Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Meine Damen und Herren, wer Menschen in Lager steckt, erniedrigt sie als Menschen, nimmt ihnen jegliche Chance auf menschliches Leben, und gegen diese Menschenrechtsverletzungen, sei es in Guantánamo, in Israel, im Gazastreifen oder sonst wo,

kämpft die Deutsche Volksunion nun schon seit Jahrzehnten. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet die Grünen langsam damit anfangen, einige diesbezügliche Positionen gegen Menschenrechtsverletzungen von der Deutschen Volksunion zu übernehmen!

(Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen – Unruhe)

Meine Damen und Herren, was ich außerdem noch bemerkenswert finde, und nun sollten Sie alle zuhören, ist, wie deutsche Politiker der Altparteien sich von der US-Außenministerin Rice lapidar abwatschen lassen. Da sagt Frau Rice zum Beispiel, die US-Geheimdienste würden erstens nie foltern, und zweitens sei es ab sofort sowieso verboten. Unsere politischen Verantwortlichen geben sich mit dieser widersprüchlichen Aussage auch noch zufrieden und klatschen Beifall!

Es ergeben sich daraus nun noch in diesem Zusammenhang mit den CIA-Flügen über Deutschland mit entführten angeblichen Terroristen folgende drei Fragen: Erstens, wusste Frank-Walter Steinmeier Bescheid? Zweitens, seit wann wusste Frank-Walter Steinmeier Bescheid? Drittens, wer ist überhaupt dieser Frank-Walter Steinmeier? – Ich bedanke mich!

(Unruhe)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf das eben Gesagte gehe ich gar nicht ein, weil es nicht wert ist, darauf einzugehen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Weil Sie es nicht können!)

Ich will gleich voranschicken, dass wir den Antrag ablehnen müssen, nicht deswegen, weil alles falsch ist, was darin steht, aber der Kern, nämlich der Schluss in den eigentlichen Antragspositionen, hat sich entweder zum Teil erübrigt oder aber ist auf der falschen Ebene angesiedelt. Ich komme gleich noch darauf zurück.

Ich glaube auch, dass dieses Thema ein sicherlich wichtiges Thema ist, das auch bestimmte Probleme aufdeckt, die wir insbesondere weltweit haben, aber ich bin nicht der Meinung, dass wir in einer solchen Angelegenheit die Frage, wie die Behandlung und das Verfahren waren, wenn es denn eines war, das stattgefunden hat, nachdem er in Pakistan aufgegriffen worden ist, und das Verfahren, das hier in Bremen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nach meiner Auffassung durchaus rechtsstaatlich gelaufen ist, vermischen dürfen. Das belegen, glaube ich, alle Verfahren, auch die Rechtsmittel, die eingelegt worden sind, und auch zunächst einmal das Ergebnis des Verwaltungsgerichts.

Offenbar im Gegensatz zu Herrn Dr. Güldner kenne ich noch nicht das konkrete Ergebnis dieses Urteils, ich kenne nur das, was in der Zeitung gestanden hat, und ich kenne noch nicht die Begründung dazu. Ich weiß auch nicht, und das obliegt dem Innensenator sicherlich in der Entscheidung, ob hier noch ein Anschlussverfahren stattfinden wird oder nicht. Wenn es nicht stattfindet, dann, denke ich, wird die Einreise möglich sein, und dagegen würde sich, wenn, wie gesagt, dieses VG-Urteil rechtskräftig würde, auch ein Innensenator weder stellen wollen noch können.

Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass wir, auch unter Berücksichtigung dieses Urteils, sehen müssen, dass hier in der Bundesrepublik bestimmte Dinge und Verfahren gelaufen sind, die in den Hintergrund getreten sind, beispielsweise dass der BGS einen Eintrag ins Ausländerzentralregister beantragt hat und damit eine Wiedereinreisesperre oder ein Fahndungsersuchen ausgelöst wird, das von 2004, da wurde der Antrag gestellt, bis 2007 läuft. Wie das letztendlich zu entscheiden sein würde, wenn das Verwaltungsgerichtsurteil rechtskräftig würde, lasse ich dahingestellt. Das hängt aber wiederum auch sicherlich damit zusammen, dass wir, und ich glaube, auch Sie, Herr Dr. Güldner, nicht so konkret wissen, welches denn die eigentlichen Hintergründe der Ausreise dieses neunzehnjährigen Heranwachsenden waren.

