Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

schaft ihre Verantwortung im Ausbildungsbereich wahrnimmt, so dass die Jugendlichen in Bremen demnächst alle einen Ausbildungsplatz bekommen, nicht aber nur wenige Ausbildungsplätze vorhanden sind, wie das gegenwärtig der Fall ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort Staatsrat Lühr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal herzlichen Dank für die unterstützenden Worte! Darüber freuen wir uns natürlich sehr, nehmen das aber gleichzeitig als Ansporn für zukünftige Entwicklungen im Bereich der beruflichen Bildung.

Lassen Sie mich vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen: Ausbildung ist gesellschaftspolitisch inzwischen zu einer Schlüsselfrage geworden. Nur wenn jungen Menschen Perspektiven beim Übergang von der Schule in das Arbeitsleben ermöglicht werden, schaffen wir die Voraussetzung für eine langfristige, sichere Position auf dem Arbeitsmarkt.

Die Berufsausbildung, und das war leider nicht immer so, ist die Grundqualifikation für ein lebenslanges Lernen. Neben der Vermittlung der konkreten Kenntnisse und Fertigkeiten, die man für den Alltag braucht, haben wir jetzt immer stärker Wert darauf gelegt, dass Schlüsselqualifikationen vermittelt werden. Im Vordergrund stehen dabei für alle Auszubildenden, nicht nur für die, die später für einen Aufstieg in das mittlere Management, also den gehobenen Verwaltungsdienst, vorgesehen sind, soziale Methoden und Handlungskompetenz. Es ist ganz wichtig, dass diese Kompetenzen vermittelt werden.

Ich erinnere mich immer an den ironischen Spruch während meiner eigenen Ausbildung, die ich nach der Realschule gemacht habe, dass man beim Bierholen auch analytische Fähigkeiten entwickeln kann, man lernt nämlich das Differenzieren zwischen Pils, Export und Dunkelbier. Das sind zum Glück überwundene Ansätze der Berufsausbildung, die längst im Geschichtsbuch stehen, jedenfalls im öffentlichen Dienst der Freien Hansestadt Bremen, für den wir die Verantwortung tragen und für den der Senat dort eine einheitliche Linie festgelegt hat.

Ein weiteres Ziel der Ausbildung ist das gesellschaftspolitische Engagement. Wir wollen keine antiquierten Staatsdiener, sondern wir wollen demokratische Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die sich in gesellschaftlichen Initiativen, Parteien, Gewerkschaften und Verbänden organisieren und ihren Beitrag zur demokratischen Gesellschaft leisten.

Die Umsetzung der Ausbildung ist eigentlich kein sich selbst regulierender Prozess, sondern an der Ausbildung sind Ausbilder, Ausbildungsleitungen und Lehrkräfte in den Berufsschulen beteiligt. Die Ko

operation fördern wir regelmäßig durch einen Erfahrungsaustausch, wenn wir alle Beteiligten jährlich im Rathaus zusammenholen und ihnen einmal Danke sagen. Dort bieten wir auch neue Themen der Berufsbildung durch ein reichhaltiges Qualifizierungsprogramm für alle an, damit die Ausbildung auch den neuen Herausforderungen der gesellschaftlichen Situation, in der sich Jugendliche befinden, gerecht werden kann. Nicht jeder kann das, und man ist nicht gleich pädagogisch geeignet, wenn man selbst einmal zur Schule gegangen ist. Deswegen legen wir darauf besonderen Wert.

Den Ausbildern und Ausbilderinnen, die die Ausbildung in der Regel neben ihrer beruflichen Tätigkeit ehrenamtlich betreuen, das sollte man noch einmal unterstreichen, gilt deswegen an dieser Stelle auch noch einmal unser besonderer Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der öffentliche Dienst des Landes leistet trotz der extrem angespannten Haushaltslage seit Jahren einen wesentlichen Beitrag dazu, die Ausbildungsplatzsituation im Lande erheblich zu verbessern. Das ist ja auch von den Abgeordneten, die vor mir gesprochen haben, deutlich herausgestellt worden. Gerade im Juli dieses Jahres hat der Senat trotz des Rückgangs in den so genannten Bedarfsberufen noch einmal die gesamten frei werdenden Haushaltsmittel zusammengekratzt und zur Einstellung von Auszubildenden in anderen Berufen genutzt. Dadurch konnten wir in diesem Jahr zusätzlich in Bremen und Bremerhaven 122 weitere Ausbildungsplätze schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist natürlich dabei, dass wir nicht nur Ausbildungsberufe anbieten, damit wir eine Legitimationspflicht erfüllen, sondern in welchen Ausbildungsberufen ausgebildet wird. Das ist entscheidend für die langfristige Perspektive der jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Das Bundesinstitut für Berufsbildung entwickelt entsprechend der Veränderungen in der Berufswelt ständig neue Berufsbilder, die den sich wandelnden Anforderungen von Wirtschaft und Verwaltung gerecht werden. Im „Handbuch der untergegangenen Berufe“, das ich gestern Abend noch einmal durchgeblättert habe, habe ich keinen unserer Ausbildungsberufe gefunden. Wir versuchen immer, uns perspektivisch nach vorn zu orientieren und nicht nur Ausbildungsplätze anzubieten, die quasi als Legitimationsbeschaffung dienen.

