Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

Auf jeden Fall, ich werde gleich noch ein paar Ausführungen dazu machen, wir lehnen dieses Gesetz ab. Wir werden vielleicht gleich in der zweiten Runde noch einige Argumente dazu finden.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bünd- nis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Schwarz.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist Sprache immer sehr aussagekräftig, und darum war ich richtig froh, lieber Kollege Knäpper, dass Sie doch irgendwann einmal das Gesetz mit dem richtigen Namen bezeichnet haben. Es geht hier um das Informationsfreiheitsgesetz, und das bezeichnet für mich ganz viel, und ich denke, für viele in diesem Haus auch.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kollegin Stahmann, ich freue mich, dass Sie bei Ihrer Anrede „Seidenpinscher“ nur die männliche Form genommen haben. Ich war nämlich ganz entsetzt. Da hat mich eine Kollegin getröstet, sie meint nur die männlichen Kollegen hier, und das war schon ganz angenehm.

Als ich meinen Beitrag hier überlegt hatte, wollte ich zunächst das auf einen Satz beschränken: Es gibt keine datenschutzrechtlichen Bedenken gegen das Informationsfreiheitsgesetz. Dann habe ich aber doch Bedenken bekommen, nämlich Bedenken, dass eventuell durch diesen einen Satz Missverständnisse auf

treten könnten, und darum rede ich doch noch ein bisschen mehr, als ich zunächst geplant hatte.

Bei einem Informationsfreiheitsgesetz bleiben natürlich Datenschutz und Datensicherheit bestehen. Diese datenschutzrechtlichen Bereiche müssen in dem Gesetz verankert sein, klar und deutlich, und alle Bereiche des Datenschutzes müssen gewährleistet bleiben. Es wäre natürlich ganz amüsant, wenn ich mir so vorstelle, wir könnten jetzt zum Finanzamt gehen und die Steuerakten unserer Nachbarn betrachten. Dann wüssten wir endlich, wie diese Nachbarn ihren tollen Konsum finanzieren, aber das wird auch weiterhin nicht möglich sein, auch wenn ein Informationsfreiheitsgesetz vorhanden wäre.

Beim Informationszugang kann natürlich Datenschutz gewährleistet sein. Bei der Anhörung, die mein Kollege Frank Schildt auch eben genannt hat, hatten wir sehr kompetente Fachleute, und unabhängig von deren Funktion hatten alle eine einhellige Meinung: Informationsfreiheit und Datenschutz sind keine Gegensätze, sondern Ergänzungen.

(Beifall bei der SPD)

Sie bedingen sich gegenseitig. Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Wenn ich Ihnen ein Bild anbieten darf, es sind zwei Waagschalen einer Balancewaage.

Es ist kein Zufall, dass in Schleswig-Holstein am selben Tag das Landesdatenschutzgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet worden sind. In Berlin, das hat Herr Knäpper bereits ausgeführt, ist der Landesbeauftragte für Datenschutz gleichzeitig der Beauftragte für das Informationsfreiheitsgesetz. Beide Rechte haben ihre Wurzeln in der informationellen Selbstbestimmung. Ich kann meine Daten sichern, wenn ich angemessen informiert bin. Gleichzeitig muss ich aber auch wissen, dass meine schutzbedürftigen Daten gesichert sind.

Ich denke, das ist auch schon gesagt worden, Datenschutz und ein vernünftiger Dateninformationszugang, gesichert durch ein Freiheitsgesetz, sind wichtige Funktionen zum Funktionieren einer freiheitlichen Demokratie. Weil das so ist, und weil wir eigentlich bei allen Redebeiträgen überhaupt nichts gehört haben, auch von Herrn Knäpper nicht, was gegen ein Informationsfreiheitsgesetz spricht, bin ich wirklich sehr enttäuscht und auch richtig irritiert, dass ein solches Gesetz von unserem Koalitionspartner nicht unterstützt worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben es auch im Datenschutzausschuss ausführlich behandelt. Wir haben es inhaltlich diskutiert, wir haben pro und kontra diskutiert, und ich habe nie Argumente in diesen Diskussionen erfahren, die angemessen und im Umgang freundlich wa

ren, die wirklich gegen dieses Gesetz sprechen. Ich kann mich dem Bedauern meines Kollegen Schildt anschließen.

