Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich fand das Ganze etwas überraschend, denn im März 2003 hat ausweislich einer Mitteilung des Senats der Senat Folgendes erklärt, Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren: „Aufgrund der guten Vermarktungsleistungen der letzten Jahre insbesondere an hochwertigen Gewerbestandorten besteht für diese Flächen der Bedarf zügiger weiterer Flächenerschließung. Das gilt insbesondere für die Gewerbestandorte“, es folgen einige, „und dann auch den Gewerbepark Hansalinie Bremen mit seiner in Planung befindlichen Erweiterung in die Arberger und Mahndorfer Marsch.“

Am 19. August 2003 erklärt der Senat: „Gerade die vergleichsweise hohe Quote der Neuansiedlung von Betrieben belegt die besondere Attraktivität des Standorts der Hansalinie.“ Noch in den Wirtschaftsförderungsausschüssen vom 20. November 2003 wird formuliert: „Seit Beginn der Vermarktungsaktivitäten 1998 sind durchschnittlich“ – und hier kommt dann einmal die Zahl – „sechs Hektar Gewerbeflächen pro Jahr vergeben worden. Ohne eine kurzfristige Erschließung weiterer Baugebiete zeichnet sich ein Mangel an erschlossenem Bauland ab.“ Weiter heißt es: „Die Arberger und Mahndorfer Marsch soll bedarfsgerecht weiter erschlossen werden.“

Es gibt in keiner dieser Darstellungen einen Hinweis darauf, welche finanziellen Belastungen durch die Nichteinhaltung des Zielwertes von 20 Hektar, die verkauft werden sollten, eigentlich auf die Haushalte zukommen. Es gibt keine Klarstellung, dass wir hier in eine gefährliche finanzielle Situation laufen. Ich glaube, dies war seitens des Senats auch dem Haus gegenüber ein Fehler.

(Beifall bei der SPD)

Von daher, denke ich, ist es notwendig, dass wir bestimmte Offenlegungen brauchen. Wir brauchen einen Bericht, wie es dazu kommen konnte, wie es auch dazu kommen konnte, dass, wie Frau Linnert das zitiert hat, die BIG schon vor zwei Jahren erklärt hat, es geht so nicht, und keine Reaktion des Hauses des Wirtschaftssenators erfolgt ist. Herr Gloystein, das trifft Sie jetzt nicht persönlich, aber es trifft nun einmal das Haus.

Also, wie kann es sein, wenn eine Gesellschaft, die damit betraut ist, Gewerbeansiedlungen zu machen, die das Geschäft tatsächlich betreibt, erklärt, dass es in dem Maße nicht läuft, dass im Hause des Wirtschaftssenators dies zur Kenntnis genommen wird, dem Parlament nicht mitgeteilt wird und keine Lösungskonzepte erarbeitet werden? Das, finde ich, ist ein unmöglicher Zustand.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen wissen, welche Auswirkungen das eigentlich auf andere Gewerbeflächen hat. Heißt das jetzt eigentlich, dass wir Anpassungen im Integrierten Flächenprogramm machen müssen?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, das müssen wir, Herr Liess!)

Was bedeutet dies konzeptionell für die weitere Gewerbeflächenpolitik Bremens? Dies muss ein Bericht ergeben.

Dann auch schließlich die Frage und die Sorge, die mich zunehmend umtreibt: Haben wir eigentlich in anderen Teilen unseres Landes ähnliche Probleme mit den Gewerbeflächen? Droht uns da so etwas noch einmal? Auch das ist bisher nicht beantwortet. Dann die Frage: Welche Auswirkungen hat das eigentlich auf unsere Investitionspolitik? Die schlichte Übernahme der Kosten, die Sie aus unserer Presseerklärung zitiert haben, bezog sich darauf, dass es nicht sein kann, selbstverständlich stehen wir in der Verpflichtung, das ist ja so, das lässt sich auch nicht wegdiskutieren, aber die schlichte Übernahme der Kosten und zu sagen, wir machen so weiter, und das war es dann, das genau kann und darf nicht so sein, sondern Konsequenzen müssen gezogen werden!

