Winfried Brumma
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das heutige Thema hat an Aktualität gewonnen, zumal heute in der Zeitung zwei Dinge angeführt werden, die genau in den Bereich der europäischen Gesundheitspolitik eingreifen. Das wäre zum einen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass es jetzt auch möglich ist, sich ambulant im europäischen Ausland behandeln zu lassen. Des Weiteren ist das SARS-Problem immer noch ein großes Problem, was auch als globale Epidemie inzwischen benannt wird, denn in 31 Ländern ist diese Krankheit bisher ausgebrochen, das heißt, sie wirkt sich sogar auf das globale Wirtschaftswachstum, den Tourismus und den Flugverkehr aus. In diesem Sinne kann man nur sagen, gegen diese Bedrohung kann nur international und vernetzt agiert werden.
Hier zeigt sich am praktischen Beispiel, wie gegen globale Krankheiten, aber auch für die Lebensmittelsicherheit in Europa noch mehr getan werden muss und es erforderlich ist, hier noch genügend Schritte in die Zukunft zu tun.
Der Gesundheitsbereich ist seit zwei Jahren in der EU-Diskussion ein zentraler Baustein. Auf der Regierungschefkonferenz in Lissabon vor zwei Jahren wurde die Integration der sozialen Märkte eingeleitet. Hierbei sollen zukünftig Leitlinien vorgegeben und jährlich überprüft werden. Sie haben zwar keinen Gesetzgebungscharakter, wecken aber immerhin neue Begehrlichkeiten. Es gibt eine immer deutlicher werdende Diskussion, ob die Sozial- und Gesundheitssysteme auch angesichts der EU-Erweite
rung weiter angeglichen oder harmonisiert werden müssen.
Der Bereich der Daseinsvorsorge wird ebenfalls von der Liberalisierung angeknabbert, denn bereits jetzt werden von der Kommission Leitlinien für staatliche Beihilfen im Rahmen der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erarbeitet. Dieser Punkt, wollte ich nur einmal benennen, spielte auch eine Rolle bei der Umwandlung unserer Krankenhäuser. Also, diese staatlichen Beihilfen waren mit ein Bestandteil, dass wir in Richtung gGmbH gingen.
Wie gesagt, auf europäischer Ebene spielt die Gesundheitspolitik eine immer größere Rolle. Bereits jetzt sind die Zulassung und der Handel mit Medizinprodukten von der EU abhängig, auch die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen von medizinischen Berufen und die Arbeitszeit bei den Ärzten. Wir haben in der letzten Deputationssitzung ein Modellprojekt verabschiedet, in dem Modellvorhaben für den Bereitschaftsdienst im Lande Bremen durchgeführt werden sollen. Auch gibt es im Bereich der Krankheitskosten seit 30 Jahren Regelungen für die EU-Staaten. Allerdings bleiben trotz dieser Regelungen weiterhin die Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme im nationalen Bereich und in der nationalen Kompetenz angesiedelt.
Die Gesundheitsminister der EU haben in Malaga vier zentrale Bereiche zur verstärkten Zusammenarbeit auf EU-Ebene definiert. Einmal war das der Abbau von Wartelisten, Sie kennen ja das Problem, in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern gibt es umfangreiche Wartelisten für Operationen. Dann der weitere Punkt, man soll in EU-Ländern Referenzzentren schaffen und Schwerpunktkliniken für bestimmte Krankheiten bilden. Auch spielte die Diskussion über eine intensivere Zusammenarbeit in den Grenzregionen eine große Rolle. Alles wurde aber innerhalb des Rahmenziels mehr Wettbewerb bei Beibehaltung der Solidarität und Verbesserung der Qualität behandelt. Ferner spielte bei der Diskussion die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die immer leistungsfähigere, aber auch teurere Medizin eine große Rolle.
Diesem ganzen europäischen Diskussionsprozess haben wir hier im Lande Bremen inzwischen Rechnung getragen, wenn man den aktuellen Landeskrankenhausplan sieht. Wir wollen Schwerpunktmedizin betreiben an unseren Krankenhäusern, wir wollen aber auch die Gesundheitszentren und so weiter vernetzen, auch die Krankenhäuser mit ihren umliegende Reha-Einrichtungen.
Meine Damen und Herren, eine Harmonisierung der Systeme ist nicht möglich, da fast alle Mitgliedsstaaten ein staatliches Gesundheitssystem entwikkelt haben, und da schneidet sich die Problematik. Bestehende Mängel der nationalen Gesundheitssysteme müssen demzufolge auch vor Ort im nationa
len Bereich beseitigt werden. Für uns ist Benchmarking und Zusammenarbeit die Lösung für die Zukunft der europäischen und bremischen Gesundheitswirtschaft.
Bei all diesen Forderungen muss der Grundsatz aber immer noch lauten: Die ärztliche Versorgung muss zu jeder Zeit und überall zur Verfügung stehen.
Die Qualität der gesundheitlichen Versorgung muss auch vor Kostenüberlegungen stehen. Im Januar dieses Jahres hat das EU-Parlament ein Aktionsprogramm zur Gesundheit beschlossen. Bis zum Jahre 2008 sollen dabei Inhalte wie Prävention, chronische Krankheiten, Kostendämpfung, Patientenmobilität, Verbesserung der Transparenz, Abbau des Pflegenotstandes, Weiterbildung des Pflegepersonals sowie der Ausbau der Patientenrechte bearbeitet werden.
Das Thema Gesundheit soll mit anderen Politikfeldern wie Beschäftigung, Einkommenswahrung, Wohlfahrt, Wohnung und Bildung verknüpft werden. In diesem Zusammenhang sind wir in Bremen schon dabei, wenn ich die Präventionsprojekte an unseren Schulen sehe, oder auch gestern war wieder eine Veranstaltung zur bremischen Gesundheitswirtschaft im Krankenhaus Links der Weser. Ich glaube, das sind die Bereiche, in denen wir eben andere Politikfelder auch mit dem Thema Gesundheit verknüpfen.
Was uns allerdings in Zukunft fehlen wird für den Bereich Gesundheit, sind öffentliche Investitionen. Die Investitionsquote im Gesundheitsbereich muss im Lande Bremen noch deutlich erhöht werden,
damit unsere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen auch wettbewerbsfähig werden im europäischen Kontext.
Zum Thema Europa und Gesundheit wollte ich erwähnen, dass Bremen und Nordrhein-Westfalen im Juni 2002 einen Antrag zu Grundlinien der europäischen Gesundheitspolitik erarbeitet haben und dieser auch letztlich von der Gesundheitsministerkonferenz verabschiedet wurde. Also, hier spielen wir auch im Konzert der Gesundheitsminister eine Vorreiterrolle, wofür wir unserer Gesundheitssenatorin vor allem danken.
Hier wird noch einmal deutlich, wie weit wir im Lande Bremen sind.
Was die Anfrage angeht, muss man sagen, durch die Kompetenzabgrenzung und die Subsidiarität wird
das Bremer Gesundheitswesen nur mittelbar von den Maßnahmen auf EU-Ebene betroffen. Aber die Leitlinien, die keinen Gesetzescharakter haben, wirken sich auch hier aus. Wenn man heute über ambulante Versorgung im Ausland liest, da trifft es natürlich auch unsere Krankenkassen. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Krankenkassen weniger betroffen sein könnten. Wenn unsere Gesundheitseinrichtungen qualitativ, servicemäßig und im Dienstleistungsangebot an der Spitze stehen, dann kann man durchaus diese Wettbewerbsnachteile ausgleichen. Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen, in der vergangenen Woche wurde das Krankenhaus Links der Weser mit dem KTQ-Zertifikat ausgezeichnet, das heißt, es ist eines der zwölf Krankenhäuser in der Bundesrepublik, die diese Bezeichnung tragen dürfen. Das, denke ich, sind die Dinge, die dazu führen, dass unser Gesundheitswesen vorankommen kann.
Bezogen auf die Erlössteigerung für unsere Krankenhäuser möchte ich nur noch einmal erwähnen, dass auch unsere Krankenhäuser Kontakte zu Großbritannien, zu Norwegen und auch zu Dänemark haben, so dass man unter Umständen zusätzliche Erlöse über freie Kapazitäten noch erzielen kann.
Also, wie gesagt, für uns Sozialdemokraten hier im Lande Bremen ist Gesundheit ein integraler Bestandteil der EU-Politik, denn Gesundheit ist ein Fundament für alle weiteren Arbeitsfelder in der Europäischen Union und auch hier im Lande Bremen. Wir als Fraktion begrüßen deshalb die Aktivitäten, die in dieser Mitteilung des Senats benannt wurden, und wir meinen, wir können durch diese Aktivitäten einen Prozess beginnen, mit dem wir den Wettbewerb auch im europäischen Kontext bestehen können. – Ich danke Ihnen!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie hoch sind die diesjährigen Anmeldezahlen an den neu gegründeten beruflichen Gymnasien in Bremen?
