Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

Die große Koalition hat gegen unsere Stimmen in der Vergangenheit bis zum gestrigen Tag zahllose Sondervermögen eingerichtet. Der Prozess ist noch nicht ganz am Ende. Diese Sondervermögen führen natürlich auch zu einer besonderen Verpflichtung im Umgang mit Geld, weil es städtisches Vermögen ist, das in neuer Form gebündelt wird. Es ist zwar angedeutet worden, dass dafür ein Beteiligungscontrolling entwickelt werden wird, das, glaube ich, reicht aber nicht aus. Wir müssen hier tatsächlich einen Bereich schaffen, in dem Planung und Controlling besser vernetzt werden als bisher, damit alle Parlamentarier sowie die Verwaltung überhaupt wissen, wer zu welchem Zeitpunkt über welches Vermögen verfügt. Ist dies nicht der Fall, erleben wir entweder eine Überverschuldung der Stadtgemeinde und des Landes Bremen, nämlich dadurch, dass alle Sondervermögen ihr Vermögen zur Kreditaufnahme heranziehen, oder wir erleben einen Ausverkauf, indem jeder versucht, das, was er an Grundeigentum und Immobilien zur Verfügung hat, so schnell wie möglich zu veräußern, um Ressorthaushalte abzusichern. Ich glaube, bei den Sondervermögen müssen noch Sicherungsmöglichkeiten geschaffen werden, die bis jetzt nur unzulänglich vorhanden sind. Wir sind am Anfang dieses Prozesses, wir Grünen sind demgegenüber sehr kritisch. Ich glaube, die nächste Legislaturperiode hat auch in dieser Frage noch einen erheblichen Arbeitsauftrag zu bewältigen. Meine Damen und Herren, ich bin jetzt am Ende dieses Beitrags, die sachlichen Ausführungen haben ja die Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU gemacht. Ich nehme an, dass der Finanzsenator in seiner bewährten und eloquenten Art Stellung nehmen wird. Ich habe jetzt einmal ausnahmsweise eine Bitte zum Abschluss meiner parlamentarischen Arbeit, meiner vielen Auseinandersetzungen und Debatten mit Herrn Senator Perschau: Bitte schicken Sie uns heute nicht wieder durch das Fegefeuer Ihrer verbalen Eitelkeiten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort Bürgermeister Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Mützelburg, wie immer Sie das betrachten wollen, da müssen Sie durch, daran führt nichts vorbei.

Meine Damen und Herren, die Reden waren mild und freundlich, und sie beschreiben mild und freundlich einen Prozess, den wir gemeinsam gehen. Ich bin seit acht Jahren dabei, einige begleiten ihn bereits seit zehn Jahren. Professor Dr. Dannemann hat in seinem Beitrag dazu auf die Überlegenheit des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens hingewiesen und daraus natürlich auch die Notwendigkeit, ein integriertes öffentliches Rechnungswesen zu schaffen, abgeleitet. Ich glaube, dass das im Einzelnen sehr präzise dargestellt ist. Sie haben den Prozess erlebt, insbesondere die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses, die natürlich hier auch sehr viel intensiver befasst waren, in dem wir eigentlich sukzessive diese einzelnen Maßnahmen ergriffen haben, die Produktgruppenhaushalte, die Zusammenführung von Personal- und Ressourcenverantwortung und Fachverantwortung, die Veränderung und Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung, die Umstellung in Produktgruppenhaushalte selbst mit Kennziffern, mit allen einzelnen Merkmalen. Wir haben den Weg zum Konzern Bremen beschritten, und wir gehen diesen Weg Schritt für Schritt konsequent weiter.

Wir haben gerade die Umstellung auf SAP R3 hinter uns mit allen möglichen Kleinbeben, Kleinproblemen und Nebenproblemen, mit ganz vielen Schnittstellen, die abgearbeitet werden müssen, und wir bewegen uns auf das integrierte öffentliche Rechnungswesen zu. Wir sind dabei, die Konzernstrukturen zu festigen, das Beteiligungscontrolling, das Beteiligungsmanagement neu aufzubauen. Wir haben auch bei dem Handbuch hierzu etwas Besonderes geleistet. Das muss man eben einfach sagen, ich lobe meine Mitarbeiter sehr gern für das, was in dem Bereich erarbeitet worden ist. Wir müssen die Balance finden, auch gerade, was Ihre Kontrolle angeht, die Balance in der Frage finden: Wie viel Bürokratie ist nötig und nicht, wie viel Bürokratie ist möglich! Wenn man das Handbuch nimmt, dann werden wir das im Einzelnen erproben müssen, auch im Dialog mit den Gesellschaften, die es anwenden müssen. Wir werden dann sehen, welche Formen der Nachweise, der Kontrolle der einzelnen Maßnahmen erforderlich sind, welche Formen der Kontrakte erforderlich sind.

