Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Die Voraussetzungen, den Schülerinnen und Schülern Bremens Geschichte mit differenzierten inhaltlichen Akzentuierungen und mit unterschiedlichen Bearbeitungsperspektiven durch geeignete Medien und Lernmittel erlebnisorientiert nahe zu bringen, sind also als gut zu bezeichnen. In welchem Umfang aber all diese Angebote zur unterrichtlichen wie außerunterrichtlichen Gestaltung des Lernens und

des Erfahrens landes- und stadtteilgeschichtlicher Zusammenhänge tatsächlich wahrgenommen und umgesetzt werden, darüber gibt es gegenwärtig leider nur wenig empirisches Wissen. Es ist nicht aufgezeigt. Das heißt also im Klartext, die Voraussetzungen auf allen schulischen Ebenen, die Geschichte Bremens und Bremerhavens in den Schulunterricht zu verankern, sind aufgrund der Mittel und Möglichkeiten gut bis sehr gut, was die SPD-Fraktion erfreut zur Kenntnis nimmt, aber ob sich dies tatsächlich im Unterricht hinreichend niederschlägt, ist insofern unklar, und das bedauern wir natürlich.

Nach vorläufiger Einschätzung gibt es in allen anderen Bundesländern keine grundsätzlichen, von der bremischen Lehrplanentwicklung und Schulpraxis abweichende didaktischen Ansätze und Umsetzungsformen für landes- und stadtgeschichtliche Themen in den einzelnen Schulstufen. Auch ist erkennbar, dass entsprechende Lehrpläne, auch in den anderen Bundesländern, relativ offene Formulierungen ausweisen, um Raum zu geben für spezifische Umsetzungsmöglichkeiten. Das ist sicherlich auch ein Hintergrund dafür, warum ich mich schwer tue, mich mit Vernetzung und festeren Vorgaben von oben auseinander zu setzen. Wir machen es in vielen anderen Bereichen nicht und lassen dort Freiheiten, die richtigen Möglichkeiten auszunutzen und im Unterricht anzubringen, und ich denke einmal, man kann es aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten auch hier weiterhin in der Art handhaben, zumindest haben wir keine Vorbilder aus anderen Bereichen.

Wenn ich hinsichtlich der Umsetzung hier in Bremen relativ optimistisch bin, dann liegt es daran, dass es geradezu herausragende schulische Projekte wie zum Beispiel „Bremen – Stadt am Fluss mit Meeresnähe“ vom Schulzentrum Koblenzer Straße im Zusammenhang mit dem LIS gab oder auch das Thema „Nationalsozialismus in Bremen“, oder damals war es „Friedrich“ von der heute Integrierten Stadtteilschule Hermannsburg.

Die Vermittlung von Bremer Geschichte und Begegnung mit Bremer Geschichte kann unheimlich spannend und anregend sein. Daraus schließe ich, und das lässt mich hoffen, dass die Umsetzung im Schulalltag nicht zu weit hinter den Möglichkeiten zurück bleibt. Nein, im Gegenteil, ich glaube, dass sie einen guten Raum im Unterricht einnimmt. Ich schließe mich mit meiner Fraktion der Aussage des Senats an, dass die Geschichte Bremens eine Bildungsaufgabe von herausgehobener Bedeutung ist und sich dementsprechend im Schulalltag widerspiegeln muss. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun hören Sie einmal ganz gut zu! Die Große Anfrage mit der Drucksachen-Nummer 16/418, „Die Geschichte Bremens und Bremerhavens im Unterricht der Schulen verankern“, ist eine richtige und wichtige Anfrage und Aufgabe. Bremerhaven und Bremen haben eine sehr lange traditionsreiche Geschichte, die im Schulunterricht, wenn überhaupt, nur unzureichend und dazu noch sehr einseitig behandelt wird, denn zur Geschichte dieser beiden Städte gehört auch das intensive Erinnern an das unendlich grausame Leid unter Luftterror der Alliierten in Bremen und Bremerhaven, also das Erinnern an den verheerenden Feuersturm vor 60 Jahren.

(Zuruf des Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/ Die Grünen])

Welches Schulkind weiß denn heute noch, dass zum Beispiel am 18. September 1944 Bremen und Bremerhaven durch ein Kriegsverbrechen der Alliierten in Schutt und Asche gelegt worden sind, dass am 18. September 1944 mehr als 200 Bomber – ich weiß, das möchten Sie nicht gern hören, aber das ist Bremer und Bremerhavener Geschichte,

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dann müssen Sie auch von den La- gern in Bremerhaven reden!)

das sollten Sie sich einmal merken! – Tod, Vernichtung und unendliches Leid über die Zivilbevölkerung der Städte Bremens und Bremerhavens gebracht haben? Allein in Bremerhaven fielen in 20 Minuten sage und schreibe 500 Sprengbomben,

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

450 000 Stabbrandbomben und über 40 Mienenbomben und verwandelten Bremen und Bremerhaven in ein Flammenmeer. Bremerhaven war zu 99 Prozent zerstört.

