Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksachen-Nummer 15/148, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.55 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich die Mitglieder der Klönschnackgruppe des Gustav-HeinemannBürgerhauses.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Hochschulen im internationalen Wettbewerb Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 9. Dezember 1999 (Drucksache 15/142)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 18. Januar 2000 (Drucksache 15/176)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Köttgen.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Staatsrat, möchten Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU mündlich vortragen? — Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. — Das ist der Fall.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wissenschaft ist eine Angelegenheit mit internationaler Dimension: in Forschung durch internationale Konkurrenz um die besten Wissenschaftler und um Drittmittel und in der Lehre durch die internationale Konkurrenz um Studierende.

Wir diskutieren hier nicht die Frage, ob wir Internationalisierung wollen oder nicht, sondern es geht um die Frage, wie sich unsere Hochschulen der Herausforderung der Internationalisierung stellen. Wir stehen vor der Aufgabe zu reformieren, ohne die Qualitätsmerkmale, die die Hochschulausbildung in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich hat, über Bord zu werfen. Das Hochschulinformationssystem in Hannover beschreibt diese Vorzüge: Charakteristisch für die Bundesrepublik sei das hohe Maß an Selbständigkeit der Studierenden, die Wissenschaftlichkeit und Forschungsnähe des Universitätsstudiums sowie die Praxisnähe der Ausbildung an der Fachhochschule.

Wir sollten uns aber nichts vormachen, viele verstehen unter Internationalisierung die weltweite Standardisierung des amerikanischen Hochschulsystems. Ich meine, gerade angesichts der Vorzüge des bundesrepublikanischen Systems, die ich genannt habe, kann es das nicht sein. Ziel muss es sein, die produktive Vielfalt der Systeme zu bewahren, innerhalb dieser Vielfalt aber eine größtmögliche Durchlässigkeit und Vernetzung herzustellen, oder anders, etwas moderner ausgedrückt, die Systeme zueinander kompatibel zu machen.

Die staatlichen bremischen Hochschulen, und das geht aus der Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage hervor, haben sich der Herausforderung der Internationalisierung offensiv gestellt. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, die Einführung des Leistungspunktsystems ECTS und die Einrichtung des Fremdsprachenzentrums dokumentieren das eindrucksvoll. Besonders hervorzuheben ist die hohe Zahl an internationalen Studiengängen an der Hochschule Bremen. Mit 22 eingerichteten und weiteren geplanten internationalen Studiengängen ist die Hochschule bundesweit relativ und absolut — und das angesichts der Größe der

Hochschule — die Nummer eins unter allen Fachhochschulen und Universitäten in der Bundesrepublik.

(Beifall bei der SPD)

Die internationale Ausrichtung ist das zentrale Element im Profil der Hochschule Bremen. Das findet bundesweit Beachtung, und das muss auch hier noch einmal ausdrücklich gelobt werden.

Nun zu den neuen Abschlüssen Bachelor und Master! Wer glaubt, dass allein durch einen englischsprachigen Titel dieser Abschluss automatisch international anerkannt wäre, der ist leider auf dem Holzweg. Es bringt meiner Meinung nach gar nichts, auf einen Magisterstudiengang das Etikett Bachelor zu kleben oder auf das Diplom das Etikett Master, getreu dem Motto, Raider heißt jetzt Twix. Viel sinnvoller ist es, was auch in der Antwort des Senats schon angedeutet wurde, zum Beispiel durch ein Diploma Supplement, also einen Anhang an das Diplomzeugnis, den Inhalt des Studiums, das mit diesem Abschluss verbunden ist, transparent zu machen. Das ist dann auch international verständlich.

Die Bachelor- und Masterabschlüsse müssen mit Studiengängen verbunden sein, die sich im inhaltlichen Profil von den klassischen Studiengängen in der Bundesrepublik unterscheiden, erst dann sind sie attraktiv für deutsche Studierende, die sich auf dem internationalen Arbeitsmarkt orientieren wollen, und auch für ausländische Studierende, die einen Abschluss in der Bundesrepublik machen möchten. Erst damit werden sie auch wirklich zu einer Bereicherung unseres bundesrepublikanischen Hochschulsystems. Meiner Meinung nach wird in diesem Zusammenhang an unseren Hochschulen viel zu wenig über das Instrument der Modularisierung des Studiums diskutiert.

(Beifall bei der SPD)

Module, also Blockeinheiten inhaltlich zusammengehörender Lehrveranstaltungen, können im Bausteinverfahren zu einem klassischen oder neuen Abschluss zusammengefügt werden. Wenn diese Module nun auch noch nach dem ECTS, das ist das europäische Kreditpunkttransfersystem, bewertet werden, dann schafft man damit die Möglichkeit, ohne Zeitverlust einen Teil des Studiums in jedem Land und an jeder Hochschule der Wahl durchzuführen. Das ist die modernere Form.