Frau Stahmann hat einmal bei einer Debatte über Datenschutz gesagt, Datenschutz sei sexy. Ich bin nicht der Meinung, dass das Informationsfreiheitsgesetz sexy ist, aber es ist wichtig, und es würde das demokratische Denken unterstützen. So kann ich nur hoffen, dass ein Sinneswandel bei der CDU eintritt, und genauso wie viele andere blicke ich hoffnungsfroh in das neue Jahr, dass ein solches Gesetz dann verabschiedet werden kann. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schwarz, also, dass Datenschutz sexy ist, ich weiß nicht, das habe ich noch nicht gemerkt.

(Heiterkeit)

Ich möchte noch einmal versuchen, unsere Standpunkte ausführlich zu erklären. Erstens: Wir haben in keiner Weise etwas gegen mehr Bürgerbeteiligung, denn mehr Bürgerbeteiligung ist eine tolle Sache, und dagegen kann man auch nichts haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Trotzdem muss ich hier noch einmal feststellen, die Anhörung, die wir durchgeführt haben, hat mich nicht vom Hocker gehauen, auch waren einige Kritikpunkte vorhanden, die nicht widerlegt werden konnten. Dieser Gesetzentwurf, den Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt hat, ist lückenhaft und in vielen Fällen undurchdacht, sehr geehrte Frau Stahmann. Deshalb kann ich hier nur wiederholen, dieser Gesetzentwurf kann in dieser Konstellation nicht von uns angenommen werden, denn die Kernfrage ist von Ihnen nicht beantwortet worden: Wozu brauchen wir das?

Ich habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, es existieren bereits bereichsspezifische Regelungen, nach denen Akteneinsicht oder Auskunft zu gewährleisten ist. Ich darf auf unser Verwaltungsverfahrensgesetz Paragraph 29 hinweisen, Überschrift „Akteneinsicht durch Beteiligte“, ich lese einmal vor, Frau Stahmann: „Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Interessen erforderlich ist.“ Im selben Paragraphen Absatz 3 – –.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischen- frage – Glocke)

Frau Stahmann, wenn ich jetzt auf Ihre Frage antworten muss, ist gleich die Redezeit wieder vorüber. Ich möchte meine Rede aber zu Ende führen.

In Paragraph 29 Absatz 3 steht: „Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei anderen Behörden oder einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen. Weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.“ Dies steht in unserem Gesetz. Hier wird klar, das Recht auf Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens ist hier geregelt. Bei persönlicher Betroffenheit bekommt jeder Bremer Akteneinsicht. Hier sehe ich das Problem, das ich mit dem Gesetzentwurf vom Bündnis 90/Die Grünen habe, um Akteneinsicht zu bekommen.

(Abg. K l e e n [SPD]: Nur bei Betroffen- heit!)

Ja, alles klar! Als Betroffener eines Verwaltungsverfahrens muss ich nämlich ein besonderes Interesse haben, um Akteneinsicht zu erhalten. Als Nichtbeteiligter eines Verwaltungsverfahrens soll ich nach Ihrem Gesetzentwurf ohne jegliche Voraussetzung Anspruch auf Akteneinsicht haben.

(Beifall bei der SPD)

Da unterhalten wir uns im Datenschutzausschuss – Frau Stahman, hören Sie einmal zu! – über Vorschriften im Internet-Café an bremischen Schulen, damit die Schüler nicht nachvollziehen können, was der Vorbenutzer aus dem Internet gezogen hat, und hier verteilen wir Informationen von Behörden an jedermann, ohne dass er ein berechtigtes Interesse nachweisen muss. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei der CDU)

Das erscheint mir ungerecht und in keiner Weise gerechtfertigt. Gemäß Paragraph 19 Bremisches Datenschutzgesetz hat der Betroffene ein Auskunftsrecht über alle Daten, die seine Person betreffen, soweit sie nicht in überwiegendem öffentlichen Interesse oder Interesse Dritter Geheimhaltung erfordern.

