Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Das Recht, einen Partner zu wählen, um eine Heirat freiwillig einzugehen, ist von zentraler Bedeutung für das Leben einer Frau, für ihre Würde und Gleichberechtigung als menschliches Wesen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundestag hat den Paragraphen 240 Strafgesetzbuch inzwischen so ausgeweitet, dass die Nötigung zur Eingehung einer Ehe inzwischen einen Straftatbestand darstellt, der mit bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. Dies ist ein Anfang, der aber allein nicht ausreicht. Die Verantwortlichen müssen damit rechnen, empfindlich bestraft zu werden. Damit könnte man die Macht der Männer respektive der Schwiegermütter einschränken.

Viele wehren oder entziehen sich einer Zwangsehe nicht oder erst nach Jahren, weil sie Angst vor Racheakten oder physischer oder psychischer Gewalt in den Familien haben. Aber auch ein unsicherer Aufenthaltsstatus, fehlende Sprachkenntnisse, Unkenntnis des geltenden Rechts oder fehlendes eigenes Einkommen tragen häufig dazu bei, dass Betroffene nicht in die Öffentlichkeit treten und Schutz oder Hilfe einfordern. Als Erstes muss Öffentlichkeit hergestellt wer

den, die deutlich sagt, dass unsere Gesellschaft Zwangsehen nicht akzeptiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es muss Aufklärung geben. Auch in den Schulen sollten die jungen Mädchen lernen, dass die Zwangsehe in unserer Gesellschaft verboten ist. Für viele Mädchen ist die Schule der einzige Raum in ihrem Leben, in dem sie sich einigermaßen frei bewegen können. Man muss den Eltern klarmachen, dass es nicht rechtens ist, was sie da tun. Für die Mädchen und Frauen ist es wichtig zu wissen, dass sie im Recht sind.

(Beifall bei der SPD)

Hilfsangebote für betroffene Frauen durch Beratungsstellen und Betreuungsprojekte besonders für minderjährige Mädchen zum Schutz und zur Entwicklung einer eigenen Perspektive müssen vorhanden sein. Die betroffenen Frauen dürfen nicht ausgewiesen werden, sondern müssen ein Bleiberecht erhalten. Wenn sie in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, haben sie noch größere Repressalien zu erleiden als die, die sie in der Ehe erwarten.

(Beifall bei der SPD)

Da gibt es ja aktuell den Fall der Iranerin aus Niedersachsen, die jetzt letztendlich ein dauerhaftes Bleiberecht hat, weil es einen couragierten Piloten am Frankfurter Flughafen gegeben hat, der sie eben nicht ausgeflogen und somit entsprechend Öffentlichkeit hergestellt hat.

Der eigentliche Schlüssel zur Verhinderung von Zwangsehen ist die Integration von Migrantinnen. Je selbständiger eine junge Frau ist, desto eher schafft sie es, sich gegen die patriarchalischen Strukturen im Elternhaus zu wehren. Je besser die Integration von zugewanderten Familien gelingt, desto selbstbewusster und sicherer werden die Mädchen und jungen Frauen mit einer drohenden oder vollzogenen Zwangsverheiratung umgehen können. Es geht hierbei um die bestmögliche Vermittlung der deutschen Sprache, Kenntnisse der eigenen Rechte und auch um die Kenntnis der Schutz und Hilfe bietenden Einrichtungen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es sollte ein Mindestalter bei Familienzusammenführung aufgrund von Eheschließungen geben. In den Niederlanden müssen beide Partner mindestens das einundzwanzigste und in Dänemark das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben. Derzeit sind die meisten Frauen, die aufgrund von Familienzusam

menführung nach Deutschland kommen, unter 21 Jahren. Es ist sinnvoller, diesen arrangierten Ehen von vornherein die Grundlage zu entziehen, als sie hinterher strafrechtlich zu verfolgen. Im Jahr 2001 gab es laut der vom Auswärtigen Amt geführten Statistik einen Zuzug von 21 447 Personen aus der Türkei aufgrund von Familienzusammenführungen. Aufenthaltsgenehmigungen, die erteilt wurden, weil eine Person eine in Deutschland lebende Person bei einem Inlandsaufenthalt geheiratet hat, sind dabei nicht erfasst. Auch nicht erfasst wurden die Fälle, in denen junge Frauen oder Männer in den Ferien in die Türkei gebracht und dort verheiratet wurden, um sie dann dort zurückzulassen.

