Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind hier ja schon einige Punkte angesprochen worden. Ich würde ganz gern – Frank Schildt hat es angedeutet ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

die Problematik der europäischen Wettbewerbshüter noch einmal ganz kurz ansprechen, weil ich glaube, das ist ein grundlegendes, wichtiges Problem, denn bei allem Interesse als Landespolitiker für Radio Bremen müssen wir natürlich den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Struktur im Auge behalten.

Ich glaube, bei der ganzen Diskussion, die im letzten Jahr oder in den letzten eineinhalb Jahren geführt wurde, kann man nur als grobe Überschrift sagen: Es wird keiner gewinnen. Es wird kein Ministerpräsident gewinnen, und es wird auch kein Intendant gewinnen, denn wie wichtig der öffentlichrechtliche Rundfunk für uns alle, für die Entwicklung innerhalb Deutschlands, für unser kulturelles Leben ist, das interessiert im Grunde EU-Wettbewerbshüter recht wenig. Bisher war der Zugriff von EU-Beamten durch verschiedene Regelwerke ja sehr behindert oder verwehrt, zuletzt durch die europäischen Fernsehrichtlinien. Doch die Ausdehnung der Sender in gewisse Gebiete hat natürlich jetzt teilweise den Zugriff der Wettbewerbshüter ermöglicht. Ich spreche da nur ein paar Punkte an: Die Möglichkeit der 0190-Nummern, dass man einmal eben bei einem Quiz mitmachen kann, private Sponsoren, der gesamte Internetauftritt. Das sind ein paar Beispiele, wo es jetzt natürlich sehr problematisch wird.

Wir müssen alle aufpassen, und da müssen auch die Ministerpräsidenten genauso wie die gesamten Intendanten aufpassen, dass dies nicht zu einer Umkehr der bisher geltenden Maßstäbe führen kann, sondern dass wir unser System, was sich in den letzten Jahren bewährt hat, beibehalten. Dahinter stehe ich auch voll und ganz.

Es gab aber natürlich in verschiedene Richtungen Auswüchse, wo wir wirklich aufpassen müssen, dass wir irgendwann nicht einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, den wir alle gar nicht wollen, der uns aber durch Brüssel so bestimmt wird. Es laufen schon Auskunftsersuchen durch die EU. Sie wollen herausfinden, was mit den Gebühren gemacht wird, ob diese sinnvoll eingeführt werden. Nicht dass irgendwann dann ein Beschluss kommt, dass einige Teile der Gebühren unrechtmäßig eingesetzt werden! Dieses Ganze, da müssen wir aufpassen.

Da ist natürlich die laufende Debatte über die Gebühren Wasser auf die Mühlen der EU, denn anstatt jetzt zu zeigen, wie perfekt unser System durch eine unabhängige Kommission läuft, entfachen einige in diesem Land – ich will Bremen da einmal bewusst auf beiden Seiten ausnehmen, sowohl auf Ministerpräsidentenseite als auch auf Intendantenseite – einen Streit und fassen willkürliche Beschlüsse wie einige Ministerpräsidenten hier mit dem Vorschlag mit den 86 Cent. Das ist ein willkürlicher, aus der Luft gegriffener Betrag.

Das, muss man aber auch fairerweise sagen, sind einige Intendanten. Ich habe das nun auch in eini

gen Runden mitbekommen, wie aggressiv und wie konträr gleich aufeinander zugerannt wurde, als wenn es wirklich um das blanke Überleben ginge, denn aus einigen Staatskanzleien sollte ja eigentlich nur andiskutiert werden, inwieweit wir in der jetzigen Zeit bei knappen Kassen, sinkenden Reallöhnen, bei einer sehr hohen Arbeitslosigkeit auch innerhalb der ARD wirklich ein maßvolles Schrumpfen von ARD und ZDF bei Beibehaltung der Qualität erreichen können.

Da sind einige Intendanten natürlich auch gleich in einer Art und Weise dagegen vorgegangen, die natürlich dieses ganze Hochschaukeln der Diskussionen verstärkt hat. Daher möchte ich mit einem Zitat aus der „Zeit“ zu dieser ganzen Diskussion abschließen:

„Leider traten Vertreter von ARD und ZDF monatelang auch noch wie Monarchen gegen Ende des Absolutismus auf. Ludwig XV. von Frankreich und der Preuße Friedrich der Große konnten sich im achtzehnten Jahrhundert schwer vorstellen, dass etwas ihre Herrschaft hinwegfegen könnte. Nun erinnert der Mainzer Lerchenberg so wenig an Versailles wie die NDR-Zentrale an Schloss Sanssoucis. Doch Monarchen und Intendanten beriefen sich gleichermaßen leidenschaftlich auf die jeweils letzte Instanz ihrer Zeit, die einen auf Gott und die anderen auf das Bundesverfassungsgericht. So blieben sie jeden öffentlichen Selbstzweifels enthoben.“