Das könnte die Mobilität der Studierenden weit mehr erhöhen als das, was wir im Augenblick zum Teil auch noch in der Bundesrepublik erleben, als die inflationäre Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen. Ein Vorbild sollte uns in dieser Hinsicht das Land Schweden sein, wo durch ein System der Modularisierung eine sehr hohe Durchlässigkeit innerhalb des nationalen Hochschulsystems

erreicht wurde, aber eben auch international. Warum sollte das, was in Schweden geht, nicht auch bei uns funktionieren?

Zum Abschluss möchte ich noch auf die Frage eingehen, ob denn unsere Hochschulen wirklich so unattraktiv für ausländische Studierende sind, schließlich liegt in der Bundesrepublik der Anteil an ausländischen Studierenden noch deutlich über dem in den USA oder in Japan. Wir sollten uns darauf aber nicht ausruhen, das will ich damit nicht gesagt haben. Für unsere exportorientierte Wirtschaft ist es enorm wichtig, dass wir viele Ausländer hier in der Bundesrepublik ausbilden.

Die ganze Sache hat ja auch noch einen entwicklungspolitischen Aspekt, den ich auch nicht unerwähnt lassen möchte. Zum einen sollten wir uns noch einmal vor Augen halten, dass wir hier in der Bundesrepublik für ausländische Studierende einen riesigen Standortvorteil haben, das ist die Gebührenfreiheit des Studiums.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich denke, wir wären politisch sehr kurzsichtig, wenn wir diesen Standortvorteil aus anderen Erwägungen aufgeben würden.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Ja, Herr Schröder hat da, glaube ich, schon ein vernünftiges Wort gesprochen. Er ist ein kluger Mann!

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten uns aber auch noch vor Augen halten, was hier denn eventuell als Abschreckung für ausländische Studierende in Frage kommt. Ich habe — auch in meiner eigenen Studienzeit — viel mit ausländischen Kommilitoninnen und Kommilitonen darüber gesprochen, es fallen immer wieder die gleichen Schlagworte: Das ist natürlich zum einen unsere Sprache, das unpersönliche Lernmilieu an den Hochschulen und auch das teilweise ausländerfeindliche Klima in der Bundesrepublik.

An der Sprache können wir herzlich wenig ändern. Wir können aber zumindest alles dafür tun, dass den ausländischen Studierenden das Erlernen dieser Sprache erleichtert wird. Wenn zum Beispiel der Akademische Senat an der Universität beschließt, dass allen ausländischen Studierenden kostenlos ein Deutschkurs zur Verfügung gestellt wird, dann finde ich das sehr vorbildlich.

(Beifall bei der SPD)

Es geht noch weiter. Wenn dann aber am Ende, so wie jetzt in diesem Wintersemester geschehen,

dann doch kein Geld da ist und statt 250 nur 70 Plätze im Fremdsprachenzentrum angeboten werden können, dann ist das natürlich enttäuschend, dann muss man sagen, hier besteht Handlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe dann doch das Gefühl, wenn man diese Fakten sieht, dass an den Hochschulen manchmal zumindest noch falsche Prioritäten gesetzt werden. Es müsste meiner Meinung nach noch viel mehr Engagement an den Hochschulen bei der Betreuung der ausländischen Studierenden vor Ort geleistet werden. Es gibt da durchaus gute Vorschläge mit Mentoren- und Tutorensystemen, die sind aber leider noch sehr unterentwickelt auch an den bremischen Hochschulen.

Als größtes Hemmnis, hier in Deutschland zu studieren, beschreiben aber die ausländischen Studierenden, zumindest die, mit denen ich gesprochen habe, die Probleme bei der Anerkennung ihrer Hochschulzugangsberechtigung und die Schwierigkeiten, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Gerade Studierende aus Entwicklungsländern sind auf Nebenerwerbstätigkeit zur Finanzierung des Studiums angewiesen, weil die Eltern dieser Studierenden häufig nicht besonders wohlhabend und die Stipendien, mit denen noch studiert werden könnte, leider auch sehr rar sind.

Die Praxis, jeden ausländischen Studienbewerber hier in der Bundesrepublik erst einmal als potentiellen illegalen Einwanderer zu behandeln, ist meiner Meinung nach überhaupt nicht geeignet, die Attraktivität der deutschen Hochschulen zu steigern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe mich gerade umgeschaut, ob ich den Innensenator finde, leider ist er nicht da, ich möchte trotzdem an ihn appellieren. Herr Dr. Schulte, es gibt die Möglichkeit für ausländische Studierende, wie zum Beispiel in Hamburg, dass sie im Semester bis zu 20 Stunden pro Woche nebenbei arbeiten dürfen, das könnten Sie per Erlass auch auf Bremen ausdehnen. Ich würde mich freuen, wenn der Innensenator das auch tun würde.

(Beifall bei der SPD)

So viel Liberalität muss sein.

Meine Damen und Herren, die bremischen Hochschulen sind meiner Meinung nach bereits fit für den internationalen Wettbewerb oder zumindest auf dem richtigen Weg dorthin. Durch die Hochschulen ist der nötige Ruck, wie es der Bundespräsident a. D. formuliert hat, längst gegangen. Jetzt muss dieser

Impuls der Öffnung nach außen auch den Rest der Gesellschaft erreichen. — Vielen Dank!