Zweitens: Wie hoch ist dabei der jeweilige Anteil der Realschulabsolventinnen und -absolventen?
Drittens: In welcher Art und Weise werden die Angebote der beruflichen Gymnasien bei der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe berücksichtigt?
Herr Senator, sehen Sie durch diese Ergebnisse die Möglichkeit, die Zahl der Abiturienten, die laut Pisa in Deutschland noch zu gering ist, weiter zu erhöhen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war doch sehr überrascht, was ich so von Frau Dreyer hörte, denn vor vier Wochen hatten wir dieses Thema diskutiert. Ich weiß nicht, hat sie vielleicht die Rede heute verwechselt?
Aber vor vier Wochen hatten wir schon das Gleiche besprochen, und sie sagte, wir hatten keine Antwort vom Senat. Soweit ich weiß, gab es eine Antwort vom Senat, aber mit dieser war sie anscheinend nicht zufrieden, deswegen können wir heute über das Thema nicht genau an den Punkten entlang diskutieren. Ich meine, wir sollten im Krankenhausausschuss und in der Deputation zu diesen Themen diskutieren, denn dort sind wir ja mittendrin. Wir haben die Krankenhausplanung dort schon besprochen, wir haben auch Themen vertieft und Verbesserungen hineingebracht. Ich denke, der Diskussionsprozess läuft. Ich weiß deshalb nicht, was die Diskussion heute soll!
Aber nun zur Sache, zur Bundespolitik! Welches Erbe haben wir nach 1998 vorgefunden? Die gesetzliche Krankenversicherung war unter Seehofer in einer schlechten Verfassung.
Die Patienten waren durch Zuzahlungen höher belastet. Leistungen wurden ausgegrenzt, ich denke nur an den Zahnersatz für junge Leute, oder eingeschränkt, zum Beispiel Kuren und Reha-Maßnahmen. Wir kennen ja noch den Spruch, der klingt uns ja heute noch in den Ohren, vom staatlich finanzierten Bauchtanzkurs auf Ibiza, da hat sich Seehofer lustig gemacht.
Seehofer war auch der Erfinder des Krankenhausnotopfers, das haben viele von uns heute schon vergessen. Da wurden die Versicherten ebenfalls zur Kasse gebeten. Auch die Beiträge stiegen von 1995 bis 1998 in der gesetzlichen Krankenversicherung um 0,47 Prozent, dagegen von 1998 bis heute um 0,36 Prozent, da gibt es doch Unterschiede in der ganzen Gesundheitspolitik. Trotz Leistungsverbesserung unter Rotgrün, also die Prävention, Zahnersatz und so weiter, Zuzahlungsabsenkungen, verbesserte Härtefallregelungen gibt es heute für chronisch Kranke, gab es geringere Steigerungsraten. Das muss man einmal festhalten!
Die Zuzahlungen betrugen von 1998 bis 2000 3,5 Milliarden Euro, im Gegensatz zu Seehofers Zeit von 5,4 Milliarden Euro. Die Zuzahlungen waren auf jeden Fall sehr viel höher. Dieser Herr Seehofer will nun unser Gesundheitssystem retten, obwohl er von 1992 bis 1998 gescheitert ist und damals selbst gesagt hat: „Der Gesundheitsbereich ist ein Wasserballett im Haifischbecken.“
Meine Damen und Herren, bei dieser Wahl geht es um eine dramatische Richtungsentscheidung im Gesundheitsbereich. Wir als Sozialdemokraten sind die Partei, die am solidarischen Prinzip der Gesundheitsversorgung festhalten will.
Die FDP, der Partner der CDU, will die totale Privatisierung, sie will die Arbeitgeberanteile auszahlen, keine Qualitätsüberprüfung und Möllemann als Gesundheitsminister. Das hört sich vielleicht gut an für einige junge Leute, die gesund sind, aber auf Dauer wird eine derartige Politik dramatische – –.
Klären Sie erst einmal, ob Herr Späth überhaupt im nächsten Kabinett ist!
Herr Späth macht ja auch schon die ersten Rückzieher. Klären Sie erst einmal Ihre Sachen! Sie waren sich viel zu sicher, Sie haben schon die Posten verteilt, ohne überhaupt gewonnen zu haben.
Wie gesagt, das hört sich vielleicht gut an für junge gesunde Leute, aber auf Dauer wird eine derartige
Politik dramatische Auswirkungen auf alte Kranke, auf den Sozialhilfeetat und die Steuerbelastungen haben.
Bei der CDU ist dieser Prozess schleichend. Sie will zunächst nur die Aufteilung in Grund- und Wahlleistungen, Selbstbeteiligung, Kostenerstattung und Beitragsrückgewähr. Mir hat allerdings noch niemand, auch auf den verschiedenen Podiumsdiskussionen nicht, erklären können, was eigentlich diese Grund- und Wahlleistungen sind.
Frau Dreyer, Sie sind immer eher gegangen, das ist das Problem!
Diese Wahlleistungen sollen über eine Zusatzversicherung laufen. Ich frage mich, das ist ganz problematisch, sollen Leute mit versicherten Grundleistungen bei Bewerbungen um einen Job eventuell eher genommen werden, weil sie vielleicht weniger Krankenversicherungsbeiträge zahlen und eventuell zu diesem Zeitpunkt gesünder sind? Weiter frage ich mich, ob diese Aufteilung zum 40-40-40-Konzept der Union passt, Sozialversicherungsbeiträge höchstens 40 Prozent, Staatsquote höchstens 40 Prozent und Spitzensteuersatz höchstens 40 Prozent.
Das passt doch irgendwie nicht zusammen! Eine Absenkung würde dem Gesundheitssystem Milliarden von Euro entziehen, das heißt, Gesundheit kann sich nur derjenige leisten, der Geld hat, und gleichzeitig würde aber die Staatsquote wegen Unterversicherung noch mehr steigen. Was ist nun der Unterschied zwischen SPD/Grünen und CDU/FDP?
Wir setzen auf mehr Effizienz und Qualität bei den Gesundheitsanbietern, während der Kandidat der CDU und die FDP schlicht auf eine stärkere Belastung der Patienten setzen.
Wir gehen ein Bündnis mit den Millionen gesetzlich Versicherten in der Krankenversicherung ein.
Wir haben vierzig Millionen, das ist das Bündnis. Sie gehen eher das Bündnis mit den Anbietern ein. Das ist der Unterschied!
Wie gesagt, wir orientieren uns an Qualität, fairem Wettbewerb, Prävention und Solidarität. Wir werden die Qualität in das Zentrum der Gesundheitspolitik stellen. Gemeinsam mit der Bundesregierung wurde eine neue Approbationsordnung verabschiedet. Das heißt, die Ärzte werden heute mit mehr Praxis im Studium konfrontiert. Die Ausbildung und Weiterbildung müssen noch auf EU-Ebene abgestimmt werden, was auch in dem Antrag nachgefragt wurde, aber daran wird bekanntlich schon gearbeitet.
Wir arbeiten an Leitlinien für chronisch Kranke. Ich kann nur sagen, diese Programme waren in Großbritannien und in der Schweiz erfolgreich. Diese Programme sind Begleitprogramme für chronisch Kranke, beispielsweise wurden in Großbritannien Brustkrebskrankheiten zu 30 Prozent abgesenkt, Amputationen in der Schweiz bei Diabetikern konnten um 87 Prozent gesenkt werden.
Ja! In den Krankenhäusern wollen wir Fallpauschalen. Das gibt es heute schon in 25 Prozent der Fälle. Damit soll die Verweildauer verkürzt werden. Laut Schätzungen der Gesundheitsbehörde wird sie um 17 Prozent auf 6,5 Tage in Bremen sinken. In Deutschland beläuft sie sich gegenwärtig auf zirka neun Tage. Über die konkreten Auswirkungen kann in Bremen natürlich noch nichts gesagt werden, darüber haben wir auch im Krankenhausausschuss gesprochen.
Das muss also noch geklärt werden.
Ein weiterer Punkt ist: Wir werden Gesundheitszentren bilden, wir haben ein derartiges schon im Krankenhaus Links der Weser, also eine zukunftsorientierte Einrichtung mit Hotel und Weiterbildungseinrichtung, Reha-Einrichtung und so weiter.
Auf jeden Fall müssen wir darauf achten, dass auch die Mindestfallzahlen bei Operationen eingehalten werden, denn erhöhte Fallzahlen ergeben schließlich auch eine bessere Qualität. Der Auslastungskorridor muss möglichst flexibel ausgerichtet werden und muss zwischen 75 und 90 Prozent liegen, damit wir eben nicht Verhältnisse wie in Großbritannien bekommen. Dort lag er bei Frau Thatchers neoliberaler Politik bei 100 Prozent, wodurch extreme Wartelisten verursacht und die Patienten heute zum Exportgut nach Deutschland, Frankreich und Tunesien deklariert werden. Da müssen wir also gewaltig aufpassen, aber es wurde auch schon in dem Bericht dargestellt, dass das geändert wurde.
