Frau Kollegin Stahmann, lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden, bevor Sie sagen, das ist richtig! – Demokratie, dann muss man sich schon ein-mal ansehen, welche Folgen denn die Einführung von Kumulieren und Panaschieren hätte.
Kumulieren und Panaschieren wird genutzt in Großstädten, die mit uns vergleichbar sind, von 30 bis 40 Prozent der Wähler. Gleichzeitig steigt die Anzahl der ungültigen Stimmen an. Die Anzahl der wirklich gewerteten ungültigen Stimmen reduziert sich dann wieder dadurch, dass man umfangreiche Heilungsvorschriften normiert, zum Beispiel wenn Wähler sechs Stimmen abgegeben haben oder vier Stimmen oder ähnliche Geschichten, indem man dann nach dem mutmaßlichen Willen des Wählers fragt und bewertet. Ein empirisch belegbarer, für mich auch ganz entscheidender Befund
der Anhörung im Ausschuss war, dass es eine Abhängigkeit vom Bildungsstand, vom sozialen Stand zur Nutzung von Kumulieren und Panaschieren gibt, und es besteht die begründete These, dass Wahlsysteme mit Kumulieren und Panaschieren Leute mit niedrigem Bildungsstand, niedriger sozialer Schichtung vom Wahlrecht faktisch ausschließen. Das ist ein Einwand, den man sehr ernst nehmen muss.
Eine Verbesserung des Wahlrechts wird nicht dadurch erreicht, dass eine Minderheit von Wählern eine verstärkte Auswahlmöglichkeit bekommt, sondern der faktische Zugang zu Wahlen muss für alle möglichst niedrig sein. Das heißt, wenn man das als demokratietheoretischen Vorteil sieht, was Herr Dr. Güldner hier vorgestellt hat, ich kann mehr auswählen, muss man gleichzeitig den Demokratienachteil, es werden Leute von der Wahrnehmung ihres Wahlrechts ausgeschlossen, dagegenstellen. Aber auch das könnte man ja so beantworten, wie Dr. Güldner es beantwortet hat, und sagen, es ist demokratischer, Bürgern Rechte zu geben, diese müssen dann eben mit den ihnen gegebenen Rechten umgehen. Eine solche Wahlrechtsänderung muss man natürlich abwägen damit, was das denn für Bremen bedeutet. Eine Reform um der Reform willen macht wenig Sinn.
Wir haben festgestellt, dass mit Ausnahme von Hamburg, wo über eine Volksgesetzgebung dieses Wahlsystem mit Kumulieren und Panaschieren eingeführt worden ist, Kumulieren/Panaschieren ein reines Instrument des Kommunalwahlsystems ist. Wenn Außenstehende auf Bremen schauen und sagen, ihr seid ein Bundesland, wollt es sein und wollt es auch bleiben, ihr wählt aber genauso wie die Gemeinde Neuerkrat in der Nähe von Köln, dann müssen wir uns zumindest hinterfragen lassen, ob wir weiterhin ein eigener Staat sind.
Gestatten Sie mir zum Abschluss eine Bemerkung zur Notwendigkeit der so genannten Demokratisierung des Bremer Wahlrechts! Herr Dr. Güldner hat eben gesagt, es muss eigentlich demokratischer werden. Das intendiert natürlich, dass wir bisher kein demokratisches Wahlrecht haben. Das bisherige Wahlrecht ist als reines Verhältniswahlrecht mit starren Listen ausgestattet, das ist richtig, es stellt aber sicher, dass dem urdemokratischen Grundsatz „ein Mensch, eine Stimme“ Rechnung getragen wird. Dies gilt, egal, ob ein Sozialhilfeempfänger oder ein Professor seine Stimme abgibt oder ob in Blumenthal, Oberneuland oder Bremerhaven-Lehe gewählt wird. Für das Übereinkommen „one man, one vote“, nur, um das einmal in Erinnerung zu rufen, haben de Clerk und Nelson Mandela 1993 den Friedensnobelpreis bekommen, weil man nämlich gerade gesagt hat: Ein Mensch, eine Stimme
Ich und mit mir meine Fraktion betrachten es nicht als demokratischen Fortschritt, wenn eine Minderheit vermeintlich in ihren Auswahlmöglichkeiten gestärkt wird, gleichzeitig aber durch die Errichtung von Hürden andere faktisch von der Wahl aus-geschlossen sind.
Herr Dr. Güldner hat den Weg gewiesen, das ist ja erstaunlich, wie man außerhalb des Wahlrechts eine stärkere Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen implementieren kann. Es geht darum, dass dieses Parlament bereit sein muss, auf Befugnisse zu verzichten, dass wir verstärkt Elemente der direkten Demokratie einführen, dass wir Volksgesetzgebung, Bürgerentscheid tatsächlich durch eine Quorensenkung lebendig werden lassen. Ich glaube, das ist eine echte Demokratisierung des Systems im Gegensatz zu einem faktischen Ausschluss von Wahlberechtigten durch ein kompliziertes Wahlsystem.
Ich möchte natürlich nicht schließen, ohne mich zu bedanken, sonst hätte ich das anders formuliert! Insbesondere möchte ich neben der sehr sachlichen Diskussion und den zum Teil auch humoresken Einlagen von Herrn Dr. Güldner besonders bei der Ausschussassistenz danken, ohne die es mit Sicherheit nicht möglich gewesen wäre, in dieser kurzen Zeit einen so umfangreichen Bericht vorzulegen. Ich bedanke mich für die Diskussion und dafür, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist jetzt ein gutes Jahr her, dass wir hier im Parlament, die drei Fraktionen und auch ich, gemeinsam einen nichtständigen Ausschuss zur Prüfung des Wahlrechts eingesetzt haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich gleich den Dankesworten meiner Vorredner anschließen. Auch ich möchte mich bei den anderen Ausschussmitgliedern ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit bedanken und insbesondere bei der Verwaltung für ihre gute Zuarbeit. Ganz persönlich möchte ich mich auch bei den Koalitionsfraktionen und ins
besondere bei der SPD-Fraktion bedanken, dass sie mich als Einzelabgeordneten mit in den Ausschuss genommen hat. Ich denke, damit ist dann auch meine Partei mit in den Ausschuss hineingekommen und konnte dort konstruktiv mitarbeiten.