Zur Integration gehört die Anerkennung der demokratischen Gesetze und die Kenntnis der Sprache. Viele türkische Kinder der vierten oder fünften Migrantengeneration sprechen kein Deutsch, wenn sie in die Schule kommen. Wer dauerhaft in Deutschland leben will, darf nicht länger durch Importbräute, Zwangsheirat und arrangierte Ehen den unseligen Kreislauf der immerwährenden Erneuerung der eigenen kulturellen Herkunft betreiben. Menschenrechte, Grundrechte, sind nicht teilbar, nicht kulturell relativierbar. Sie sind die Fundamente einer aufgeklärten Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der von einer Initiative der SPD-Fraktion eingebrachte Antrag soll dazu dienen zu ermitteln, welche Maßnahmen zur Aufklärung und Beratung und welche Hilfsangebote zum Schutz der Mädchen und Frauen schon vorhanden sind und wie wir sie verbessern und erweitern können. Eine demokratische Gesellschaft wie die unsere beruht auf der Freiheit des Einzelnen. Das bedeutet, dass alle jungen Menschen gleich welcher ethnischen Herkunft das Recht haben sollen, einen Partner ihrer Wahl auszuwählen. Aus dem Koran lässt sich nicht ableiten, dass eine Ehe unter Zwang eingegangen werden darf. Hierbei wird eine Religion benutzt, um Macht auszuüben.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle sind wir gefordert, ins Gespräch zu kommen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir sind gefordert, endlich hinzusehen und dafür zu sorgen, dass diese Frauen Schutz und Hilfe bekommen und ihre Grundrechte wahrnehmen können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hannken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Garling ist schon sehr ausführlich auf die Problematik der Zwangsverheiratung in Deutschland und auch in Bremen eingegangen. Ich kann mich fast allen ihren Ausführungen anschließen. Ich möchte ganz gern einmal, weil wir bisher sehr abstrakt darüber diskutiert oder gesprochen haben, aus einem Artikel aus der „Welt“ zitieren, der den ebenfalls von Ihnen angesprochenen Fall der Türkin Hatun Sürücü betrifft, die in Berlin ermordet wurde. Ich finde, dass der Artikel, der in der „Welt“ am 21. Februar 2005 erschien, das sehr gut wiedergibt, in welcher Problematik man gewesen ist und was diese Frau erlitten hat. Wenn ich darf, würde ich ganz gern zitieren. Dort heißt es:

„Reden, sagen alle, jetzt müsse man reden, über den Mord, dem am 13. Februar die dreiundzwanzigjährige Türkin Hatun Sürücü zum Opfer fiel, wohl deswegen, weil sie freier lebte, als ihre Familie das wollte, und über die Tatsache, dass muslimische Schüler diesen gutgeheißen hatten, das Opfer habe sich wie eine Deutsche benommen. Mit 15 Jahren hat ihre Familie Hatun Sürücü mit einem Cousin in der Türkei verheiratet. Doch sie überwarf sich mit der Familie, verließ den Mann und kehrte mit ihrem Kind zurück in das Land, das sie wohl als ihre Heimat betrachtete, nach Deutschland. Über Hatun Sürücü, Mutter eines fünfjährigen Sohnes, wird berichtet, sie habe ihr Kopftuch abgelegt, eine Ausbildung als Elektroinstallateurin begonnen, Freundschaften gepflegt, auch mit Männern. Sie ging gern aus, allein. Das reichte offenbar für ein Todesurteil. Es wurde vollstreckt an einer einsamen Bushaltestelle in einem Industrieviertel in Berlin-Neukölln abends um kurz vor neun. Hatun Sürücü war die siebte Frau, die im Namen der Ehre in der Hauptstadt binnen fünf Monaten sterben musste.“

Ich denke, wenn man sich diesen Artikel durchliest, weiß man, in welcher Situation diese Frauen hier in Deutschland leben. Man weiß, was sie erleiden, man weiß, was sie durchmachen, und ich finde, es ist unsere Aufgabe hier im Parlament, aber überall, wo wir tätig sind, nicht nur im Parlament, sondern insbesondere in allen gesellschaftlichen Bereichen, in denen wir tätig sind, wirklich dafür zu kämpfen, dass diese Frauen in unserer Mitte genauso leben können, wie wir hier leben, dass sie alle Rechte haben, die ihnen zustehen, und diese Rechte auch frei ausüben können.