Ich will nicht irgendwo präjudizierend wirken, weil ich, wie gesagt, die konkreten Hintergründe nicht kenne, die kennen vielleicht Geheimdienste, die kennt vielleicht auch das Bundesinnenministerium oder andere, ich kenne sie nicht, und deswegen muss man auch in der Wertung sehr vorsichtig sein. Ich denke aber, dass es zumindest ungewöhnlich ist, darüber mag man streiten können, aber ich sehe das so, dass kurz nach dem Anschlag in New York, nämlich im Oktober 2001, ein junger Mann aus Bremen ausreist in ein Krisengebiet, und das war auch ihm sicherlich bekannt, dass es zu der Zeit nicht nur erhebliche Probleme gab, sondern möglicherweise seine Gesundheit und sein Leben gefährdet sind, wenn er dorthin reist. Er ist trotzdem dorthin gereist, und wenn er dort eine Moscheentour oder so etwas Ähnliches, das haben die Medien ja vermeldet, starten wollte, dann mag das so gewesen sein.

Ich frage mich allerdings auch in diesem Zusammenhang, und das muss erlaubt sein, das ist ja keine günstige oder besonders billige Reise, sondern sie kostet ja auch ein paar Euro, und das zusammengenommen veranlasst mich, zumindest darüber nachzudenken, ohne abschließend, das sage ich ausdrücklich, eine Wertung hier vornehmen zu wollen.

Was nun die Haltung des Innensenators angeht, Herr Kollege Dr. Güldner, habe ich eine etwas andere Sichtweise, nämlich die, dass in Paragraph 44 des Ausländergesetzes – und dieses Recht galt auch zu Zeiten der rotgrünen Koalition in Berlin – deutlich festgeschrieben ist, dass, wenn eine Wiedereinreise nicht innerhalb von sechs Monaten stattfindet, eine Wiedereinreise verwirkt wird. Von daher denke ich, dass zunächst die Entscheidung der Behörde in diesem Fall durchaus korrekt und rechtlich abgesichert war. Es gibt auch, so wie ich es zumindest weiß, wenig Rechtsprechung in dieser Frage, so dass das Verwaltungsgericht hier möglicherweise eine neue Betrachtung zu diesem Paragraphen 44 vorgenommen hat unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Herr Kurnaz aus seinem Gefangenenlager leider nicht entsprechend melden und einen entsprechenden Antrag stellen konnte, wobei dann immer noch die Frage ist, ob ein Rechtsanwalt dies nicht für ihn tun kann.

Sollte er aus diesem Gefangenenlager entlassen werden, dann wäre zunächst einmal bei Rechtskraft des Urteils die Wiedereinreise durchaus möglich, es sei denn, es würden auf Bundesebene vom Innenministerium oder Außenministerium weitere Gründe angeführt werden, die eine solche Wiedereinreise nicht zuließen. Dies ist aber mir zumindest bis heute nicht bekannt. Ich gehe davon aus, da auch Abstimmungen zumindest zwischen dem Innenressort und dem Bundesinnenministerium stattgefunden haben, dass insoweit hier bis zu diesem Punkt der Klageerhebung durchaus Einvernehmen zwischen Innenministerium und dem Senator für Inneres bestand.

Ich will auch deutlich machen, dass ich die Resolution des Europarates, die Entschließung durchaus nachvollziehen kann, weil sie in weiten Teilen eigentlich dem entspricht, was Rechtsstaatlichkeit ausmacht. Allerdings muss ich sagen, Herr Dr. Güldner, diese Resolution, die sich in Ihrem Antrag wiederfindet, fordert die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, hier etwas zu tun. Die Mitgliedstaaten sind nicht das Land Bremen oder das Land Hamburg, sondern die Bundesrepublik Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten eine Passage aus dieser relativ umfangreichen Entschließung vortragen: „Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten des Europarates vor diesem Hintergrund unter anderem auf, ihre diplomatischen und konsularischen Anstrengungen zu verstärken zum Schutz der Rechte und Gewährleistung der Freilassung aller ihrer Bürger, Staatsangehörigen oder ehemaligen Aufenthaltsberechtigten wie Herrn Kurnaz, die gegenwärtig in Guantánamo inhaftiert sind, gleich, ob sie rechtlich dazu verpflichtet sind oder nicht.“

