Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! X-mal hat die grüne Bürgerschaftsfraktion den Senat und die Kollegen der großen Koalition aufgefordert, ein bremisches Landesvergabegesetz auf den Weg zu bringen. Auch heute, mit einem Bürgerschaftsantrag vom 17. September, der Ihnen zur Beratung vorliegt, fordern wir den Senat auf, einen längst überfälligen Gesetzentwurf für ein Landesvergabegesetz vorzulegen! Ein solches Gesetz soll regeln, dass bei der Durchführung öffentlich finanzierter Bauvorhaben die Einhaltung von Tarifen und des Sozialschutzes der Beschäftigten sichergestellt sowie gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen durch Billiglohnfirmen mit illegaler Beschäftigung verhindert werden.

Wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollen ein Gesetz, das den Hoch- und Tiefbau umfasst, den öffentlichen Personennahverkehr einschließt, und wir benötigen gerade für Bremen unbedingt Rege––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

lungen, die auch die ausgegründeten Gesellschaften, alle GmbH, BIG, was es alles so gibt, über 200 Stück, einschließt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir fordern Regelungen, die alle Gesellschaften einschließen, die vom Land teilweise oder ganz beherrscht werden und öffentliche Aufgaben durchführen. Wir benötigen eine wirksame Kontrolle, um Vergaben transparent zu machen und um Korruption zu verhindern.

Bremen braucht wie Hamburg, und das ist auch Meinung der grünen Bürgerschaftsfraktion, wiederholt eine zentrale Vergabestelle. Es wäre auch möglich, das ganze Thema, wir hatten vorhin das Thema „Elektronische Verwaltung“, dann auch mit der elektronischen Auftragsvergabe zu verknüpfen und eben auch der mit der Angebotsabgabe auf elektronischem Weg.

(Senatorin W i s c h e r : Daran arbeiten wir!)

Daran arbeiten Sie, das weiß ich, das geht auch schneller!

(Senatorin W i s c h e r : Ist ja auch sehr erfolgreich bisher!)

Schön, Frau Wischer! Seit mindestens Dezember 2001 ist der Senat, Frau Wischer, uns dieses Gesetz schuldig, denn beide Fraktionen der großen Koalition haben im November 2001 hier in diesem Haus den Senat aufgefordert, ein Landesvergabegesetz vorzulegen, soweit im Bundesrat die Bemühungen scheitern, ein solches Gesetz auf Bundesebene vorzulegen. Dieses Gesetz ist der Senat bis heute hier der Bürgerschaft schuldig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch Herr Focke plädierte hier an dieser Stelle, sollte dieses Gesetz im Bundesrat scheitern, für eine spezielle bremische Lösung. Das fand ich noch eine ganz schöne Formulierung, Herr Focke!

(Abg. F o c k e [CDU]: Ja, nicht?)

Wir meinen in der Tat, der Senat ist in der Pflicht! Vorgestern habe ich mir ein wenig, lieber Jens Böhrnsen, vor Verwunderung doch abends beim Fernsehschauen die Augen reiben müssen, als ich hörte, dass die große Koalition geeint ist im Kampf gegen Lohndumping und einen Entschließungsantrag für diese Bürgerschaft zum Thema Vergabegesetz – –.

(Zuruf des Abg. B ö h r n s e n [SPD])

Freudig überrascht, natürlich! Wenn wir es gemeinsam schaffen, SPD und CDU, die CDU endlich, in dieser wichtigen Frage zu überzeugen, dann ist das eine gute Sache, und dann freut sich natürlich die grüne Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Ein bisschen können Sie sich ja freuen!)

Nein, wir freuen uns nicht nur ein bisschen, Herr Focke! Wir freuen uns wirklich, wenn ein Landesvergabegesetz hier auf dem Tisch liegt und beschlossen wird, dann werden wir uns hier auch sehr freuen!

Liebe große Koalition, Sie müssen in der folgenden Debatte begründen, warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen, denn Ihr Entschließungsantrag kommt eher mit zarten Formulierungen daher! Ich glaube nicht, dass die Grünen und auch nicht die SPD noch zur Kenntnis nehmen müssen, dass andere Länder Landesvergabegesetze haben und damit gut fahren. Ich dachte, diesen Erkenntnisstand hat die SPD schon vor einigen Jahren erreicht, und auch bei den Grünen hat sich diese Erkenntnis schon deutlich früher durchgesetzt.

