stehe auch gar nicht an zu sagen, dass die großen Kapitalgesellschaften, dass die großen Konzernunternehmen im Verhältnis zur Zahl ihrer Beschäftigten zu wenig ausbilden. Das haben sie auch in den vergangenen Jahren getan. Das ist so, und deshalb muss man darüber auch gemeinsam reden, und wenn wir streiten müssen! Wir haben in den Möglichkeiten der öffentlichen Hand in diesem Jahr über 710 Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt in einer Situation als Haushaltsnotlageland, um im Grunde gegen die Konjunktur zu steuern und gegen die schwierige Marktlage, die wir zurzeit haben. Ich will überhaupt nicht darüber räsonieren. Es weiß jeder, wer dafür die Verantwortung trägt.

Die Frage, vor der wir heute stehen, und das ist in der Tat so: Ich hoffe, dass wir als Ergebnis der PisaUntersuchung gemeinsam zu Ergebnissen kommen, die Lösungen auf den Tisch legen, wie wir in der Zukunft stärker als bisher verhindern, dass wir so viele junge Menschen ohne Schulabschluss haben, die dann natürlich auch nicht ausbildungsfähig sind. Aber auch von denen, die einen haben, sagen uns viele Unternehmen, dass sie nicht wirklich ausbildungsfähig sind. Daran muss hart gearbeitet werden! Hier, genau an dieser Stelle liegt das eine Segment der Pisa-Problematik, und das andere Segment liegt bei der Förderung der Hochbegabten. Wenn wir diese beiden Dinge berücksichtigen, dann werden wir wieder einen Schritt weiterkommen.

Was ich nicht möchte und was der Senat nicht wollen kann: Wir können nicht die Mittelständler beschimpfen, die in der Vergangenheit die Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben und im Moment im Druck sind.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Wir können auch nicht dauernd über Patentrezepte reden. Was wir tun können, ist, unsere Möglichkeiten der Ausbildung auszureizen. Wir müssen am Ende sehen, was wir noch überbetrieblich möglicherweise über das hinaus tun können, was wir bereits getan haben, und wir müssen alle gemeinsam, und da gebe ich allen Recht, die das gesagt haben, unsere Kontakte nutzen, um intensiv anzuregen, wo man es kann, gerade in einer Rezession, mehr auszubilden. Dies wird nicht einfach durchzusetzen sein, gerade deshalb braucht man hierfür Solidarität. Ich danke allen, den Kammern, den Gewerkschaften und allen, die auf diesem Feld der Ehre arbeiten.

Wir werden unsere Schularbeiten bei Pisa machen müssen. Ich glaube, dass wir unsere Schularbeiten in der überbetrieblichen Ausbildung immer gemacht haben. Insofern glaube ich auch, dass wir uns nicht

in der Illusion bewegen sollten, dass eine solche Rezession, wie wir sie in diesem Jahr haben, an den Ausbildungsplätzen spurlos vorübergeht.

Sie geht auch an vielen anderen nicht spurlos vorüber, das sehen wir an den Zahlen der Arbeitslosen und an den Zahlen der Insolvenzen. Wir müssen da versuchen, so viel wie möglich gegenanzurudern, und das müssen wir gemeinsam tun, darum bitte ich sehr. Ich bin auch nicht nur pessimistisch, denn der Pessimismus allein bewegt auch nichts und wirbt auch nicht, sondern wir müssen mit denen, die es noch können, positiv reden. Wir müssen denen auch immer wieder deutlich machen, was sie damit an Gemeinsinn entwickeln, wenn sie es tun.

Wir müssen das auch deutlich nach draußen sagen. Deshalb sollten wir das nicht gegeneinander ausspielen und auch nicht die Parteien in dieser Frage gegeneinander ausspielen, weil wir in der Tat noch einiges bis Ende September tun können, und dieses Einige sollten wir auch einig tun.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen jetzt mitteilen, der Senat hat die Redezeit um sechs Minuten überschritten, so dass jeder Fraktion weitere sechs Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Wird davon Gebrauch gemacht? – Das ist nicht der Fall.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aktuelle Stunde ist geschlossen.

Bremer Beteiligung an EU-geförderten Forschungsprojekten

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 30. Mai 2002 (Drucksache 15/1161)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 13. August 2002

(Drucksache 15/1209)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Möchten Sie die Antwort auf die Große Anfrage mündlich wiederholen?

(Senator L e m k e : Nein!)

Das ist nicht der Fall. Vielen Dank!

Es soll in eine Aussprache eingetreten werden, davon gehe ich aus.

Damit ist die Aussprache eröffnet.

Das Wort erhält Frau Jamnig-Stellmach.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren über die Beteiligung Bremens an EU-geförderten Forschungsprojekten. In der Antwort des Senats wird darauf hingewiesen, dass viele Fragen ja schon in unserer Kleinen Anfrage gestellt wurden. Ich kann dazu nur sagen, ich bin froh, dass ich diese Fragen noch einmal gestellt habe, denn im Unterschied zur Kleinen Anfrage gibt es immerhin jetzt in der Antwort zur Großen Anfrage etwas Bewegung.