Dieser Aufforderung kann ich durchaus folgen. Allerdings muss ich sagen, ich habe auf Bundesebene zu dem Zeitpunkt relativ wenig gehört. Das, was Sie dem Senat vorwerfen, müsste ich jetzt der damali

gen Bundesregierung vorwerfen und insbesondere die Frage stellen: Was hat eigentlich der Bundesaußenminister – wenn ich das richtig erinnere, war er ein Parteiangehöriger der Grünen – oder was hat die Ausländerbeauftragte in diesen Dingen getan? Wie haben sie sich zu Wort gemeldet, wie haben sie sich eingebracht, wie haben sie international, insbesondere mit Blickrichtung auf die USA, dafür Sorge getragen, dass möglicherweise diese Entschließung des Europarates zur Geltung gekommen wäre? Zumindest wäre das, glaube ich, wirkungsvoller gewesen als ein Signal hier aus Bremen. Auch wenn wir wichtig sind, sind wir vielleicht doch nicht so wichtig.

Ich stelle also unter dem Strich fest, dass wir sicherlich hier Handlungsbedarf gehabt hätten, insbesondere auch deswegen – und ich glaube, da herrscht in diesem Parlament ungeteilte Einigkeit –, weil wir dieses Verfahren, das da gelaufen ist, von der Festnahme in Pakistan bis zur Unterbringung und den Umständen der Unterbringung in Guantánamo, sicherlich verurteilen müssen, das ist gar keine Frage. Das ist mit Rechtsstaatlichkeit überhaupt nicht vereinbar und gehört von daher entschieden bekämpft.

Auf der anderen Seite ist es aber so, dass ich in den Medien gelesen habe, die USA beabsichtigten sukzessive, hier Gefangene zu entlassen. Da wäre dann auch noch die Frage, inwieweit möglicherweise die Türkei da erst einmal mit einspringen müsste, weil Herr Kurnaz nach wie vor türkischer Staatsangehöriger ist. Zumindest könnte das meines Erachtens in einer konzertierten Aktion, von mir aus, wenn ich das so sagen darf, passieren, dass aber auch die Türkei sich vielleicht einmal bemüht, einem türkischen Staatsangehörigen in dieser Frage zu helfen.

Insofern glaube ich, wenn das geschieht und wenn auch die konkreteren Hintergründe bekannt sind, die es entweder gibt oder möglicherweise auch nicht gibt – wenn es sie nicht gibt, ist es umso schlimmer auf der einen Seite und würde sicherlich die Wiedereinreise auf der anderen Seite unterstützen, wenn es sie gibt, dann gibt es möglicherweise auch rechtliche Probleme, die noch zu lösen wären –, insgesamt kann man keinem Menschen zumuten, in solchen Verhältnissen irgendwo einsitzen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Studenten der Universität Bremen mit dem Studienfach Politikwissenschaften. Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer sonst gegen Volksgruppen, gegen Ausländer agitiert und hetzt, wie Herr Tittmann es macht, wer Tatsachen verdreht und historische Sachverhalte leugnet, den kann man in dieser Debatte nicht ernst nehmen, finde ich.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das sollten Sie aber!)

