sächsische Umland ist kurzfristig nicht mehr zu verhindern. In den achtziger Jahren hatte die Stadt noch über 130 000 Einwohner, im Jahr 2000 nur noch 120 000 Einwohner, und nach Berechnungen von seriösen Gutachtern wird die Stadt im Jahr 2015 im schlimmsten Fall nur noch zirka 95 000 Einwohner haben. Pro Einwohner, der ins Umland abwandert, gehen der Stadt Bremerhaven jährlich rund 3000 Euro verloren, und was das schon heute für eine vor allem durch Ihre Politik völlig ruinierte Stadt bedeutet, brauche ich Ihnen nicht extra zu erklären. Zwar hat die Stadt Bremerhaven kleinere Maßnahmen eingeleitet, wie zum Beispiel neue Baugebiete ausgewiesen, Studenten von den Studiengebühren befreit, zinsgünstige Darlehen vergeben, aber diese Maßnahmen sind doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. All diese Maßnahmen nützen Ihnen überhaupt nichts, wenn Sie nicht schnellstens, aber allerschnellstens die Monostruktur der Wirtschaft im Land Bremen stark verändern.
Das Ganze steht und fällt mit den arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen im Land Bremen. Dazu ist es aber dringend erforderlich, das Sie den Mittelstand, das Standbein der Wirtschaft, erheblich stärken und steuerlich entlasten. Fakt ist doch, dass gerade in Bremerhaven und nicht nur in der „Bürger“ immer mehr mittelständische Betriebe und kleinere Geschäfte Insolvenz anmelden müssen, weil sie durch Ihre Politik nicht mehr überlebensfähig sind. Die logische Folge ist eine noch größere Arbeitslosigkeit und damit verbunden noch höhere Abwanderung ins Umland. So sieht Ihre Strategie zur Verbesserung der Arbeitsplatz- und Einwohnerentwicklung im Lande Bremen aus. Dafür tragen Sie die politische Verantwortung.
Hat nicht noch vor kurzem unsere Sozialsenatorin, Frau Röpke, öffentlich versprochen, dass Sie sich für mehr Spielräume in Bremen einsetzen will und für eine solche Befragung auch noch zirka 120 000 Euro zur Verfügung gestellt? Aber gleichzeitig wurde schon darüber nachgedacht, staatliche Einrichtungen, wie zum Beispiel Bremer Spielhäuser, einsparen und privatisieren zu wollen. Auch das gehört zu einer Einwohnerentwicklungspolitik.
(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben doch gar keine Ahnung! – Abg. Frau L e m k e - S c h u l - t e [SPD]: Nein, aber von nichts!)
Kommen Sie nach vorn! Entschuldigen Sie bitte, ich konnte Ihren Zwischenruf nicht verstehen! Wahrscheinlich liegt es daran, dass Sie als Hinterbänklerin so weit hinten sitzen!
Auch das gehört zu einer Einwohnerentwicklungspolitik! Allein die Idee ist schon strafbar. So geht man
Nun kommen wir einmal zu Ihrer großartigen Jugendpolitik, auch die gehört zu einer verbesserten Einwohnerentwicklungspolitik! Sie kürzen unverantwortlich im Jugendbereich, im Sportbereich, im Sozialbereich. Sie schließen unverantwortlich Freizeitund Jugendeinrichtungen sowie andere Sozialeinrichtungen, aber gleichzeitig verschwenden und verprassen Sie Unsummen an Steuergeldern für sinnlose und nutzlose Großprojekte. Die jetzt alle aufzählen zu wollen, würde den Rahmen dieser Sitzung sprengen!
