Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Thema ja schon oft hier im Parlament diskutiert, oftmals sehr emotional, aber immer sehr schwierig. Die Thematik ist sehr schwierig. Ich bin mir sicher, dass keiner hier in diesem Hause sich leichtfertig für Affen- oder Tierversuche aussprechen wird. Dabei geht es eben nicht nur um diese Makakenversuche. Es geht dabei darum, die Leiden der Tiere gegen die Leiden der Menschen abzuwägen, und das ist ein Thema, das jeder für sich selbst entscheiden muss. Wir haben das hier oft besprochen. Was jetzt ansteht, ist, ob die Tierversuche weiter fortgesetzt werden. Wir wissen, dass das Versuchsvorhaben „Raumzeitliche Dynamik kognitiver Prozesse des Säugetiergehirns“, also eben diese Affenversuche, bis zum 30. November genehmigt ist. Wir wissen weiter, dass Professor Kreiter einen neuen Antrag gestellt hat, und wir wissen auch, dass sich die Tierversuchskommission zwischenzeitlich mit diesem Antrag beschäftigt hat. Obwohl die Tierversuchskommission aus guten Gründen nicht öffentlich tagt und ihr Votum streng vertraulich ist, und zwar unter Strafandrohung sind die Mitglieder der Kommission zur Verschwiegenheit verpflichtet, konnte man in der Zeitung lesen, dass angeblich bei der Beratung über die Affenversuche ein Patt entstanden ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

war, wo die Versuche nur mit der Stimme des Vorsitzenden genehmigt worden sind.

Es hätte nur noch gefehlt, die Namen der Beteiligten zu veröffentlichen. Früher gab es gegen Professor Kreiter Morddrohungen, und um zu verhindern, dass Leute, die in der Kommission sind, unter Druck gesetzt werden, hat man eben diese Leute zur Verschwiegenheit verpflichtet. Professor Fischer hat sich heute auch dazu geäußert und hat das kritisiert. Ich finde es auch schon erstaunlich, dass aus solch einer vertraulichen Sitzung von sechs Personen Ergebnisse nach außen dringen und dann veröffentlicht werden. Aus diesem Hause war keiner dabei, Frau Schön, Sie nicht, Herr Apel nicht, wir auch nicht! Wir kennen die Hintergründe nicht, die zu diesem Votum geführt haben, und ob das alles so stimmt, was veröffentlicht wurde, ich kann das nicht beurteilen.

Wir haben in der letzten Woche in der Gesundheitsdeputation eine Vorlage erhalten, wo noch einmal aufgezeigt worden ist, wie eigentlich ein solches Genehmigungsverfahren läuft und welche Kriterien dabei zugrunde gelegt werden. Ich will darauf schon eingehen, weil ich denke, das ist eine ganz wichtige Sache. Ich will hier auch niemanden langweilen, aber ich finde, es ist schon wichtig, dass auch die Öffentlichkeit sehen muss, wie sich die Verwaltung bemüht hat, auch hier die Aspekte des Staatsziels Tierschutz zu beachten. Aus der Vorlage des Gesundheitssenators geht jedenfalls hervor, dass die Tierversuchskommission nach zwei Beratungen die Primatenversuche genehmigt hat. Dass der Kommission sämtliche Antragsunterlagen vorgelegen haben, ist selbstverständlich.

Parallel zur Befassung der Tierversuchskommission hat die Genehmigungsbehörde die ZEBET befragt, die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch. Die Antwort ergab, dass es keine Hinweise auf alternative Verfahren im Sinne des 3-R-Prinzips gibt. Der Senator für Justiz und Verfassung wurde einbezogen, zu den Anforderungen an das Verfahren zur Genehmigung von Tierversuchen nach Einfügen des Artikels 20 a Grundgesetz eine Stellungnahme abzugeben. Es wurde weiter ein Fragenkatalog entwickelt in Bezug auf die tierethische Abwägung im Genehmigungsverfahren, und zwar im Speziellen an Primaten. Weiterhin wurden zwei Experten herangezogen bezüglich der Bewertung des Fragenkatalogs, der ethischen Bewertung, der Belastungsgrenzen zum Gleichheitsprinzip in der Mensch-Tier-Beziehung und der Bedeutung der Tierversuchskommission und zur Existenz unterschiedlicher ethischer Auffassungen bei der Abwägung von Tierversuchen.