Eine zunehmende Rolle spielt bei der Schaffung der neuen Ausbildungsplätze auch das Modell der Ausbildung im Verbund. Bremen ist als öffentlicher Arbeitgeber mit den Verbundprojekten, die wir seit einigen Jahren betreiben, bundesweit Vorreiter. Wir haben zurzeit mit 256 Firmen, und das geht von gro

ßen Innenstadtkaufhäusern bis hin zu großen Automobilfabriken, Kooperationen. Das bringt auch eine ganze Menge Arbeit für die Ausbildungsleitungen mit sich, denn alle müssen betreut werden. Es ist also nicht nur eine Rundmail an alle, dass die neuen Auszubildenden kommen, sondern die privaten Firmen erwarten natürlich auch, dass wir uns vor Ort sehen lassen und mit ihnen die konkreten Absprachen treffen. Wir haben es inzwischen auch erreicht, dass sich die privaten Firmen jetzt nach und nach auch an der Finanzierung der Ausbildung beteiligen. Das entlastet uns natürlich und macht wieder Geld für weitere Aktivitäten frei.

Die Verbundausbildung ist nicht nur für eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft von Bedeutung, sondern auch für die Handlungsorientierung der jungen Leute. Die unterschiedliche Gangart, die im öffentlichen und im privaten Sektor gegeben ist, befähigt sie auch, sich unterschiedlich verhalten zu lernen und damit auch eine Handlungskompetenz für die Bewältigung von Problemen zu lernen.

Ich will Ihnen das einmal an einem Beispiel deutlich machen: Es ist schon ein Unterschied, ob eine junge Auszubildende in der Universitätsbibliothek interessierten Studenten bei der Recherche hilft, man sie freundlich duzt und sagt, das bekommen wir alles hin, oder ob man in einer Buchhandlung im Weihnachtsgeschäft im Stress Dieter-Bohlen-Biografien verkaufen muss, die man selbst eigentlich gar nicht lesen will und eigentlich darauf orientiert ist, dass das Weihnachtsgeschäft den wirtschaftlichen Handlungsspielraum für die Buchhandlung bringt.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Haben Sie kein besseres Beispiel?)

Ich habe gerade dieses Beispiel gewählt, um auch die Spannweite deutlich zu machen. Wenn sie natürlich eine Brecht- oder Goethe-Gesamtausgabe verkaufen, freuen sich die Auszubildenden auch, aber das Weihnachtsgeschäft ist leider oft anders strukturiert.

Das Aus- und Fortbildungszentrum im öffentlichen Dienst und die neu gegründete Ausbildungsgesellschaft setzen in Abstimmung mit den Kammern und berufsbildenden Schulen den Auftrag des Senats um, auch in der Form der Verbundausbildung, das sage ich auch noch einmal zu allen beliebten Kritikerinnen und Kritikern des Aus- und Fortbildungszentrums. Dort wird eine Umwälzung von neuen Ideen und eine breite Angebotspalette realisiert. Dabei kommt es natürlich auch zu den Kooperationen mit den privaten Firmen.

Bei der Besetzung der Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst ist es uns ein besonderes Anliegen, die Situation behinderter Menschen einzubeziehen. Sie haben der Antwort entnehmen können, dass wir in Bremen eine Quote von sechs Prozent haben.

Wir haben eine Migrationsquote, das wäre der nächste Abschnitt, von rund 20 Prozent. Es geht um junge Auszubildende, bei denen mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat. Wir müssen dort auch aktuelle Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den Griff bekommen, um die jungen Menschen in die Ausbildung einbeziehen zu können.