Ich glaube, dass wir uns hier insgesamt auf einem konsensorientierten gemeinsamen Weg befinden. Der große Vorteil des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens liegt eben darin, dass wir Benchmarks benötigen, dass wir uns in allen unterschiedlichen Positionen vergleichen, dass wir nicht nur die wirt

schaftliche Plausibilität prüfen, sondern dass wir auch sehr viel dezidierter prüfen können, wo wir im Vergleich zu anderen stehen. Ich glaube, dass das für Sie als Abgeordnete eine ganz außerordentlich wichtige Information ist. Natürlich ist es so, dass wir hier ein Stück vorweg laufen und wir nicht in allen Bereichen die Datenstruktur zur Verfügung haben, auch im Vergleich zu anderen Ländern, weil wir uns ja nur mit denen vergleichen können, die ihre Daten und Fakten auch so aufarbeiten wie wir und sie uns auch zur Verfügung stellen. Ich glaube, dass es ein spannender Prozess ist.

Ich sage aber auch, wie das hier im Parlament ist. Es gibt im Parlament einige Abgeordnete, die sich ganz intensiv damit befasst haben, und sicherlich auch einige, die sich damit nicht so intensiv befasst haben, einige, die das System sozusagen angenommen haben, und einige, die es noch nicht angenommen haben. So ist das auch in der Verwaltung. Es ist ein mühsamer Prozess, weil das natürlich eine ganz andere Denkweise ist und weil er natürlich auch an die Führungsaufgaben, an die Vermittlungsaufgaben, an die Ausbildungsaufgaben eine Fülle von neuen Herausforderungen stellt.

Wir sind dabei, Zug um Zug, diese Umstellung im Denkprozess bei unseren Mitarbeitern erfolgreich zu schaffen, aber wir sind noch ein gutes Stück davon entfernt, sagen zu können, das ist verarbeitet, das ist sozusagen alles auf dem Weg, das macht kein Problem. Es ist nach wie vor so, dass diese Veränderungsdynamik, die wir hier entwickeln, natürlich eben auch viele unserer Mitarbeiter bis an die Grenze ihrer Verständnisbereitschaft fordert.

Ich bedanke mich auch hier bei denen im Parlament, die diesen Prozess unterstützt haben, auch für die Solidarität im Haushalts- und Finanzausschuss. Den drei Haushaltssprechern, die hier gesprochen haben, gebührt natürlich eine besondere Anerkennung, allein deswegen schon, weil sie für die Notwendigkeit des Systemwechsels in ihren Fraktionen geworben haben. Dass das erforderlich ist, darüber müssen wir miteinander, glaube ich, nicht lange streiten.

Meine Damen und Herren, heute wird die Steuerschätzung bekannt gegeben. Ich habe gerade die ersten Zahlen gehört. Das heißt, für uns in Bremen wird das Ergebnis der Steuerschätzung wie in allen anderen Ländern sein, dass wir unsere Einnahmen für dieses und das nächste Jahr, soweit wir sie bereits irgendwie prognostiziert haben, weiter herunterkorrigieren müssen. Es wird in diesem Jahr für Bremen ein Betrag um etwa 45 Millionen sein, und es wird im nächsten Jahr für Bremen ein Betrag um etwa 70 Millionen sein, der nach unten korrigiert werden muss.

Das BMF hat heute darüber Auskunft gegeben, dass dieses Jahr bisher nicht die positive Seite des Wachstums erreicht hat, sondern dass wir zurzeit bei

etwa minus 0,2 Prozent Wachstum liegen. Wir können nur gemeinsam hoffen, dass es in diesem Jahr gelingt, das zu verändern, denn sonst müssten wir im November bei der nächsten Steuerschätzung noch einmal nach unten korrigieren. Sie wissen, dass wir im November des letzten Jahres schon einmal dramatisch nach unten korrigiert haben und dass dieses Herunterkorrigieren von Einnahmeerwartungen Bremseffekte auf unserem Sanierungsweg hinterlässt. Das darf eigentlich niemanden überraschen, Herr Mützelburg, und das überrascht Sie auch nicht, weil Sie wissen, dass diese Bremseffekte entstehen, und wir werden nicht alle diese Dinge durch Einsparungen erreichen.

