Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

gärten, in den Pflegeeinrichtungen, in den Sozialeinrichtungen, in den Kultureinrichtungen, der gesamte Alltag in den allermeisten dieser Einrichtungen besteht daraus, dass kein Geld da ist. Nicht, dass ich das kritisiere! Es ist unausweichlich, und es wird auch über längere Zeit so weitergehen.

Zu behaupten, dass in diesen Bereichen wirklich Spielräume sind, die ja zu Lasten der Bevölkerung gehen, wenn man dort weitere Einsparungen macht, ist einfach unseriös. Wir werden diese Riesensumme an konsumtiven Einsparungen einfach nicht erbringen können. Es ist nicht korrekt, dass Sie als verlängerter Arm der Handelskammer oder wessen auch immer das immer wieder erzählen, vor allem, wenn es um Bremerhaven geht. Da sind Sie dann überhaupt nicht knickerig. Da ist es dann gutes Geld!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir werden weiterhin im konsumtiven Bereich einsparen, und es wäre gut, wenn auch Sie Vorschläge machen würden, die wenigstens auch ein wenig fachlich abgesichert wären. Wir brauchen in bestimmten Bereichen Strukturveränderungen, und wir müssen uns damit abfinden und darauf einrichten, dass nur intelligenteres Sparen als das jeweils jährlich neue Schraube-Anziehen etwas bringen kann und dass diese Strukturveränderung Zeit braucht und man sich die einzelnen Spar- und Maßnahmenfelder genauer anschauen muss.

Das, Herr Pflugradt, gilt auch für die Investitionen. Sie haben hier erzählt, wenn man die Investitionen herunterfahre, ernte man überall Arbeitslosigkeit. Ehrlich gesagt, ich habe da eigentlich eine ganz andere Wahrnehmung. Ich habe die Wahrnehmung, dass es hohe Arbeitslosigkeit gegeben hat, dass dem Staat die Puste ausging, dass das Geld nicht mehr da war und dass man dann geschaut hat, wo man Einsparungen vornehmen kann, in der Tat auch bei Investitionen.

Sie stellen sich zum wiederholten Male hier hin, trotz der Flops, die die große Koalition ja nun am laufenden Meter und reichlich produziert hat und die ich hier auch gern noch einmal für alle Menschen in Bremen erzähle: Vom Büropark Oberneuland über den Hemelinger Tunnel, über den Space-Park, über das Musical, über die Rennbahn haben wir hier gestern geredet und über völlig überbordende Gewerbeflächenpolitik, die uns noch Jahrzehnte lang sehr viel Geld kosten wird, das wir anderswo bitter nötig hätten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vor diesem Hintergrund stellen Sie sich hier hin und befinden jede, aber auch jede investierte D-Mark für gut und erzählen, dass es gut ist, Hauptsache, viel zu investieren. Ich sage es Ihnen: Bohren Sie doch ein Loch bis Australien, und wenn wir unten ange

kommen sind, dann haben wir Milliarden an Investitionen verballert, und die zuständige Bauindustrie hat kurzfristig etwas davon gehabt, und das war es auch! Sie haben immer noch nicht verstanden, dass man sowohl investiv als auch konsumtiv die Maßnahmen en détail bewerten muss, dass man genau anschauen muss, was der Staat davon hat, heute, morgen und übermorgen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu dem Vorwurf, wir hätten gesagt, Sie hätten die öffentlichen Gebäude verrotten lassen! Wir haben gesagt, in einer Zeit, als Bremen de facto überproportional investiert hat – –.

(Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Lesen Sie doch das Interview vor!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wir haben es doch gelesen!)

Lesen Sie es vor! Das wäre doch einmal eine nette Entwicklung!

Ich habe gesagt, dass der öffentliche Bereich in Bremen in einer Zeit, als überproportional viele Investitionen und Maßnahmen getätigt wurden, Nachholbedarf hat, unterrepräsentiert ist und dass das ein Fehler gewesen ist, dass man einen anderen Schwerpunkt hätte setzen müssen, nämlich einen Schwerpunkt für Instandhaltung und Sanierung, anstatt mit Ihren Renommierobjekten und Projekten ständig zu glauben, dass Sie damit das Wirtschaftswachstum so ankurbeln könnten, wie sowieso nur noch Sie in Ihren Beschwörungsreden glauben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage anzunehmen?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Pflugradt!

Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie in Ihrem Interview am 27. November 2004 im „Weser-Kurier“ auf die Frage „Wo würden Sie Investitionsschwerpunkte setzen?“ wörtlich geantwortet und ausgeführt haben: „Wir wollen vorhandene Werte erhalten. Viel zu lange hat die Koalition öffentlich Gebäude verrotten lassen. Wir wollen Schulen, Museen und auch Straßen in Schuss bringen.“? Damit

bringen Sie doch zum Ausdruck, dass wir das als große Koalition nicht getan haben, und ich habe Ihnen dort am Rednerpult gesagt, dass Sie das wider besseres Wissen gesagt haben. Wir haben einen Stadtreparaturfonds aufgelegt, wir haben das Sondervermögen Immobilien und Technik geschaffen, und Sie wissen ganz genau, mit welchen Millionensummen, Milliardensummen, kann ich sagen, wir das ausgestattet haben. Dann zu sagen, die große Koalition habe hier Gebäude, Straßen und so weiter verrotten lassen, ist wider besseres Wissen gesagt worden. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Ich habe verstanden, wie Sie das sehen. Die Frage, wie Sie sie vorgelesen haben, war nach Schwerpunkten, und die Schwerpunkte der großen Koalition, wenn man sich das Theater um „Pavement“ und die Auseinandersetzung um die PCB-Sanierung anschaut, wenn man sich anschaut, was in der GBI los ist, wo wir versuchen, über Vermögensveräußerungen die Sanierung hinzubekommen, haben Sie da nicht gesetzt. Schwerpunkte haben Sie auf Ihre Renommierobjekte, die ich hier vorgetragen habe, gesetzt, und das andere musste irgendwie schauen, wo es bleibt, und zum großen Teil auch noch völlig unzureichend.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Einen Schwerpunkt haben Sie darauf nicht gesetzt.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Natürlich haben wir die gesetzt!)

Dies ist der Bereich, der sich irgendwo am Rande herumdrücken muss.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Natürlich haben wir die gesetzt! Sie wissen doch, dass das nicht richtig ist!)

Natürlich haben Sie Gebäude verrotten lassen!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das ist aber ganz schwach!)

Dass Sie versucht haben, in einer Zeit, als massenweise investiert wird – –.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Belegen Sie doch einmal, wo wir Gebäude haben ver- rotten lassen!)

Tragen Sie das doch hier vor!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Welche Gebäude, Frau Linnert?)

Das Bäderkonzept mühsam irgendwie zusammengestoppelt! Sie haben in Ihrem Investionsprogramm – –.

(Zuruf des Abg. P f l u g r a d t [CDU])

Gut, Herr Pflugradt – –.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sagen Sie es doch einmal, welche Schule wir haben verrotten lassen!)

Gehen Sie doch einmal herum in den Schulen!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Sie können nicht eine einzige Schule nennen, die wir haben verrotten lassen!)

Dass da einige renoviert wurden, ist doch gar nicht strittig. Es geht um den Schwerpunkt Ihrer Investitionspolitik, und der bezieht sich nicht auf die Bestanderhaltung des Bestehenden, sondern versucht, mit neuen Projekten nach außen dicke Backen zu machen, während sich der Sanierungsbereich für das, was hier Bestehendes ist, hinten anstellen muss. Das ist so, und bei der Behauptung bleibe ich auch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie hier, Herr Pflugradt, eine Generalauseinandersetzung über Ihren Sanierungskurs haben wollen, dann können Sie die bekommen! Die Fakten, die Sie vorgelegt haben, geben nicht her – weder bei den Zahlen für Arbeitslosigkeit noch bei den Zahlen für Einwohnerentwicklung, noch bei den Zahlen für die Wirtschaftsentwicklung –,was Sie hier beschwörungsmäßig behaupten, nämlich Ihr Sanierungskurs wäre richtig. Ihr Sanierungskurs besteht aus quotalem Sparen und Investieren. Jede investierte Mark ist eine gute Mark. Dieser Kurs ist nicht richtig, er lässt sich über die Zahlen nicht belegen, und wenn wir über den Sanierungsbericht reden, dann wird das hier weiter Thema werden, und an dem Punkt gebe ich Herrn Wedler Recht: Wenn Sie in Zukunft keine differenziertere Betrachtung dafür hinbekommen, was eine sinnvolle Investition und was eine sinnvolle konsumtive Ausgabe ist, machen wir uns zum Gespött der anderen, auf deren Hilfe wir in Zukunft dringend angewiesen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich ganz herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe Studierender der Hochschule Bremen begrüßen vom Studiengang Internationales Politikmanagement. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wiedemeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es in Teilen wirklich schade, welche Wendung diese Debatte, die wir anfangs doch sehr sachlich geführt haben, hier mittlerweile genommen hat. Ich finde es auch erstaunlich, dass mein zweiter Redebeitrag eigentlich von unserem Koalitionspartner provoziert wurde.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Womit wir wieder beim Thema wären!)

Lieber Herr Pflugradt, ich weise an dieser Stelle Ihre Ausführungen zu dem so genannten Non-Paper und das Zitat, was Sie hier gebracht haben, ausdrücklich zurück. Ich denke, es gehört sich nicht, und wir werden uns in den entsprechenden parlamentarischen Ausschüssen mit den Sachverhalten, die eventuell dahinter stehen mögen, zu beschäftigen haben.

(Beifall bei der SPD)