Außerdem ist der Senator für Wissenschaft um eine Stellungnahme gebeten worden, und sämtliche Stellungnahmen und Antworten wurden uns in der Gesundheitsdeputation vorgelegt. Der Wissenschaftssenator hat in seiner Stellungnahme noch einmal begründet, dass die Hirnforschung im Rahmen der

Neuro- und Kognitionsforschung ein wichtiges Forschungsfeld ist und dass eine Verweigerung der Genehmigung fatale Folgen hätte.

Nicht nur, dass die bisherigen Ergebnisse aufgrund der fehlenden Validität wertlos wären – von den Investitionen will ich hier an dieser Stelle überhaupt nicht sprechen, das ist in diesem Zusammenhang auch erst einmal sekundär –, aber in der gesamten Wissenschaftslandschaft würde ein großer Schaden angerichtet werden, was sich insbesondere bei den Forschungsförderungsorganisationen wie zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Volkswagenstiftung, der Alexander von HumboldtStiftung und dem BMBF negativ auswirken würde, was mit einem großen Schaden für den Forschungsstandort Bremen verbunden wäre, so die Stellungnahme aus dem Wissenschaftsressort.

Die Gesundheitssenatorin, meine Damen und Herren, ist jetzt aufgefordert, das Versuchsvorhaben insbesondere unter Einbeziehung der Ergebnisse der Tierversuchskommission, der eingegangenen Stellungnahmen und der Vorgaben in den Paragraphen 7 und 8 Tierschutzgesetz eingehend zu prüfen, zu bewerten und zu entscheiden. Dabei wird natürlich der Artikel 20 a des Grundgesetzes mit dem Tierschutz als Staatsziel eine große Rolle spielen. Aus den Stellungnahmen der Experten, insbesondere zu der ethischen Bewertung, geht meines Erachtens deutlich hervor, dass das Leiden und die Schmerzen, die den Tieren zugefügt werden, wesentliche Kriterien darstellen, Tierversuche nicht zu genehmigen. Dass die Tiere an der Uni nicht leiden, meine Damen und Herren, davon konnten wir uns selbst überzeugen,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das macht denen jetzt Spaß?)

denn wenn es anders wäre, könnten diese Versuche nicht durchgeführt werden. Das ist kein Spaß, und ich denke, wir sind hier in einer ganz ernsthaften Debatte. Vielleicht können Sie einmal zuhören, was ich hier sage!

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie sich das einmal angesehen hätten, hätten Sie feststellen können, dass sich die Affen in einem guten körperlichen Zustand befinden und ständig tierärztlich überwacht werden. Dass die Affen hervorragend untergebracht sind und dass alle Auflagen erfüllt werden, die an eine Unterkunft gestellt werden, wird auch von der Fachwelt anerkannt. Natürlich sind das Versuchstiere, das ist doch völlig klar, darüber reden wir doch hier. Das ist kein Zoo, und es ist keine freie Wildbahn, wo sich die Tiere befinden, aber deswegen beschäftigen wir uns ja auch mit diesem Thema!

Aus den Stellungnahmen der Experten wird aber auch deutlich, meine Damen und Herren, wie schwie

rig es ist, eine ethische Bewertung abzugeben. Dazu möchte ich mit Genehmigung des Präsidenten einige Sätze aus den Stellungnahmen zitieren, weil ich nicht einfach zusammenfassen möchte, was darin aufgeschrieben ist. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten. Dr. Lui von der Universität Berlin sagt: „Es gibt allerdings keinen Konsens über den ethischen Bewertungskatalog oder auch nur verlässliche Wege, die ein geplantes Experiment exakt einer solchen Formel zuordnen. In der Regel stehen den Leiden der Tiere Leiden der Menschen gegenüber, die, falls das Experiment nicht durchgeführt wird, unverändert vorhanden sein werden und so eine Folge der Unterlassung des Experiments darstellen.“

