Ein weiterer Punkt ist die Gesundheitsprävention und -fürsorge. Hier können wir auch in Bremen Beispiele aufzeigen, wie wir zum Beispiel im Schulbereich die Prävention durchführen wollen. Prävention und Arbeitsschutz bilden einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Finanzen in der Krankenversicherung.
Der Risikostrukturausgleich soll zielgerichteter ausgestaltet werden. Jetzt werden nur Gesunde aufgenommen, später sollen chronisch Kranke berücksichtigt werden. Das wurde zunächst einmal von der Kassenärztlichen Vereinigung abgelehnt. Ich denke aber, dass dies der einzige Weg ist, um chronisch Kranke besser zu versorgen.
Die Qualität der Ausbildung im Pflegebereich haben wir durch neue Ausbildungsverordnungen verbessert. Die Motivation und gesellschaftliche Anerkennung des Pflegepersonals sind ebenfalls über Weiterbildung und finanzielle Anerkennung zu stärken. Da ist es nur logisch, dass wir die Nachtarbeitsund Feiertagszuschläge nicht besteuern wollen.
Sie sollen Ausnahmetatbestand im Steuerrecht bleiben. Die Konsequenzen, was Sie vorhin aus dem Gerichtsurteil des EuGH zu den Bereitschaftsdiensten angesprochen haben, werden bereits überprüft. In zwölf Krankenhäusern werden Arbeitszeitmodelle erprobt und ausgewertet!
Doch nun zur Solidarität im Gesundheitsbereich! Solidarität ist ein Grundprinzip der sozialstaatlichen Tradition in unserem Land. Sie fördert die ökonomische Dynamik, sie ist die Basis für Risikobereitschaft. Der Gesundheitsbereich beläuft sich auf zirka zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sind 250 Milliarden Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit 6,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt beteiligt. Dies hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Die Kostenexplosion ist ein Mythos, ein Pro
blem sind allerdings die gestiegenen Beitragssätze. 8,2 Prozent in 1970, heute sind wir bei rund 14 Prozent. Das ist kein – –.
(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Das war Ihre Beitragserhöhung, die letzte! Nicht verges- sen zu sagen!)
Ja, das ist ein Problem! Das ist allerdings nicht allein Resultat von der Kostenseite her, sondern wurde hauptsächlich durch die gesunkene Lohnquote hervorgerufen. Beispiele sind eben die 630-DM-Jobs
von damals, die Abwanderung von jungen Leuten und eben auch die Arbeitslosigkeit. Aber die war bekanntlich in der Zeit der Regierung Kohl auch über vier Millionen.
(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Aber Schrö- der hat gesagt, er senkt sie auf 3,5 Millio- nen! – Unruhe bei der SPD)
(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir haben aber auch noch keinen Winter, Herr Brumma! Der Winter kommt noch!)
Es ist deshalb eine faire und gerechte Finanzierung zur Beitragsstabilität notwendig. Zuzahlungen sind unsolidarisch, sie treffen vor allen Dingen die Kranken. Ich bin für eine Verbreiterung der Versicherungspflicht, auch für eine Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze, wie es in der Schweiz üblich ist. Hier zahlen alle ein. Wir bleiben dabei: Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin, wir wollen auch weiterhin eine paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Wir wollen keinen Selbstbehalt bis zu 500 Euro im Jahr, wir wollen die Risiken einer Unterversicherung nicht dem Steuerzahler aufbürden. Wir wollen die Solidarität zwischen Kranken und Gesunden erhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich sollte hier heute in der Bremischen Bürgerschaft die Große Anfrage der CDU und der SPD mit dem Titel „Gesundheitspolitik des Bundes und die Auswirkungen im Land Bremen“ debattiert werden. Doch die zu debattierende Antwort ist noch nicht da, und warum nicht? Weil die CDU einmal wieder unzufrieden mit der Antwort war!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Genauso ist es!)
Trotzdem und auch ohne Senatsantwort will die CDU hier debattieren. Nun gut, der Verdacht liegt natürlich nahe, dass es der CDU nicht allein um eine bremische Sache geht, sondern hier vielmehr der Versuch gemacht werden soll, diese Sache als Wahlkampfthema zu nutzen, meine Damen und Herren.
Auf die Ausführungen meiner Kollegin Frau Dreyer werde ich nachher noch gezielt eingehen. Doch zuvor müssen wir uns einige Grundlagen schaffen, um Unterschiede und Deckungsgleichheiten offen zu legen. Leere Wahlkampfslogans bringen uns hier nicht in die Zukunft, meine Damen und Herren!
Was sind also die Fakten? Die Gesundheitsreform 2000 ist in wesentlichen Teilen verhindert worden, nicht zu vergessen, dass es die unionsgeführten Länder waren, die ihre Zustimmung im Bundesrat verweigert haben, obwohl allen klar war, dass nur eine grundlegende Reform unser Gesundheitssystem zukunftsfähig macht und eine qualitativ hohe nötige Versorgung sicherstellt, meine Damen und Herren. Eine grundlegende Reform war und ist immer noch von höchster Priorität.
Ich finde es besonders keck, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm behauptet, sie hätte der rotgrünen Regierung ein geordnetes Gesundheitssystem übergeben!
Da habe ich mir natürlich überlegt: Wie soll ich das einordnen? Entweder leiden die Wahlprogrammschreiber der CDU unter Gedächtnisschwund oder sie haben einen absurden Ordnungssinn. Zu der Erkenntnis bin ich gekommen.
