Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Frau Marken hat es erklärt, der Bebauungsplan ist ordnungsgemäß in einem vernünftigen Verfahren durchgeführt worden. Dass die Gegner der Maßnahmen, die es ja gibt, sich dann hauptsächlich auf die Hochbauten konzentriert haben, nicht aber auf die anderen begleitenden Maßnahmen, das ist, denke ich einmal, in der Sache gewesen, aber deswegen ist noch zusätzlich eine öffentliche Bauausschusssitzung am 18. November durchgeführt worden, wo genau diese Maßnahme noch einmal erklärt worden ist.

Der Witz an der Sache ist, Herr Tittmann ist Mitglied, und Herr Tittmann war auch anwesend. Dass Herr Tittmann anwesend war, weiß ich ganz genau! Warum? Weil Herr Tittmann ja alles ablehnt, was in dem Bereich überhaupt eine Rolle spielt. Wir streiten uns ja mit Bündnis 90/Die Grünen über die Hochbaumaßnahmen, über Hotel, über Einzelhandel, beim Klimahaus sind wir, glaube ich, einer Meinung.

Es gibt dann aber natürlich auch die Frage von Verbindungen in den Bereich hinein. Die Verbindung, die so genannte Hafenpassage, die in einem Antrag danach beschlossen worden ist, ist von Herrn Tittmann mitgetragen worden, der alle Hochbauten ablehnt. Das heißt, Sie werden in Bremerhaven bald vom Columbuscenter eine Hafenpassage in siebeneinhalb Meter Höhe in den luftleeren Raum hineingeführt sehen, wo keine Hochbauten sind, weil Herr Tittmann die ja nicht will. So plant er Politik, und so kann man schon den Blödsinn sehen!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Des Weiteren, und das hat Frau Hoch angesprochen, wenn Sie den Antrag in Ruhe durchlesen, soll der Weserdeich nicht angefasst werden. Wir haben eine Hochwasserlinie Normalnull bei 7,50 Meter. Wir müssen nach allen Prognosen auf 8,60 Meter erhöhen. Wir müssen erhöhen! Wir haben bei 4,7 Kilometer Containerkaje den Hochwasserschutz ja gleich eingebaut, so dass Bremerhaven geschützt ist.

Wenn es nach Herrn Tittmann geht, würde Bremerhaven in der Zukunft irgendwann wieder hochwas

sergeschädigt werden. Allein so schreibt er einen Antrag, nur einmal wegen der Qualität! Wenn man etwas zu Papier bringt, dann muss ja nicht alles richtig sein, aber man überlegt sich ja, es muss doch wenigstens sachlich richtig sein und funktional, und noch nicht einmal das ist ihm gelungen. Insofern ist das, was Herr Tittmann hier versucht, Bürgerinitiativen, die natürlich auch berechtigte Sorgen haben, immer auf seine Seite zu bringen.

Es ist mir auch in der ganzen Zeit, in der Herr Tittmann in der Bürgerschaft ist, aufgefallen, dass er nie einen Antrag eingebracht hat, in dem er selbst politische Vorstellungen bringt, sondern wenn eine Bürgerinitiative tätig wird, kommt sofort der Antrag von Herrn Tittmann, gleich kommt seine zweite Wortmeldung mit der vorgefassten Rede, wie immer! Es ist immer das Gleiche! Ein eigenes politisches Agieren der DVU in diesem Hause ist nie gezeigt worden. Das brauchen wir auch nicht, aber Sie können nur hinterherrennen. Das ist das Einzige, was die DVU kann und das mit wirklich – und das sage ich einmal, selbst wenn ich einen Ordnungsruf bekomme – schwachsinnigen Anträgen, und das ist einer, weil hier gegen Hochwasserschutz verstoßen wird. – Vielen Dank!

Herr Bödeker, das Wort schwachsinnig weise ich zurück!

Das Wort erhält der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bödeker, wenn ich auf Missstände hinweise, was auch Geld kostet, wenn die Missstände dadurch abgeschafft werden, dann habe ich schon viel dazu beigetragen, diese Missstände zu beseitigen und die Vorschläge für eine effektive Politik eingebracht.

Unser Weserdeich hat schon über 100 Jahre lang sämtliche Sturmfluten überstanden, aber, Herr Bödeker, ich befürchte, unser Weserdeich, das Herz und die Seele Bremerhavens, wird nicht die unsägliche und niederträchtige Politik des Größenwahnsinns Ihrer großen Koalition überstehen. Sie und die große Koalition machen mit der Umsetzung ihrer Deichbaupläne unseren schönen Weserdeich zum Schandfleck von Bremerhaven. Das ist die Wahrheit und nichts anderes!