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört, dass offensichtlich der Kontrollmechanismus, den wir in den Controllingberichten haben, in dieser Form so nicht ausreicht. Selbstverständlich war in den Controllingberichten zu sehen, wie viele Gewerbeflächen jährlich in der Hemelinger Marsch verkauft werden konnten. Es war aber nie zu erkennen und ist in den Controllingberichten bis heute nicht zu erkennen, welche finanziellen Belastungen eigentlich erwachsen und welche finanziellen Konsequenzen das hat. Das muss sich ändern!

(Beifall bei der SPD)

Dann müssen wir natürlich überprüfen, wenn wir davon ausgegangen sind, 20 Hektar würden wir jährlich verkaufen – und das tun wir nicht, es sind fünf

bis sechs! –, dass die Erschließung, wie sie heute stattfindet, in dem Tempo, in dem sie heute stattfindet und mit dem finanziellen Einsatz, mit dem sie stattfindet, so nicht weitergehen kann. Wir müssen das ernst nehmen, was der Senat und das Parlament immer gesagt haben, eine bedarfsgerechte Erschließung der Arberger und Mahndorfer Marsch!

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen in dem Zusammenhang vielleicht auch einmal überlegen, da wir wissen, von den 800 Hektar sind ja nur 220 Hektar tatsächlich für Gewerbeflächen vorgesehen, ob wir nicht schon jetzt damit anfangen können, andere Flächenteile in diesem Gebiet auch als Ausgleichsflächen zu nutzen. Wir brauchen in Bremen Ausgleichsflächen und müssen zum Teil in Niedersachsen Flächen dafür aufkaufen. Dies wäre eine Möglichkeit, um hier auch insgesamt zu einer besseren Nutzung zu kommen. Sicherlich werden wir über eine Frage des neuen Vermarktungskonzepts reden müssen.

Meine Damen und Herren, Sie haben gemerkt, wir teilen den Berichtswunsch, den die Grünen geäußert haben. Wir haben als Sozialdemokraten versucht, mit der CDU zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen, das ist uns nicht gelungen. Wir erwarten nach wie vor die Beantwortung eines Briefes, den wir an den Wirtschaftssenator am 15. September gerichtet haben, wo wir einige dieser Fragen schon gestellt haben. Wir erwarten also eine Berichterstattung, wir erwarten sie schnell, aber ich glaube, wir werden uns nochmals auch hier im Parlament darüber zu unterhalten haben.

Nun zum zweiten Teil, Technologieparkerweiterung! Wir Sozialdemokraten haben ja noch einmal eine Kleine Anfrage über die Eigennutzung im Technologiepark gestellt. Die Antwort hinsichtlich der Eigennutzung im Technologiepark und der im Augenblick existierenden Nachfrage macht für mich zumindest deutlich, dass wir das Projekt der Westerweiterung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr forcieren sollten, weil der Bedarf in der Form nicht vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, den Antrag der Grünen werden wir naturgemäß ablehnen, und ich füge hinzu, müssen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Linnert, Ihr recht unverfrorener

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie bitte?)

und oberlehrerhafter Beitrag ist den Bedeutungen der Gewerbeflächen für Bremen in keiner Weise gerecht geworden!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie bit- te? Sie verballern eine halbe Milliarde!)

Sie haben hier die Dinge verdreht! Sie haben nicht gesagt, dass Frau Trüpel alle Informationen zur Hansalinie hatte! Das Einzige, was Sie können, das ist hier unseren Standort schlecht reden.

(Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Sie haben auch nicht gesagt, was denn der Erfolg Ihrer Gewerbeflächenpolitik in Ihrer Ampelzeit gewesen ist. Sie haben nicht gesagt, wo sich damals die Arbeitsplätze angesiedelt haben, nämlich in Achim und Oyten, im Umland und nicht in Bremen, und dass wir deshalb heute ein derartig großes Problem haben.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch einfach nicht in Ordnung, Sie haben die Verantwortung! Stehen Sie doch we- nigstens dazu!)

Es fällt schon ein bisschen schwer nach dieser von Ihnen so emotional geführten Debatte, zu einer vernünftigen, sachlichen Diskussion um die Gewerbeflächen hier zurückzukommen. Ich will es versuchen.