Aufgrund der EU-Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, die wir auch schon mehrmals angesprochen haben, gibt es bereichsspezifische Regelungen im Umweltinformati

onsgesetz. Zudem erhält der Paragraph 73 des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, Sie müssen das einmal richtig lesen – haben Sie das durchgelesen, was da steht? –, den Passus: „Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren. Schließlich ist es auch ein allgemeines Akteneinsichtsrecht, nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde außerhalb eines Verwaltungsverfahrens anerkannt, wenn die Bürgerinnen und Bürger ein Interesse an dieser Akteneinsicht geltend machen.“ Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, aber es ist hier in Bremen schon vorhanden.

Darum stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir das Gesetz, wenn die bestehenden Regelungen so gut wie nicht oder nur in sehr geringem Maße in Anspruch genommen werden?

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wovor haben Sie dann Angst?)

Ich kann für die CDU-Fraktion nur den Schluss ziehen, dass in der Bremer Bevölkerung der Bedarf an einem Informationsfreiheitsgesetz als gering zu bewerten ist. Selbst im Umweltbereich, wo man unterstellen könnte, dass es dort ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit an Information gibt, haben sich Akteneinsicht und Auskunftsbegehren in Grenzen gehalten. Dies macht auch deutlich, dass das Interesse an mehr Informationen auf die Bereitstellung von grundsätzlichen Informationen durch die Verwaltung und nicht auf die Einsicht in einzelne Verwaltungsvorgänge zielt. Dies ist besonders wichtig bei Unternehmen.

Das allgemeine Informationszugangsrecht ist nicht notwendig, um dem Informationsinteresse der Industrie bei Verfahrensbeginn, ob etwas in dem Bereich genehmigungsfähig ist und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, zu entsprechen. Hierfür existiert bereits eine Vorschrift im Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetz. Gemäß Paragraph 71 c Bremisches Verwaltungsverfahrensgesetz besteht eine Erörterungspflicht der Behörde vor Stellung von Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung. Alle Antragsteller werden hier informiert und aufgeklärt, was sie noch zu erbringen haben.

Insgesamt muss ich leider feststellen, dass der Gesetzentwurf kaum Neues bringt, weil wir hier in Bremen bereits existierende Akteneinsichts- und Informationsrechte haben. Der in Paragraph 4 Ihres Gesetzentwurfes, Frau Stahmann, grundsätzlich gewährleistete Informationsanspruch wird durch die Paragraphen 9, 10, 11 und 12 durch zahlreiche Ausnahmetatbestände zugunsten des Schutzes privater und öffentlicher Interessen eingeschränkt, was ich auch befürworte und was sicherlich auch richtig ist.

Trotzdem weiß ich, unsere Verwaltung gibt sehr viel Information an die Bremer und Bremerhavener Bewohner weiter. Um tatsächliche Informationsbedürfnisse zu befriedigen bedarf es keines gesonder

ten Gesetzes. Deswegen, ich habe es schon einmal gesagt, wir wollen Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schildt.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich so auf die rechte Seite sehe, Herr Perschau, Sie als Motor des EGovernments, frage ich mich, was Sie eigentlich denken müssen, wenn so erzkonservatives Staatsverständnis von Herrn Knäpper hier dargestellt wird,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. K n ä p p e r [CDU])

der nicht verstanden hat, worum es geht. Damit meine ich Sie nicht persönlich, Herr Knäpper, sondern es geht eben nicht darum, dass jemand, der ein begründetes Interesse hat, keinen Zugang zu Informationen hat. Es geht darum, dass jeder auch ohne ein begründetes Interesse – –.

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Das ist ja nicht zu verstehen!)