Protokoll der Sitzung vom 25.02.2004

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein und fahren um 14.30 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung 13.04 Uhr) * Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr. Vizepräsident Ravens: Meine Damen und Herren, die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Nachträgliche Sicherungsverwahrung bundesgesetzlich regeln!

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 24. Februar 2004 (Drucksache 16/153)

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hannken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen jetzt vorliegenden Dringlichkeitsantrag fordern wir den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, eine zügige gesetzliche Regelung der nachträglichen Sicherheitsverwahrung für besonders gefährliche Gewalttäter und Sexualstraftäter einzuführen. Auch wenn der zuständige Senator uns nicht mit seiner Anwesenheit beglücken kann, hoffe ich, dass Sie dennoch dieser Aufforderung nachkommen werden.

Diese nachträgliche Sicherheitsverwahrung bedeutet, dass Straftäter, deren Gefährlichkeit sich erst während der Verbüßung ihrer Haftstrafe herausstellt, zum Schutz der Bevölkerung und zur Verhinderung weiterer Straftaten auch nachträglich in Sicherheitsverwahrung genommen werden können. Damit wird eine Lücke im geltenden Recht geschlossen. Zurzeit besteht nach Paragraph 66 StGB nur die Möglichkeit, dass das Gericht unter sehr engen Voraussetzungen neben der Strafe im Urteil eine Sicherungsverwahrung anordnen kann oder ausdrücklich diesbezüglich einen Vorbehalt erwähnen muss.

Stellt sich allerdings erst nach dem Urteil heraus, dass der Straftäter weiterhin gefährlich ist, gibt es keine bundesgesetzliche Regelung, die eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung ermöglicht. Bisher hat sich in der Diskussion, die in der Bundesrepublk geführt wurde, die Bundesjustizministerin darauf berufen, dass die Länder dafür zuständig seien, und hat sich damit der koalitionsinternen Streitigkeit entziehen wollen. Die unionsgeführten Bundesländer haben daraufhin aufgrund der Untätigkeit der Bundesregierung landesgesetzliche Regelungen erlassen, um die Bevölkerung vor besonders gefährlichen Straftätern zu schützen.

Sie haben eine Konstruktion über das Polizeirecht gewählt. Diese Konstruktionen sind durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Fe––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

bruar 2004 nichtig geworden beziehungsweise für verfassungswidrig erklärt worden, nichtig sind sie zurzeit noch nicht. Diese landesgesetzlichen Regelungen, die insbesondere in Bayern und Sachsen-Anhalt eingeführt worden sind, haben die nachträgliche Sicherheitsverwahrung bei besonders rückfallgefährdeten Straftätern geregelt und sind, wie gesagt, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat ganz ausdrücklich ausgeführt, dass die Gesetzgebungskompetenz für die nachträgliche Sicherungsverwahrung beim Bund liegt. Der Bund ist somit gefordert.

Ich begrüße auch ganz herzlich den zuständigen Justizsenator in unserer Runde!

Damit hat das Bundesverfassungsgericht die rotgrüne Bundesregierung unter Zugzwang gesetzt. Es gilt, jetzt zu handeln, es gilt, jetzt dem Schutz der Bevölkerung gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat, wie erwähnt, die landesgesetzlichen Regelungen zwar für verfassungswidrig, sie jedoch nicht für nichtig erklärt, sondern eine Übergangsfrist bis zum 30. September 2004 eingeräumt. Innerhalb dieses Zeitraumes muss eine bundesgesetzliche Regelung eingeführt werden, damit man die Personen, die sich zurzeit in Haft befinden, bei denen aber feststeht, dass weiterhin eine Gefährlichkeit vorliegt, nicht nach Beendigung ihrer Strafe entlassen muss. Es besteht somit dringender Handlungsbedarf.

Es handelt sich hier, um das schon einmal von vornherein zu sagen, nicht um sehr viele Täter. Es droht jetzt nicht eine Serie von Straftätern, die entlassen werden und weiterhin eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen, sondern es handelt sich in Deutschland um eine Hand voll Fälle, in denen sich die Gefährlichkeit erst während des Strafvollzugs herausgestellt hat.

