Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Busch sagte eben, das sei ein echtes Männerthema. Das finde ich überhaupt nicht. Es geht um Informationen, und das finden Frauen auch sehr interessant!

Die grüne Bürgerschaftsfraktion legt heute erneut ein Informationsfreiheitsgesetz vor. Das haben wir bereits im Jahr 2001 getan. Leider hatte die CDUFraktion damals ihre Zustimmung verweigert. Heute, im Jahr 2004, bin ich davon überzeugt und auch guter Hoffnung, dass die CDU ihren Widerstand aufgibt und wir uns gemeinsam im Medienausschuss auf ein Informationsfreiheitsgesetz für das Land Bremen einigen können, denn die CDU möchte doch gern eine moderne Großstadtpartei sein, und ich finde, ein Informationsfreiheitsgesetz stünde auch Ihnen gut zu Gesicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was ermöglicht das Gesetz? Das Gesetz ermöglicht jedem Bürger und jeder Bürgerin einen freien Zugang zu Unterlagen, Akten und anderen Datenbeständen von Bremer und Bremerhavener Behörden, und dazu gehören ausdrücklich, wenn es nach unserem Gesetz geht, auch die bremischen Gesellschaften, die privatisierten öffentlichen Stellen. Geschützt bleiben weiterhin personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und geheime Papiere staatlichen Handelns, und das war auch ein Dissens oder Knackpunkt vor drei Jahren. Einige hatten Angst, dass die Geheimnisse, die am Kamin im Rathaus ausgehandelt werden, nach außen abfragbar sind. Das ist nicht der Fall. Was im Kamingespräch behandelt wird, bleibt so geheim, wie es immer war. Oder auch nicht!

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt jedem Menschen gegenüber allen öffentlichen Stellen des Landes das Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der dort vorhandenen Akten, ohne dass eine persönliche Betroffenheit vorliegen muss. Ausdrücklich können auch juristische Personen, also auch Wirtschaftsunternehmen, von diesem Recht Gebrauch machen. Diese dürfen die Daten allerdings nicht gewerblich nutzen. Der Informationszugang soll der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dienen sowie der Kontrolle des staatlichen Handelns. Das ist ein wesentliches Ziel des Gesetzes. Dieses Gesetz soll die Verwaltung bürgerfreundlicher machen, und es soll Schluss sein mit der Geheimniskrämerei. Es heißt Transparenz statt Heimlichtuerei. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Welche Informationen kann ich nachfragen? Zum Beispiel Informationen über die Haushaltslage, die jüngsten Planungsvorhaben! Nach welchen Kriterien wurde der Auftrag zur Planung und Errichtung einer Schule vergeben? Was hat die letzte PCBMessung in einem Kindergarten ergeben? Welche Zahlen sind bei der Verkehrszählung herausgekommen? Momentan ist es nämlich nicht einfach, einen Blick in die Verwaltungsakten in Bremens Amtsstuben werfen zu können. Bisher musste der Bürger selbst betroffen sein. Es musste eine persönliche Betroffenheit nach Paragraph 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen, und damit wollen wir Schluss machen. Wir wollen, dass solche Ergebnisse allen Bürgern und Bürgerinnen zugänglich gemacht werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um Datenschutz und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen, schlagen wir vor, den Landesbeauftragten für Datenschutz mit neuen Kompetenzen zu versehen und ihn auch zu einem Beauftragten für Informationsfreiheit zu machen. Das haben andere Bundesländer uns vorgemacht. In Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und auch in Brandenburg wird es so gemacht. Wir finden, dass das ein sehr gutes Beispiel ist, dem auch Bremen folgen könnte. Der Landesbeauftragte für Datenschutz wäre somit die Beschwerdestelle für Bürger und Verwaltung, wenn sie meinen, dass ihren Bedürfnissen, ihrem Recht auf Akteneinsicht nicht nachgekommen wird. Wenn die Verwaltungen sagen, dass es so geheime Daten und Akten sind, die nicht herausgegeben werden sollen, dann wäre der Landesbeauftragte für Datenschutz die Stelle, die man dann anruft, um Einigung zu erzielen.