Das ist die Politik dieser großen Koalition zur Schande und zum Schaden der Stadt Bremerhaven und seiner Bürger. Eines sage ich klar und deutlich: Wer ohne Zustimmung der Bürger solche dramatischen Eingriffe mit solchem Ausmaß für das Stadtbild Bremerhavens rücksichtslos, skrupellos und brutal durchzieht, der hat wirklich jedes moralische und politische Recht verloren, jemals wieder für diese Stadt politische Verantwortung zu übernehmen. Er hat auch das Recht verloren, hier eine solche polemische Rede zu halten.

Frau Hoch, gegen eine Deichbauerhöhung haben wir nichts. Aber Sie glauben wohl nicht allen Ernstes, dass Sie das wieder zurücksetzen. Sie glauben ja heute noch an den Weihnachtsmann! Deswegen wundert mich Ihre Rede auch nicht.

Frau Marken, eines noch zu Ihnen: Zu der Diskussion in der Volkshochschule, die Sie ja so hoch schätzen, fragen Sie einmal die Teilnehmer, wie arrogant die von Ihrem Oberbürgermeister abgekanzelt worden sind. Das war eine Schande! Die Schande für Bremerhaven ist nicht die Deutsche Volksunion,

(Abg. S c h m i d t m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sind Sie!)

die Schande für Bremerhaven ist die sozialdemokratische Politik mit 27 Prozent Arbeitslosigkeit und sozialen Einschnitten. Das ist Ihre Politik, das ist Ihre Schande, das ist Ihre Verantwortung, aber nicht die Verantwortung der Deutschen Volksunion!

Tatsache ist doch, dass auch unter finanzieller Mithilfe des Landes unser schöner Weserdeich in Bremerhaven, und das ist es nämlich, halbiert und mit Metall und Beton verunstaltet wird. Das ist der Punkt, Frau Hoch! Das dürfen wir als Landespolitiker in unserer Verpflichtung und kommunaler Verantwortung gegenüber der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung nicht zulassen. Dass Sie, meine Damen und Herren aus Bremerhaven, eine politische Verantwortung für die Stadt haben, brauche ich nicht erst zu erwähnen. Das sollen Sie niemals vergessen! Der Bremerhavener Bevölkerung verdanken Sie Ihr Mandat und niemand anderem. Dieser politischen Verantwortung sollten Sie auch endlich einmal gerecht werden. Also stimmen Sie diesem Antrag der Deutschen Volksunion im Interesse der Bremerhavener Bevölkerung zu!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Nie und nim- mer!)

Eines kann ich Ihnen jetzt schon versprechen, und ich halte meine Versprechen, das wissen Sie, dass ich Ihr heutiges Abstimmungsverhalten zu diesem für Bremerhaven wichtigen kommunalpolitischen Antrag durch zahlreiche DVU-Protestaktionen sowie Unterschriftenaktionen gegen die unerträglichen Zerstörungen des Weserdeiches in Bremerhaven öffentlich machen werde. Da können Sie sicher sein, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Herr Bödeker, die Kraft Ihrer polemischen Rede

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Die war nicht polemisch!)

sollten Sie lieber dazu verwenden, um mit dieser großen Koalition in Bremerhaven – Sie können ja gleich nach vorn kommen! – die arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen zu verbessern, um damit die sehr

hohe Arbeitslosigkeit von 27 Prozent zu senken. Das wäre wichtiger als solche Show-Reden! – Ich danke Ihnen!

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/499 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. W e d l e r [FDP])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Mädchen und Frauen vor Zwangsverheiratung schützen

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 20. Januar 2005 (Drucksache 16/513)

D a z u

Änderungsantrag des Abgeordneten Wedler (FDP) vom 22. Februar 2005

(Drucksache 16/543)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Garling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Frühling wird am liebsten geheiratet. Schon jetzt haben Hochzeitsmessen wieder Hochkonjunktur, und bald können wir sie wieder hören und sehen, wie sie in ihren Hochzeitskutschen und liebevoll geschmückten Brautwagen unterwegs sind. Wir kennen diese Paare nicht, wissen aber, dass sich die meisten von ihnen schon lange in einer Lebensgemeinschaft befinden und meistens auch einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Entscheidung zu heiraten kann verschiedene Gründe haben, wird aber bewusst getroffen und ist vor allem freiwillig. Dies, meine Damen und Herren, ist unsere Normalität. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Mitten unter uns gibt es jedoch auch noch eine andere Realität. Junge Frauen und Mädchen werden unter Zwang verheiratet. Die betroffenen Frauen werden zur Ehe gezwungen und finden mit ihrer Weigerung kein Gehör oder wagen es nicht, sich zu widersetzen, weil Eltern, Familie, Verlobter und Schwiegereltern mit unterschiedlichen Mitteln Druck ausüben. Dazu gehören physische und sexuelle Gewalt, Nötigung durch Drohungen, Einsperren, Entführungen, psychischer und sozialer Druck sowie emotionale Erpressung, Einschränkungen in Bezug auf Lebensstil und Bewegungsspielraum, in drastischen Fällen bis hin zu Ehrenmorden. Die Ehre der Familie ist an die Tugendhaftigkeit der Tochter geknüpft, und über deren Lebensstil wachen der Vater, die Brüder oder der Onkel, eine Tradition des Misstrauens. In der letzten Woche wurde in Berlin eine dreiundzwanzigjährige junge Frau von ihren Brüdern getötet. Wenn ich richtig informiert bin, ist das allein in Berlin der dritte Ehrenmord in diesem Jahr.