Professor Birnbacher vom philosophischen Institut der Universität Düsseldorf sagt zur Tierschutzkommission: „Ethische Auffassungen gehen zwar gewöhnlich mit einem Allgemeingültigkeitsanspruch einher und behaupten jeweils, wahr zu sein. Für die Beurteilung miteinander unvereinbarer Ansprüche von einem übergeordneten Standpunkt aus existieren jedoch nur recht allgemeine Kriterien. Diese reichen nicht in jedem Fall aus, eine der verschiedenen Auffassungen als richtig auszuzeichnen.“ Weiter: „Die Ethik im Sinne einer geschlossenen Doktrin richtige Moral gibt es nicht.“ An anderer Stelle sagt er noch: „Der erwartete Wissenszuwachs ist zweifellos ein gewichtiges, kollektives Rechtsgut. Er muss deshalb auf der Habenseite in die Abwägung der ethischen Vertretbarkeit von belastenden Tierversuchen eingehen. Das gilt auch dann, wenn für das durch Tierversuche erworbene Wissen keine unmittelbare und auch keine mittelbare therapeutische Funktion abzusehen ist.“ Soweit die Zitate! Beide Experten bewerten die Tierschutzkommission so, die Behörde bei der Entscheidung über die Genehmigung von Tierversuchen zu unterstützen. Die Entscheidung liegt letztendlich bei der Behörde.

Ich will noch einmal zur Genehmigung zurückkommen, Frau Schön hat darauf auch schon hingewiesen! Eine Genehmigung darf nur erteilt werden, das will ich noch einmal unterstreichen, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass die Voraussetzungen des Paragraphen 7 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes vorliegen und das angestrebte Versuchsergebnis trotz Ausschöpfung der zugänglichen Informationsmöglichkeiten nicht hinreichend bekannt ist oder die Überprüfung eines hinreichend bekannten Ergebnisses durch einen Doppel- oder Wiederholungsversuch unerlässlich ist. Das Weitere aus dem Tierschutzgesetz hier vorzutragen will ich mir ersparen, das kann jeder im Tierschutzgesetz nachlesen.

Ich möchte aber noch einmal ausdrücklich auf den Paragraphen 7 Absatz 2 hinweisen, wo genau definiert wird, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein Tierversuch durchgeführt werden kann. Bei der Entscheidung, ob Tierversuche unerlässlich sind, ist insbesondere der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen und zu prü

fen, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann. Das alles hat die Behörde ordnungsgemäß zu prüfen. Die CDUFraktion wird die Entscheidung abwarten und das Votum akzeptieren, wobei überhaupt noch nicht klar ist, ob die Versuche überhaupt genehmigt werden. Es kann natürlich auch sein, dass die Versuche abgelehnt werden. Bei mir leuchtet hier jetzt schon die rote Lampe. Ich will meine Rede jetzt einmal unterbrechen, werde mich aber gleich noch einmal zu Wort melden. Das ist eine wichtige Debatte, die wir hier führen, und ich möchte das auch ein bisschen ausführlich machen. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Emigholz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir alle sehr sachlich debattieren, Frau Tuczek. Ich möchte trotzdem der guten Ordnung halber noch auf einen Punkt hinweisen, den die Kollegin Frau Schön schon angeführt hat und den ich auch bitte, entsprechend zu Protokoll zu nehmen. Grundlagenforschung kann einen Beitrag zu medizinischen Erkenntnissen liefern, es ist aber nicht zwangsläufig so, dass jeder, der sich für einen Tierversuch ausspricht, sich auch gleichzeitig dafür ausspricht, dass menschliches Leid verringert wird. Es gibt auch Grundlagenforschung, die schlicht der Techniknutzung dient. Es gibt Grundlagenforschung, die ganz anderen Feldern dient, und auch das muss man bitte sagen, Grundlagenforschung ist eben, wie schon gesagt, ergebnisoffen. Sie kann Erkenntnisse bringen, sie muss es aber nicht. Es gehört zur Redlichkeit auch gerade der aus dem Tierschutz kommenden Debattenredner dazu, denke ich, dass wir nicht das eine mit dem anderen vertauschen. Das wäre mir eine sehr wichtige Maßnahme.