Das ist, glaube ich, der Punkt, und das sollten wir auch bei allem Selbstbewusstsein als Landesparlament beachten. Wir können es hier fordern und machen. Wir sind aber ein Sechzehntel des Systems, und ich glaube, das ist der Punkt, den wir unserem Bürgermeister mitgeben, weil er darin ja auch perfekt ist, dass er wirklich die Streithähne wieder zusammenbringt, da moderiert und wirklich die anderen Ministerpräsidenten überzeugt, dass wir wieder auf den Teppich der Tatsachen zurückkommen und dieses Hochputschen allen nichts nützt, letztendlich auch nicht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Wenn dann noch etwas Vernünftiges für Radio Bremen herauskommt, umso besser! Ich glaube aber, es geht hier nicht nur um Radio Bremen, sondern es geht allgemein um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die nächsten Jahre. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle drei Redner sind so wie wir im Senat einverstanden mit dem KEF-Bericht. Das kann man, glaube ich, festhalten. Alles das, was wir hier als Vorlage zu diskutieren haben, ist von uns unterschiedslos gleichermaßen nicht nur akzep

tiert, sondern auch gut gefunden worden. Es ist auch richtig so.

Ich teile diese Einschätzung von den dreien, und ich finde gut, dass im KEF-Bericht die beiden kleinen Anstalten, der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen, hervorgehoben worden sind und deutlich gemacht worden ist, dass sie bei den riesigen und dramatischen Anpassungsproblemen und Anpassungsanstrengungen als kleine Anstalten faktisch die gesamte Last der Einsparungen in der gesamten ARD zu schultern gehabt haben. Das muss man sich einmal vorstellen, dass sich die Kleinen so stark exponieren und die Großen das Thema offenbar vertagen! Das findet man in diesem KEF-Bericht wunderbar bestätigt, und auch die Forderung nach Ausgleich zwischen den Anstalten ist da nachdrücklich unterstrichen. Das ist eine gute Basis, da sind wir einig.

Die Chancen, dort morgen und übermorgen zu einer Einigung zu kommen, sehe ich positiv. Ich gehe nicht mit der Absicht hin, dass wir da auseinander laufen, und die ARD ist kaputt, und jeder sieht zu, dass er klarkommt. Ich glaube, dass wir die ARD vor diesem Zerbrechen bewahren und dass wir auch morgen und übermorgen zu einem Konsens kommen, trotz dieser Initiative der drei Ministerpräsidenten, die ich aggressiv angenommen habe, mit der ich über – –. Das war wieder Christian Weber, der schaltet mir das Licht ab oder wie?

(Heiterkeit)

Ich glaube, wir müssen morgen zusammenkommen, und die Chance, die wir haben, ist, dass wir innerhalb eines solchen von allen gewünschten Konsenses unsere kleinen Anstalten zusätzlich stützen. Da haben Sie angedeutet, ich will darüber auch nicht reden, dass es da mehrere Felder gibt, auf denen materielle Fortschritte für Radio Bremen erzielt werden können, die erhoffe ich mir. Minimum ist, dass wir die 64 Millionen Euro, die wir fest eingeplant haben, beim Bau des neuen Radio-Bremen-Zentrums im Faulenquartier – es soll, glaube ich, jetzt Stephaniquartier heißen also im Stephaniquartier –, bekommen. Ich sehe aber auch, dass wir noch weitere Schienen ausgelegt haben, auf denen wir dann ganz konkret mithelfen können, dass diese beiden kleinen Anstalten eine Perspektive behalten.

Unter dem Strich möchte ich gern, dass es eine Einigung gibt. Frau Stahmann, ich hoffe, dass Sie das auch wollen. Wenn wir das Ganze einfach mutwillig zerschlagen und die anderen Sachen über uns hinweggehen, ist das wahrscheinlich nur ein Pyrrhussieg. Man kann drohen, das tun wir übrigens auch, mit dem Zerfall, mit dem Platzen der ARD. Man muss es aber nicht betreiben, besonders nicht, wenn man als Kleiner schutzbedürftig ist, und wir sind nun einmal die Kleinen mit Radio Bremen.

Ob die Intendanten dann zum Verfassungsgericht gehen oder nicht, das entscheiden wir hier ja nicht. Das entscheiden weder die Ministerpräsidenten noch die einzelnen Landtage. Das müssen sie sich genau überlegen, ob das klug ist, ob sie da eine zusätzliche Möglichkeit haben, ihre institutionellen Finanzierungsinteressen durchzusetzen.

Ich bin prinzipiell gar nicht dagegen. Ich würde denen das auch überlassen, ob sie das vielleicht sogar gemeinsam machen oder nicht. Die Chancen sind nicht schlecht, denn vom KEF-Votum abzuweichen ist dramatisch. Das sehe ich genauso wie Sie alle, das muss man sorgfältig begründen. Wenn man sich die Ausgangslage der ARD und des ZDF klar macht, dann ist es ja ein erhebliches Abschmelzen dieser auskalkulierten und ausgerechneten Gebührenerhöhungsforderung.