Ich finde auch, dass mit dumpfem und dummem Antiamerikanismus auch hier niemandem in der Sache gedient ist. Deshalb will ich darauf auch nicht weiter eingehen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind uns mit den anderen demokratischen Parteien einig, dass wir gegen den Terror sind, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln. Wer die Grundrechte und die Menschenrechte schützen will – wir alle wollen das –, der darf sich nicht auf das Niveau der Terroristen begeben, darf nicht foltern, nicht töten, darf auch nicht verschleppen. Die Grundrechte und die Menschenrechte sollen uns ja gerade vor staatlicher und vor anderer Willkür schützen. Die Aufgabe des Staates ist es, uns vor der Willkür anderer zu schützen. Der Staat, der selbst die Grundrechte, die Menschenrechte in Frage stellt, der sie nicht beachtet, der stellt sich selbst in Frage. Die Folter und die Verschleppung als Mittel der Wahrheitsfindung sind ein Rückfall in das Mittelalter, eine Aufkündigung der Grundlagen unserer bürgerlichen Gesellschaft, unserer Gesellschaft, die auf Bürgerrechten beruht, und das können und wollen wir an keiner Stelle akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Murat Kurnaz wird nun seit fast vier Jahren als „Bremer Taliban“ in Guantánamo festgehalten, ohne Anklage, ohne Gerichtsverhandlung, ohne dass er dort einen Verteidiger hat. Es geht nun hier in dem Antrag der Grünen um zwei Aspekte, die ich kurz ansprechen möchte. Erstens, die Forderung, den Senat aufzufordern, sich auf allen Ebenen für die Freilassung oder die Eröffnung eines rechtsstaatlichen Verfahrens einzusetzen! Es geht also wohlgemerkt nicht ausschließlich um die Freilassung, sondern auch um die Frage eines sonst rechtsstaatlichen Verfahrens. Da meine ich, dies müsste eigentlich ein Selbstgänger sein,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

eine Forderung, über die man gar nicht streiten kann, auch, das gebe ich zu, wenn wir und auch der Senat

dafür keine diplomatische Zuständigkeit haben. Auch wer diplomatisch nicht zuständig ist, kann aber eine Meinung haben, er darf sie öffentlich sagen, und es kann und muss sich herumsprechen, dass wir in diesem Sinne über diese Sache diskutieren. Richtig ist, dass Kurnaz türkischer Staatsangehöriger ist, er somit unter dem Schutz des türkischen Staates steht oder jedenfalls stehen sollte, aber niemand hindert uns oder den Senat, sich in dieser Angelegenheit, in dieser Debatte zu äußern.

Wir nehmen wahr, übrigens auch in der CDU, dass es eine wachsende Unzufriedenheit mit dem gibt, was wir jeden Tag in den Zeitungen lesen. Rechtsstaatliche Maßstäbe sind abhanden gekommen. Ich bin mir auch sicher, wenn Kurnaz nicht in US-Gewahrsam wäre, sondern wenn er von Castro oder von Libyen entführt worden wäre, hätten wir eine ganz andere öffentliche Reaktion auf der Regierungsebene bei uns in Deutschland. Deshalb sage ich, Rücksicht auf die USA ist sicherlich manchmal angebracht, hier auf gar keinen Fall! Die Menschenrechte sind für uns unteilbar!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich sage auch: Wir sind froh darüber, dass keine deutschen Soldaten im Irak eingesetzt sind. Wir sind aber auch erschüttert darüber – mir geht es jedenfalls persönlich so – zu lesen, dass mindestens ein deutscher Minister von der Verschleppung eines DeutschLibanesen gewusst hat, ohne darüber weiter zu informieren. Das ist nicht gut, das sind keine guten Nachrichten.

Ich möchte Ihr Augenmerk aber noch einmal auf das lenken, was sich in den USA abspielt, weshalb es falsch ist, dort pauschal eine Verurteilung vorzunehmen. Das Bundesbezirksgericht für den Bezirk Columbia – das ist zuständig für Washington – hat befunden, dass das von der amerikanischen Regierung in Kraft gesetzte Verfahren rechtsstaatliche Grundsätze verletzt, dass die amerikanische Verfassung verletzt wird und dass die Genfer Konvention verletzt wird. Dieses Verfahren, nach dem Kurnaz inhaftiert worden ist, sieht so aus, dass die Regierung Personen als feindliche Kämpfer einstuft. Sie bleiben es bis zum Abschluss eines Verfahrens, wann immer das auch ist, oder bis feststeht, dass sie unschuldig sind. Das ist, meine ich, das Gegenteil dessen, was wir als Unschuldsvermutung verstehen, und das können wir überhaupt nicht hinnehmen.