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Lesen Sie den letzten Absatz!)

Der letzte Absatz! Darauf gehe ich gleich auch noch ein, Herr Böhrnsen! Was heißt denn „nimmt zur Kenntnis“ und die Formulierung „die Bürgerschaft sieht die Notwendigkeit“? Ich finde, das ist eine zarte und weiche Formulierung. Wir haben hier mehrfach über solch ein Gesetz gesprochen. Wir müssen hier nichts mehr zur Kenntnis nehmen, Sie könnten ohne weiteres dem Antrag der Grünen zustimmen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb frage ich Sie noch einmal, damit wir hier keine Missverständnisse bekommen: Der Antrag, den Sie uns hier gestern vorgelegt haben, kann nur einen der folgenden Gründe haben, und vielleicht könnten Sie dann im Verlauf der Debatte noch einmal darauf eingehen.

Entweder sind Sie sich beide in den zentralen Forderungen für ein Landesvergabegesetz noch nicht einig, wie viel Kontrolle wo, wie viel parlamentarische Kontrolle, kommen die Landesgesellschaften mit hinein, kommt der Hoch- und Tiefbau mit hinein, gibt es parlamentarische Vergabeausschüsse, ja oder nein? Das müssten Sie hier sagen! Was kommt in ein Landesvergabegesetz der großen Koalition hinein? Oder Sie trauen sich nicht, den Senat aufzufordern, weil Sie wissen, dass der Senat eine Art Wabbelgesetz vorlegt, das irgendwie nichts so richtig regelt. Oder, davon gehe ich eigentlich nicht aus, hof

fe ich nicht, Sie wissen, dass es in dieser Legislaturperiode sowieso nichts mehr wird, dass Sie sich nicht einigen können, die SPD mit der CDU – –.

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Darin steht doch ein Zeitraum!)

Deswegen, Herr Böhrnsen, müssen Sie mich vielleicht da noch einmal korrigieren. Warum bringt denn die SPD, lieber Herr Böhrnsen, nicht das Gesetz ein? Wir wissen doch, dass Carsten Sieling dieses Gesetz seit mehr als zwei Jahren unter seinem Kopfkissen aufbewahrt und auch Frau Wischer!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Woher wis- sen Sie das denn? – Abg. K l e e n [SPD]: Haben Sie das beim Bettenmachen festge- stellt?)

Das hat er doch schon gesagt! Er hat es auch in der Tasche, und auch Frau Wischer hat in irgendeiner Debatte gesagt, ich weiß nicht, ob es die dritte, vierte, fünfte oder sechste Debatte war, das Gesetz ist fertig, es liegt in der Schublade!

(Zurufe von der SPD)

Liebe SPD, warum holen Sie das Gesetz nicht aus der Schublade, pusten den Staub ab, bringen es als SPD-Fraktion ein? Sie sind doch hier der Gesetzgeber!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K l e e n [SPD]: Sie gehören zum Gesetz- geber dazu!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition, das Haus ist sich einig, alle Fraktionen wollen ein bremisches Landesvergabegesetz! Es kommt aber dennoch auf den Inhalt an, und vielleicht könnten Sie sich zu diesen Punkten noch verhalten. Wir vom Bündnis 90/Die Grünen gehen eigentlich davon aus, dass wir uns in der Sache einig sind.

Wenn die große Koalition den Entschließungsantrag ernst meint, dann möchten wir Sie bitten, zur November-Sitzung einen Gesetzesantrag hier einzubringen, damit wir ihn in der Dezember-Sitzung der Bürgerschaft abschließend beraten können, damit dann die Formulierung, die Herr Böhrnsen eben noch einmal hervorgehoben hat aus der ersten Reihe, auch erfüllt werden kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Jägers.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stahmann, das stimmt, dass Sie schon ganz oft hier gefordert haben, dass wir ein Landesvergabegesetz bekommen sollen. Wir haben das auch schon des Öfteren hier debattiert. Manche Entwürfe von Ihnen waren fachlich nicht ganz überzeugend und nicht ganz so, dass sie annahmefähig sind. Von daher ist es jetzt vielleicht ganz gut, wenn wir innerhalb der großen Koalition auch mit fachlicher Unterstützung versuchen, ein Landesvergabegesetz noch in diesem Jahr zu beschließen. Wir werden es nicht nur versuchen, ich nehme das hier vorweg, wir werden das in diesem Jahr auch machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, welche Kopfkissen Sie so untersuchen, vielleicht schauen Sie einmal unter andere Kopfkissen, da könnten auch gute Entwürfe für Vergabegesetze liegen, aber das nur am Rande!

