Protokoll der Sitzung vom 13.10.2005

Erstens muss für Solar- und Windenergie immer ein Grundstrombedarf vorgehalten werden, da Wind und Sonne nicht immer wehen oder scheinen. Ohne Strom geht es nicht. Wir alle brauchen Strom und die Gewerbebetriebe auch. Insofern müssen wir das immer vorhalten.

Zweitens: Mit längeren Laufzeiten werden die Atomkraftwerke wirtschaftlicher, und dementsprechend muss sich der Strompreis dann auch nach unten entwickeln.

Drittens: Wir wollen die selbstgesteckten Ziele des Kioto-Abkommens erreichen und den CO2-Ausstoß reduzieren. Wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden und dafür die Schmutzschleudern Kohlekraftwerke wieder angeworfen werden, dann ist dieses Konzept nicht schlüssig. Dann hat die Politik keine Konzepte mehr, und dann laufen wir in eine Falle.

Viertens: Was macht man, wenn bis dahin die Alternativen nicht ausreichen? Dann soll wahrscheinlich Strom im Ausland zugekauft werden. Anders geht

es dann ja nicht. Wo will man ihn denn zukaufen? Vielleicht im Ostblock, wo er billig hergestellt wird? Spätestens seit Tschernobyl weiß man, dass kein anderes Land an unsere Sicherheitsstandards heranreicht.

(Beifall bei der CDU)

Mir ist ein Atomkraftwerk mit hohen Sicherheitsstandards in Deutschland lieber als ein Atomkraftwerk 500 Kilometer hinter der Grenze mit geringen Sicherheitsstandards.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen, auch ich bin für einen Atomausstieg, doch wir müssen Alternativen haben. Dann können wir abschalten. Alles andere ist unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen bei der SPD und bei den Grünen, wenn Sie nur ein paar Sekunden in sich einkehren und im Ernst darüber nachdenken, dann geben Sie mir Recht. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Frank Imhoff, wir können gern gemeinsam irgendwo einkehren gehen, dagegen hätte ich nichts. Allerdings würde ich Ihnen ansonsten empfehlen, diskutieren Sie noch einmal kräftig in der CDU, dann könnten Sie in dem Bereich noch kompetenter werden! In dem Zusammenhang würde ich der Stimme des Umweltsenators an Ihrer Stelle stärker lauschen. Er ist, glaube ich, in manchen Bereichen deutlich besser.

Ich muss sagen, ich habe mich über die Antwort des Senats auf die Anfrage sehr gefreut, weil sie deutlich macht, und ich glaube, das ist das Zentrale, auch wenn Sie in Ihrem Beitrag deutlich gemacht haben, Herr Imhoff, dass Sie das überhaupt nicht begriffen haben, dass dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz erstens eine sehr gute Sache war, zweitens die Grundvoraussetzung war, damit sich Windkraft hier so etablieren konnte, und drittens auch die Beibehaltung dieses Erneuerbare-Energien-Gesetzes, und zwar im Wesentlichen in dieser Form, wie es besteht, die Voraussetzung ist, dass sich diese Industrie hier weiterentwickeln kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gerade weil die Zukunft im Offshore-Markt liegt, sind hier große Chancen für eine Hafenstadt wie Bremerhaven und auch eine Hafenstadt wie Bremen, aber dazu bedarf es einer entsprechenden Förderung. Ich habe nicht erwartet, das muss ich gestehen, dass wir hier große Einigkeit haben. Nicht umsonst ist die Anfrage in dem Zeitraum gestellt worden. Sie hat aber insofern noch eine große Aktualität, weil es wahrscheinlich eine große Koalition auf Bundesebene geben wird. Ob das aber ein Erfolg wird, liegt immer noch daran, welche Fachpolitiken da am Ende vereinbart werden, und da hoffe ich, dass Sie auch im Interesse Bremens darauf hinwirken, dass sich in der Energiepolitik die SPD voll durchsetzt, weil wir ansonsten in Bremen erhebliche Probleme mit der weiteren Zukunft der Windenergie haben.