Ein Problem sind natürlich die Arzneimittelpreise. Hier versprach die Kassenärztliche Vereinigung eine Preissenkung von 4,7 Prozent. Dies wurde allerdings nicht erreicht. Wahrscheinlich war es ein Fehler, die Budgetierung aufzuheben, ohne eine Positivliste nachzuschieben.
Ja, gebe ich ja zu, es war nicht alles rund, aber wir arbeiten daran.
Die nächsten vier Jahre, Frau Dreyer!
Ein weiterer Punkt ist die Gesundheitsprävention und -fürsorge. Hier können wir auch in Bremen Beispiele aufzeigen, wie wir zum Beispiel im Schulbereich die Prävention durchführen wollen. Prävention und Arbeitsschutz bilden einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Finanzen in der Krankenversicherung.
Der Risikostrukturausgleich soll zielgerichteter ausgestaltet werden. Jetzt werden nur Gesunde aufgenommen, später sollen chronisch Kranke berücksichtigt werden. Das wurde zunächst einmal von der Kassenärztlichen Vereinigung abgelehnt. Ich denke aber, dass dies der einzige Weg ist, um chronisch Kranke besser zu versorgen.
Die Qualität der Ausbildung im Pflegebereich haben wir durch neue Ausbildungsverordnungen verbessert. Die Motivation und gesellschaftliche Anerkennung des Pflegepersonals sind ebenfalls über Weiterbildung und finanzielle Anerkennung zu stärken. Da ist es nur logisch, dass wir die Nachtarbeitsund Feiertagszuschläge nicht besteuern wollen.
Sie sollen Ausnahmetatbestand im Steuerrecht bleiben. Die Konsequenzen, was Sie vorhin aus dem Gerichtsurteil des EuGH zu den Bereitschaftsdiensten angesprochen haben, werden bereits überprüft. In zwölf Krankenhäusern werden Arbeitszeitmodelle erprobt und ausgewertet!
Doch nun zur Solidarität im Gesundheitsbereich! Solidarität ist ein Grundprinzip der sozialstaatlichen Tradition in unserem Land. Sie fördert die ökonomische Dynamik, sie ist die Basis für Risikobereitschaft. Der Gesundheitsbereich beläuft sich auf zirka zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sind 250 Milliarden Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit 6,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt beteiligt. Dies hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Die Kostenexplosion ist ein Mythos, ein Pro
blem sind allerdings die gestiegenen Beitragssätze. 8,2 Prozent in 1970, heute sind wir bei rund 14 Prozent. Das ist kein – –.
Ja, das ist ein Problem! Das ist allerdings nicht allein Resultat von der Kostenseite her, sondern wurde hauptsächlich durch die gesunkene Lohnquote hervorgerufen. Beispiele sind eben die 630-DM-Jobs
von damals, die Abwanderung von jungen Leuten und eben auch die Arbeitslosigkeit. Aber die war bekanntlich in der Zeit der Regierung Kohl auch über vier Millionen.
In der Spitzenzeit war sie unter Kohls Regierung 4,9 Millionen!
Jetzt haben wir noch den Frühherbst.
Es ist deshalb eine faire und gerechte Finanzierung zur Beitragsstabilität notwendig. Zuzahlungen sind unsolidarisch, sie treffen vor allen Dingen die Kranken. Ich bin für eine Verbreiterung der Versicherungspflicht, auch für eine Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze, wie es in der Schweiz üblich ist. Hier zahlen alle ein. Wir bleiben dabei: Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin, wir wollen auch weiterhin eine paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Wir wollen keinen Selbstbehalt bis zu 500 Euro im Jahr, wir wollen die Risiken einer Unterversicherung nicht dem Steuerzahler aufbürden. Wir wollen die Solidarität zwischen Kranken und Gesunden erhalten.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bremen wurde leider auch von dem Futtermittelskandal getroffen. In acht Kindertageseinrichtungen wurden diese giftigen Pflanzenschutzmittel gefunden. Unsere Senatorin hat aber darauf sehr transparent und entschlossen gehandelt. Das möchte ich hier im Parlament doch noch einmal erwähnen.
So etwas erlebt man ja nicht alle Tage. Sie hat nichts vertuscht, sondern ist mit diesem schwierigen und sensiblen Problem gut umgangen.
Hervorheben möchte ich allerdings auch noch, dass die EU vorgestern die deutschen Maßnahmen nach dem Skandal als zufriedenstellend beurteilt und deshalb vorerst kein europaweites Vermarktungsverbot für deutsche Bioprodukte verhängt hat. Belgien hat auch, soweit ich gehört habe, kein Importverbot ausgesprochen. Die Sprecherin des EUVerbraucherkommissariats, Beate Gmünder, wir kennen sie von unserer Deputationsreise, hat dies bestätigt und betont, dass die Quelle der Verunreinigung klar identifiziert wurde.
In der Bund-Länder-Konferenz am Sonntag wurde über die bisher eingeleiteten Maßnahmen berichtet, und es bestand Einigkeit, dass die Lagerhalle in Malchin in Mecklenburg die einzige Kontaminationsquelle ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine weiteren Hinweise, dass es noch mehr Quellen gibt. Es kann höchstens Sekundärkontaminationen geben, das heißt, dass in anderen Betrieben noch Rückstände vorhanden sind. Es wurde deshalb vorgeschlagen, dass alle betroffenen Betriebe, Anlagen und Transportmittel gründlich untersucht beziehungsweise gereinigt werden. Wie wir gestern gehört haben, sind bisher 500 Betriebe gesperrt, in denen diese Maßnahmen vorgenommen werden sollen.
Was ist jetzt in diesem Zusammenhang zu tun? Der aktuelle Skandal zeigt, dass die Agrarwende notwendig war. Sie ist wichtiger denn je. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Nahrungsmittel, die sie kaufen, gesund und hochwertig sind.
Meine Damen und Herren, nach dem BSE-Skandal hat die Bundesregierung die richtigen Konsequenzen gezogen. Wie heißt es doch so schön: Der Verbraucherschutz fängt an der Ladentheke an und hört beim Lager des Futterlieferanten auf.
Die Bundesregierung hat mehr Kontrollen eingeführt und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden verbessert. Das reicht wohl noch nicht aus, denn es gibt immer noch Kräfte, die hier nicht mitziehen. Es wird auch weiterhin kriminelle Energie geben, der sehr schwer beizukommen ist. Wer behauptet, dass dies bei der konventionellen Landwirtschaft nicht passieren kann, dem muss ich entgegnen, dass vielleicht dort das Nitrofen bis heute überhaupt nicht gefunden worden wäre, wenn die Biovermarkter sich nicht gemeldet hätten. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass auch die Selbstkontrollen der Biovermarkter noch verbesserungswürdig sind. Wir brauchen auch hier eine bessere Kontrolle der Ökokontrolleure.
Was ist aber die Alternative von CDU und CSU gewesen? Diese Parteien haben unter der Führung von Bayern und Sachsen das neue Verbraucherinformationsgesetz mit der Argumentation eines zu starken Eingriffs in die Länderkompetenzen im Bundesrat abgelehnt. Hierzu kann ich nur sagen: Wenn im Bereich der Lebensmittelüberwachung das Land Bayern eine hohe Länderkompetenz hätte, wäre Bayern wohl nicht Spitzenreiter bei der Zahl der festgestellten BSE-Fälle.
Mit dem Verbraucherinformationsgesetz sollten die Verbraucher das Recht bekommen, bei den Behörden bessere Auskünfte über die Qualität und die Bestandteile der Produkte zu erhalten. Dies wäre ein erster kleiner Schritt für einen besseren Verbraucherschutz gewesen, allerdings ist schon dieser kleine Schritt an der CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat gescheitert.
Doch nun zu dem heutigen Antrag der Grünen! Die ersten beiden Forderungen befinden sich bereits im Abstimmungsprozess im Senat. In der nächsten Deputationssitzung in der kommenden Woche soll auch die vertagte Deputationsvorlage aus dem Mai verabschiedet werden. Von daher sehen wir als SPDFraktion im Moment keinen Handlungsbedarf, diesen Antrag zu unterstützen. In der Deputationsvorlage sollen die Arbeitsbereiche Lebensmittelunter
suchung, Veterinärdiagnostik und Wasser weiterhin in einem Amt geführt werden. Die medizinischen Bereiche werden in das Zentrallabor des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße eingegliedert und dieses erweiterte Zentrallabor in eine GmbH überführt werden. Ich denke, das ist die richtige Lösung, und so sollten wir auch vorgehen.