Bremen hat hervorragend clusterbezogene Gewerbeflächen: Dienstleistungen am Flughafen, Logistik im GVZ, Technologie im Technologiepark und für verarbeitendes und produzierendes Gewerbe die Hansalinie. Allein 5500 Menschen arbeiten heute in der Airport-Stadtmitte, 6200 im Technologiepark, 1500 in der Hemelinger Marsch. Das ist im Gegensatz zum wirtschaftlichen Stillstand in den achtziger und neunziger Jahren ein großer Erfolg.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Deshalb haben wir auch 0,9 Prozent Wirtschafts- wachstum!)

Es ist Bremen zwar gelungen, eine vergleichsweise gute Ausstattung mit entwicklungsfähigen Ge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

werbeflächen zu erreichen, ausreichend erschlossene und ausreichend vermarktbare Flächen fehlen aber nach wie vor. Die Hansalinie ist unser einziges großes, wettbewerbsfähiges Gewerbegebiet an einer Autobahn, eben für dieses verarbeitende Gewerbe. Im Umland gibt es bereits 650 Hektar freie, jetzt verkaufbare Flächen, und wenn wir unser Ziel, Arbeitsplätze in Bremen zu schaffen, nicht aus den Augen verlieren wollen, brauchen wir eigene Flächen im Angebot und dürfen nicht erst reagieren, wenn die Betriebe bei uns nachfragen. Das war die gescheiterte Politik von gestern.

Noch eines zur Hemelinger Marsch! Wenn wir die Hemelinger Marsch nicht gehabt hätten, dann hätten wir 1999 und im Jahr 2000 nicht rund 50 Hektar im Jahr vermarkten können, weil wir nämlich gar keine Flächen gehabt hätten. Sehr geehrter Herr Liess, Sie suchen nun nach Verantwortlichen dafür, dass diese Verkaufsleistungen nicht so weitergegangen sind. Es sollte Ihnen doch bekannt sein, dass die gesamtwirtschaftliche Lage seit drei Jahren ein Desaster ist,

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]) : Jetzt kommt also der Textbaustein wieder!)

dass Unternehmen sich mit Investitionen zurückhalten und dieses Problem auch an Bremen nicht vorbeigeht. Für diese Situation machen Sie bitte die Bundesregierung verantwortlich und nicht das Wirtschaftsressort und nicht die BIG!

(Starker Beifall bei der CDU – Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

1999, als wir die Hansalinie beschlossen haben, war diese Entwicklung so auch nicht vorherzusehen. Sie haben ja zitiert, was in der Vorlage vom 28. Mai 1999 stand, nämlich die Vermarktung von 20 Hektar pro Jahr und dann, so wörtlich, als globales Rechenmodell. Dies galt bei Vollauslastung und bei stabilen globalen Einflussfaktoren.

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese stabilen Einflussfaktoren haben wir leider nicht. Trotzdem sind aber in den vergangenen drei Jahren in der Hemelinger Marsch bis auf 3,5 Hektar alle Flächen verkauft worden und die von mir eben genannten Arbeitsplatzeffekte von 1500 Jobs dort entstanden mit den entsprechenden Steuereinnahmen.

Die Mehrbelastungen sind nicht erfreulich, nur, sehr geehrter Herr Liess, ich möchte Sie doch noch einmal daran erinnern, warum die Hansalinie so teuer ist und warum es zu solchen Zinseffekten kommt. Das waren erstens die ökologischen Vorgaben, die

Sie gemacht haben, die zu den immensen Kosten bei den Ausgleichsflächen geführt haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bünd- nis 90/Die Grünen)

Wenn einem Hektar Gewerbeflächen 1,3 Hektar Ausgleichsflächen gegenüberstehen, damit also nur gut ein Drittel der Fläche für Gewerbe nutzbar ist, das treibt natürlich die Kosten in die Höhe, da muss man sich nicht wundern, und daran muss auch jede Fondslösung scheitern.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Die CDU-Fraktion stellt daher ganz nachdrücklich die Frage, ob die ökologischen Flächen nicht reduziert werden können, um damit auch die Kosten zu senken.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)