Diese Differenzen werden nicht nur in der CDUAnfrage, die Sie parallel gestellt haben, und die wir aus inhaltlichen Gründen bewusst nicht mitgemacht haben, sondern auch aus Ihrem Beitrag jetzt deutlich. Wer Energiepolitik so angeht und schaut, es muss möglichst billig sein, damit wir möglichst viel davon verschleudern können, ohne dass es uns großartig schadet, der hat überhaupt nicht begriffen, worauf es ankommt und weswegen wir darauf drängen, auf regenerative Energien zu wechseln.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Hat Herr Imhoff nicht gesagt!)

Herr Imhoff hat ganz deutlich gesagt, aus angeblich konjunkturpolitischen Gründen wäre es wichtig, dass der Energiepreis entsprechend unten bleibt. Das war ein ganz zentrales Argument in seiner Rede.

Das ist auch der Punkt, auf den die einzelnen Fragen Ihrer Anfrage abzielen. Das ist meines Erachtens eine Position, die überhaupt nicht begriffen hat, dass es um ein Umsteuern geht. Die Frage, ob man für oder gegen die Ökosteuer ist, kann man diskutieren. Dagegen bin ich überhaupt nicht, aber die Alternative zur Ökosteuer ist, über andere Steuereinnahmen und staatliche Ausgaben entsprechende Umsteuerungsleistungen zu fordern. Da haben wir aus ordnungspolitischen Gründen gesagt, dass die Ökosteuer gerade ein marktwirtschaftlich konformes Instrument ist, das bestimmte Anreizfunktionen ausübt, damit gerade möglichst viele einzelne Akteure auch umsteuern. Natürlich erhöht sich durch die Ökosteuer der Preis, das ist eine völlig richtige Sache. Das ist auch gewollt, denn nur dann wird begriffen, dass dies ein knappes Gut ist, das wir nicht verschleudern dürfen.

(Zuruf des Abg. Imhoff [CDU])

Lassen Sie mich einmal kurz ausreden, vielleicht hören Sie zu, dann können Sie unter Umständen etwas lernen! Dass dies letztendlich eine richtig sinnvolle Sache ist, kann man daran ermessen, welche

Schäden durch diesen Klimawandel angerichtet werden. Es gibt jetzt eine jüngste Studie des DIW, die darauf hinausgeht, dass nach einer vorsichtigen Schätzung 800 Milliarden Euro Schaden durch solche Ereignisse entstehen. Da ist es keineswegs zu viel verlangt, am Anfang die Energie etwas teurer zu machen, damit die Leute frühzeitig umsteuern, um dies zu ändern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der zweite Grund, weswegen an regenerativen Energien kein Weg vorbeiführt – wir sehen jetzt die Dramatik der Entwicklung –, ist die Endlichkeit der Rohstoffe, auch der fossilen Primärenergieträger und des Urans. Dem gegenüber steht ein enormer Anstieg des Weltenergiebedarfs. Diesen werden wir auch nicht abbremsen. Das wird unter marktwirtschaftlichen Gesetzen zur Folge haben, dass es zu entsprechenden Preissteigerungen kommt, und deswegen bin ich mir sicher, die Wirtschaftlichkeit regenerativer Energien wird sehr schnell letztendlich ohne Förderung sein.

Wir konnten sehen, wie schnell durch einen großen Sturm die Energiepreise in die Höhe schnellen können. Das ist der Anfang einer Entwicklung, und Energiepolitik, das muss man auch im Kopf haben, macht man nicht jährlich und kurzfristig, sondern das ist eine Politik, die über Zeiträume von 30, 40 Jahren konzipiert werden muss, denn so lange braucht es allein, um Kraftwerke zu erneuern.