Was sind die Forschungsrahmenprogramme? Die EU legt Prioritäten und finanziellen Umfang ihrer Forschungsförderung mit Hilfe von fünfjährigen Forschungsrahmenprogrammen fest. Das Ziel der EUForschungspolitik besteht darin, den wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie in der Gemeinschaft Unterstützung zu gewähren, und konzentriert sich damit auf den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Im Unterschied zu den früheren Rahmenprogrammen soll das sechste Forschungsrahmenprogramm dazu beitragen, einen speziellen europäischen Forschungsraum zu entwickeln. Das soll nach dem Vorbild des Binnenmarktes oder des Euro geschehen, das heißt, es ist beabsichtigt, eine umfassende Integration von Forschung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zu entwickeln. Dieses Ziel lässt sich die EU-Kommission 17 Milliarden Euro kosten.

Die Forschungsfelder hat die Antwort des Senats noch einmal aufgelistet. Es geht um Genomik und Biotechnologie, um Nanotechnologien und Produktionsverfahren, Luft- und Raumfahrt, Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Entwicklung und modernes Regieren in einer Wissensgesellschaft. Wenn man dann vergleicht, welche Forschungsbereiche hier in Bremen unterstützt werden, dann heißt das, wir haben eine gute Chance, dort beteiligt zu sein. In diesen Forschungsfeldern können insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen ihre Forschungskompetenz und auch ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. 15 Prozent des Haushaltes im sechsten Forschungsrahmenprogramm sind vorgesehen für kleine und mittlere Unternehmen, das heißt, etwa zwei Milliarden Euro können direkt an KMU ausgezahlt werden. Für Bremen ist jetzt die Frage, ob das vorhandene Know-how in bremischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen ausreichend genutzt wird, um in diesen Bereichen erfolgreich mitzuarbeiten. Die nächste Frage ist, wie wir das sechste Forschungsrahmenprogramm nutzen können, um durch Technologietransfer Arbeitsplätze zu schaffen und um den Bremer Standort zu profilieren. Ganz klar ist dabei, dass wir unsere kleinen innovativen Unter––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nehmen unterstützen müssen, um den Prozess von der Idee zum Produkt zu beschleunigen.

Im Detail: Wir brauchen eine Datenbasis, um überhaupt steuern zu können. Wir wissen nicht, wie viele Mittel tatsächlich aus dem fünften Rahmenprogramm nach Bremen geflossen sind. Wir wissen nicht, wer sich erfolgreich mit welchem Projekt beteiligt hat. Wir wissen das weder bei den Unternehmen noch bei den Forschungseinrichtungen. Es gibt eine systematische Erfassung von Daten über EU-Förderanträge und -mittel weder beim Senator für Wissenschaft noch bei Wirtschaft. Dabei gibt es eine ganze Menge Daten, die schon gesammelt wurden, beispielsweise in den soeben vorgelegten Kontrakten mit den Forschungseinrichtungen. Die Universität weigert sich bis heute, solche Daten zu veröffentlichen, dabei wäre Transparenz sicherlich eine Möglichkeit der Werbung für diese Projekte. Wenn zum Beispiel der Umweltbereich erfolgreich Mittel aus EU-Förderprogrammen einwirbt, wird es für andere Bereiche ein Ansatz sein, wenn sie das sehen, bei der nächsten Antragsrunde auch erfolgreich sein zu wollen.

Zu den Finanzen: Drittmitteleinwerbung! Wir hören immer wieder, wie gut Bremer Einrichtungen in der Einwerbung von Drittmitteln sind. Fünf Prozent der Forschungsmittel in Europa insgesamt werden aus EU-Mitteln gespeist. In Bremen sind es etwa zehn Prozent, die aus EU-Mitteln kommen, aber alle Hochschulen und Forschungseinrichtungen gehen davon aus, dass diese Drittmittelzuwendungen zurückgehen werden. Warum wohl? Die Beteiligung wird einfach größer. Das hat Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation des wissenschaftlichen Personals. Das hat Auswirkungen auf weniger Output an qualifizierten Mitarbeitern für die Wirtschaft. Es gibt weniger Personaltransfer, und damit verringern sich auch die Chancen zu Spin-offs. Das heißt, es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass weniger Unternehmungsgründungen durch neue Wissenschaftler und junge Unternehmer erfolgen.

Das heißt, wir müssen schauen, wie wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, Mittel nach Bremen zu holen und natürlich damit auch den Haushalt zu entlasten. Kooperationen und Mitarbeit in Netzwerken sind das neue Mittel der Wahl, das die EU-Kommission als das neue Instrument propagiert. Wenn wir diesen Einstieg nicht schaffen, werden die Bremer Forschungseinrichtungen ihrer Aufgabe, Knowhow-Transfer zu organisieren, nicht mehr gerecht.

Dass es geht, zeigt das IRC. Dem Innovation Relay Center ist es gelungen, erfolgreich für die Expressions of interests im sechsten Rahmenprogramm zu werben und Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu begründen. Das ist ein positives Signal aus Bremen, das in Brüssel wahrgenommen wurde.

Das erste Ergebnis für diese Bemühungen ist, dass das IRC bis 2004 wieder von der EU gefördert wird.