(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das erzählen Sie einmal dem Bürger drau- ßen auf der Straße!)
Ich habe mich noch einmal gemeldet, um auf Frau Ziegert einzugehen. Liebe Frau Ziegert, Sie müssen uns schon zugestehen, dass wir dann Anträge stellen, wenn wir das für richtig halten. Da fragen wir auch nicht vorher die SPD. Wir werden das auch in Zukunft dann machen, wenn wir das für richtig halten. Ich hoffe, dass Sie das verstehen werden!
Ja, aber es war hier eine Art von Bewertung, die wir an der Stelle wenig statthaft fanden! Es mag sein, dass der Antrag ein bisschen spät gekommen ist, aber in dieser Debatte ist eine unheimliche Dynamik. Das erkennen hier in dem Saal auch alle an, und von daher haben wir daran auch etwas länger gearbeitet. Wir haben die Debatten mit den Fachleuten in der Stadt geführt, um diesen Antrag im Sinne der Sache auch abzusichern, und da lassen wir uns auch nicht vorwerfen, dass dieser Antrag mit heißer Nadel gestrickt worden wäre.
Mit heißer Nadel ist hier in den letzten Tagen eigentlich etwas ganz anderes gestrickt worden, nämlich Ihre Gesellschaftsgründung, die Bagis, wo ja monatelang über eine GmbH-Gründung geredet worden ist. Monatelang ging das durch die Deputation, der Vertrag war schon fertig, er sollte in zwei Tagen unterzeichnet werden. Dann ging es darum, zurück marsch, marsch auf los, und jetzt soll es eine öffentliche Gesellschaft werden, von der keiner genau weiß, was es ist, was sie darf, wie sie justiziabel ist und wie das mit dem Dienstrecht genau funktioniert, nur weil die SPD auf einmal Schwierigkeiten mit GmbH-Gründungen hat, da diese im Moment so ein bisschen schlecht angesehen sind. Es gab in der Deputation auch keinen Vertragsentwurf. So ein paar Tage vorher erfährt man dann nonchalant, dass man sich über eine ganz andere Gesellschaftsform Gedanken macht. Das nenne ich mit heißer Nadel gestrickt und nichts anderes!
Frau Schön, ist Ihnen bekannt, wie viele Städte in Deutschland die Rechtsform, die wir hier für die Stadt Bremen vorgeschlagen haben, vorsehen?
Darum geht es auch nicht! Die Grünen stellen sich auch nicht hin und sagen, sie wollen unbedingt eine GmbH, aber wir hätten einen richtigen Diskussionsprozess und Diskurs darüber gewollt.
Wir hätten gewollt, wenn man monatelang über eine GmbH redet und dann auf einmal eine Kehrtwendung macht, dass sich die Deputationen für Arbeit und für Soziales, die ja beide davon betroffen sind, gemeinsam an einen Tisch setzen und entscheiden, was denn für Bremen das Beste ist, und nicht, dass da einmal eben so über das Wochenende etwas anderes kommt.
Wir haben gar keine Presseinfo dazu herausgeschickt! Was erzählen Sie denn hier? Wir hatten das doch überhaupt nicht vorgehabt!
Dann noch einmal kurz zu den Ein-Euro-Jobs: Schön daran ist, dass auch hier anerkannt worden ist, dass es dabei letztendlich um besondere Zielgruppen gehen soll, aber diese besonderen Zielgruppen haben in letzter Zeit ganz normal ABM- und BSHG-19-Jobs bekommen. Diese sollen nämlich die Ein-Euro-Jobs bekommen, und da sagen wir, nein, das geht so nicht, Ein-Euro-Jobs liegen in der zukünftigen Arbeitsmarktförderung auf Priorität drei und nicht auf der Priorität eins, wo sozialversicherungspflichtige Jobs an der Stelle ersetzt werden. Wir stellen fest, dass Sie so etwas, was auch im HartzIV-Gesetz steht, nämlich Gendergerechtigkeit, für nicht so furchtbar wichtig halten, weil unser Antrag ja mit heißer Nadel gestrickt wird, und das spricht dann auch für sich selbst.
Noch einmal zu Herrn Oppermann! Wir haben auch das Interesse, dass die Auszahlungen natürlich pünktlich zum 1. Januar 2005 kommen, aber das, lieber Herr Oppermann, nehmen wir nun wirklich nicht auf unsere Kappe! Die Verzögerung im Bundesrat haben wir nicht zu verantworten. Wir sind uns dessen sehr wohl bewusst, dass das Verfahren sehr viel schneller hätte gehen können. Darin haben wir nun weiß Gott keine Aktien. Es ist die CDU gewesen, die da sehr lange immer wieder über das Optionsgesetz reden musste. Dadurch sind die Verzögerungen gekommen, weiß Gott nicht durch uns!