Ich will jetzt noch kurz auf die Frage der Atomenergie eingehen! Wer da argumentiert, die CO2-Vermindung bedarf einer Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, der hat nicht begriffen, was Atomkraft ist. Erstens ist es eine Technologie, die extrem wenig nachhaltig ist. Sie belastet zig Generationen nach uns. Die Halbwertzeit des Atommülls ist so groß, dass wir einigen Generationen aufbürden, dass sie dafür bezahlen, dass wir jetzt Atomstrom haben. Sie dürfen in 1000 Jahren noch Atommülllager sichern, denn auch dann sind sie noch so schädlich, dass sie jederzeit hochgehen können. Das ist Punkt eins, eine sichere Entsorgung gibt es nicht!

Der zweite Punkt: Die CDU hat auf Bundesebene so schlau gesagt, die Extragewinne, die die Konzerne dann durch die Verlängerung der Laufzeiten von abgeschriebenen Kraftwerken erzielen werden, kassieren wir ab. Erstens bin ich gespannt, mit welchem ordnungspolitischen Kniff man ein Gesetz machen will, das Teile eines Gewinns von einem Unternehmen einer bestimmten politischen Maßnahme zurechnet und das zweitens noch rechtfertigt, diese Gewinne einzuziehen. Wie man das ordnungspolitisch sauber hinbekommen will, wenn man Marktwirtschaft, was Sie sonst immer vertreten, auch nur halbwegs ernst meint, da bin ich einmal gespannt.

Allerdings muss man auch sagen, die Atomlobby und die entsprechenden Energiekonzerne haben sogar noch vor der Wahl deutlich gemacht, mit uns geht das sowieso nicht. Wir entscheiden allein, wohin unsere Gewinne gehen. Da bin ich auch gespannt bei der relativ wirtschaftsnahen Partei CDU, mit welchen Kniffen sie die Atomlobby zum Einknicken bringt, damit die Profite freiwillig nach außen gegeben werden.

Der dritte Punkt im Bereich Atomenergie: Man muss wissen, dass Uran sehr knapp ist. Nicht umsonst hat Atomenergie weltweit einen ganz geringen Anteil an der Energieversorgung. Das wird sich auch nicht großartig ändern, weil es nicht die Uranvorkommen gibt, um dies wirklich drastisch zu steigern. Man würde ein Problem hinausschieben.

Jetzt kommt die vierte Sache, auf die ich eingehen will! Da sagen Sie, das würde doch wenigstens die CO2-Ausstöße jetzt verringern. Genau das ist falsch, weil wir dadurch Energieerzeugungsstrukturen zementieren, die diametral den Anforderungen von regenerativen Energien entgegengesetzt sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Atomkraft ist eine höchst zentralisierte Energieerzeugung, und regenerative Energien sind dezentral. Die Verlängerung der Atomkraftnutzung würde eher dazu führen, dass auf den Ausbau aller anderen Energien verzichtet wird und die Großkraftwerke weiterlaufen würden. Das wäre genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Dann würden wir nämlich spätestens im Jahr 2030 wie der Ochs vor dem Berg stehen und es in dieser Geschwindigkeit nicht schaffen können. Energiestrukturen umzubauen ist ein Prozess, das kann man auch geschichtlich sehen, von 50 Jahren, bis sich eine neue Energieform durchsetzt. Das war bei der Wasserkraft nicht anders, das war bei der Kohle nicht anders, das war beim Erdöl nicht anders. So lange braucht man, bis Energien sich durchsetzen, und wenn man dann heute Entscheidungen trifft, die es verhindern, dass regenerative Energien ausgebaut werden, ist das schädlich.