Natürlich ist es so, dass wir auch diese Minderausgaben letztlich mit dem Bund im Rahmen der Gesamtdebatte über den Kanzlerbrief, die natürlich geführt werden muss, diskutieren und besprechen müssen. Ich denke, dass wir vermutlich wieder ein gewisses überdurchschnittliches Wachstum haben, aber trotzdem natürlich von der bundesweiten Konjunktur, die sich im Moment eher auf eine Rezession zu bewegt, eingeholt werden und davon betroffen sind. Deshalb denke ich, dass wir über diese Dinge ganz selbstverständlich und auch offen reden müssen.

Sie müssen doch die Entscheidungen als Gesetzgeber treffen, Sie müssen doch als Parlamentarier die Entscheidungen treffen, wo Sie die Grenze der Sparsamkeit setzen wollen. Wir haben ja sehr deutlich gesagt, wenn wir das Sanierungsziel erreichen wollen, müssen wir in den nächsten beiden Jahren im konsumtiven Bereich pro Jahr 1,9 Prozent einsparen, 1,9 Prozent minus!

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Das war noch vor der Steuerschätzung!)

Das war vor der Steuerschätzung. Nun erhöht sich dieser Betrag durch die Steuerschätzung, und ich gehe davon aus, dass die nächste Koalition, die nächste Regierung darüber einen Beschluss fassen muss, wie noch die Sparrate in den nächsten Jahren sein soll, und daran orientiert sich der Zeitpunkt, wann wir einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen können.

Das ist eine ganz einfache Entscheidung, die Sie treffen, die Sie auch treffen müssen, weil das natürlich auch etwas mit unserer gemeinsamen Verantwortung zu tun hat. Wir können ja nicht einfach immer fröhlich Ausgaben definieren, die wir gern tätigen wollen, sondern wir müssen im Grunde zunächst einmal den Gesamtrahmen festsetzen, und das wird jetzt auch nach dieser erneuten Steuerschätzung und den Ergebnissen zu tun sein, die im Grunde genommen vorhersehbar waren.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei Ihnen allen abschließend für das große Verständnis, das Sie dem Reformprozess im Finanzmanagement

entgegengebracht haben. Ich bedanke mich auch für meine Mitarbeiter für die lobenden Worte, die Sie für meine Mitarbeiter gefunden haben. Ich kann mich dem freudig anschließen. Ich weiß, dass wir diesen schwierigen Weg in der nächsten Legislaturperiode weitergehen müssen, und wünsche ihnen dafür auch guten Mut!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/1416, Kenntnis.

Meine Damen und Herren, es ist vereinbart worden, dass wir vor der Mittagspause keinen neuen Tagesordnungspunkt aufrufen. Ich möchte Ihnen aber mitteilen, dass eigentlich der Tagesordnungspunkt 14, Konzeption zur Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen, aufgerufen werden müsste.

Wir haben vereinbart, dass wir diesen Tagesordnungspunkt an das Ende der Tagesordnung stellen und nach der Mittagspause nunmehr Tagesordnungspunkt 15, Mehr Lebensqualität in Bremen und Bremerhaven durch Wirtschafts- und Strukturpolitik, aufrufen.

Ich gehe davon aus, das ist ja interfraktionell vereinbart worden, dass das einstimmig im Haus getragen wird. – Das ist der Fall.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.47 Uhr)

Vizepräsident Dr. Kuhn eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Mehr Lebensqualität in Bremen und Bremerhaven durch Wirtschafts- und Strukturpolitik

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. März 2003 (Drucksache 15/1412)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 29. April 2003

(Drucksache 15/1469)

Als Vertreter des Senats Herr Senator Hattig, ihm beigeordnet Frau Staatsrätin Winther.

Herr Senator, möchten Sie diese Antwort des Senats mündlich vortragen?

(Senator H a t t i g : Nein, möchte ich nicht!)

Das ist nicht der Fall.

Ich gehe davon aus, dass in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bedanken uns ganz herzlich bei dem Senat für die Beantwortung dieser Großen Anfrage. Diese Große Anfrage liefert Fakten, Fakten, Fakten. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken, und ich kann das Resümee relativ kurz machen: Wir haben viel getan, und es gibt noch viel zu tun!

(Zurufe von der SPD: Oh!)

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gut, ich nehme das einmal als ein Zeichen, dass die CDU hier in Bremen nicht mehr viel zu sagen haben will!

(Beifall bei der SPD)