Zum Schluss noch einmal ganz kurz: Sie sagen, Sie wollen in Bremen nicht alles platt machen. Das hören wir gern, aber Fakt ist, dass die BSHG-19Stellen eingestellt worden sind und dass sie durch Ein-Euro-Jobs und nicht durch etwas anderes ersetzt werden, dass ABM-Stellen nicht mehr zufinanziert werden sollen und dass die Jugendberatungsprojekte nach den Deputationsvorlagen sehr wohl ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr finanziert werden sollen und dass die Frauenprojekte wackelig sind. Wir registrieren sehr wohl, dass Sie dort sehr viel zurückfahren. Wenn das anders ist und hier tatsächlich eine Kehrtwendung eingetreten ist, dann würde ich mich
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es tut mir Leid, wenn Sie meine Wortwahl hinsichtlich Ihres Antrages vorhin als zu hart empfunden haben.
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das ist einfach völlig unpar- lamentarisch!)
Das war nicht die Absicht, aber ich muss schon sagen, dass ich sehr erstaunt darüber gewesen bin, dass ein solcher umfangreicher Antrag zu einem so lange bekannten Thema als Dringlichkeitsantrag gekommen ist.
Wir können hier in der Bürgerschaft ja viel debattieren, aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass diese Arbeitsmarktreform eben in der Bevölkerung bei potenziell Betroffenen oder auch bei direkt Betroffenen immer noch mit großen Ängsten behaftet ist, und ich finde es sehr wichtig, dass da, wo solche Ängste unberechtigt sind, auch alles getan wird sowohl von uns, also seitens des Parlaments, als auch von Seiten der zuständigen Politik, damit solche Ängste zerstreut werden.
Ich will noch einmal zu den Ein-Euro-Jobs sagen: Frau Schön, Sie haben wieder gesagt, hier werden Ein-Euro-Jobs geschaffen, die reguläre Arbeitsplätze ersetzen. Mir liegt sehr viel daran, solche Ängste nicht erst aufkommen zu lassen, sondern noch einmal zu versichern, dass die Ein-Euro-Jobs in Bremen so in die Wege geleitet und so verteilt und kontrolliert werden, dass keine Verdrängung regulärer Arbeitsplätze geschehen kann. Ich weiß, dass das bei öffentlich geförderter Beschäftigung immer eine Grauzone ist, das war übrigens auch bei BSHG 19 und ABM so. Ich glaube aber, dass wir bei diesen Ein-Euro-Jobs eine größere Transparenz haben werden, als dies bisher bei öffentlich geförderter Beschäftigung der Fall gewesen ist. Ich glaube, dass solche Ängste deswegen nicht gerechtfertigt sind, und wir müssen sehen, dass eben diese Art von Einstieg auch Chancen für Langzeitarbeitslose bietet, die diese Chance nicht bekommen hätten.
Noch einmal zu den BSHG-19-Jobs: Ich meine, wenn wir einmal ehrlich sind, dann ist ja die Finanzierungsgrundlage dafür auch die gewesen, dass die Kommune diese für ein Jahr finanziert hat mit der Folge, dass die Betroffenen Ansprüche an die Bundesanstalt für Arbeit erworben haben und damit letztendlich eine Refinanzierung stattgefunden hat. Genau dies ist seit Hartz nicht mehr möglich, und
genau dies ist der Grund dafür, dass diese kommunale Arbeitsmarktförderung nicht mehr möglich sein wird, sondern dass auch alle kommunale Arbeitsmarktförderung, und daran müssen wir uns eben auch gewöhnen, jetzt nicht mehr über die Kommune, sondern über die neu gegründete Gesellschaft gemeinsam mit der Agentur für Arbeit erfolgt. Ich finde dies auch gut so. Alle Arbeitsmarktpolitiker haben die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe begrüßt. Das ist sinnvoll, und dann, meine ich, muss man aber auch mit den neuen Instrumenten so sinnvoll umgehen, wie dies auch möglich ist, und ich glaube, dass wir dies auch tun werden.
Zwei Punkte möchte ich gern noch ansprechen, die bisher nicht angesprochen worden sind! Das eine, was mir sehr wichtig ist, ist der Punkt Jugendliche. Wir haben in Bremen über 4000 arbeitslose Jugendliche, und wenn man sagen kann, Arbeitslosigkeit ist bei Erwachsenen schon schlimm, würde ich aber sagen, Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen ist eigentlich fast eine Straftat der Gesellschaft an diesen Jugendlichen.
Ich finde es deshalb ganz wichtig, dass durch die Arbeitsmarktreform der Anspruch für Jugendliche besteht, dass jeder Jugendliche, der zu den Jobcentern kommt, einen Anspruch auf Förderung hat.