Die zusätzlichen Forderungen, die Sie vorhin beim Verbraucherinformationsgesetz des Bundes gestellt hatten, finde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angebracht. Ich meine, wir sollten noch warten, denn auf EU-Ebene soll auch ein europaweiter Kontrollplan erstellt werden, wie gestern von der Presse zu vernehmen war, damit die Überwachungsmöglichkeiten in Ländern wie Österreich, Deutschland und Spanien, die dezentral organisiert sind, verbessert werden. Alle diese Gründe, meine ich, sprechen dafür, den Antrag der Grünen zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzulehnen, denn nächste Woche haben wir hier vor Ort auch einige Entscheidungen, was das Landesuntersuchungsamt betrifft, zu treffen.
Meine Damen und Herren, Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache. Ich hoffe, dass wir in Zukunft durch effiziente Kontrollen und durch den Dialog das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen können, denn eine Kultur des Essens und Genießens bedeutet für die Bremerinnen und Bremer auch ein Stück Lebensqualität und Wohlbefinden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie viele konkrete Verdachtsfälle von „Falschabrechnungen“ wurden seit Beginn der Tätigkeit der GKV-Prüfgruppe im Land Bremen entdeckt, und wie verteilen sich diese Fälle auf die im Gesundheitsbereich tätigen Berufsgruppen?
Zweitens: Wie hoch waren die Schäden durch Abrechnungsbetrug für die gesetzlichen Krankenversicherungen im Land Bremen in dem genannten Zeitraum?
Drittens: Welche rechtlichen Folgen hatte das Fehlverhalten für die Schadensverursacher?
Frau Senatorin, es ist erfreulich, dass diese Gruppe tätig wurde. In der Zeitschrift der Ersatzkassen stand, dass bisher 800 000 DM wieder zurückgezahlt wurden. Ist zu erwarten, dass diese Gruppe noch ausgebaut wird und dadurch noch
mehr Gelder in die gesetzlichen Krankenkassen zurückfließen?
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie viel Gelder aus dem Programm „Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen“ erhält das Land Bremen insgesamt vom Bund?
Zweitens: Welche Maßnahmen und Schulen im Lande Bremen partizipieren an diesen Bundesmitteln, und wie viel Geld kann dadurch insgesamt für die Bremer und Bremerhavener Berufsschulen mobilisiert werden?
Drittens: Wie viel Gelder konnten erstmalig auch vom Europäischen Sozialfonds in einer Gemein
schaftsaktion zwischen dem Arbeits-, Bildungs- und Wirtschaftsressort aus Brüssel für die Berufsschulen beschafft werden, und wie werden diese Gelder an den Berufsschulen verwendet?
Herr Senator, sind Sie auch meiner Meinung, dass durch dieses gemeinsame Vorgehen doch eine beträchtliche Summe für die Bremer und Bremerhavener Berufsschulen mobilisiert werden konnte und das als ein Beispiel für die Bekämpfung der zukünftigen Probleme angesehen werden kann?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ravens hat ja schon einige Punkte genannt, warum es notwendig ist, in dem Bereich endlich aktiv zu werden. Das Thema wurde schon 1986 hier im Parlament behandelt. Ich meine, durch den Reform- und Modernisierungsdruck, den wir haben, werden alle Beteiligten jetzt gezwungen sein, hier endlich etwas zu unternehmen. Ich weiß, dass es auf Bundesebene eine Bund-Länder-Kommission gibt. Die hat schon des Öfteren dazu getagt. Sie spricht sich im Grunde auch dafür aus, dass die berufsschulischen Leistungen in die Abschlussnote einfließen.
Wenn man die Sache betrachtet, die wir im Berufsschulwesen im Moment erleben: Ich habe es heute Morgen in der Fragestunde gesagt, was machen wir denn mit den Geldern im Berufsschulbereich? Da haben wir einige Punkte gehört. Wir wollen die Lehrpläne verändern, handlungsorientierte Ansätze und Modularausbildung schaffen.
Vor einigen Wochen haben wir in der Deputation für Arbeit für Bremerhaven ein Modell verabschiedet, bei dem Bürokaufleute im Modularsystem ausgebildet werden. Damit wir diesen Prozess auch begleiten können und die Sache auch rund wird, sind wir gefordert, dass wir auch das Prüfungswesen entsprechend ausrichten. Von daher bin ich überzeugt, dass die Bund-Länder-Kommission auch in diese Richtung Ergebnisse erzielen wird. Ich hoffe jetzt nur, dass die Kammern sich bewegen und sich nicht die––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sem Reformdruck widersetzen. Überall sprechen sie ja davon, wir müssen Reformen in der beruflichen Bildung machen. Das ist für mich auch ein Punkt, der erledigt werden muss.
Zu den Parteitagsanträgen kann ich nur sagen, wir als SPD-Fraktion haben diesen Punkt aufgenommen, der wird jetzt auch zum Bundesparteitag im November noch einmal verabschiedet. Ich bin sicher, dass dieser Punkt dort eindeutig durchgesetzt wird. Ich weiß auch, dass die Akteure in Berlin auf ein Zeichen aus Bremen warten, weil sich hier ja alle drei Fraktionen in diesem Bereich einig sind. Sie können dort noch mehr in Bewegung setzen und uns damit sinnvoll unterstützen.
Welche Vorteile hat diese Änderung? Ich will einmal fünf aufzählen. Einmal, Herr Ravens hat es schon gesagt, eine Motivationsverbesserung für die Schüler!
Ein zweiter Punkt ist eine stärkere Berücksichtigung von handlungsorientierten Elementen in der Prüfung. Man muss ja sehen, handlungsorientierte Elemente in einer Zeitpunktprüfung abzuprüfen, ist sehr aufwendig. Wenn wir das während der Berufsschulzeit machen, besteht eben die Möglichkeit, auch solche Elemente nicht aufgesetzt abzuprüfen, sondern innerhalb dieses Unterrichts. Das ist ein großer Vorteil, wenn wir zu einer reformierten und modularen Ausbildung kommen wollen.
Ein dritter Punkt ist eine Aufwertung der Berufsschulen, aber auch eine größere Verantwortung für diese. Das finde ich auch noch einmal ganz wichtig, dass man auch die Berufsschulen als gleichberechtigten Partner sieht, denn das hat in meinen Augen auch etwas mit Demokratisierung zu tun. In diesem Bereich kann ich nur hoffen, dass es geschieht, hier auch demokratischer zu werden.
Vierter Punkt: Es wird dadurch der Zufälligkeitscharakter der bisherigen Prüfung stärker reduziert und fünftens: Es stärkt auch die Ausdauer der Auszubildenden, sie sind permanent dabei. Ich kenne das selbst, ich komme aus Baden-Württemberg, dort hatten wir studienbegleitende Prüfungen an der Fachhochschule für Wirtschaft. Das hat eben mehr motiviert und auch die Ausdauer gestärkt.
Wie gesagt, wir als SPD-Fraktion hoffen, dass es in dieser Bund-Länder-Kommission und zwischen den Tarifparteien auch bald zu einer Einigung kommt, denn wenn wir das Berufsschulwesen in Zukunft mit all seinen Problemen bewältigen wollen, ist es notwendig, dass wir dafür auch den Rahmen schaffen. Wenn wir auch weiterhin, das muss ich hier auch noch einmal sagen, die benötigten Neueinstellungen im Berufsschulsektor gemeinsam schultern, dann, glaube ich, hat das Berufsschulwesen seine Rolle als Innovationsgeber für das gesamte Bildungswesen ausgefüllt. Ich erinnere nur daran, wir hatten heute die Diskussion zum Zentralabitur. Ich meine, bei solchen Fragen muss berücksichtigt werden, wie
der Berufsschulbereich mit handlungsorientierten Elementen umgeht, nur noch einmal zum Nachdenken, wenn wir dies noch einmal diskutieren, damit man das auch in der Diskussion berücksichtigt!
Ich erwarte, dass wir in der Deputation für Bildung immer auch zeitnah unterrichtet werden, wie der Stand der Verhandlungen ist, damit wir als Akteure vor Ort auch wissen, wie wir damit umgehen und das in unserem ganzen Prüfungswesen umsetzen können.
Ich bin also überzeugt, dass eine derartige Reform auch bei den Auszubildenden auf eine große Resonanz stoßen wird, denn letztlich bedeutet so eine Reform der Prüfung mehr Transparenz, Prüfungsgerechtigkeit und auch eine Demokratisierung. – Ich danke Ihnen!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Welche genauen Gründe führten zur Abwanderung der Firma Power Innovation Stromversorgungstechnik GmbH in die Stadt Achim?
Zweitens: Wie haben sich BIG/WfG dafür eingesetzt, dass die Firma in Bremen verbleibt?