Das entscheiden nicht wir, ob sie vor das Verfassungsgericht gehen, das sollen sie entscheiden. Ich setze darauf, dass unter den Intendanten der Konsens größer ist als unter den Ministerpräsidenten, dass sie also enger zusammenhalten. Das können Sie beim WDR-Intendanten am besten erleben, der ist nun der größte, und er ist eigentlich ein richtiger Freund von uns. Er benimmt sich überall, wo er öffentlich auftritt, als einer, der uns schützt. Ich hoffe, dass die anderen das ähnlich machen. Es war bei dem alten bayerischen Intendanten Scharf genauso, er hat vorbildlich für den Erhalt der kleinen Anstalten gekämpft, das habe ich nicht vergessen. Der neue macht es übrigens weiter. Da gibt es auch Verbündete, die muss man pflegen, und die muss man hüten.

Wir sind auf der Intendantenebene mit unseren beiden kleinen Anstalten Saarland und Bremen nicht schlecht aufgestellt, sondern die halten Gott sei Dank zusammen. Ich hoffe sehr, dass sich das auf die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz auswirkt. Ich nehme gern alle Ihre Anregungen, die Sie hier vorgetragen haben, auf und will, so gut ich kann, morgen und übermorgen versuchen, diese dort zu Gehör zu bringen.

Ich sehe sie richtig vor mir, meine drei Kollegen, die immer sagen, es ist nicht unser Problem, sondern es ist unser Landtagsproblem. So reden alle drei. Sie sagen, wir bekommen in unseren Landtagen keine Mehrheiten für Gebührenerhöhungen zusammen. Die machen da nicht den großen Zampano. Sie sagen vielmehr, wir haben in unseren Landtagen – und in Nordrhein-Westfalen ist Wahlkampf, da ist es doppelt so schwer wie bei den Bayern und bei den Sachsen – so eine Gebührenerhöhung zu vertreten. Sie schauen dann im Landtag auf die Gigantengagen, die auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gezahlt werden, und da gibt es unglaubliche Gagen. Darüber macht sich keiner von uns Vorstellungen, was die Fernsehstars da alles kassieren. Auch im Fußball gibt es unglaubliche Gelder, die alle schön über diese Gebühren verteilt

werden. Diese Debatte läuft in Nordrhein-Westfalen nicht nur im Landtag, sondern ich vermute auch im Wahlkampf.

Ich würde mich freuen, wenn wir das morgen und übermorgen schaffen. Ich weiß, dass Sie das hier geschlossen vertreten und sich hinter den Sender gestellt haben, und das ist auch gut. Das ist gut für das Land, das ist gut für den Sender, und das ist auch gut für die ARD, aber ich sehe die anderen Debatten in den betroffenen Landtagen, insbesondere im nordrhein-westfälischen. Wenn Sie ihre medienpolitischen Sprecher alle überzeugen, glaube ich Ihnen. Das ist aber die eine Sache.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Ich dachte, die anderen ma- chen das jetzt auch! Das war ja so verabre- det!)

Die Medienpolitiker sind sich alle einig. Ich kenne unter ihnen keinen, auch von den anderen Parteien, die nicht so reden würden, wie Sie drei eben geredet haben.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Da bin ich ja jetzt enttäuscht!)

Sie gehen sehr aufeinander ein, das ist ja auch gut so, und ähnlich läuft es überall. Die sind es nicht, sondern sie haben in ihren Fraktionen kräftigen Gegenwind.

(Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Alle, nicht nur die Grünen! Die SPD auch, das weiß ich! Das ist nicht nur auf eine Fraktion beschränkt. Es gibt aber überall diese ebenfalls erkennbaren Positionen, die sagen, wir müssen da ein richtiges politisches Gegengewicht schaffen.

Deren Argumente muss man überwinden, von den Öffentlich-Rechtlichen und dem Publikum. Man muss überall, wo man den Mund aufmachen kann und darf, davon überzeugen, dass die ÖffentlichRechtlichen sich in der deutschen Medienpolitik qualifiziert durchgesetzt haben. Das war ja lange umstritten. Inzwischen ist es anerkannt, dass die Qualität und das Niveau über die Öffentlich-Rechtlichen geliefert und geleistet wird, dass sie damit Erfolg haben und dass uns viele außerhalb der Bundesrepublik darum beneiden, dass wir das trotz dieser Großschlachten in den letzten 30 Jahren durchgehalten haben.

Qualitätsmäßig haben sie sich durchgesetzt, auch beim Publikum, und das ist die Basis, auf der ich diese Gebührenerhöhung offensiv vertreten möchte. Weil sie über das Programm angekommen sind, kann man auch gut begründet sagen, wenn das ge

halten werden soll, kann das nicht einfach immer weiter eingedampft werden. Darum gehe ich das offensiv an und nehme Ihre Anregungen alle, so gut ich kann, mit nach Berlin!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksachen-Nummer 16/206, und von dem Bericht des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten, Drucksachen-Nummer 16/281, Kenntnis.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.03 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Seniorinnen und Senioren der SPD und der AWO aus Bremen-Huchting sowie Teilnehmerinnen aus dem Mentoring-Programm der SPDFraktion. Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Ermittlungsverfahren und Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung, Verkürzung von Sozialabgaben, illegaler Beschäftigung und Lohndumping

Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 10. Juni 2004 (Drucksache 16/280)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 14. September 2004