Über die bisherigen Informationsmöglichkeiten hinaus soll dieses Gesetz die demokratische Meinungs- und Willensbildung fördern, Voraussetzung für eine demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger schaffen und eine intensivere Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen. Verwaltungsexperten sind sich heute sicher, mehr Transparenz stärkt effizientes Arbeiten in der Verwaltung und vermeidet unnötige Kosten durch teure Fehlplanungen und -entscheidungen, weil nämlich ganz genau überlegt wird, welche Daten gesammelt und welche veröffentlicht werden, und damit wäre auch Schluss mit viel unnötiger Bürokratie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weiterer Effekt: Im Bereich der öffentlichen Ausschreibung, Auftrags- und Subventionsvergabe, der allgemein als relativ korruptionsanfällig gilt, könnte durch mehr Transparenz Korruption, Verschwendung und Missmanagement verhindert werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Kleen, Sie dürfen gern klopfen, denn wir haben uns ja damals bei der Beendigung des Untersuchungsausschusses gegenseitig versprochen, dass wir ein Informationsfreiheitsgesetz für das Land Bremen vorlegen wollen. Die grüne Bürgerschaftsfraktion macht zumindest heute damit ernst. Wir hoffen, dass wir dabei auch weiterhin von Ihnen unterstützt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K l e e n [SPD]: Das steht sogar im Koali- tionsvertrag!)

Verwaltungsreform und Informationsfreiheit gehören zusammen. Die Verwaltung organisiert und verwaltet die Informationen einer Kommune, sie muss dieses Wissen möglichst gut und verständlich aufbereiten. Der Zugang zu Informationen soll möglichst einfach sein. Es heißt so schön: Die Informationen sollen laufen, nicht der Bürger, und ich hoffe, dass die CDU wirklich, wenn heute dieses Gesetz, wie verabredet, an den Medienausschuss überwiesen wird, konstruktiv an dem Gesetzentwurf mitarbeitet. Die SPD hat ja schon voller Freude auf das Vorhaben eine Pressekonferenz gemacht, hat einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt, ich weiß, dass der bei der CDU vorliegt. Ich hoffe, dass es der SPD sehr ernst ist und auch der CDU und dass jetzt hier keine politische Geisel für andere Vorhaben genommen wird, dazu ist das Thema Informationsfreiheit viel zu ernst. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode hier lange über das Thema Korruption auseinander gesetzt, und ich weiß, Herr Strohmann, dass Sie durchaus aufgeschlossen sind. Ich hoffe, dass Sie die Kritiker und Hardliner in Ihrer Fraktion nun endlich überzeugt haben und dass wir dieses Vorhaben gemeinsam auf einen guten Weg bringen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schildt.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Stahmann! Unser Fraktionsvorsitzender hat, wie Sie richtig gesagt haben, im Rahmen eines Pressegesprächs unseren Gesetzentwurf vorgestellt, und er liegt auch dem Koalitionspartner, der CDU, vor, insoweit brauchen wir nicht Ihre Hetze, Ihre Unterstützung oder Ihren Drive, den Sie entwickeln. Wir haben ihn als Fraktion eingebracht, und wer Lust hat, kann sich diesen gern auch auf unserer Homepage www.spdbremen.de anschauen. Insoweit sind wir da ein ganzes Stück weiter, wir haben es bisher nur noch nicht in das Parlament geschafft.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist aber entscheidend!)

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion begründet einen umfassenden Anspruch auf Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger der Freien Hansestadt Bremen und ein an die öffentlichen Stellen gerichtetes antragsunabhängiges Veröffentlichungsgebot für gesellschaftlich relevante Informationen. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, das Prinzip der Geheimhaltung durch das Prinzip der Transparenz staatlichen Handelns zu ersetzen. Damit folgt dieser Gesetzentwurf der Einsicht, dass in der Informationsgesellschaft der freie Zugang zu Informationen für die Funktionsfähigkeit der demokratisch verfassten Gemeinschaft an Bedeutung gewonnen hat.