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Gibt es denn systematische Maßnahmen für die Bestandspflege von bremischen Firmen? Wir hatten ja in den vergangenen Jahren doch eine große Zahl an Abwanderung. Ich denke an Trasco, Edeka und so weiter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anfrage der Grünen lehnen wir als SPD-Fraktion ab. Sie ist für uns zu undifferenziert und geht auch zu forsch mit dem Thema um. Wir haben in der Deputation den Bericht der Verwaltung gehört. Den wollen wir ausdrücklich begrüßen, auch die Maßnahmen, die dort vorgeschlagen wurden. Ich will noch einmal etwas näher auf das Thema eingehen, denn die Themen ältere Menschen und Qualifizierung sind für uns Sozialdemokraten zentrale Zukunftsthemen.
Heute sind 21 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre. Im Jahr 2030 sind es bereits 35 Prozent. Falls Sie, meine Damen und Herren, sich einmal eine alternde Gesellschaft ansehen wollen, dann müssen Sie zurzeit nach Mallorca fahren. Da leben sehr viele deutsche ältere Bürger, und, wie gesagt, dort ist die demographische Entwicklung schon eine Generation weiter als bei uns, denn hier wird es bald ähnlich werden. Das Straßenbild wird sich bei uns verändern. Unser Land wird auch ergrauen. Historisch gibt es hier ein einmaliges Erlebnis. Zum ersten Mal wird die Bevölkerung dauerhaft schrumpfen und altern, nicht nur bei uns, sondern in allen westlichen Ländern. Das langsame Ergrauen wird für eine fundamentale ökonomische Trendwende sorgen. Der
Arbeitsmarkt trocknet langsam aus, und, wie gesagt, die Arbeitskräfte werden rar. Die Industrie findet keine Ingenieure mehr, das Handwerk keine Auszubildenden.
Nach 2010 sinkt das Angebot an Arbeitskräften erheblich, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg ermittelt hat. Immigranten können die demographische Krise zwar lindern, aber letztlich doch nicht lösen. Vier Lösungen bieten sich dafür an. Wir müssen sehen, dass wir Arbeit für die Jungen finden, Arbeit für Frauen, Arbeit für Zuwanderer, aber auch Arbeit für die Alten. Das heißt, die älteren Menschen haben laut OECD-Bericht die Fähigkeit, über das siebzigste Lebensjahr hinaus in der Gesellschaft aktiv zu bleiben. Wir müssen künftig sehen, dass die Menschen zum aktiven Altern motiviert werden, das heißt aktiv im Job, aktiv in der Familie und auch in der Nachbarschaft. Letztlich wird die Schlüsselfrage zukünftig sein: Wie produktiv, kreativ, innovativ können ältere Arbeitskräfte sein?
Bislang gelten sie ja bei uns als unproduktiv, obwohl sie teilweise bessere Zukunftsfähigkeiten besitzen wie zum Beispiel soziale Kompetenz,
Lebenserfahrung, Unabhängigkeit und Gelassenheit, die die Basis für Kreativität bilden. Sie sorgen häufig auch für ein ausgeglichenes Betriebsklima. Die Unternehmen werden künftig ihre älteren Beschäftigten aufgrund der Personalentwicklungsplanung pfleglich behandeln müssen. Sie werden in den Erhalt ihrer Produktivität, in die Fortbildung und die Fitness investieren müssen. Deshalb begrüße ich auch die geplante Tarifvertragsforderung der IG Metall auf ein Recht auf Weiterbildung, denn 1999 gab es nur 22 Prozent in der Metall- und Elektroindustrie, die weitergebildet wurden. Das ist meines Erachtens eine viel zu geringe Zahl.
Allerdings meine ich, die Älteren der Zukunft sind für das lebenslange Lernen ganz gut gerüstet. Viele haben inzwischen eine bessere Ausbildung als ihre Eltern. In den Betrieben muss somit eine Remobilisierung der Fünfzigjährigen mit umfangreichen Konsequenzen für das gesamte Bildungs- und Ausbildungswesen stattfinden. Deswegen wollen wir als Fraktion auch die Verzahnung von Arbeitsmarktund Weiterbildungspolitik in Bezug auf die Zielgruppe der Älteren stärken.
Ja, das haben wir in der Deputation mit beschlossen! Aus- und Weiterbildung ist in den Betrieben immer noch jugendorientiert. Für die Teilnahme an einer betrieblichen Weiterbildung gilt inzwischen
das fünfundvierzigste Lebensjahr immer noch als Schallmauer. Wir appellieren an die Unternehmen, auch ältere Arbeitnehmer in die Firmenkultur und die Einstellungspraxis zu integrieren.
Ich will hier mit Genehmigung des Präsidenten ein Beispiel aufführen, wie es eigentlich nicht sein sollte. Ich zitiere aus dem „Weser-Kurier“ vom 16. September 2000. Dort heißt es in einer Stellenanzeige: „Die CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft sucht zum nächst möglichen Termin einen Mitarbeiter/Mitarbeiterin für den Sekretariatsbereich, Vollzeit.“, und darunter steht: „Wenn Sie bis 35 Jahre alt sind und sich angesprochen fühlen, freuen wir uns auf Ihre vollständige Bewerbung.“ Ich finde, so sollte es nicht sein, sondern vielmehr müssen älteren Arbeitnehmern Chancen gegeben werden, weil sie eben die heutzutage gewünschten Kompetenzen besitzen.
Auf der anderen Seite müssen wir die Probleme älterer Arbeitnehmer differenziert und individuell betrachten. Viele ältere Arbeitnehmer haben sich im Betrieb verschlissen. 30 Jahre Bandarbeit oder am Hochofen zollen ihren Tribut. Diese und andere Kolleginnen und Kollegen sollten weiterhin die Möglichkeit des Vorruhestands nutzen können. Hierfür stehen wir als Sozialdemokraten ein. Dies bedeutet für uns kein Herausdrücken aus dem Betrieb, sondern die Möglichkeit, nach jahrzehntelangem Bukkeln sich noch einige Jahre mit seinen anderweitigen Neigungen und Vorlieben zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang lehnen wir auch eine Aufweichung des Kündigungsschutzgesetzes ab. Das Argument, dass der Kündigungsschutz Arbeitsplätze verhindert, zieht nicht. In Portugal haben wir zum Beispiel die rigidesten Kündigungsschutzbestimmungen, aber die Arbeitslosigkeit ist nicht so hoch wie bei uns.
Trotzdem sind die Kündigungsbestimmungen dort weitaus rigider, und die Arbeitslosigkeit ist nicht höher als in den USA. Das können Sie in der gestrigen Zeitung genau nachlesen, Frau Dreyer, und sich informieren! Die nötige Flexibilität, meinen wir, können die Arbeitgeber über befristete Arbeitsverträge oder flexible Arbeitszeiten erreichen. Deshalb unterstützen wir die Vorruhestands- und Altersteilzeitmaßnahmen der Bundesregierung
sowie die Maßnahmen im Bündnis für Arbeit in Bremen und die Aktion „50 plus“ der Bundesanstalt für Arbeit als Chance für ältere Arbeitnehmer.
Ich möchte hier nur noch einmal kurz einige Beispiele für Bremen aufführen, das sind zum einen die Eingliederungszuschüsse, SAM-Maßnahmen, die vordringlich gefördert werden, das Modellprojekt Sport, bei dem 25 Sportvereine in Bremen für die älteren Beschäftigten Marketingaufgaben anbieten, dabei handelt es sich allein um 40 bis 50 Arbeitsplätze, das Modellprojekt „Job-Rotation“ sowie Maßnahmen für die weitere Öffnung des Arbeitsmarktes für ältere Arbeitnehmer in unserer Stadt. Insgesamt kann man sagen, dass im Jahr 2001 450 ältere Arbeitnehmer in Bremen gefördert werden. Es ist wenig, aber ich denke, für den Anfang ist es eine gute Sache, was wir in der Deputation gemeinsam verabschiedet haben. Wir investieren hierbei 8,85 Millionen DM an Landes- und EU-Mitteln.
Wie gesagt, die Zukunftsprobleme auf dem Arbeitsmarkt sind für uns nur mit dem Prinzip „Weltoffenheit“ und „Generationengerechtigkeit“ zu lösen. Sie sind Kennzeichen einer modernen vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik, und diesen Weg werden wir Sozialdemokraten konsequent weitergehen! – Ich danke Ihnen!
Herr Senator, wir haben ja gehört, es gibt hier viele Verfahrensschwierigkeiten. Vor einigen Monaten wurden vom Sozialressort Gelder zur Verfügung gestellt. Wurden die jetzt endlich abgerufen, und wurden da auch Stellen eingerichtet?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will meine Debattenbeiträge nicht auf die Frauenfrage begrenzen, aber ich wollte doch noch einmal einiges feststellen. Frau Dreyer, ich hätte erwartet, dass Sie einmal etwas Neues bringen und nicht immer das alles wiederholen, von dem wir schon ewig gedacht haben, dass wir diese Diskussion hinter uns haben.