Durch Ihre Politik der ruhigen Hand, vorgemacht durch Ihren Bundeskanzler Schröder, bieten Sie unseren Jugendlichen keine Zukunftsperspektive, Sie verbauen ihnen ihre Zukunft, eine Hoffnung auf Besserung gibt es nicht, und da wundern Sie sich, dass immer mehr junge Menschen das Bundesland Bremen in Scharen verlassen! Sie müssen nicht immer nur sagen, wir müssen, wir müssen, sondern tun Sie auch das, was Sie tun müssen! Fangen Sie also damit an, aber schnellstens, das Gesagte, was hier immer so großspurig behauptet wird, wir müssen, wir müssen, auch in die Tat umzusetzen! Sorgen Sie für eine verbesserte Wirtschafts- und Finanzpolitik, betreiben Sie eine bessere und effektivere Arbeitsmarktpolitik, schaffen Sie Arbeitsplätze, betreiben Sie eine bessere Jugendpolitik, damit gerade unsere jungen Menschen im Land Bremen bleiben! Gewinnen Sie durch eine viel bessere Politik ohne Parteienfilz und Postenschiebereien wieder junge Menschen für das Bundesland Bremen!
Halten Sie auch durch eine ehrliche und glaubwürdige Politik diese Menschen von einem Umzug ins Umland ab!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tittmann, der größte Schaden für Bremen und Bremerhaven sind solche Reden, wie Sie sie hier gerade gehalten haben.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU – Abg. T i t t - m a n n [DVU]: Gott, vergib Ihnen, denn Sie wissen nicht, was Sie sagen!)
ersten Teil, nämlich der Bestandsanalyse über die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Bremen. Endlich, nach sieben Jahren großer Koalition, kommen nun schwarze Zahlen auf den Tisch, an denen Sie sich bisher immer vorbeigemogelt haben, meine Damen und Herren!
Sie waren es, die uns seit Beginn der großen Koalition ein Wachstum vorgegaukelt haben, Zahlen von 50 000 Einwohnern mehr oder 40 000 Arbeitsplätzen, das waren die Zahlen, die Sie in den Raum geworfen haben, und danach haben Sie Ihre Bau-, Ihre Verkehrs- und Ihre Gewerbepolitik ausgerichtet: Auf ein Wachstum, das, wie wir nun schwarz auf weiß lesen können, in dieser Form nicht stattfinden wird! Ich finde es gut, denn auf dem Boden der Tatsachen können wir neu überlegen, wie wir unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven fit für die Zukunft machen können, und, Kollege Böhrnsen, da sehe ich mit Genugtuung, dass die SPD sich hier doch in die richtige Richtung bewegt, meine Damen und Herren.
Es waren die Grünen, die diese Wachstumszahlen immer in Frage gestellt haben. Wir haben auf den demographischen Wandel hingewiesen, der unsere beiden Städte in den nächsten Jahren wesentlich verändern wird. Ich möchte dazu ein paar konkrete Zahlen nennen, damit man sich das plastisch vorstellen kann. In Bremen wird die Einwohnerzahl bis 2020 um 30 000 Menschen abnehmen, das heißt, das sind 5,4 Prozent weniger Menschen in Bremen, und in Bremerhaven wird die Bevölkerung um fast 31 000 Menschen abnehmen, und das sind immerhin 25 Prozent.
Stellen Sie sich vor, die ganze östliche Vorstadt oder aber Bremerhaven von der südlichen Stadtgrenze bis zum Bremerhavener Hauptbahnhof wäre menschenleer! Das ist die Perspektive, von der wir ausgehen müssen. Das heißt, wir als Politiker müssen uns darauf einstellen, dass wir zukünftig keine wachsenden Städte haben werden. Das heißt aber für uns, dass wir in der Stadtentwicklungspolitik umsteuern müssen, um so möglichst viele Menschen in Bremen zu halten, und natürlich müssen wir den Kampf um neue Einwohnerinnen und Einwohner führen. Da bin ich mit dem Kollegen Böhrnsen völlig einer Meinung. Das wird ein Schwerpunkt der kommenden Jahre sein.