(Beifall)

„Es darf in Deutschland keine Parallelgesellschaften geben. Menschenrechte sind keine kulturelle Eigenheit, sie gehören allen, auch jungen muslimischen Frauen.“ Dies hat die Frauenrechtlerin Seirin Attis in einem „Spiegel“-Bericht gesagt, der am 23. Februar 2005 erschien, und sie hat Recht: Zwangsver––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

heiratung verstößt gegen das Menschenrechtsabkommen der UN. Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung und muss als solche auch öffentlich geächtet werden. Es gibt keine Rechtfertigung für eine Zwangsverheiratung, weder aus religiösen Gründen noch aus einem patriarchalischen traditionellen Menschenbild, das vielleicht einige noch haben.

Wir im Parlament müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass Zwangsverheiratung, aber auch die so genannten Ehrenmorde bekämpft werden. Dazu stehen uns verschiedene Mittel zur Verfügung. Angesprochen worden sind die strafrechtlichen Sanktionen. Bisher ist es zwar schon so, dass Zwangsverheiratung als strafrechtliches Unrecht angesehen wird und es dort auch Straftatbestände gibt, aber es ist jetzt noch einmal ausdrücklicher in den Paragraphen 240 aufgenommen worden, und ich finde es auch richtig so.

Ich finde es auch richtig, dass wir deutlich machen, dass es ein strafwürdiges Unrecht ist und dass wir dies auch tief im öffentlichen Bewusstsein verankern, insbesondere auch in dem Bewusstsein derjenigen, die davon betroffen sind, denn diese trauen sich oftmals nicht und können von ihrem Kulturkreis vielleicht auch nicht beurteilen, welches Unrecht ihnen zugestoßen ist. Sie nehmen es – vielleicht auch, weil sie minderjährig sind – erst einmal hin, dass sie zwangsverheiratet werden, und können sich erst später dagegen wehren. Ich finde, dass man dort jede Beratung, jede Hilfe anbieten muss, die man diesen Frauen bieten kann.

Dazu gehört auch, dass es strafrechtliche Sanktionen gibt. Diese werden nunmehr im StGB geregelt, indem dort die Zwangsverheiratung mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird, wenn man einen anderen zur Eheschließung nötigt.

Das Strafrecht ist aber nur ein Teil, wie man handeln kann und wie man handeln muss. Strafrecht kann erst dann eingreifen, wenn die Frau den Mut hat, zur Polizei zu gehen, sich an Gerichte zu wenden und die Tat aufzudecken. Vorher gilt es aber erst einmal, diesen Frauen den Mut zu geben, indem man ihnen auch Beratung und Hilfe anbietet und ihnen sagt, welche Rechte sie haben und an wen sie sich wenden können.

All das ist nötig. Wir haben in dem Antrag, den wir als große Koalition hier eingebracht haben, den Senat aufgefordert, darüber einen Bericht zu erstatten, was in Bremen in diesem Bereich gemacht wird, welche Informations- und Beratungsangebote und welche Hilfen es gibt. Ich denke, dass es in Bremen da sicherlich noch Verbesserungsbedarf gibt, und darüber wollen wir dann anschließend diskutieren.

Ich möchte auch in diesem Zusammenhang kurz ein Wort zu dem Antrag von Herrn Wedler sagen, den Sie hier als Dringlichkeitsantrag eingereicht haben. Ich finde es richtig, dass man nicht nur die strafrechtlichen, sondern auch die zivilrechtlichen Maßnahmen

sieht. Das ist von Frau Garling ja auch schon angesprochen worden. Man muss sich auch darüber unterhalten, was man macht. Wie kann man die Ehe anfechten? Ist das innerhalb dieses einen Jahres möglich, oder müssen die Fristen dort verlängert werden? Es gibt dann auch Bereiche wie das Erbrecht, das von Ihnen auch mit angesprochen worden ist, bei denen sich die Frage stellt, wie dort die Regelungen aussehen. Das sind alles Punkte, die diskutiert werden müssen, und sie werden auch weiter diskutiert.

Wir machen Ihren Antrag heute nicht mit, was nicht heißt, dass wir das in der Sache gänzlich ablehnen, was Sie vorgetragen haben, auch das will ich ganz deutlich sagen. Ich glaube aber, dass wir schon einen Schritt weiter sind als das, was Sie heute mit dem Antrag eingebracht haben, weil es die strafrechtliche Sanktion schon gibt, und die ist schon einstimmig mit der Ergänzung des Paragraphen 240 angenommen worden, so dass wir dort nicht mehr die Regelung von Baden-Württemberg brauchen, die auch vorher eingereicht und diskutiert worden ist, und man sich nunmehr einstimmig auf diese Regelung einigt.