Informationen sind zur Währung der Demokratie geworden. Um von ihrem Kommunikationsgrundrecht gleichberechtigt Gebrauch machen zu können, müssen die Bürgerinnen und Bürger soweit wie möglich Zugang zu Informationen erhalten. Der Zugang zu Informationen der öffentlichen Stellen ist für den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess besonders wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Durch ihn wird staatliches Handeln transparenter und kontrollierbarer. Auch wird er die soziale, politische und wirtschaftliche Interaktion in der Gesellschaft anregen. Diese Prozesse steigern die Qualität und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns, was seine Akzeptanz fördert. Der Gesetzentwurf gestaltet den Anspruch auf Informationszugang als eigenständigen Bürgerrechtsanspruch mit grundrechtsähnlichem Charakter aus. Dies wird bedingungslos gewährt, Frau Kollegin Stahmann hat es eben schon erwähnt, ein rechtliches oder berechtigtes Interesse muss nicht nachgewiesen werden.

Die Gewährung von Informationen wird zur Regel, die Nichtgewährung eben zu einer Ausnahme. Gleichwohl besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht unbegrenzt, sondern ist gegen Ansprüche Betroffener, die unter anderem im Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurzeln, und Beschränkungen im öffentlichen Interesse ausgesetzt.

Um der Bedeutung des Informationszugangsanspruchs gerecht zu werden, sind diese Einschränkungen in unserem Gesetzentwurf als Ausnahmetatbestände genau bezeichnet und eng umrissen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Der liegt uns leider hier nun nicht vor!)

An dieser Stelle kommt ja auch der Einschub! Soweit der Teil, den wir eigentlich schon in zwei Debatten, auch in einer Anhörung im Medienausschuss, inhaltlich diskutiert haben! Zur Einführung deswegen diese Grundsätzlichkeit von mir! Ich kann Ih

nen sagen, Frau Stahmann, und Sie auch beruhigen, dass wir nicht der Grünen bedürfen, die zwar heute einen Gesetzentwurf einbringen, den sie schon einmal eingebracht haben, der sich aber, wenn ich ihn richtig gelesen habe, nicht wesentlich verändert hat.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Nein, weil er in der Anhörung für gut befunden worden ist!)

Ich glaube aber, dass sich die Zeit nach der letzten Debatte etwas verändert hat. Insoweit haben wir einen etwas anderen Gesetzentwurf für uns als Fraktion beschlossen und der CDU zugeleitet. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung den ganz festen Satz darin: „Ein Informationsfreiheitsgesetz wird in Bremen eingeführt.“ Dort steht nicht: Kann überlegt werden, und mein Kollege Hermann Kleen sagt es ja richtig, der dort sitzende Innensenator, Herr Röwekamp, hat das ja mit ausgehandelt, insoweit bin ich da in guter Gesellschaft.

Diese Dramatik, die es vielleicht noch im Jahr 2002 gab, können wir jetzt herausnehmen. Wir können Ihnen zusichern, Frau Stahmann, dass der von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf im Medienausschuss diskutiert wird, und wir werden versuchen, unseren Gesetzentwurf, den wir jetzt in der Koalition beraten, mit in die Debatte einzubringen. Unser politischer Wille ist, dass wir vielleicht mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz in das Parlament zurückkommen, weil die Zeit dafür reif ist. Die Bundesregierung plant dies in gleicher Art noch in diesem Jahr.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Wenn die plant, kommt sowieso nichts dabei heraus! – Zu- ruf des Abg. K n ä p p e r [CDU])