Meine Damen und Herren, die Städte der Zukunft, Bremen und Bremerhaven werden vor allem sehr viel weniger Kinder haben, aber sehr viel mehr ältere Menschen werden in ihnen leben. Unserer Auffassung nach ist es Aufgabe der Politik, sich frühzeitig auf diese Entwicklung einzustellen. Das bedeutet für uns, dass wir selbstverständlich dafür sor
gen müssen, dass die Menschen, die hier leben, ein Umfeld haben, in dem sie gern leben, dass Stadtteile wieder größere Bedeutung bekommen als bisher, dass sie aufgewertet werden, dass die Stabilität in den Stadtteilen gestärkt wird, dass wir neue Wohnangebote entsprechend der sich ändernden Wohnbevölkerung machen. Es ist ein Qualitätsmerkmal für Bremen, wenn es zukünftig dafür Sorge trägt, dass es angemessenen Wohnraum für die vielen älteren Menschen gibt, dass es Gesundheitsangebote gibt, dass wir Wohnraum so umbauen, dass alte Menschen auch gern hier alt werden können, ohne ihren Stadtteil zu verlassen. Das ist eine wesentliche Aufgabe, und auch wenn wir uns stark machen dafür, dass wir ein Wohnort sind, in dem gerade ältere Menschen gut leben können, dann haben wir auch die Chance, Menschen, die bisher im Umland wohnen, die alt werden, die sagen können, ja, Bremen, das ist ein guter Standort, um alt zu werden, vielleicht zum Rückzug in die Stadt zu gewinnen, meine Damen und Herren. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist, dass die große Koalition bisher immer noch verstärkt auf ein Segment in der Wohnungsbaupolitik setzt, und das ist der Punkt, an dem ich mich vor allen Dingen dauernd mit der CDU streite. Es wird zukünftig nicht mehr darum gehen, großflächige Einfamilienhausgebiete auszuweisen. Wir bauen damit an dem zukünftigen Bedarf vorbei, meine Damen und Herren. Wer das nicht endlich einsieht, Kollege Pflugradt, der wird heute Häuser bauen, in denen in 20 Jahren niemand mehr wohnen wollen wird. Darauf müssen wir uns einstellen.
Das heißt aber doch für uns, genau zu schauen, dass man die innere Stadt, die gewachsenen Stadtteile stärkt, dass man dort alles tut, um den Menschen ein angenehmes Wohnumfeld zu schaffen, dass man Kinder mit Familien in den gewachsenen Stadtteilen hält, indem man die Lebensqualität in den Stadtteilen attraktiv macht, indem man Grünräume und Plätze schafft für Kinder und Jugendliche, indem man eine Verkehrspolitik betreibt, die im Interesse der Menschen ist, und auch da haben Sie in der Vergangenheit meines Erachtens wesentliche Fehler gemacht.
Statt zu sagen, wie können wir Stadtteile von zusätzlichem Verkehr entlasten, hören wir von Herrn Senator Hattig, wir brauchen noch mehr Lkw, ein engmaschigeres Lkw-Führungsnetz! Dabei müssten Sie doch genau beachten, dass es gerade der wachsende Verkehr ist, der immer mehr Menschen aus der Stadt treibt, statt sie zu uns zu bringen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, Wohngebiete am Stadtrand zu bauen, das bedeutet auch neue Infrastrukturkosten. Jeder Meter Straße, jeder Meter Kanal,
jede Versorgungsleitung, die wir neu an die Stadtränder bauen, müssen wir zukünftig unterhalten. Bei einer nicht wachsenden Bevölkerung hat das zur Folge, dass wir Infrastrukturkosten erzeugen, deren Abzahlung wir auf die kommende Generation abwälzen. Wir wollen zukünftig die Stadt in den bestehenden Stadtgrenzen stärken, sie attraktiv machen in Bremen für die eigenen Bewohnerinnen und Bewohner, in Bremerhaven für die eigenen Bewohnerinnen und Bewohner. Selbstverständlich ist das nur der eine Schritt, da gebe ich Herrn Böhrnsen Recht. Wir müssen uns auch nach außen präsentieren als eine attraktive Stadt, in der es sich zu leben lohnt, in der es gute Arbeitsplatz- und Ausbildungsbedingungen gibt, und darauf müssen wir in Zukunft unser Schwergewicht setzen. Eine Stadt, die gute Kindergärten hat, eine Stadt, die gute Schulen hat, eine Stadt, die gute Hochschulen hat, ist auch attraktiv für junge Leute. Dann kommen die Leute auch nach Bremen, und dann können wir sie auch an diesen Standort binden, meine Damen und Herren. Darauf muss in Zukunft unser Schwergewicht liegen.