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das fällt unter Datenschutz jetzt!)

Das weiß ich nicht, ob Ihr Kopfkissen, lieber Kollege Dr. Sieling, unter Datenschutz fällt! Das müssen wir einmal an anderer Stelle untersuchen.

Meine Damen und Herren, wir sind hier in dieser Frage Landesvergabegesetz so weit wie nie! Wir werden ein Landesvergabegesetz bekommen. Das, Frau Stahmann, da haben Sie wieder Recht, gibt allseits Anlass zur Freude, auch bei mir. Ich glaube, das kann man mir fast sogar ansehen.

Wir wollen heute einen Antrag beschließen, einen Entschließungsantrag der SPD und der CDU. Der unterscheidet sich vom Antrag der Grünen darin, dass wir hier parlamentarisch einen Gesetzentwurf erarbeiten wollen. Wenn Sie den Senat auffordern, zum 1. November etwas vorzulegen, wir haben heute den 23. Oktober, Sie wissen, wie das ausgeht, das wird nichts! Ich denke, wir sind auch schneller damit fertig und haben dann bis zum Ende des Jahres eine Einigung erzielt. Wir werden dann die Ergebnisse unserer Bemühungen in der großen Koalition hier vorstellen.

Dann können wir natürlich noch die inhaltliche Debatte führen, ob die Punkte, die Sie alle angesprochen haben, dann auch in dem Vergabegesetz enthalten sind. Ich gehe zumindest davon aus, dass sie darin enthalten sind, außer vielleicht die Vergaberegelung beziehungsweise – ich will das erläutern – die Regelungen, die die Vergabeausschüsse betreffen. Das hat mit dem Vergabegesetz erst einmal nichts zu tun, sondern ist eine Frage der Ausführung des Gesetzes. Das gehört nicht unbedingt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

in das Gesetz hinein, das haben die anderen Länder im Übrigen auch nicht gemacht.

Noch einmal zu den Zielen des Vergabegesetzes: Wir wollen Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Wir wollen den Mittelstand fördern, das ist auch eine Frage von Mittelstandsförderung, transparente Auftragsvergaben, Qualitätssicherung, Herstellung von Gerechtigkeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort! Das sind Ziele, die zumindest wir auf sozialdemokratischer Seite schon sehr lange verfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Erhalt von heimischen Arbeitsplätzen im Baubereich, aber auch in den anderen Bereichen, die erfasst werden, und natürlich im ÖPNV-Bereich, völlig klar! Das Landesvergabegesetz in Niedersachsen sieht das vor, das Vergabegesetz ist in erster Lesung in NordrheinWestfalen beschlossen worden, es sieht das auch vor. Andere Vergabegesetze sind auch darin. Wir wollen alle öffentlichen Auftraggeber mit einbeziehen, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, Paragraph 98, beschreibt, wer öffentliche Auftraggeber sind. Das ist auch in Niedersachsen so geregelt.

Zum Abschluss, völlig klar: Gesetze sind nur gut, wenn sie auch kontrolliert werden. Wir haben in der großen Koalition vor Jahren schon Regelungen verabschiedet, die darin gemündet sind, dass wir jetzt eine gemeinsame Ermittlungsgruppe Arbeit haben. Diese muss sich auch darum kümmern, dass Vergabegesetze eingehalten werden, aber auch der Zoll und das Arbeitsamt sind gute Ermittlungsbehörden mit guten Ergebnissen. Da sind die Profis, die dann auch kontrollieren müssen, dass die Gesetze, die wir hier machen, auch eingehalten werden. Meine Damen und Herren, die Zeit drängt! Lassen Sie uns an die Arbeit gehen! – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Pflugradt.