Herr Knäpper, Sie bleiben ja bei Ihren fundamentalen Meinungen auch stehen. Manchmal gibt es auch in den Behörden des Bundes Probleme! Die muss man akzeptieren, die nehmen wir zur Kenntnis. Der politische Wille der die Bundesregierung tragenden Fraktionen ist aber, wenn dann nichts über die Häuser kommt, wird im Sommer dieses Jahres ein Fraktionsantrag in den Bundestag eingebracht. Genau das werden wir als Koalition auch schaffen. Ich bin mir nach den Verabredungen mit meinem lieben, geschätzten Kollegen Heiko Strohmann sicher, dass wir in diesem Jahr auch ziemlich sicher eine Debatte haben, in der wir sagen, wir haben das Informationsfreiheitsgesetz. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da ja meine beiden Vorredner das Inhaltliche schon noch einmal in großer Breite ausgeführt haben, möchte ich mich eigentlich noch einmal auf ein paar Punkte konzentrieren. Es ist ja schon herübergekommen: Wir wollen dieses Gesetz machen, deswegen werden wir es auch inhaltlich noch einmal beraten und auch hier noch einmal debattieren. Deswegen möchte ich hier erst einmal mit ein paar Vorurteilen aufräumen.

Liebe Frau Stahmann, bei uns in der Fraktion gibt es keine Hardliner.

(Abg. K l e e n [SPD]: Alle frisch verliebt! Da passt kein Blatt Papier zwischen!)

Wir haben uns auch gemeinsam geeinigt. Da passt kein Blatt Papier zwischen!

Zweiter Punkt, zweites Vorurteil! Wir haben es nicht abgelehnt, weil wir es grundsätzlich nicht wollten, sonst hätten wir es auch nicht mit in den Koalitionsvertrag aufnehmen lassen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Koalitionsverhandlungen wegen des Informationsfreiheitsgesetzes geplatzt wären. Wenn wir grundsätzlich gesagt hätten, nein, wir wollen das nicht, dann hätten wir trotzdem heute die große Koalition.

Ich möchte Ihnen das noch einmal zitieren, auch aus dem Berichtsentwurf, den wir irgendwann im Oktober 2002 beschlossen haben, auch hier im Plenum debattiert haben, darin steht: „Stehen die Vertreter der CDU-Fraktion auf dem Standpunkt, zunächst die sich aufgrund der Erfahrung in den anderen Bundesländern abzeichnenden Novellierungen der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze abzuwarten und die Überlegungen auf die finanziellen Auswirkungen eines solchen Gesetzes mit einzubeziehen.“ Das war für uns der Grund, warum wir zu dem Zeitpunkt vor zwei Jahren – –.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Fadenscheinig!)

Nein, das war inhaltlich schon begründet! Es machte doch keinen Sinn, ein Informationsfreiheitsgesetz zu beschließen, was in anderen Bundesländern, die es schon beschlossen haben, novelliert werden sollte. Die zweite Frage war ja auch – Herr Schildt hat es auch schon angekündigt –, der Bund hatte auch schon einen Referentenentwurf, der liegt da ja auch schon ein paar Jahre. Er wurde auch nie richtig beschlossen, und deswegen haben wir gesagt, warum müssen wir uns jetzt hier zur Hetze verpflichten, wir warten es einmal lieber ab und können dann in Ruhe noch einmal darüber schauen.

So ist es im Übrigen jetzt auch mit dem Gesetzesvorschlag der SPD-Fraktion, den diese in einer Pres––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sekonferenz angekündigt hat. Gut, es ist jedem selbst überlassen, wie er damit umgeht. Wir haben diesen Gesetzentwurf jetzt geprüft, haben dazu auch noch einmal Stellungnahmen eingeholt. Wir werden das jetzt gemeinsam noch einmal in die Beratungen geben, in die koalitionären Beratungen. Wir haben uns heute auch schon über einen Zeitplan geeinigt und dass wir das auf jeden Fall noch dieses Jahr unter Dach und Fach bekommen.

(Abg. K l e e n [SPD]: Bravo, das ist ein Wort! – Abg. Frau S t a h m a n n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Mit den Eigengesell- schaften?)

Das ist unser fester Wille, weil wir eben zur Koalition und somit auch zum Koalitionsvertrag stehen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)