Ich möchte auch noch einmal etwas zu dem sagen, was jetzt neulich in der Zeitung stand. Dass Dinge wie Freizeiteinrichtungen, wie Kultureinrichtungen, wie Sporteinrichtungen nur Beiwerk seien, und damit war der Kollege Böhrnsen gemeint, da muss ich sagen, da gebe ich dem Kollegen Böhrnsen vollkommen Recht, nichts ist so wichtig für das Image einer Stadt, für die Lebensqualität in der Stadt, denn genau diese Dinge sind es, gute Bildungseinrichtungen, hervorragende Sporteinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, Grünflächen, Kultureinrichtungen! Dies ist kein Beiwerk, sondern das ist Lebensqualität. Dies wird auch zukünftig ein wesentliches Standbein für eine attraktive Stadt Bremen und Bremerhaven sein, meine Damen und Herren.
Von daher sehen wir es positiv, dass sich die SPD hier offensichtlich bewegt in Richtung, wie stärken wir die Lebensqualität in Bremen und Bremerhaven. Da haben Sie uns Grüne an Ihrer Seite. Wir sehen, dass es in Zukunft eine mutige Stadtentwicklungspolitik geben muss, die alles dafür tut, die gewachsene Stadtstruktur zu erhalten, aufzuwerten, die verhindert, dass Stadtteile auseinander fallen, dass es eine Stadt für alle Menschen wird, für junge, alte, aber auch für die vielen Zuwanderer, eine Stadt, in der auch unangepasste Menschen leben können, kurz, eine attraktive Stadt für alle Bevölkerungsgruppen. Dafür wollen wir uns in Zukunft einsetzen, und mein Eindruck ist, dass das in Zukunft mit der SPD besser gehen wird als mit der CDU. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist deswegen eine hilfreiche Debatte, weil sie deutlich machen wird, bisher deutlich macht und in Zukunft deutlich machen wird, wohin Kräfte dieser Stadt sich bewegen wollen, welche Richtung sie nehmen wollen und welchen Weg sie verlassen wollen.
Frau Hövelmann, wenn Sie einen Moment zuhören, ich habe drei Sätze gesagt und schon ein Zwischenruf, tolle Leistung! Wissen Sie, Ihr Beitrag bei „Buten un binnen“ war auch ein qualitätsvoller Beitrag!
(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ja, wunderbar! – Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Das Niveau steigt!)
Wir haben 1995 eine große Koalition gebildet, weil wir ein Problem im Hinblick auf Arbeitslosigkeit hatten, weil wir ein finanzielles Problem hatten, weil die Menschen aus Bremen abgewandert sind. Wenn wir bestimmte Dinge, die wir gemacht haben, nicht gemacht hätten, dann würde die Lage viel dramatischer aussehen. Wir haben nicht ohne Grund in den letzten zwei Jahren einen Einwohnerzuwachs gehabt. Wir haben uns vom Bundestrend der Arbeitslosigkeit abgekoppelt. Das ist doch nicht so ohne Weiteres gekommen, das hat doch etwas mit Politik zu tun, das hat doch etwas damit zu tun, dass wir in Bremen die Politik umgesteuert haben, in eine richtige Richtung gebracht haben, meine Damen und Herren.
Wir stehen dafür, dass dieser Kurs nicht verändert, sondern beibehalten wird. Wir setzen zukünftig auf Arbeitsplätze, wir setzen darauf, dass die Menschen auch hier wohnen können. Das war unsere Politik, und das wird sie auch in der Zukunft sein.
Meine Damen und Herren, Herr Böhrnsen, die Sozialdemokraten haben schon mehrfach gesagt, das kann ich sogar wörtlich aus einer Rede zitieren: „Selbstbewusst können wir heute feststellen,“ – so Herr Böhrnsen in einer Rede – „mit der von Sozial
demokraten eingeleiteten, von SPD, Grünen und FDP in der Ampelkoalition konzipierten und von SPD und CDU in der großen Koalition umgesetzten Sanierungspolitik sind große Erfolge erzielt worden.“