Dieses amerikanische Gericht hat befunden, dass das vorgelegte Beweismaterial nicht ausreicht, um gegen Herrn Kurnaz einen Verdacht zu haben. Das Gericht führt aus, es gäbe nirgends in den Unterlagen einen Hinweis darauf, dass sich Verdachtsanhaltspunkte finden, und die Definitionen des Begriffs „feindlicher Kämpfer“ seien auch viel zu vage und gar nicht richtig greifbar. Die Reaktion der amerika

nischen Regierung auf dieses Urteil ist auch interessant. Sie geht dem nicht nach und bessert den Vortrag nach und erklärt, warum sie den Mann festhält, sondern sie will das Klagerecht abschaffen. Dazu kann sich jeder selbst seine Gedanken machen, was davon zu halten ist.

Hier in Bremen war es so, dass uns Herr Rechtsanwalt Docke gebeten hatte, dass wir – Herr Kleen und ich – uns einmal mit ihm treffen. Er hat uns in Kontakt zu dem New Yorker Anwalt Azmi Baher gebracht, der in Guantánamo mit Kurnaz gesprochen hat, und dieser hat uns von Folter, von Demütigungen, von grausamer Behandlung berichtet. Nun wissen wir natürlich nicht, ob das alles stimmt. Ich kann Ihnen aber sagen, dass uns beiden das, was wir gehört haben, sehr plausibel erschienen ist. Ich kenne übrigens Herrn Rechtsanwalt Docke – ich weiß nicht, ob er noch im Raum ist, doch, da oben sitzt er – als einen seriösen Vertreter aus der bremischen Anwaltschaft, dessen Wort Gewicht hat, dessen Wort übrigens auch bei uns in den Strafprozessen Gewicht hat. Ich könnte mir vorstellen, dass der Innensenator ebenfalls schon einmal früher beruflich mit ihm zu tun hatte. Es wäre interessant zu wissen, wie er es bewertet.

Ich meine jedenfalls, wir sollten den Innensenator hier auffordern – falls Sie es nicht schon getan haben, Herr Röwekamp –: Nehmen Sie sich die Zeit, reden Sie mit Herrn Docke, reden Sie mit den Familienangehörigen, verschaffen Sie sich einen persönlichen Eindruck, und danach bilden Sie sich ein Urteil! Das wäre der richtige Weg, finde ich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In dem zweiten Teil des Antrags der Grünen geht es um eine Niederlassungserlaubnis, es geht also um die Wiedereinreise. Herr Kurnaz ist ja länger als sechs Monate im Ausland und hätte rechtzeitig eine Verlängerung seines Aufenthaltsrechts beantragen müssen oder eben wieder einreisen müssen. Es liegt auf der Hand, dass beides nicht möglich war. Es stellt sich also die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, wie die Juristen sagen. Das ist eine gängige Praxis. Immer dann, wenn in einem Verfahren eine Frist unverschuldet versäumt worden ist, gibt es diese prozessuale Möglichkeit.

Hier, sagt der Innensenator, gehe es nicht um eine prozessuale Frist, sondern hier gehe es um eine materielle Ausschlussfrist, gegen die es keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gibt. Dazu kann ich nur sagen, das erscheint – ohne Kenntnis der Überlegungen des Verwaltungsgerichts – fraglich, denn die Gerichte sind auch in anderen Verfahren schon einmal zu der Auffassung gelangt, dass solche materiellen Fristen, wenn sie schuldlos versäumt werden, nicht dazu führen müssen, dass der Antragsteller letztlich ausgeschlossen ist, sondern auch dort gibt es die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Es gibt dazu ein Beispiel aus dem Bereich der Filmförderung, Herr Docke hat das sogar in dem Verfahren vorgetragen. Man kann sich also damit auseinander setzen, die Verwaltung hätte das auch tun können. In jenem Fall ging es um die Frage, ob jemand rechtzeitig einen Antrag für eine Subvention gestellt hatte, und das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Wenn der Antragsteller das ohne eigenes Verschulden nicht rechtzeitig tun konnte, dann gibt es Wiedereinsetzung, und dann wird er so behandelt, als ob er den Antrag rechtzeitig gestellt hätte. Die Rechtsprechung orientiert sich also an dem Ergebnis und fragt: Ist das, was am Ende herauskommt, unbillig, oder ist es noch vertretbar?