Herr Tittmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Crueger?

Nachher! Ich bekomme nicht meine Diäten, um Ihnen Nachhilfeunterricht in Kommunalpolitik zu erteilen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Noch nie etwas von Parlamentarismus gehört?)

Meine Damen und Herren, weit über 1000 Menschen, Frauen, Kinder und alte Menschen, verbrannten bei lebendigem Leib, weit über 2000 Menschen,

Frauen, Kinder und alte Menschen, wurden durch diesen alliierten Luftterror sehr schwer verletzt, mehr als 35 000 Menschen wurden obdachlos in Bremerhaven, nur in Bremerhaven!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Passt nicht zum Thema!)

Die Zivilbevölkerung litt unter einer unsagbar großen Hungersnot. Bei weiteren Bombenangriffen der Alliierten fanden weitere tausende und abertausende Menschen in Bremen und Bremerhaven einen schrecklichen und grausamen Tod.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das Ganze hat keine Ursache, nicht?)

Kein Augenzeuge in Bremen und Bremerhaven wird nie wieder, aber auch nie wieder diese schrecklichen Bilder und Erlebnisse dieses alliierten Luftterrors vergessen können. Dies hat sich für immer und ewig, im wahrsten Sinne des Wortes, schrecklich und grausam in ihre Seelen eingebrannt.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

Herr Tittmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hövelmann?

Auch für Frau Hövelmann gilt das, ich bekomme meine Diäten nicht, um ihr Nachhilfeunterricht in Kommunalpolitik und Geschichte zu erteilen.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dazu sind Sie gar nicht in der Lage, Zwischenfragen zu beantworten!)

Meine Damen und Herren, auch das ist Bremer und Bremerhavener Geschichte, die unseren Schülern korrekt – ich betone, korrekt! – vermittelt werden muss, damit diese grausamen Kriegsverbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung niemals vergessen werden. Anstatt unseren Kindern im einseitigen Geschichtsunterricht immer nur Schuld, Sühne und Buße einzuimpfen, sollte jeden Tag, jede Stunde im Unterricht daran erinnert werden, dass unsere Eltern in einer auf der Welt einmaligen, einzigartigen und unübertroffenen Aufbauleistung mit eigenen Händen, viel Mut, Leid, Tränen, Trauer und Entbehrung und ohne Gastarbeiter nach dem Krieg dieses völlig zerstörte Bremen und Bremerhaven wieder aufgebaut haben.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist Geschichte, das ist Tatsache, das hören Sie nicht gern. Meine Damen und Herren, diese Ge

schichte Bremens und Bremerhavens darf und wird auch dank der Deutschen Volksunion niemals vergessen werden. Anstatt aber diesen Trümmerfrauen ein großes Denkmal zu setzen, wird von der achtundsechziger Lehrergeneration weiterhin unseren Kindern immer nur ewig Schuld, Sühne und Buße gepredigt. Zu der traditionsreichen Geschichte von Bremen und Bremerhaven gehören aber auch die Tatsachen, dass die traditionsreichen Werften und der Fischereistandort Bremerhaven durch eine jahrzehntelange SPD-Gossenpolitik, Entschuldigung, ich meine natürlich SPD-Genossenpolitik, völlig ruiniert worden sind und dass dadurch die Stadt Bremerhaven zum Armenhaus der Nation geworden ist. Auch das ist Bremer und Bremerhavener Geschichte und gehört in den Geschichtsunterricht.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, um unseren Schülern den Stellenwert regionaler Geschichte korrekt – ich betone, korrekt! – näher zu bringen –

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dann sollte man einmal Bilder des KZ in Gröpelingen zeigen!)

wenn Sie etwas zu sagen haben, kommen Sie nach vorn und brabbeln nicht dazwischen! –, ist es dringend erforderlich, auch solche Tatsachen Bremer und Bremerhavener Geschichte dementsprechend zu vermitteln, damit unseren Schülerinnen und Schülern die eigentlichen historischen Wurzeln wieder bewusst werden, daran fehlt es nämlich.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie sehen anhand dieses Beitrags, wie wichtig allgemein Geschichtsunterricht ist, damit eine solche Denke – –.

(Beifall – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Diese Denke hat ja dazu geführt, dass am 18. August 1944 unter anderem der Westen brannte. Was Sie und Ihre geistigen Brandstifter angerichtet haben, das erfahren die Bremer und die deutschen Schülerinnen und Schüler zum Glück, um so etwas zu verhindern, dass Leute wie Sie jemals wieder etwas zu sagen haben in diesem Land!

(Beifall – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ich bin 1954 geboren!)