Die unter Zwang verheirateten Mädchen oder jungen Frauen stammen vor allem aus einem türkischen oder kurdischen Umfeld. Betroffen sind aber auch Albanerinnen, Pakistanerinnen, Inderinnen, Marokkanerinnen. Dieses Phänomen ist nicht auf den islamischen Kulturkreis beschränkt, es sind auch Fälle aus Süditalien oder Griechenland bekannt. Zwangsheirat kommt in unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen vor, in Deutschland betrifft es deshalb so viele türkische Mädchen und Frauen, weil türkische Staatsangehörige die größte Gruppe unter den Migranten stellen.

Es gibt drei unterschiedliche Formen der Zwangsheirat. In Deutschland lebende Migranten holen sich Mädchen und junge Frauen aus dem Heimatland, so genannte Importbräute, um sie hier zu heiraten. Es ist stets das Ergebnis von Vereinbarungen unter den Familien, die sich schon lange kennen, weil sie zum selben Verwandtschaftskreis gehören oder aus demselben Dorf stammen. Diese Frauen sind besonders schutzlos, weil sie weder die deutsche Kultur noch Sprache kennen.

Die zweite Form der Zwangsheirat ist die der Ferienverheiratung. Ausländische Mädchen werden in ihrer Heimat, wo sie die Ferien verbringen, verlobt und dann verheiratet, ohne vorher darüber informiert zu sein. Das eigentliche Ziel der Ferien wurde durch die Familie nicht bekannt gemacht. Die Mädchen bleiben dann gegen ihren Willen im Ausland, eine so genannte Heiratsverschleppung.

Die dritte Form der Zwangsheirat ist die der Verheiratung für ein Einwanderungsticket. Das bedeutet, dass eine Frau mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland häufig während eines Urlaubs in ihrem Heimatland von ihrer eigenen Familie einem noch im Ausland lebenden Landsmann versprochen wurde. Ein legales Mittel zur Einwanderung im Rahmen des Ehegattennachzugs, natürlich ohne die Frau davon vorher in Kenntnis zu setzen! Die Zwangs

verheiratung ist oft auch der Versuch, die eigenen Töchter zu disziplinieren, die in der westlichen Gesellschaft aufwachsen und sich nicht mehr in alte Traditionen fügen wollen.

Über das Ausmaß von Zwangsverheiratung hat man deutschlandweit kaum gesicherte Daten. Eine Erhebung des Berliner Senats hat im Jahr 2002 230 Fälle von Zwangsverheiratung aktenkundig gemacht. Nach Angaben der Berliner Kriseneinrichtung Papatya sind unter den dortigen Opfern der Zwangsheirat zu 68 Prozent noch minderjährige Mädchen. 30 Prozent der betroffenen jungen Frauen äußerten Suizidabsichten, 80 Prozent der Betroffenen, die bei der Einrichtung Hilfe suchen, seien vorher misshandelt oder missbraucht worden. Das Wohnprojekt Rosa in Stuttgart berichtet, dass monatlich durchschnittlich zehn Mädchen beziehungsweise Frauen wegen Zwangsverheiratung um Schutz nachsuchen. Experten sind sich darüber einig, dass die Dunkelziffer sehr viel höher liegt und dass die Fälle von Zwangsheirat zunehmen. Eine Studie der UNICEF hat ergeben, dass weltweit jedes Jahr Millionen von Mädchen bereits vor oder kurz nach der Pubertät verheiratet werden. Die UNO bezeichnete im Juni 2001 die Zwangsheirat als eine moderne Form der Sklaverei.

Meine Damen und Herren, die Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung und verstößt gegen das Grundgesetz.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Recht, einen Partner zu wählen, um eine Heirat freiwillig einzugehen, ist von zentraler Bedeutung für das Leben einer Frau, für ihre Würde und Gleichberechtigung als menschliches Wesen.