Entscheidend ist natürlich, das geht jetzt an diejenigen, die gern auf die Zahlen schauen, dass wir nicht nur gute Absichten haben, sondern auch etwas fertig bekommen. Dazu haben Sie ja die Zahlen in der Antwort gelesen. Bei den Messzahlen, die für die Ausbildung angewandt werden, nämlich die Ausbildungsquote, das ist das Verhältnis von Auszubildenden zum Gesamtbeschäftigungsvolumen, können wir im öffentlichen Dienst durchaus auf gute Erfolge verweisen. Wir haben sieben Prozent im öffentlichen Sektor im Kernbereich selbst, aber auch in den Gesellschaften acht Prozent, und zwar dort, wo Ausbildung gemacht werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Antworten haben wir Ihnen dargelegt, wie sich der Bereich Nachwuchsgewinnung des Personalmanagements entwickelt und dass wir durchaus gute Erfolge haben. Wir wollen uns darauf aber nicht ausruhen, sondern das als Herausforderung für eine Steigerung sowohl der Quantität, also mehr Ausbildungsplätze, als auch der Qualität, also bessere Ausbildungsplätze, nutzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/824, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Ich unterbreche jetzt die Landtagssitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.57 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion Bremen, eine Gruppe SPD-Neumitglieder und eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion aus Bremerhaven. Sie wird

begleitet vom Stadtrat für Sport und Freizeit in Bremerhaven, Wilhelm Behrens.

Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall)

Bericht des nichtständigen Ausschusses „Überprüfung einer Wahlrechtsnovellierung im Land Bremen“ vom 29. November 2005

(Drucksache 16/815)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes aufgrund des Vorschlags der Initiative „Mehr Demokratie“

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und des Abgeordneten Wedler (FDP) vom 12. Dezember 2005 (Drucksache 16/863) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Röwekamp.

Wir kommen zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dr. Hannken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Herbst 2004 hat die Initiative „Mehr Demokratie e. V.“ einen Gesetzentwurf zur Novellierung des bremischen Wahlrechts vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf sah vor, Mehrmandatswahlkreise in Bremen einzurichten, in denen die Bürger Bremens und Bremerhavens die Möglichkeit haben, ihre Abgeordneten direkt in die Bremische Bürgerschaft zu senden. Des Weiteren sah dieser Gesetzentwurf vor, dass die Wählerinnen und Wähler in Bremen die Möglichkeit bekommen zu kumulieren und zu panaschieren, das heißt, sie haben die Möglichkeit, auf einer Liste nicht, wie jetzt zurzeit möglich, nur die jeweilige Partei anzukreuzen, sondern sie haben die Möglichkeit, auf dieser Liste die einzelnen Personen anzukreuzen, die sie gern in die Bürgerschaft wählen möchten. Sie haben nicht nur eine Stimme, sondern sie haben insgesamt zehn Stimmen für die Wahl der Bürgerschaft, fünf Stimmen über Wahlkreise und fünf Stimmen über eine Liste mit Kumulieren und Panaschieren.

Die Bremische Bürgerschaft hat sich dieses Themas sehr engagiert angenommen. Es wurden öffentliche Diskussionsveranstaltungen in diesem Hause ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

geführt, und die Bremische Bürgerschaft hat im Dezember 2004 einen nichtständigen Ausschuss eingerichtet, der sich mit der Novellierung des Wahlgesetzes für das Land Bremen beschäftigte und prüfen sollte, inwieweit durch ein verändertes Wahlrecht die Rechte für Wählerinnen und Wähler gestärkt werden können. Ziel der Initiative „Mehr Demokratie e. V.“ und auch Aufgabe des Ausschusses war es zu prüfen, inwieweit die Bürger stärker an der Auswahl der Politiker beteiligt werden können, inwieweit ihr Einfluss gestärkt werden kann, natürlich auch verbunden mit der Hoffnung, dass sich mehr Bürger an den Wahlen beteiligen, dass sich die Wähler stärker mit der Politik in ihrem Bundesland identifizieren, und natürlich auch, dass gegen Politik- und Parteienverdrossenheit gekämpft werden sollte.

Der Ausschuss hat nun ein Jahr lang getagt. Wir haben zu Beginn des Ausschusses Stellungnahmen des Senats eingeholt, der verschiedenen Ressorts, die sich mit dem Gesetzentwurf befasst haben. Wir haben aber auch im Ausschuss öffentliche Anhörungen durchgeführt. Dazu haben wir Vertreter anderer Kommunen eingeladen, insbesondere aus Baden-Württemberg, aus Niedersachsen und Hessen. Diese Vertreter haben uns berichtet, wie in ihren Ländern insbesondere Kommunalwahlen stattfinden, welche Ergebnisse sie dort erzielen, insbesondere was Wahlbeteiligung angeht und wie weit die Menschen von der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens Gebrauch machen und wie die Zufriedenheit mit diesem Wahlrecht ist.