Zum Zweiten sind diese Maßnahmen im zivilrechtlichen Rahmen noch weiter in der Diskussion, dort gibt es noch keine abschließende Meinung, und ich möchte auch gern den Senat bitten, diesen Punkt auch aufzunehmen und in seinem Bericht mit zu erörtern, welche Möglichkeiten er sieht, im zivilrechtlichen Bereich auch dafür Sorge zu tragen, dass die Frauen die Unterstützung bekommen, wenn sie eine Zwangsverheiratung erlitten haben und in so einer Situation leben. Insofern würden wir gern Ihr Anliegen mit aufnehmen, dass der Senat diesen Punkt mit prüft, und ich denke, dass wir uns dann in der Sache und bei diesem Thema eigentlich alle einig sind.

Ich möchte abschließend noch einmal sagen, Frau Garling ist darauf schon eingegangen, Zwangsverheiratung ist insbesondere ein Problem fehlender Integration in Deutschland. Das ist aber nicht die Integration der jungen Frauen, oftmals muslimische Frauen, nicht diese sind meistens nicht integriert, sondern es ist insbesondere ein Problem der Männer, und es ist insbesondere auch ein Problem der muslimischen Männer in diesem Bereich. Auch das sollte man, finde ich, in einer solchen Debatte ganz offen sagen. Es ist auch nicht ein Problem, das sich aus dem Koran oder einem religiösen Verständnis ableiten lässt, sondern es ist aus einem falschen Verständnis des Korans abgeleitet, und es ist aus einem falschen Verständnis von Ehre abgeleitet, und es ist von einem falschen Verständnis, wie man mit Frauen in dieser Gesellschaft umgeht, abgeleitet. Ich finde, das muss man denjenigen auch ganz offen sagen, und man muss denjenigen auch ganz offen sagen, dass wir dies in Deutschland nicht dulden, nicht akzeptieren und auch niemals akzeptieren werden. – Danke!

(Beifall)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die FDP möchte ich sagen, dass wir die Zwangsverheiratung junger Mädchen und Frauen auf das Schärfste verurteilen. Ich glaube, insofern bin ich einig mit allen meinen Vorrednern und mit allen Fraktionen in diesem Haus. Weder aus patriarchalisch-traditionellen noch aus religiösen Gründen ist es akzeptabel, dass Zwangsverheiratungen in Deutschland oder anderswo auf der Welt stattfinden. Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung, die nirgendwo hingenommen werden darf. Sie muss als solche deutlich öffentlich geächtet werden.

Bislang ist dieses Thema bei uns leider eher verharmlost oder verschwiegen worden, von Einzelfällen, die jetzt einmal öffentlich geworden sind, einmal abgesehen. Das Thema Zwangsheirat muss in die Öffentlichkeit getragen und diskutiert werden. Insofern begrüße ich ganz ausdrücklich die Gelegenheit, hier und heute in diesem Plenum dieses Thema zu debattieren.

Es muss klargestellt werden, dass die Zwangsheirat in unserem Rechtssystem mit unserem Menschenbild unvereinbar, auch nicht durch religiöse oder traditionelle Gründe zu rechtfertigen ist. Zwangsheirat lässt sich nach meiner Kenntnis nicht unmittelbar aus religiösen Geboten oder Vorschriften ableiten. Zwangsheirat ist das Ergebnis überkommener Traditionen und Bräuche und eines übersteigerten Ehrbegriffs. Es sind sowohl Fälle aus islamischen Familien in der Türkei bekannt als auch Fälle aus buddhistisch-hinduistischen sowie aus europäisch-christlichen Ländern. Insbesondere im Koran finden sich nach meiner Kenntnis keine Quellen, die eine Zwangsheirat rechtfertigen.

Obwohl bekannt ist, dass diese Menschenrechtsverletzung an Frauen und Mädchen, im Übrigen auch an jungen Männern, in Deutschland nahezu täglich vorkommt, gibt es bislang kaum gesicherte Daten und nur wenige Informationen. Zu Umfang und Ausmaß können deshalb nur sehr ungenaue Angaben gemacht werden. Unstrittig ist jedoch, dass es sich um einen Bereich mit einer hohen Dunkelziffer handelt, denn viele der betroffenen Mädchen und Frauen wehren oder entziehen sich einer Zwangsehe nicht oder erst nach Jahren, weil sie Angst vor Racheakten, physischer und psychischer Gewalt in den Familien haben, aber auch aus einem unsicheren Aufenthaltsstatus, fehlenden Sprachkenntnissen, der Unkenntnis des geltenden Rechts bei uns oder fehlenden eigenen Einkommens. Das sind Gründe, die junge Mädchen oft daran hindern, hier in die Öffentlichkeit zu gehen.