Man muss auch erwähnen, dass diese nachträgliche Sicherungsverwahrung einen sehr schweren Grundrechtseingriff darstellt, denn erst nach dem Urteil wird die Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Das bedeutet, dass man diese Sicherungsverwahrung nachträglich auch nur unter sehr engen Voraussetzungen anordnen darf. Es gilt nicht für alle Straftäter, sondern es gilt in erster Linie für Sexualstraftäter, bei denen Wiederholungsgefahr droht, und für schwere Gewaltverbrecher, bei denen während der Haftzeit deutlich wurde, dass sie auch nach ihrer Haftentlassung weitere Gewaltverbrechen verüben können, insbesondere weil sie sich während der Haft auch keinen Therapiemaßnahmen unterzogen haben.

Genau wie bei Paragraph 66 StGB muss auch diese nachträgliche Sicherungsverwahrung durch das Gericht angeordnet werden. Vorweg muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, um die Gefährlichkeit zu überprüfen. Ich denke, die Bevölkerung hat einen Anspruch auf staatlichen Schutz, hat einen Anspruch darauf, vor gefährlichen Gewalt

verbrechern und Sexualstraftätern geschützt zu werden. Dieser Anspruch ist lange genug von der Bundesregierung ignoriert worden. Jetzt gilt es, endlich zu handeln!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird nicht verwunderlich sein, dass wir in Nuancen unterschiedlicher Meinung zur CDU sind, aber wir sind im Grundsatz einig, und das ist auch gut so. Das Thema der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist, wie wir sagen, kein Thema für die Stammtische und auch kein Thema für Parlamentsdiskussionen auf Stammtischniveau – ich hoffe nicht, dass wir das heute hier noch erleben werden –, sondern ein ernstes Thema für die Rechtspolitik und für die öffentliche Sicherheit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Zu- ruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich habe an Sie schon gedacht, Herr Tittmann! Die Öffentlichkeit ist in den vergangenen Jahren mehrfach durch schwere Gewalttaten aufgeschreckt worden, die von entlassenen Strafgefangenen verübt worden sind, bedauerliche Fälle, in denen aber der Justiz die Hände gebunden waren, weil es keine gesetzlichen Möglichkeiten gab, in diesen Fällen tätig zu werden.

Worum geht es bei der Sicherungsverwahrung? Die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe, wie schon der Name sagt, sondern es geht darum, bestimmte Straftäter, die sich als gefährlich erwiesen haben, sicher zu verwahren. Dieses sichere Verwahren ist bisher die Reaktion auf eine Tat gewesen, und zwar nur eine Reaktion auf eine Tat. Sie kann übrigens nicht gegen Jugendliche und Heranwachsende verhängt werden, auch das muss klar sein in dieser Diskussion, daran rütteln wir auch nicht.

Bis 1998 galt für die Sicherungsverwahrung eine Höchstfrist von zehn Jahren. Diese Frist ist damals aufgehoben worden. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen von der CDU in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass 1998 die damaligen Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages schon eine Regelung gefordert haben, eine so genannte vorbehaltende Regelung für die Sicherheitsverwahrung einzuführen, das heißt die Möglichkeit, dass das Gericht sich in dem Strafurteil eine nachträgliche Verhängung der Sicherheitsverwahrung vorbehält, und zwar für den Fall, dass während der Strafhaft die besondere Gefährlichkeit eines Verurteilten erst deut––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lich wird. Die CDU hat das damals abgelehnt. Insofern kann ich das, was Frau Hannken eben erklärt hat, jedenfalls zum Teil zurückgeben.

Es ist dann im August 2002 diese Regelung mit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden, damals im Bundestag beschlossen mit den Stimmen vom Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, und auch die anderen Beteiligten haben sich dieser Regelung angeschlossen. Wir meinen, das war ein rechtspolitischer Fortschritt, aber diese Regelung, die Sie jetzt in Paragraph 66 a Strafgesetzbuch finden, erfasst eben nicht die Fälle derer, die schon vor dem Jahr 2002 verurteilt worden sind.

Es gibt also nach wie vor Handlungsbedarf. Dieser Handlungsbedarf ergibt sich aus der Erkenntnis, so traurig das vielleicht auch sein mag, dass es Straftäter gibt, die sich auch durch eine unter Umständen sehr lange Strafverbüßung nicht beeindrucken lassen und sich nicht bessern. Für diese Fälle muss man Vorkehrungen treffen zum Schutz der Öffentlichkeit. Es gibt also im bisherigen System eine Lücke, die diese Straftäter nicht erfasst. Dabei geht es nicht um Lappalien, sondern es geht um Wiederholungstäter, es geht um Straftäter, die mehrfach hart bestraft worden sind und auch schon längere Freiheitsstrafen verbüßt haben, und es geht uns hier vor allem um Gewaltkriminelle und um Sexualstraftäter.