(Beifall bei der SPD)

Eine andere Sache habe ich noch! Ich glaube auch nicht, wenn die Debatte, es hat sich ja abgezeichnet, dass die politischen Spitzen nicht nur über 80 000 Unterschriften, die der Tierschutzverein gesammelt hat, ins Nachdenken gekommen sind, sondern auch über die Dauer der Tierversuche und über die berechtigte Frage, wie es weitergeht, welche Ergebnisse es gebracht hat und wie man das einschätzt, wenn wir als Tierschützer vielleicht nicht eine Debatte führen, die den Wissenschaftssenator, der sehr konstruktiv vorgegangen ist, noch toppt und auch seine Kooperationsbereitschaft anmeldet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schön, Sie haben in Ihrem Antrag oder auch in Ihrer Rede gerade wieder davon gesprochen, dass die Versuche mit den Affen ausgeweitet werden, indem die einzelnen Tiere beiden Methoden ausgesetzt sind. Ich habe mich einmal bei Professor Fischer und auch bei Professor Kreiter erkundigt, ob das denn so ist. Da ist mir gesagt worden, die Tiere können entweder im Kernspintomographen oder im elektrophysiologischen Versuch genutzt werden, sage ich einmal. Es gibt immer nur bestimmte Zeiten, in denen die Affen in einem Versuch sind, entweder so oder so. Es wird also nicht ausgeweitet, es wird nur so oder so untersucht.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nein! Ein Tier invasiv und ein Tier im Kernspintomographen, das ist eine Auswei- tung!)

Wenn Sie zwei Versuche hintereinander machen, das wäre eine Ausweitung. So kann man immer nur einmal das machen und einmal das machen. Man hat also weniger Tiere, die man im Versuch hat.

Dann möchte ich auch noch einmal zum Kernspintomographen etwas sagen! Wir haben hier wiederholt gehört und es auch schriftlich erhalten, dass das Drei-Tesla-Gerät eben nicht die Tierversuche überflüssig macht, sondern dass dadurch die Tierversuche verringert werden. Dazu habe ich auch in der MaiDebatte detaillierte Ausführungen gemacht, die ich jetzt nicht alle wiederholen will. Auch der Wissenschaftssenator hat in seiner vorliegenden Stellungnahme nochmals erläutert, welche Versuche durch den Kernspintomographen ersetzt werden, und dargestellt, dass das Gerät ein richtiger Schritt für die noninvasiven Methoden einerseits und für die Reduzierung von Tierversuchen insgesamt ist.

Auch ist der Wissenschaftssenator in seiner Stellungnahme, die uns vorliegt, darauf eingegangen, dass eine internationale Gutachtergruppe kürzlich ausdrücklich die erfolgreichen Aufbauarbeiten der neurowissenschaftlichen Forschung am Kernspintomographen in Bremen gewürdigt hat. Jetzt fordern Sie in Ihrem Antrag, dass die Bürgerschaft den Senat auffordern soll, die Genehmigung für die Fortsetzung der Primatenversuche zu versagen. Falls die Genehmigung vom Gesundheitssenator erteilt werden muss, fordern Sie also den Senat auf, sich gegen geltendes Recht zu stellen.

Ich will noch einmal betonen, die Tierversuche laufen im Rahmen des bestehenden, geltenden Tierschutzgesetzes. Ich will jetzt nicht an Artikel 5 Grundgesetz erinnern, wo den Hochschulen und wissen––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

schaftlichen Einrichtungen die Freiheit von Forschung und Lehre garantiert ist. Wir haben die Autonomie der Hochschulen und somit auch die der Uni in diesem Land gestärkt und die staatliche Lenkung auf eine Globalsteuerung beschränkt. Das kann doch nicht nur für Maßnahmen gelten, die schön sind und die wir toll finden. Wir sind in diesem Jahr Stadt der Wissenschaft. Wenn wir solche Eingriffe vornehmen, wie Sie sie hier wollen, machen wir uns nicht nur in Deutschland lächerlich, sondern weltweit. Wir können doch nicht politisch vorgeben, wie ein Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Das können Sie doch nicht im Ernst fordern.