Aber, wie gesagt, ich bin von Beruf Berufsschullehrer, und ich bin auch bereit, bei Leuten, die etwas länger dafür brauchen, noch die nötigen Hilfestellungen zu leisten.
In der Haupt- und Realschule, kann ich zum Beispiel nur sagen, ist die Berufsorientierung relativ gut. Wo vor allen Dingen der Schwerpunkt zukünftig lie
gen soll, ist im gymnasialen Bereich. Da haben wir gewaltige Probleme, die Leute auf Berufe hin zu orientieren. Aber es gibt auch gegenteilige Beispiele. Wir errichten berufliche Gymnasien, und wir verbessern die Praktikaphase im Gymnasium. Es gibt außerdem den runden Tisch Arbeitslehre. Also einige Neuheiten, die wir da ins Feld führen!
Zum Berufsschul- und zum IT-Bereich in der Ausbildung kann ich nur feststellen, dass wir in quantitativer Sicht im vergangenen Jahr doch reichlich Erfolge erzielt haben, zum einen durch die Verbundausbildung, aber auch dadurch, dass wir beispielsweise in Bremerhaven die Berufsfachschule neu strukturiert haben. Hiermit konnten wir zusätzliche Ausbildungsplätze gewinnen. Das ist in quantitativer Hinsicht doch ein Erfolg.
Wir wollen dieses Modell in Bremen auch einführen. Wir wollen auch hier die zweijährigen Berufsfachschulgänge reformieren. Wir haben dies bereits im Technikbereich gemacht, und hier gibt es eine enorme Nachfrage nach diesen Plätzen und anschließend auch eine gute Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Es wird von den Betrieben sehr gut angenommen.
Zur Qualität in den Berufsschulen kann ich immer nur wieder betonen: Da sind wir auf gutem Wege. Wir errichten Kompetenzzentren, wo eben die Aus- und Weiterbildung verzahnt werden sollen. Warum soll nicht der Ausbilder aus dem Betrieb gemeinsam mit dem Lehrer in den neuen Technologien weitergebildet werden? Das sind Zukunftsmodelle. Genauso arbeiten wir an den Lehrplänen. Es soll eine breite Basisqualifikation entstehen, hierauf werden einzelne Module gesetzt, die auch später im Weiterbildungsbereich verwendet werden können.
Auch schwächere Schüler sollen einen Anspruch darauf haben, dass sie zumindest einen Teil dieser Ausbildungsleistung erbracht haben, oder Frauen können, wenn sie aus der ausschließlichen Mutterphase kommen, dann später auf ihre zurückliegende Ausbildung Bezug nehmen. Sie haben dann die Chance, wieder einen Beruf zu ergreifen. Es ist wichtig, was hinten herauskommt, wie der ehemalige Kanzler immer so schön gesagt hat. Wie gesagt, Lehrpläne, Ausbildungsordnungen flexibilisieren wir. Ich denke, wir sind da auf einem ganz guten Weg, und wenn man bundesweit die Szene im Berufsschulbereich sieht, 23 Prozent aller bundesweit geförderten Modellprojekte sind in Bremen. Wir sind da Spitze.
Das sollte man doch nicht immer kleinreden.
Frau Stahmann, Sie erzählten vorhin, das Schulzentrum Utbremen steht als alleiniger Standort. Ich denke, das ist sinnvoll, wenn man die Kosten und die Effizienz bei so einer Berufsschule sieht, die man da aufbaut. Ich kann nur sagen, das ist ein gutes Modell, und es werden ja noch weitere Kompetenzzentren folgen. Es gibt auch noch andere IT-Bereiche oder neue Berufe, wo man ebenfalls schwerpunktmäßig die Aus- und Fortbildung verzahnen sollte. Also, wie gesagt, wir sollten nicht immer alles kleinreden in Bremen und unsere Arbeit tun, und dann, denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg, wenn man die bundesweiten Vergleiche sieht. — Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Zachau, ich hätte in Ihrem Vortrag doch eine etwas mehr nach vorn gewandte Diskussion erwartet. Das war mir zu wenig, aber lassen Sie mich noch einmal auf den OECD-Bericht eingehen, der nicht nur Negativseiten formuliert hat, sondern eben auch positive Dinge! Zum Beispiel liegt die Jugendarbeitslosigkeit mit 7,7 Prozent in Deutschland weit unter dem Durchschnitt der anderen gemessenen Staaten. Dazu hat natürlich auch das Sofortprogramm der Bundesregierung beigetragen.
Hinsichtlich des Bildungsstandes belegt Deutschland Platz drei in der Welt, da 84 Prozent der Gesamtbevölkerung über das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Bei den Zwanzigjährigen sieht es noch besser aus, hier haben 93 Prozent entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hochschulreife. Damit steht die Bundesrepublik immer noch mit an der Spitze. Die anderen Länder haben aufgeholt, und deswegen sind wir auch gefordert, hier einiges zu tun.
Es gibt natürlich auch Schwachstellen, Sie haben sie genannt, zum Beispiel der Sekundarbereich I oder der Primarstufenbereich. Herr Zachau, Sie haben die Zahlen genannt, ich will sie hier nicht noch einmal wiederholen. Jedoch, meine Damen und Herren, Geld allein ist keine Garantie für Qualität, da muss noch mehr hinzukommen.
Sehen Sie!
Wenn wir jetzt das letzte Jahr einmal Revue passieren lassen, dann können wir feststellen, dass wir an der Verbesserung der Primarstufe und der Sekundarstufe I hier in Bremen mit unseren laufenden Maßnahmen und Beschlüssen in der Deputation und auch hier in der Bürgerschaft doch einiges getan haben. In unserem Programm „Schule in Bewegung“ sind diese Ziele, die dort formuliert wurden, schon in ersten Ansätzen verwirklicht worden. Zum Beispiel bauen wir die Grundschulen zu verlässlichen Grundschulen aus, der Fremdsprachenunterricht soll in die Grundschule, ein Integrationskonzept für die Zuwandererkinder wird gerade mit den Interessengruppen diskutiert, und in diesem hat vor allen Dingen die Sprachentwicklung einen bedeutenden Stellenwert und soll auch in die Schulbildung mit integriert werden.
Hinter dem Konzept der integrierten Stadtteilschulen stehen wir Sozialdemokraten weiterhin, was be
deutet, dass wir sie dementsprechend auch unterstützen werden. Die technische Ausstattung der bremischen Schulen mit der so genannten Hardware wollen wir vorantreiben, wie man an dem 20-Millionen-DM-Programm im Rahmen des T.I.M.E.-Programms sehen kann. Wir verbessern zusätzlich die so genannte Software und die Curricula für den computerunterstützten Unterricht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass in dieses Programm die Ausbildung der Lehrer eingebettet ist und externe Fachkräfte bei der Wartung und Unterstützung der neuen Medien berücksichtigt werden sollen.
Des Weiteren wird die Entwicklung von Lehrplänen und Curricula kontinuierlich weiter verfolgt. Auch werden wir nach den Ferien einen Schwerpunkt unserer Arbeit auf die Verbesserung des technisch-naturwissenschaftlichen Verständnisses für unsere Schüler legen und hier besonders die Mädchenförderung für diesen Bereich unterstützen.
Ich meine, trotz der schwierigen Kassenlage sind wir peu à peu auf ganz gutem Weg bei der Verbesserung der Bedingungen in der Primarstufe und der Sekundarstufe I. Neben diesem konkreten Vorhaben vor Ort ist aber auch die inhaltliche schulpolitische Diskussion über die Schule des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu führen. Dies sollte sorgfältig getan werden und nicht durch Schnellschüsse wie dieser Antrag der Grünen präjudiziert werden.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Diskussionen innerhalb der Gewerkschaften und der Verbände, die erst am Anfang stehen und wahrscheinlich noch sehr kontrovers geführt werden. Für uns Sozialdemokraten sind weiterhin Demokratisierung, Chancengleichheit, Integration, Interkulturalität und Nachhaltigkeit die Leitkategorien in der Diskussion. Sie sind wichtige Parameter für die Qualität des Schulwesens und die Grundlage für gute und zukunftstaugliche Schülerleistungen.
Hier gibt es gegenwärtig noch Defizite, die wir nicht verschweigen. Deshalb gehört auch unser gesamtes Schulsystem mit seiner Methodik und Didaktik auf den Prüfstand. Das Ziel muss für uns eine Zukunftswerkstatt Schule sein, bei der der Unterricht durch Methodenwechsel und fächerübergreifend erteilt wird. Deshalb benötigen wir flexible Strategien auch in unserem Bundesland. Auch Fragen der Steuerung des Schulwesens, die Reform der Orientierungsstufe gehören auf die Tagesordnung sowie die Weiterentwicklung der vollen wirtschaftlichen Autonomie und die Festlegung von gewissen Mindeststandards an den Schulen.