Das Letzte, das ich jetzt noch abschließend sagen will, ist: Ich hoffe, dass die Diskussionen in der CDU noch sehr intensiv sein werden und Sie hoffentlich zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Solange der Senat, wie er das in seiner Antwort gezeigt hat, durchaus eine vernünftige Energiepolitik verfolgt und sich auch auf Bundesebene dafür einsetzt, dass diese gemacht wird, ist das nämlich nicht nur energiepolitisch sinnvoll, sondern es ist auch industriepolitisch für Bremen höchst wichtig, und ich hoffe, dass diese Einsicht Platz greift. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da Herr Dr. Schuster mit der Problematik des Atomausstiegs geendet hat, möchte ich damit beginnen und stimme ihm auch voll zu, möchte das aber noch einmal um zwei Punkte ergänzen. Wissen Sie eigentlich, dass zurzeit, bis zur Mitte des Jahres, der Anteil des Stroms aus Atomenergie in Deutschland kleiner als sechs Prozent beträgt und dass erstmalig die regenerativen Energien mit 6,4 Prozent einen höheren Beitrag zum Strommarkt liefern als die Atomenergie? Das freut uns Grünen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Imhoff, alles andere, ein Rückgängigmachen des Atomausstiegs, wäre unverantwortlich, aber da, muss ich Ihnen sagen, bin ich völlig optimistisch, es kann nicht kommen. Es ist nämlich so, und das zeigt ein neueres Gutachten, dass, wenn die Laufzeiten verlängert werden sollten, die Kraftwerksbetreiber nachweisen müssten, dass die alten deutschen Reaktoren vor terroristischen Angriffen sicher sind. Diese Regelung haben die Grünen, hat die Bundesregierung nämlich noch eingebracht nach dem 11. September, und das möchte ich wissen, wie man den Nachweis erbringen kann, dass ein Reaktor gegen ein Flugzeug, das auf so einen Reaktor zuhält, gesichert werden kann! Das ist schier unmöglich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ein zweiter Punkt, der auch noch einmal dafür spricht: Es ist ja auch ein Stück weit immer die Folge, wie sich die erneuerbaren Energien entwickeln. Ich finde es schade, dass man hier seitens der CDU so eine Debatte führt, bei der es um den Bereich des Strukturwandels in Bremen geht, den Bereich, wo wirklich Arbeitsplätze entstehen, den Bereich, der erfolgreich ist, der ausbaufähig ist, der eine wesentliche Säule der wirtschaftlichen Entwicklung Bremens werden kann. Das ist mir völlig unverständlich und spricht nicht für wirtschaftspolitische Kompetenz.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, und deswegen bin ich auch Optimistin, wie sich das auf Bundesebene entwickeln wird mit der großen Koalition, die da höchstwahrscheinlich kommen wird. Aber auch mit den rechtlichen Festsetzungen, die in den letzten Jahren unter Rotgrün erfolgt sind, ist es so, dass

es für das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Rechtssicherheit gibt bei der Vergütung für die Anlagenbauer, ob das die Vergütung für Solarstrom ist, ob das die Vergütung der Windenergie ist: Es gibt eine Rechtssicherheit über 20 Jahre, und diese kann man nicht einfach wegnehmen. Insofern bin ich sehr optimistisch, dass sich das, was Rotgrün hier eingeleitet und auch eingetütet hat, auch langfristig weiterhin positiv bewähren wird.

Noch eine Anmerkung, Herr Imhoff: Es ist doch richtig, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz debattieren, das ist das, was heute zur Debatte steht. Ich finde es auch nicht sehr dienlich, wenn man in dem Zusammenhang hier behauptet, dass die Entwicklung der Strompreise im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz steht. Das ist schlichtweg falsch!

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Soll ich Ihnen einmal sagen, was das ErneuerbareEnergien-Gesetz kostet, wie hoch diese Umlage ist, die jeder Verbraucher, jede Verbraucherin zu bezahlen hat aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes? Das ist ein halber Cent pro Kilowattstunde! Das sind 2,8 Prozent des Strompreises. Dass die Strompreise sich jetzt so entwickeln, wie sie sich entwickeln, hat mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz rein gar nichts zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich abschließen, und ich hoffe eigentlich nur,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Dass Sie jetzt langsam einmal aufhören, das hoffen wir auch!)