Die Politik kann Gesetze machen, und in diesen Gesetzen hat sich die Wissenschaft zu bewegen. Die Bürgerschaft kann nicht den Senat auffordern, die Genehmigung zu versagen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen anders sind.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Frau Tuczek, sagen Sie doch ganz klar, dass Sie diese Versuche wollen!)

Die Bürgerschaft kann für sich feststellen, dass sie solche Versuche nicht will. Wir sind 1997 davon ausgegangen, dass die Versuche zeitlich befristet laufen und man nach einer Zeit von zwölf bis 15 Jahren zu validen Ergebnissen kommt. Es war für uns auch sicher, dass diese invasiven Versuche danach aufhören. Die CDU will aussteigen aus diesen Versuchen, aber wir können doch nicht mitten in der Fahrt von dem Zug abspringen. Wir haben das doch oft genug hier diskutiert, und wir haben wiederholt festgestellt, dass die Bürgerschaft die Versuche nicht verbieten kann, das habe ich eben auch erläutert.

(Zuruf des Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Können Sie vielleicht einmal ruhig sein und ein bisschen zuhören! Haben Sie nicht die Kraft dazu?

Die Universität hat jetzt geplant, im nächsten Jahr ein Symposium zur Ethik von Tierversuchen durchzuführen. Weiter hat die Uni vorgesehen, eine gezielte Förderung von Tierersatzversuchen durch Finanzierung von Doktoranden vorzunehmen und eine gezielte Förderung der Tierhaltungsforschung. Des Weiteren ist eine Stärkung der Forschung mit bildgebenden Verfahren vorgesehen. Wenn Sie sich vielleicht einmal mit der Uni oder mit Herrn Professor Fischer unterhalten hätten, hätten Sie das auch alles gewusst!

Ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was Frau Emigholz vorhin gesagt hat. Es ist richtig, wir sind uns ja in vielem einig, und wir sind uns auch darin einig, dass wir diese Tierversuche nicht mehr wollen, aber wir wollen ein vernünftiges Verfahren haben: Wir haben damals gesagt, das ist Grundla

genforschung, und Dr. Domann-Käse hat hier ausgeführt, dass man bei der Grundlagenforschung von einem Zeitraum von zwölf bis 15 Jahren ausgehen muss. Wir hatten ja versucht, einen Antrag zu machen, wo wir 2010 gesagt haben. Darauf haben wir uns leider nicht einigen können, weil Sie ja gesagt haben, Sie wollten gleich darin festgelegt haben, wie es weitergehen soll. Wir haben gesagt, wir wollen eine Expertenkommission einsetzen, die diese Tierversuche evaluieren soll, die feststellen soll, was dabei herausgekommen ist. Dann wollten wir eine Grundlage haben, es zu entscheiden. Dieser Antrag war auch mit den Fraktionsvorsitzenden schon geeint. Ihre Fraktion wollte es nicht, das ist in Ordnung. Ich habe auch gesagt, wir brauchen keinen Antrag. Diesen Antrag von den Grünen kann man sowieso nicht mitmachen, weil er rechtswidrig ist, also lehnen wir ihn ab.

Ich möchte aber gern, dass wir die Beratung zumindest in der Deputation weiter fortsetzen. Wir werden den Senator, der es in seiner Stellungnahme auch angeboten hat, sozusagen bitten, diese Evaluation durch eine internationale Expertenkommission durchführen zu lassen, wo die Wissenschaftler, die Forschungsinstitute und der Tierschutz zusammen diese Versuche bewerten können. Dann werden wir hier eine Grundlage haben zu bewerten, wollen wir es weitermachen oder nicht. Wir können doch nicht einfach jetzt schon beschließen, wir wollen es zwar nicht, wir wollen da aussteigen, aber wir wollen eine Kommission einsetzen. Das kann man so nicht machen, meine Damen und Herren! Deswegen, denke ich einmal, ist der Weg, den wir jetzt in der Deputation beschreiten werden, auch ein guter Weg. Ich hoffe, dass wir da auch zu guten Ergebnissen kommen, die sowohl dem Tierschutz, als auch der Wissenschaft gerecht werden. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es gibt im Wissenschaftsbereich kein Thema, das mir jedenfalls aus den letzten Jahren geläufig ist, das uns so begleitet und auch emotional bewegt wie diese Debatte über die Makakenversuche an der Bremer Universität. Ich nehme auch den heutigen Ablauf und die Argumente sehr, sehr ernst. Ich möchte aber gern noch ein bisschen auf die Anfänge dieser Arbeit zurückblicken.