Ich will in Bremen eigentlich auch nicht mehr erleben, dass es ab nächstem Jahr dann auch möglich ist, dass Jugendliche zum Amt kommen, dann die Stütze ausgezahlt bekommen, und weiter kümmert sich keiner um sie. Ich finde, dass Jugendliche ein Anrecht darauf haben, ein Angebot zu bekommen. Wir wollen, dass Jugendliche qualifiziert werden und dass sie die Möglichkeit haben, in einem qualifizierten Job im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, dass wir sie nicht allein lassen. Ich finde, dass das eine ganz wichtige Errungenschaft und ein sehr positiver Punkt dieser ganzen Reform ist, und den sollte man deutlich genug, auch in der Öffentlichkeit, herausstellen.
Ein zweiter Punkt ist der Bereich Frauen, ich sage bewusst Frauen und nicht Gender. Ich weiß ja, was der Unterschied ist, aber es geht doch letzten Endes darum, dass die Gefahr droht, dass Frauen zu Verlierern dieser Reform werden, das müssen wir einmal ganz deutlich sagen! Durch den nachgelagerten Anspruch auf ALG II, der eine stärkere Anrechnung des Partnereinkommens vorsieht, und angesichts der sozialen Situation von Frauen in dieser Gesellschaft, die häufig oder immer noch diejenigen sind, die weniger verdienen, fallen noch mehr Frauen aus der Förderung heraus, als es bisher in der Arbeitslosenhilfe schon der Fall gewesen ist. Ich finde, dass das auch ein Webfehler dieser Reform
ist, aber ich finde, dass wir dann wenigstens dafür sorgen müssen – ich glaube, dass wir uns da dann auch schon nahe kommen, Frau Schön –, dass das nicht auch heißt, dass Frauen dann überhaupt keine Ansprüche mehr auf arbeitsmarktpolitische Maßnahmen seitens der neuen Gesellschaft haben.
Ich finde, dass wir dafür sorgen müssen, dass in dieser neuen Gesellschaft, in der solche Zielvereinbarungen mit der Kommune geschlossen werden, auch ein bestimmter Anteil an Nicht-Leistungsbeziehern, und das werden in erster Linie Frauen sein, in den Genuss von Förderungen kommen soll und dass das alte Prinzip, dass Frauen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitsuchenden auch gefördert werden, durchgesetzt werden muss. Ich glaube, das ist etwas ganz Wichtiges, was wir hier vor Ort machen können, um wenigstens diesen Geburtsfehler dieser Reform abzumildern. Ich denke, dass wir dies auch tun werden.
Nun noch zu den Beratungsprojekten! Frau Schön, Sie wissen selbst auch, dass die personelle Ausstattung dieser neuen Gesellschaft noch nicht dem vorgegebenen Schlüssel entspricht und nicht dem, was darüber geht. Die Absicht muss sein, glaube ich, dass in diese neue Gesellschaft, in diese ganzen Beratungsstrukturen das einbezogen wird, was wir in Bremen und Bremerhaven an bewährten Beratungsstrukturen haben, und damit schließe ich ausdrücklich die Frauenberatung und auch die Jugendberatung ein. Ich sage auch noch einmal deutlich, wir haben uns in der Deputation für Arbeit letzten Endes auch dazu verpflichtet, dass die Frauenberatungsprojekte weiter gefördert werden, und dies werden wir auch einhalten.
Zum Schluss noch eine Bemerkung! Herr Oppermann, ich gebe Ihnen Recht, vielleicht ist das nicht die größte Sozialreform in der bundesrepublikanischen Geschichte mit der Sozialhilfe, aber dann doch die zweitgrößte. Ich finde, es ist klar, wenn man eine solche große Reform ins Werk setzt, dass man dann auch in ihrem Vollzug schauen muss, ob man alles richtig gemacht hat. Ich finde es sehr gut, wenn man sagt, wie der Präses der Evangelischen Kirche, diese Reform muss eine atmende Reform sein. Wir müssen in den nächsten Jahren schauen, ob wir erstens vielleicht arbeitsmarktpolitische Effekte erreichen mit der Reform, die wir so nicht erreichen wollten, ich spreche vor allem auch das Thema Zumutbarkeit an, wenn es denn zu Lohndumping führt. Ich finde, wir müssen zweitens auch sehen, wenn wir wirklich unzumutbare Härten in dieser Reform haben, vor allem für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben und dann aber an der Grenze stehen,
dass doch ihre Lebensleistung sozusagen nicht mehr anerkannt wird, dass sie das darangeben müssen, was sie sich für ihr Alter erspart haben, aufgeben müssen, ehe sie um Hilfe fragen, dass wir dort noch nachbessern, wie dies für die, die vor 1948 geboren sind, bisher auch schon der Fall ist.
Ich glaube, wir werden sehr genau schauen müssen in den nächsten Jahren, wie diese Reform in die Tat umgesetzt wird. Wir müssen auch den Mut haben nachzubessern, wo es nötig ist, und ich glaube, dass wir dann auch in der Lage sind und sagen können, dass wir ein positives Reformwerk auf den Weg gebracht haben.