Nach den Ergebnissen der internationalen Vergleiche muss allerdings aus unserer Sicht das ge
gliederte Schulsystem auf den Prüfstand gestellt werden.
Es muss geprüft werden, ob dieses System mit der frühen Selektierung noch international wettbewerbsfähig ist, denn dieses System erzeugt auf der einen Seite Bildungsfrust und auf der anderen Seite Bildungsdünkel. Die hieraus resultierende Abgeschlossenheit auf beiden Seiten ist eine Reformbremse ersten Ranges, da sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet und die deutschen Schüler bei internationalen Leistungsvergleichen nur mittelmäßig abschneiden lässt.
Diese Debatte hat aber, wie gesagt, erst begonnen und sollte sehr sorgfältig geführt werden, da wir als Deutsche bei Neuerungen im Schulwesen ängstlicher sind als andere Nationen. Zum Beispiel führen Gespräche über die Abschaffung der Schulpflicht oder Sinn und Unsinn von Ziffernzensuren schon zu Angst und Feindlichkeiten. Innovationen im Bildungsbereich werden in Deutschland erst sehr viel später nachvollzogen.
Doch nun noch einmal zu Ihrem Antrag, Herr Zachau! Da einige Aufgabenfelder des Antrags der Grünen schon bearbeitet werden oder auch angegangen wurden, empfehlen wir als Fraktion die Ablehnung und fordern weiterhin die inhaltliche Sachdebatte in der Deputation, und in diesem Sinne wünsche ich allen Beteiligten, auch im Schulsystem, schöne Ferien. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie hoch war in den vergangenen zehn Jahren der Gesamtschaden in Bremen durch Abrechnungsmanipulationen von niedergelassenen Ärzten gegenüber der Solidargemeinschaft Krankenversicherung und die Zahl der Ermittlungsverfahren mit anschließender Verurteilung durch die Gerichte?
Zweitens: Welche Maßnahmen wurden ergriffen oder sind geplant, diese Ermittlungen zu effektivieren und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen?
Drittens: Gibt es Möglichkeiten, den Datenschutz bei den Ermittlungsbemühungen einzuschränken?
Frau Senatorin, ist eventuell daran gedacht, diese Form der Anonymisierung in Bremen durchzuführen, oder wird damit auch die Deputation für Gesundheit beschäftigt?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kuhn, ich denke, wir sollten die Polemik mit Stoiber und Ähnlichem erst einmal aus der Debatte herauslassen. Wir sollten zur sachlichen Diskussion kommen, und vielleicht war es auch nötig, dass der Präsident bei diesem Thema etwas lauter wurde, damit die Diskussion geführt wird.
In diesem Zusammenhang bin ich auch froh, dass wir heute die Debatte zu diesem Thema führen, denn in der vergangenen Woche haben wir gehört, dass der niedersächsische Parlamentspräsident Wernstedt beklagt, dass die Kompetenzen der Bundesländer immer geringer werden.
Ja, deswegen finde ich es wichtig, dass wir hier eine Diskussion zu diesem Thema führen und eben noch über die verbliebenen Kompetenzen der Länder sprechen, denn auf vielen Ministerpräsidentenkonferenzen wurde das Thema behandelt und wurden auch entsprechende Beschlüsse gefasst!
Um was geht es nun im Einzelnen? Mit den Amsterdamer Verträgen wurden als oberstes Prinzip die gleichen Wettbewerbsbedingungen in allen EU-Ländern formuliert. Hierzu stehen wir weiterhin, Herr Dr. Kuhn, Sie können uns nicht sagen, dass wir davon weg wollen.
Allerdings gibt es im Zusammenhang mit den öffentlichen Dienstleistungen, der öffentlichen Daseinsvorsorge und den Wettbewerbsvorschriften eben noch Klärungsbedarf. Wir sollten uns klar werden, was eigentlich Daseinsvorsorge ist. Das ist weder der Sparstrumpf der Oma noch die private Altersvorsorge, sondern es geht vielmehr um Dienstleistungen, die der Gemeinschaft von öffentlichen Einrichtungen flächendeckend und günstig zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel die Konten der
Kleinsparer, Bustransporte bis ins hinterste bayerische Dorf oder dass alle die Fernsehsendung „Wetten dass“ am Wochenende sehen können. Ich finde, hier sollte man definieren, was der Kernbereich staatlich finanzierter Daseinsvorsorge ist und auch die Mischformen davon abgrenzen.
Deshalb will der Wettbewerbskommissar Monti die Bürgschaften, die Beihilfen, die Subventionen, auch die indirekter Art, hinterfragen. Aber wenn Sie die „Financial Times“ von gestern gelesen haben —
die deutschsprachige! — , da können Sie nachlesen, wie der Kommissar über die Arbeitsbelastung klagt. Im vergangenen Jahr musste die Behörde 512 Beihilfeverfahren klären, und das waren schon 69 mehr als im Jahr davor. Also, ich finde, allein aus Sicht der Arbeitsökonomie wäre es sinnvoll, solche Sachen an die Länder zurückzugeben,
statt die EU-Behörde noch weiter mit Arbeit zu belasten und den Wasserkopf eventuell noch zu vergrößern.
Ja, gut!
Worum geht es? Der Präzedenzfall ist, wie Sie vorhin auch schon ansprachen, die West-LB, die von 1991 bis 1998 Subventionen vom Land erhielt, diese Detailfragen interessieren allerdings mehr die Finanzpolitiker. Wir sollten fragen, wieso uns das berührt. Die West-LB, eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, ist bedeutsam als sozialer Puffer, der gerade in den heutigen Zeiten bei verschärftem Wettbewerb mehr denn je gebraucht wird.
Ja, denn die West-LB macht Strukturpolitik, da habe ich nichts dagegen!
Das sollte mit unterstützt werden, warum auch nicht? Zum Beispiel die kommunalen Sparkassen, wie wir eine in Bremerhaven haben, die Sparkasse in Bremen fällt nicht unter dieses Plazet, müssen auf jeden Fall gestärkt werden.
Wenn man die Fusion zwischen Dresdner und Deutscher Bank sieht, die gescheitert ist, und wo eben die Kleinsparer herunterfallen, die 200 000 DM und weniger verdienen, gerade für diesen Bereich brauchen wir die entsprechenden Banken, um auch diese Klientel zu versorgen. Deswegen, meine ich, sollten wir hier klar die Sparkassen unterstützen.
Bitte?
Ja, Sozialhilfeempfänger! Dies war eine Diskussion in der Stadt Bremen, aber nicht in Bremerhaven. Die Sparkasse Bremerhaven übernimmt die Auszahlung und die Sparkasse in Bremen auch immer wieder. Da gibt es momentan keinerlei Debatte. Also, wie gesagt, hier wird Daseinsvorsorge in des Wortes eigentlicher Bedeutung klar, und deswegen müssen öffentlich-rechtliche Einrichtungen einspringen.
Es gab bisher mehrere Beschwerden in Brüssel, zum Beispiel über die Caritas, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wegen des Kinderkanals und Phoenix. Sie wurden abgeschmettert, aber, wie gesagt, es bleibt immer ein Unsicherheitsgefühl vor allem für unsere Arbeitnehmer, da jederzeit ein Privater gegen die Einrichtungen der Daseinsvorsorge in Brüssel vorstellig werden kann. Derzeit liegen Beschwerden gegen öffentlich-rechtlich bezuschusste Wohlfahrtseinrichtungen, Sparkassen, Krankentransporte und Einrichtungen der Altenpflege vor.
Als Hinweis auf die Grundsatzposition der EUKommission wird häufig auf die Richtlinie der Postliberalisierung von 1997 verwiesen. Allerdings legt sie nicht fest, wie die anderen Lebensbereiche geregelt werden, und von daher gibt es eben Lebensbereiche, die abgesichert werden müssen.
Aus Gründen der allgemeinen Rechtssicherheit, der angesprochenen Arbeitsbelastung für die EUKommission, der Überzeugung, dass die Länderparlamente als Mittler zwischen den Bürgern und der EU fungieren sollten, der allgemeinen Akzeptanzschwierigkeiten der EU bei der Bevölkerung — wir sehen, dass die Wahlbeteiligung immer weiter nach unten geht, 1999 hatten wir 45,7 Prozent Wahlbeteiligung, 1994 noch 60 Prozent — sprechen wir uns auch für eine dezentrale Entscheidungsstruktur in Sachen Daseinsvorsorge aus. Wer kann besser entscheiden als der Bürger vor Ort, welche Qualität eine Dienstleistung besitzt?
Ich verstehe Sie nicht, Herr Dr. Kuhn und die Grünen!