Wir hatten am 10. Juni 1997 hier einen Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU, mit dem wir fünf Forderungen an den Senat gestellt haben, worauf der Senat bei dem, was wir als Schwerpunkt im Bereich der Neurowissenschaften bilden wollten, zu achten hat. Es war ganz klar die Aufforderung an uns, alle

Maßnahmen dahin gehend zu fokussieren, dass wir das Ausmaß der Versuche auf das notwendige Maß reduzieren. Wir sollten unbedingt darauf achten, dass die Standards bei den Experimenten und der Haltung den internationalen Standards entsprechen. Es wurde von uns erwartet, dass die Hirnforscher die bildgebenden Verfahren so weit entwickeln, dass in der Perspektive Eingriffe in Primatengehirne unnötig werden. Dieser Punkt ist bis heute nicht erfüllt.

Wir sehen diese Perspektive auch heute anders als Sie. Es sind ja nur noch wenige von Ihnen dabei, aber das Parlament hat es damals beschlossen. Diese Erwartung können wir offensichtlich nicht erfüllen, denn nach den neuen Erkenntnissen sind weiterhin diese invasiven Eingriffe erforderlich. Das ist übrigens keine Position der Bremer Forscher, sondern es ist eine internationale Erkenntnis. Die können wir natürlich auch nicht einfach vom Tisch wischen, sondern es ist eine internationale Erkenntnis. Nach mehreren Jahren paralleler Arbeit – nicht in Verdoppelung –, das ist auch der vierte Punkt, wir als Parlament, als Senat akzeptieren auf keinen Fall, dass Doppelversuche gemacht werden, weder in Bremen noch in den vergleichbaren Instituten weltweit.

Wir haben außerdem damals den Auftrag von Ihnen bekommen, dass wir darauf achten sollen, dass alle Maßnahmen der Universität Bremen unterstützt werden sollten, die einen weiteren Dialog fordern mit den Bürgerinnen und Bürgern, auch mit den Tierschützern, in Ernsthaftigkeit und den Respekt voreinander, vor der gegenteiligen Auffassung, gehen wir weiter mit diesen Versuchen oder stoppen wir sie sofort. Das ist ja die unterschiedliche Ausgangslage, dass wir den Dialog hier auf jeden Fall fortsetzen sollten. Von fünf Punkten, die Sie uns damals mit auf den Weg gegeben haben, haben wir vier erfüllt. Beim fünften konnten wir Ihrer Erwartung nicht entsprechen.

Jetzt stellt sich die grundsätzliche Frage: Brauchen wir grundlegende Erkenntnisse über unser Gehirn? Es ist das menschliche Organ, über das wir bisher am wenigsten wissen. Ist es richtig, dass wir auch als Wissenschaftspolitiker sagen, ja, wir haben ein Interesse daran, dass die Funktionen unseres Gehirns grundlegend erforscht werden? Sagen wir ja, oder sagen wir nein? Ich sage als Wissenschaftssenator uneingeschränkt, selbstverständlich können wir nicht eines unserer Organe separieren und sagen, nein, das rühren wir nicht an, das interessiert uns nicht. Das sage ich natürlich auch deshalb, weil wir gar nicht wissen, welche Ergebnisse diese Grundlagenforschung für die Bekämpfung von Erkrankungen, für das Lindern von Elend, von Not von Millionen von am Gehirn erkrankten, gerade älteren Menschen liefert. Ich kann nicht versprechen, dass diese Grundlagenforschung in drei Monaten, in drei Jahren oder in 30 Jahren konkrete Ergebnisse erbringt. Ich bin aber ganz sicher, dass es, wenn wir diese Grundlagenforschung nicht vornehmen, überhaupt keine