Ich möchte noch zwei, drei Punkte, die vorhin in meiner Redezeit nicht mehr unterzubringen waren, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

erwähnen, meine Damen und Herren. Frau Kauertz, Sie haben das auch noch einmal angesprochen, es gibt viele Angebote. Ich habe, denke ich, auch deutlich gemacht, dass es viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt, die sich diese Einzelangebote heraussuchen und nutzen. Genau darum ist unser Netzwerkgedanke so wichtig, damit wir die Arbeitskraft der Lehrerinnen und Lehrer nicht darauf verschwenden, die Angebote groß zu suchen, sondern dass ihnen die Angebote auch wirklich offensiv offeriert werden und dass es dann eben nicht nur Angebote und Beliebigkeit gibt, sondern in bestimmten Punkten auch durch den Netzwerkgedanken ein verbindliches Angebot gemacht wird. Darum hätten wir uns gefreut, wenn Sie unserem Antrag zugestimmt hätten, dass wir den heute hätten beschließen können, aber wir werden an dem Thema bleiben. Ich denke, auch in diesem Bereich werden wir Sie im Laufe der Zeit überzeugen können.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal ein besonderes Projekt erwähnen. Ich hatte den Landesarchäologen vorhin erwähnt. Es gibt seit drei Jahren mittlerweile im Focke-Museum eine ganz tolle Einrichtung für junge Schülerinnen und Schüler, das ist Fockes Labor. In Fockes Labor kann man wirklich greifen, man kann mit alten Münzen, mit alten Materialien Geschichte richtig erleben. Dieser Gedanke, den es auch im Universum in anderer Form gibt, etwas richtig zu erleben, zu begreifen, ist ein Projekt, das man auch durchaus in dieser Stadt verbreitern könnte.

In diesem Zusammenhang hatte ich auch schon die Schulgeschichtliche Sammlung angesprochen. Hier würde ich mir wünschen, wenn man sich dann im Netzwerk für weitere dieser Projekte interessieren würde, um diese dann umzusetzen. Das kann Politik nicht verordnen in der Bürgerschaft, aber es sind Anregungen, die hier aus der Politik kommen, Herr Kollege Crueger. Ich denke, das ist auch unsere Aufgabe, dass wir diese Anregungen hier an dieser Stelle formulieren, damit sie der Senator in seine Verwaltung mitnehmen kann.

Ein Themenfeld möchte ich ansprechen, auch wenn es eben schon in hetzerischer Art und Weise angesprochen wurde. Als Sie, Frau Kauertz, die Schulstufen und die Themen angesprochen haben, ist natürlich ein Bereich völlig außen vor geblieben, das ist auch bei der Lehrplanentwicklung insgesamt im Geschichtsunterricht außen vor geblieben. Die Vermittlung der jüngeren Geschichte findet im Prinzip nicht im Geschichtsunterricht statt, weil die Geschichtslehrer der Auffassung sind, sie ist noch zu jung dafür, sie findet aber auch nicht im Gesellschaftskunde-, Gemeinschaftskunde- oder Politikunterricht statt, weil sie dafür schon zu lange zurückliegt.

Wir haben im Prinzip bis zur Errichtung des Landes Bremen 1947 Unterrichtsmaterialien. Was danach kommt, wie sich das Land Bremen entwickelt

hat, ist auch wichtig, und es muss den Schülerinnen und Schülern so früh wie möglich deutlich gemacht werden, dass wir ein reiches Land sind, dass wir ein Land sind, das bis vor wenigen Jahrzehnten im Finanzausgleich Geberland war, das mit dazu beigetragen hat, dass Bayern jedes Jahr ordentlich Geld aus Bremen bekommen hat, und dass der Begriff Bremer Pfeffersäcke nicht irgendetwas mit Gewürzen zu tun hat, sondern dafür gesorgt hat, dass diese Bundesrepublik einen enormen Aufschwung nehmen konnte. Dass dies auch im Unterricht vermittelt wird, gehört auch dazu und trägt auch dazu bei, dass hier ein starkes Selbstbewusstsein für Bremen und Bremerhaven schon in der jungen Generation geschaffen wird.

Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei 82 Mitgliedern des Hauses für die konstruktive Beratung unserer Initiative bedanken und sehe mit Spannung den Äußerungen des Senators entgegen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was der rechtsradikale Hetzer Tittmann hier eben abgeliefert hat, darf nicht unwidersprochen bleiben. In meiner Fraktion ist bekannt, dass ich gelegentlich der Meinung bin, dass man es stehen lassen soll, weil er sonst wieder ankommt – jetzt ist er hinausgegangen, darüber können wir froh sein – und seine nächste Hasstirade hier öffentlich loslässt, aber in diesem Fall fühle ich mich doch genötigt, hier kurz Stellung zu nehmen.

Es ist sehr wichtig, dass in der Geschichte die gute bremische republikanische Tradition unseren Schülerinnen und Schülern mitgeteilt und nahe gebracht wird, und es ist genauso wichtig, meine Damen und Herren, Bremer Geschichte heißt auch, dass man den Schülerinnen und Schülern nahe bringt und beibringt und vermittelt, was Bremer in anderen Ländern getan haben. Was war in Sachsenhausen, was war in Leningrad, was war Guernica, was war in Coventry?