Nun hatte der Bund gemeint, für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung, die nicht im Urteil vorbehalten worden ist, nicht zuständig zu sein, sondern gesagt, insofern hat Frau Hannken Recht gehabt, das sei Sache der Bundesländer. Diese Frage hat nun das Bundesverfassungsgericht anders entschieden und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies eine Regelung ist, für die eine konkurrierende Zuständigkeit besteht mit der Begründung, der Bund habe hier seine Kompetenz ausgeschöpft, so dass der Bund dies auch regeln muss. In dem Zusammenhang ist aber von ganz eminent wichtiger Bedeutung, dass das Verfassungsgericht eben auch entschieden hat, dass grundsätzlich die Sicherungsverwahrung ohne eine zeitliche Befristung zulässig ist. Das war bisher auch sehr umstritten. Das Verfassungsgericht hat aber auch betont, dass es hier um Einzelfallentscheidungen geht und dass im Einzelfall sehr genau, sehr präzise geprüft werden muss, ob eine solche schwerwiegende Maßnahme angeordnet werden kann.

Es geht in der Tat nicht um große Zahlen, sondern es geht um einen relativ kleinen Kreis von Verurteilten, die sich jetzt in der Sicherungsverwahrung befinden. Das sind im Bundesgebiet etwa 310 Betroffene, von denen gibt es einen kleinen Prozentsatz, für den die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Betracht kommen könnte. Es geht also nicht darum, dass nun plötzlich Hunderte von Strafgefangenen in die Sicherungsverwahrung überführt wer

den, sondern um einen kleinen Kreis von besonders gefährlichen Straftätern. Wir meinen aber, dass auch, wenn es sich nur um einen kleinen Kreis handelt, eine gesetzliche Regelung unbedingt her muss, denn jedes unschuldige Opfer ist eines zu viel. Da muss der Gesetzgeber handeln. Wir sind der Auffassung, dass Wert darauf gelegt werden muss, dass diese Anordnungen in einem rechtsstaatlich fairen Verfahren getroffen werden müssen, und deshalb haben wir gemeinsam mit der CDU diesen Antrag eingebracht, der vorsieht, dass nicht ein Einzelrichter, sondern eine Kammer des Landgerichts entscheiden muss, dass selbstverständlich der Verurteilte persönlich angehört werden muss, dass ein Sachverständiger nicht nur ein schriftliches Gutachten abgeben darf, sondern dass er mündlich angehört werden muss, damit sich das Gericht einen persönlichen Eindruck verschaffen kann, denn es geht ja hier um die Prognose eines gefährlichen Verhaltens, und es sind harte Maßstäbe an die Begründung anzulegen. Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass das Land Bremen eine Regelung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Bundesrat und bei der Vorbereitung unterstützen sollte, und deshalb bitten wir darum, diesem Antrag heute hier zuzustimmen. Ich möchte auch noch die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle die Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen und Herrn Wedler von der FDP zu bitten, sich zu überlegen, ob sie nicht doch auch diesem Antrag zustimmen können, was sich im Vorfeld angedeutet hat. Dies ist kein Thema, das von parteipolitischer Polemik geprägt sein darf, sondern hier geht es um eine sachlich begründete, vernünftige Entscheidung. So, wie wir hier in Bremen von SPD-Seite mit der CDU zu einem Ergebnis gekommen sind, werden wir es sicherlich auch erleben, dass es in Berlin auf der sachlich-fachlichen Ebene zu einem vernünftigen Ergebnis kommt. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich darf nun eine neunte Klasse des Gymnasiums der St.-Johannis-Schule begrüßen. – Herzlich willkommen im Hause!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Grotheer, Ihrer Bitte werden wir nachkommen. Wir werden diesem Antrag zustimmen. Es handelt sich um eine inhaltliche, um eine fachliche Frage, die zur Polemik überhaupt nicht taugt und die auch nicht geeignet ist, um grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen über Strafvollzug hier zu diskutieren.