Was haben wir nach 16 Jahren Kohl-Regierung vorgefunden? Das Gesundheitssystem wurde vorrangig unter dem Aspekt Beitragsstabilität betrachtet, ein wichtiger Aspekt, aber nur unter diesem! Eine untergeordnete Rolle spielten die Versorgungsqualität, die Prävention, Gesundheitsziele und die Gesundheit der Bevölkerungsgruppen. Ein sehr einseitig geordnetes Gesundheitssystem!
Das wird besonders deutlich, meine Damen und Herren, im internationalen Vergleich. Nach einer Studie der OECD nimmt Deutschland hinter den USA und der Schweiz den dritten Platz für die Pro-KopfGesundheitsausgaben ein. Betrachtet man dagegen den Gesundheitszustand der Bevölkerung, dann schneidet Deutschland nur sehr unterdurchschnittlich ab.
Verstärkt wird diese Feststellung durch das Gutachten des Sachverständigenrates. Hier wird deutlich, dass wir in einigen Bereichen eine Unter-, eine Über- und eine Fehlversorgung haben. Um diesen Missstand zu beseitigen, sind von der rotgrünen Regierung verschiedene Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht worden, zum Beispiel die integrierte Versorgung. Diese integrierte Versorgung macht es möglich, dass sich Ärzte, Physiotherapeuten, Krankenhäuser und andere Anbieter von Gesundheitsleistungen zusammenschließen, um mit den Krankenkassen gemeinschaftliche Verträge auszuhandeln. Ziel ist es, eine bessere Vernetzung und Kooperation zu erreichen. Auch könnte dadurch eine Reduzierung der Kosten für die Kassen realisiert werden. Dadurch wird eine Optimierung der Versorgung erreicht. Ebenso werden die unnötigen Doppeluntersuchungen verhindert, und der Übergang von stationärer Pflege in die ambulante Pflege wird verbessert.
Patientinnen und Patienten, die aus Krankenhäusern entlassen werden, erleben es häufig, dass der Übergang zur nachfolgenden Behandlung schlecht organisiert ist. Sie haben oft keinen Ansprechpartner, der sie darüber informiert, was als Nächstes nötig ist. Sie müssen oft viele vergebliche Wege gehen, bis sie schließlich alles herausgefunden haben, was für sie geregelt werden muss. Für sie ist diese integrierte Versorgung ein gutes Angebot.
Besonders wichtig ist die integrierte Versorgung auch vor dem Hintergrund der zukünftigen Fallpauschalen für die Krankenhäuser, denn noch immer gibt es eine unzureichende Zusammenarbeit zwi
schen dem ambulanten und dem stationären Sektor. Das liegt zum Teil daran, dass diese Bereiche dieser Versorgung sich leider immer noch als Konkurrenten sehen. Hier muss das System so umgestaltet werden, dass sich Kooperation für die Beteiligten mehr lohnt und dass gegenseitige Abschottung und missverstandene Konkurrenz nicht mehr entsteht. Hier müssen die Patienten im Mittelpunkt stehen und nicht die Leistungsanbieter! Das möchten wir.
Die rechtlichen Vorraussetzungen für die integrierte Versorgung sind seit Jahren geschaffen. In der Realität sind nur wenige von diesen Kooperationsformen entstanden. Hier haben die Organe der Selbstverwaltung, wie die KV, wenig dazu beigetragen, diese Versorgungsform zu etablieren.
Doch verlassen wir die integrative Versorgung und kommen wir zur Prävention! Rotgrün hat die Prävention als wichtigen Baustein in der Gesundheitsversorgung wieder zur Regelaufgabe der Krankenkassen gemacht.
Hier wurde es schon gesagt: Als Horst Seehofer noch Gesundheitsminister war, hat er die Prävention als Leistung der Krankenkassen diffamiert und verboten. Rotgrün hat richtigerweise umgehend die Prävention wieder eingeführt, denn für uns sind die Förderung der Gesundheit und Prävention integrale Bestandteile einer ganzheitlichen Gesundheitspolitik, meine Damen und Herren.
Selbstverständlich müssen auch an die Gesundheitsförderung Qualitätsmaßstäbe angelegt werden. Nun hat plötzlich auch die CDU die Prävention erkannt und weiß, wie wichtig sie ist. Dazu kann ich nur sagen: Willkommen in der Gegenwart! Die CDU hat im Mai dieses Jahres einen Antrag in den Bundestag eingebracht mit dem Titel „Prävention umfassend stärken“. Das hört sich vordergründig erst einmal nicht schlecht an. Doch liest man den Antrag weiter, heißt es, es soll ein durchgängiges Anreizsystem in der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen werden. Dieses Anreizsystem soll gesundheitsbewusstes Verhalten finanziell belohnen, etwa durch Verminderung von Zuzahlungen oder Ermäßigung des Beitragssatzes oder Beitragsrückgewährung.
Meine Damen und Herren, in der Pädagogik von vorgestern heißt so etwas Bonbonpädagogik. Hier wird die Prävention absolut verkürzt als individuelle Sache eines Einzelnen. Völlig ausgeblendet wird hier, dass es für eine vorausschauende Gesundheitspolitik wichtig ist, dass Prävention auch dazu beitragen muss, dass Anteile an den so genannten Volkskrankheiten vermindert werden müssen, dass auch spezielle Gruppen, wie Kinder, erreicht werden müssen, dass krank machende Faktoren verhindert und verringert werden müssen.
Mit individueller Bonbonpädagogik erreichen Sie keine Veränderungen bei Umweltbelastung, bei gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz. Das werden Sie damit nicht schaffen! Krankheitsauslöser, die individuell nur schwer zu beeinflussen sind, kann man auch nicht vermeiden.
Die rotgrüne Bundesregierung hat deshalb das Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ erarbeitet. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese Therapie umwelt- und schadstoffbedingter Krankheiten einen adäquaten Platz in der gesundheitlichen Versorgung bekommt.