Wir wollen, dass zentral festgelegt wird, welche Funktion das Landesparlament zu entscheiden hat. Ich meine, Brüssel sollte sich eher um die großen Fragen kümmern, nämlich Außen-, Sicherheitspolitik, Europäischer Binnenhandel, Außenhandel, Migrationspolitik und die Finanzen, sonst aber lediglich Standards festlegen. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips sollten die Fragen der Daseinsvorsorge vor allem dezentral in den Ländern entschieden werden. Wir diskutieren im Bereich der Universitäten, der Schulen, der Verwaltung, wie zum Beispiel gestern beim WiN-Programm, schon längst über Autonomie. Von daher wäre der Weg auch der einzig richtige, wenn die Länder in diesen Fragen mehr Autonomie erhielten.
Wir als SPD-Fraktion unterstützen deshalb den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24./ 25. März 2000, die Zuständigkeitsbereiche der Länder klar zu benennen, die durch die Gemeinschaft bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben umfassend zu respektieren sind. In dem Beschluss wurden 16 Bereiche genannt, bei denen zu prüfen ist, was in den Länderkompetenzen verbleiben oder wegfallen soll. Ich meine, das ist der richtige Weg.
Wir haben ja auch schon gewisse Erfolge erzielt. Der Rat in Lissabon hat jetzt beschlossen, dass die Mitteilung von 1996 über die Dienstleistung von allgemein wirtschaftlichem Interesse und über Unternehmen, die mit solchen Dienstleistungen betraut sind, überarbeitet werden soll. Genauso strickt die Kommission schon an einer „Negativkompetenzliste“, in der Dinge festgeschrieben werden, mit denen sich die EU nicht beschäftigen soll. Von daher, denke ich, war dieser Weg der richtige, um überhaupt Gehör zu finden.
Ich finde, wir sind bei diesen Beschlüssen auf dem richtigen Weg, zumal wir auch nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes zum Erhalt der bundesstaatlichen Ordnung verpflichtet sind, unsere Eigenstaatlichkeit auch als Bundesland auf ewig zu verteidigen. Das ist die so genannte Ewigkeitsgarantie. Ich hoffe, dass Sie, die Grünen, sich der Meinung aller 16 Landesregierungen anschließen und diese Initiative unterstützen, denn am Ende ist es wichtiger, was insgesamt für unsere Bürger vor Ort herauskommt. — Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Kopfnoten wird in allen Parteien und Bevölkerungsschichten kontrovers diskutiert. Das bestreiten wir nicht. Es gibt auch in Niedersachsen demnächst Beurteilungen der Schlüsselqualifikationen, allerdings sollten wir uns ein Bild machen und selbst darüber entscheiden, denn wir haben immer noch die Kulturhoheit.
Den Begriff Kopfnoten sollten wir hier in der Bürgerschaft einmal etwas genauer darstellen. Es wird nämlich sehr viel verwechselt. Was sind denn Kopfnoten? Kopfnoten gab es früher im Kopf des Zeugnisses. Da standen die Beurteilungen Mitarbeit, Fleiß, Ordnung und Betragen. Das war in den fünfziger und sechziger Jahren in Westdeutschland. In der ehemaligen DDR gab es diese Benotung bis zur Wende 1989. In den siebziger Jahren wurde diese Benotung bei uns abgeschafft. Seit dem Herbst wird in Sachsen diese Art der Benotung wieder verwandt. Man hofft, damit der gestiegenen Gewalt gegenüber den Lehrern wirkungsvoll begegnen zu können.
Wir als SPD-Fraktion in Bremen sehen diese knappe Art der Beurteilung allerdings sehr kritisch.
Wir meinen, Kopfnoten in der alten Form nähren Illusionen, denn sie lenken den Blick auf das Bewerten und weit weniger auf die Veränderung des Verhaltens. Sie informieren kaum, ermöglichen Willkür und gaukeln dem Lehrpersonal ein Disziplinierungsmittel vor.
Meine Damen und Herren, im Sinne einer europaweiten Entwicklung ist es unserer Meinung nach sinnvoller, individualisierte Lernentwicklungsberichte zu verfassen. Diese Möglichkeiten nutzen in Bremen bereits Gesamtschulen und auch sehr viele Grundschulen.
In modernen demokratischen Gesellschaften und im Interesse einer neuen betrieblichen Organisation
können aus unserer Sicht Teile der Schlüsselqualifikationen individuell beschrieben werden in der Hoffnung, dass die Schüler in ihrer weiteren Persönlichkeitsentwicklung gestärkt werden.
Was sind nun aber diese Schlüsselqualifikationen? Darüber sollten wir uns einmal klar werden, dieser Begriff taucht häufiger auf — auch auf dem Saarbrücker Bildungsparteitag der CDU —, aber er wird nie deutlich definiert. Es ist erstens die Fachkompetenz, die heute schon beurteilt wird, zweitens die Methodenkompetenz, das heißt selbständig planen, durchführen, kontrollieren, und drittens die so genannte Sozialkompetenz, das heißt Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Fähigkeit zur Selbsteinschätzung, Kreativität, Mitverantwortung und so weiter.
Diese Methoden- und Sozialkompetenzen werden bereits heute in den Fachnoten berücksichtigt. Weil aber diese Kompetenzen immer wichtiger werden, sind wir der Meinung, dass man sie getrennt beurteilen und sie als Gesprächsgrundlage zwischen Eltern, Lehrern und Schülern nutzen sollte, denn, meine Damen und Herren, Erziehung bedeutet Resonanz! Aufgrund dieser verbalisierten Berichte können Reaktionen in Form von positivem Ermuntern oder konstruktiver Kritik bei den am Erziehungsprozess Beteiligten geweckt werden.
Diese Beurteilungsform verlangt allerdings moderne Lehr- und Lernformen, damit sich die genannten Fähigkeiten zielgenauer beurteilen lassen. Das heißt, der Unterricht muss vor allem handlungsorientiert und fächerübergreifend sein und jederzeit die Möglichkeit eines sinnvollen Methodenwechsels gewährleisten. Die Schule muss weg vom permanenten frontalen Belehren hin zum handlungsorientierten Lernen, denn Lernen benötigt immer wieder Nähe und Distanz zum Handeln. Es besteht aus laufendem Experimentieren, aus Umwegen und Fehlversuchen.
Die Zukunft benötigt keine Schüler mit dem Bewusstsein eines Dienstes nach Vorschrift und einer dauernden Anpassung, sondern Schüler, die vor allem selbständig im Team denken und handeln lernen.
Als Fraktion begrüßen wir deshalb, dass der Senat einen Modellversuch über Beurteilungsmöglichkeiten in den Schlüsselqualifikationen an zirka 30 Schulen aller Stufen durchführen will. Wir erwarten aber hierzu eine wissenschaftliche Begleitung und die Einbeziehung der Erfahrungen aus den anderen Bundesländern.
Wir stellen aber noch zusätzliche Anforderungen, zum Beispiel die Beurteilung gegenüber den Betrie
ben! Die Beurteilung des Schulverhaltens ist immer etwas anderes als die Beurteilung des Arbeitsverhaltens im Betrieb. Von daher sollten die Beurteilungen nicht am Ende der Bewerbungsjahrgänge stattfinden, da die Arbeitgeber genug Möglichkeiten besitzen, das Verhalten des künftigen Auszubildenden zu testen, sei es durch das Anbieten von Praktika, durch Einstellungstests und -gespräche oder als dritten Punkt die dreimonatige Probezeit. Ich denke, das ist ausreichend, einen Schüler zu beurteilen.
Fehlzeitenanzeigen werden nicht benötigt, denn Fehlzeiten sollten umgehend angemahnt werden. Ich erwarte von der Schule, dass die Eltern umgehend informiert werden, wenn jemand fehlt. Dann muss man die Fehlzeiten nicht gesondert ausweisen.
Auch an den Teilzeitberufsschulen, meine ich, sollten wir diese Beurteilung entfallen lassen, denn die Schüler werden permanent in ihrem Betrieb beurteilt. Das würde nur zusätzliche Arbeit erzeugen.
Auch sollte der Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte ermittelt werden, damit die Beurteilungsform weiterhin individuell vonstatten gehen kann und nicht aus Zeitgründen Textbausteine verwendet werden. Es ist auch möglich, die Beurteilung in Rasterform durchzuführen.
Doch nun eine kleine Bemerkung zum Schluss! Wir haben heute Morgen sehr viel über neue Werte und Werteverfall gehört. Falls jemand die Hoffnung hat, durch diese Kopfnoten in alter Form diese Werte neu zu definieren, dem kann ich nur sagen, der täuscht sich! Werte müssen nicht dauerhaft proklamiert werden, sondern von uns, den Erwachsenen, auch tatsächlich gelebt werden.
Wenn wir dies beherrschen, dann sehe ich für die Zukunft und für das Wertebewusstsein unserer Jugend keine Probleme. — In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie hoch ist in den kommenden fünf Jahren der Einstellungsbedarf von Lehrkräften an den beruflichen Schulen im Lande Bremen?