Meine Damen und Herren, nicht erst seit den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen in den Niederlanden beschäftigen sich die Liberalen mit der Frage einer besseren Integrations

politik. Das treibt uns schon seit Jahren um. Es gibt Grenzen für uns, Grenzen der Toleranz, auch und gerade für eine freiheitliche Gesellschaft wie die unsere. Wenn wir unsere eigenen Werte, die unveräußerlichen Grundrechte unseres Grundgesetzes, aufgeben und nicht mehr bereit sind, sie unmissverständlich zu verteidigen, geben wir auch unsere eigene Freiheit auf. Es muss in der Öffentlichkeit und in unserem Rechtssystem klargestellt werden, dass die Zwangsheirat unter Androhung von Strafe verboten ist. Die Praxis zeigt jedoch, dass die bisherigen rechtlichen Instrumente nicht ausreichen, um die Zwangsheirat wirksam zu bekämpfen und den Opfern von Zwangsheirat angemessenen Schutz zu gewähren.

Der vorliegende Antrag von SPD und CDU fordert den Senat lediglich zur Prüfung auf, ob eine Änderung des Straftatbestandes der Nötigung eine Verbesserung des Schutzes vor Zwangsheirat schaffen könnte. Mir ist das entschieden zu wenig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg auf Initiative der dortigen FDP schon viel weiter ist, jedenfalls nach meiner Einschätzung. Das vom baden-württembergischen Justizministerium in den Bundesrat eingebrachte Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz sieht die Einführung eines eigenständigen Straftatbestandes Zwangsheirat im Strafgesetzbuch vor, um den Unrechtscharakter von Zwangsverheiratungen klar und eindeutig herauszustellen und wirklich ahnden zu können.

Ich übersehe nicht, Frau Hannken, ob diese Initiative, so wie Sie das geschildert haben, durch die Änderung des Nötigungsparagraphen jetzt gegenstandslos geworden ist. Ich empfinde das so nicht. Ich glaube, der eigene Straftatbestand würde diesen Charakter, dass es unserem Rechtssystem widerspricht, viel deutlicher machen als diese Ergänzung. Jedenfalls ist das meine etwas laienhafte Meinung dazu.

Künftig soll, jedenfalls nach der Vorstellung dieser Strafgesetzänderung, mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer einen anderen mit Gewalt oder durch Drohungen zur Ehe nötigt. Mit der Schaffung eines über die Nötigung hinausgehenden Straftatbestandes wird auch das Ziel verfolgt, ein deutliches Signal in der Öffentlichkeit zu setzen: Die Zwangsheirat wird bei uns entschieden missbilligt! Daher habe ich den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag gestellt mit dem Ziel, den Senat aufzufordern, sich dieser bereits vorliegenden Gesetzesinitiative anzuschließen. Eine Änderung des Straftatbestandes der Nötigung allein schafft meines Erachtens nicht die notwendige Rechtssicherheit und verfehlt auch die bei dieser massiven Menschenrechtsverletzung erforderliche öffentliche Signalwirkung. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Ich weiß jetzt nicht, ob diese neue Strafnorm nach der Änderung des Nötigungsparagraphen noch so stehen bleiben kann.

Der baden-württembergische Gesetzentwurf berücksichtigt auch die zivilrechtlich gebotenen Maßnahmen, denn auch im Zivilrecht müssen die Rechte der Opfer von Zwangsheirat künftig gestärkt werden. Zwar sind die Fälle der Zwangsheirat vom geltenden Eheaufhebungsrecht grundsätzlich erfasst, bei einzelnen Normen besteht aber dennoch Änderungsbedarf, um der spezifischen Fallkonstellation der Zwangsheirat wirksamer begegnen zu können.

So sieht die Bundesratsinitiative den Wegfall der einjährigen Antragsfrist für die Aufhebung einer durch Drohungen geschlossenen Ehe vor. Nach bisheriger Rechtslage hat ein Opfer von Zwangsheirat nur ein Jahr Zeit, die Aufhebung der Ehe zu beantragen. Die Frist beginnt grundsätzlich nach Ende der Zwangslage, also zum Beispiel, wenn die Frau vom Zwangspartner weg an einen sicheren Ort fliehen konnte. Stellt sie dann nicht innerhalb eines Jahres den Antrag, ist eine Aufhebung der trotz Trennung nach wie vor bestehenden Ehe nicht mehr möglich. Das muss sich nach unserem Eindruck ändern. Die Möglichkeit, die Aufhebung einer unter Zwang geschlossenen Ehe zu beantragen, soll immer bestehen und darf nicht allein wegen des Ablaufs einer formalen Frist ausgeschlossen werden.