Es geht um sehr heftige Fälle, es geht hier um Mord und Totschlag, es geht um Vergewaltigung, es geht darum, dass durch Kriminalität Leute sehr stark gelitten haben, Opfer produziert worden sind. Aber es sind erfreulicherweise sehr wenige Fälle, die dafür umso heftiger sind. Trotzdem kann man nicht sagen, wir müssen alle Grundsatzfragen, wie mit Strafvollzug umzugehen ist, anhand dieses Themas aufrollen. Ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass Herr Tittmann das nachher machen wird, aber ich glaube, wir wissen schon, was wir davon zu halten haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es geht bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung um solche Fälle, in denen sich die Gefährlichkeit eines Täters erst nach der Verurteilung herausstellt. Das kann aus zwei Gründen passieren, und zwar zum einen, weil die Gefährlichkeit bislang im Ermittlungsverfahren und im tatgerichtlichen Verfahren verborgen geblieben ist, das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist, dass die Gefährlichkeit erst im Gefängnis entstanden ist. Für diese Fälle bedarf es einer Regelung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung. Für gefährliche Straftäter, die erhebliche Straftaten auf dem Gewissen haben, gibt es schon jetzt ein umfangreiches Instrumentarium, wie mit ihnen umzugehen ist. Die erste Sanktion ist normalerweise das Gefängnis. Zehn Jahre, 15 Jahre, 20 Jahre sitzen die Leute in einer Haftanstalt. Was da passiert, ist, glaube ich, eine Frage, der wir uns näher widmen sollten, und zwar deshalb, weil es nicht sein kann, dass wir erst hinterher über Sicherungsverwahrung, über weitere Maßnahmen der Sicherung nachdenken. Wir müssen in den Vordergrund stellen, dass bereits bei der normalen Inhaftierung, beim Einsitzen im Gefängnis, mit den Leuten etwas passiert, dass Straftäter nicht auf die Schiene geschoben werden: Aus denen wird nie wieder etwas werden, die sind nicht resozialisierbar, die sind aufgegeben. Es muss darum gehen, dass wir bereits in der normalen Strafhaft Maßnahmen ergreifen, damit solche Straftäter nicht rückfällig werden. Daneben gibt es die Möglichkeit, für psychisch kranke Straftäter die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Das ist für viele Fälle von Sexualstraftaten der Fall. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, Führungsaufsicht und Weisungen ergehen zu lassen für solche Straftäter, die nach einer ganz langen Zeit der Inhaftierung wahrscheinlich die Gewähr bieten, dass sie keine Straftaten mehr begehen werden und für die durch Maßnahmen sichergestellt wird, dass sie sich weiter der Therapie unterziehen und so weiter. Das ist der effektivste Schutz vor neuen Taten. Sicherungsverwahrung heißt, dass der Straftäter die eigentliche Strafe bereits abgesessen hat. Die

strafrechtliche Schuld ist getilgt mit dem Absitzen der Freiheitsstrafe. Trotzdem werden die Täter weiter in Haft behalten, weil es der Gesellschaft gegenüber nicht verantwortbar wäre, sie frei herumlaufen zu lassen. Es wird also jemand präventiv eingesperrt. Es geht darum, dass der frühere Täter nach 15, 20 Jahren Gefängnis immer noch nicht so weit ist, dass man davon ausgehen kann, dass er keine Gefahr mehr ist. Die Sicherungsverwahrung ist ein Opfer des Täters für die Allgemeinheit, das dem Täter abverlangt wird. Normalerweise ist nach der Strafvollstreckung das Einsitzen vorbei.

Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist aufgrund des Handelns der rotgrünen Bundesregierung bereits seit 2002 möglich. Im Taturteil kann der Vorbehalt gemacht werden, dass später über die Sicherungsverwahrung entschieden wird, weil zum Zeitpunkt des Taturteils noch keine Prognose über die weitere Gefährlichkeit des Täters gemacht werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat Länderregelungen, die weiter gegangen sind, für verfassungswidrig erklärt, und zwar deshalb, weil das Thema durch den Bund geregelt werden muss. Es besteht hier, glaube ich, im Hause genauso wie im Bundestag Einigkeit, dass es für die Altfälle eine Regelung geben muss, wo ein Vorbehalt im Strafurteil deshalb nicht mehr möglich ist, weil das Strafurteil bereits ergangen ist, darüber sind wir uns völlig einig.

Noch streitig ist die Frage, wie eine grundsätzliche Regelung zu einer möglichen späteren Anordnung der nachträglichen Sicherheitsverwahrung denn im Detail aussehen wird. Das ist keine Frage, über die wir hier im Plenum streiten sollten. Das ist eine höchst komplizierte rechtliche Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Thema beschäftigt. Es hat sehr enge Bedingungen aufgestellt, die eine solche Regelung erfüllen muss. Das heißt, das ist keine Frage, die sich für irgendwelche Stammtische eignet, sondern über die ernsthaft in fachlichen Gremien diskutiert werden muss.

Es gibt drei Punkte, die ich für eine Neuregelung für sinnvoll halte. Zum einen geht es darum, das hat auch das Bundesverfassungsgericht ähnlich gesehen, dass die Bindung der Sicherheitsentscheidung an die Straftat, weswegen ein Straftäter verurteilt worden ist, weiterhin wesentliches Element bleibt. Es ist also nicht möglich, dass ein Straftäter, beispielsweise ein Serienbetrüger, dann plötzlich wegen einer anderen Gefährlichkeit, die sich im Vollzug herausstellt, weiterhin eingesperrt werden kann. Das ist eine Regelung, die schlichtweg erforderlich ist, weil die Verfassung das so sagt, weil sie sagt, jeder Mensch hat die Möglichkeit, sich für oder gegen das Recht zu entscheiden, und erst dann, wenn man sicher davon ausgehen kann, dass sich jemand künftig gegen das Recht entscheiden wird, ist es gerechtfertigt, ihn im Gefängnis zu lassen.

Weiterhin ist es erforderlich, eine umfangreiche Würdigung der Täterpersönlichkeit vorzunehmen. In Bayern ist das in der Sonderregelung, die da getroffen worden ist, so, dass zwei Sachverständige ein Gutachten abgeben müssen. Da könnte man zum Beispiel überlegen, ob das übernommen wird. Ich habe in dem Antrag, wie er hier gestellt worden ist, zwar „ein“ als Artikel gesehen, aber ich gehe davon aus, dass das so gemeint ist, dass es überhaupt eine externe Begutachtung geben soll und es nicht um die Frage geht, wie viele das dann sein würden. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, mehr als nur ein Gutachten einzuholen.

Weiterhin muss klar sein, dass es sich nicht um eine Regelung handelt, die isoliert in der Strafvollstreckung passiert. Das klingt alles ein bisschen technisch. Nichtjuristen schalten da ziemlich schnell ab, das kann man leicht nachvollziehen. Es kann nicht darum gehen, dass lediglich Strafvollstreckungskammern darüber in einem nichtöffentlichen Verfahren, möglicherweise nur mit einer schriftlichen Anhörung ohne tatsächliche mündliche Anhörung, entscheiden. Es kann auch nicht sein, dass der Rechtsschutz gegen eine nachträgliche Anordnung der Sicherheitsverwahrung eingeschränkt wird. Er muss genauso sein wie auch der Rechtsschutz gegen ein Urteil in der Sache.

Wenn ich mir den konkreten Antrag anschaue, wie er hier jetzt vorliegt, dann frage ich mich, was er damit zu tun hat. Die ganze materielle Frage, wie die nachträgliche Sicherheitsverwahrung geregelt werden soll, ist in diesem Antrag nur sehr unvollständig geregelt. Nur wenige Punkte, die Herr Grotheer genannt hat, kommen darin vor. Das hat auch den Grund, dass Rotgrün gerade dabei ist, einen Gesetzentwurf zu machen. Das Bundesjustizministerium hat nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 10. Februar, das ist gerade 15 Tage her, sich hingesetzt und gesagt, wir machen jetzt einen Entwurf, der alles schiedlich friedlich so regelt, wie alle das eigentlich wollen. Ich glaube, es macht Sinn, diesen Entwurf erst einmal abzuwarten und nicht irgendwelche Schnellschüsse zu machen.

Zum Verfahren wird im Antrag gesagt, dass der Senat aufgefordert wird, sich für eine zügige Regelung einzusetzen. Wenn wir uns das Verfahren im Grundgesetz anschauen, wie Bremen weiter eingebunden sein wird in die Entscheidung über diese Frage, dann stellen wir fest, es wird zwei Befassungen des Bundeslandes Bremen über den Bundesrat geben. Ich gehe davon aus, dass Bremen da nicht durch irgendwelche langwierigen Fragestellungen, die sonst keiner aufwirft, das Verfahren in die Länge ziehen wird, und von daher gehe ich davon aus, dass selbst dann, wenn dieser Antrag nicht gestellt worden wäre, genau das passieren wird, was jetzt mit dem Antrag passieren wird.

Dieser Antrag ist eigentlich überflüssig. Er nützt, glaube ich, nicht viel. Er schadet aber auch über

haupt nicht, und deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.