Heute debattieren wir den Abschlussbericht dieses Ausschusses. Die Initiative „Mehr Demokratie“, auf deren Betreiben das hamburgische Wahlrecht per Volksentscheid reformiert wurde, hatte uns ein umfassendes Gesetzespaket zur Reform unseres Wahlrechts vorgelegt, das viele Neuerungen wie etwa die Einführung eines Mehrstimmenwahlrechtes und die Einrichtung von Mehrmandatswahlkreisen vorsah. Ich fand es gut und richtig, dass die außerparlamentarischen Aktivitäten in Sachen Wahlrecht in die Bürgerschaft gezogen wurden, und ich finde es auch nicht schädlich, dass die Abgeordneten im Ausschuss und auch die Initiatoren von „Mehr Demokratie“ sozusagen einen Lernprozess durchgemacht haben in Sachen Wahlrecht, speziell in Sachen bremisches Wahlrecht. Die zahlreichen staatsrechtlichen Besonderheiten Bremens wurden uns damit nämlich wieder bewusst oder ins Gedächtnis gerufen. Sie verhindern, dass wir sozusagen das, was in Hamburg per Volksentscheid eingeführt worden ist, hier nach Bremen eins zu eins übertragen können. Das war uns im Ausschuss klar, und das ist auch meine Auffassung.
Wie vertrackt die bremische Rechtslage im Vergleich zur hamburgischen ist, konnte man insbe-sondere daran erkennen, dass sich die beiden vom Ausschuss bestellten Gutachten in zentralen Fragen unterschieden oder sogar widersprachen. Mei-ner Meinung nach wurde den Gutachtern in der Frage einer eventuell gebotenen Anpassung oder Veränderung der Landesverfassung zuwenig Spielraum bei der Interpretation der Vorschläge gelassen. Ich hätte mir da eine etwas offenere Verhaltensweise vorgestellt. Sie erinnern sich, dass ich gleich zu Beginn, als es um den Gutachtenauftrag ging, angeregt hatte, einmal darüber nachzudenken, wie genau man den Gutachtenauftrag formuliert, was man ihm als Vorgabe macht, ob die Landesverfassung wirklich tabu ist. Ich hatte da für eine etwas offenere Verhaltensweise plädiert, aber das war nicht mehrheitsfähig.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf von „Mehr Demokratie“ war in der Tat vor dem Hintergrund der bestehenden Landesverfassung an einigen Punkten so nicht haltbar. Ich möchte kurz auf die beiden wesentlichsten Dinge eingehen. Im Unterschied zu Ihnen bei den Koalitionsfraktionen bin ich der Auffassung, dass es auch bei Geltung der Landesverfassung möglich wäre, die beiden Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven, insbesondere aber Bremen, in Wahlkreise zu unterteilen, in denen dann mehrere Kandidaten oder auch nur ein Kandidat jeweils antreten können, so wie wir das bei den Bun-destagswahlen zum Beispiel kennen.
Der ursprüngliche Entwurf war an dieser Stelle nicht haltbar. Das warf Probleme auf, insbesondere was die Entstehung von Überhangmandaten und die Einhaltung der Fünfprozenthürde in den Wahlbereichen anbetraf. An beiden Stellen hat „Mehr Demokratie“ parallel zu unserer Ausschussarbeit nachgebessert. Bedauerlicherweise wurden diese Vorschläge im Ausschuss allerdings nicht weiter gewürdigt. Ich hätte mir gewünscht, dass man auch noch einmal über diese nachgeschobenen, veränderten Vorschläge nachgedacht hätte.
Ausdrücklich nicht anschließen möchte ich mich der Überzeugung der Koalition, die Landesverfassung habe eine Systementscheidung gegen die weitere Unterteilung der Wahlbereiche in Wahlkreise vorgenommen. Sie folgen hier ganz einseitig der Überzeugung des einen Gutachters, wobei der andere Gutachter und auch weitere Experten wie Professor Ferdinand Kirchhoff hier keine wesentlichen Probleme erkennen konnten.
Es gab auch einen Punkt, an dem sich die Gutachter im Grundsatz einig waren. Zum Beispiel sahen beide bei der Einführung des Mehrstimmenwahlrechts mit Kumulieren und Panaschieren keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Probleme. Das hat Sie in der Koalition jedoch nicht davon abgehalten, leider, wie ich finde, auf diesen Reformvorschlag einzugehen. Ich bin da mit Herrn Dr. Güldner der Auffassung, dass, wenn wir hier konkrete Vorschläge machen, wie wir das ja in unserem Gesetzentwurf tun, wir nur solche Vorschläge machen, mit denen wir auf der ganz sicheren Seite unserer Landesverfassung sind. Nichts anderes machen wir mit unserem Vorschlag.
Dem Wähler sollen nach diesem Vorschlag mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, einzelne Kandidaten mit seiner Wahlentscheidung direkt zu unterstützen. Bremen ist, mit Ausnahme des Saarlandes, darauf ist schon hingewiesen worden, das einzige Bundesland, dessen Landtagswahlrecht jede Form einer Persönlichkeitswahl vermissen lässt. Nach dem geltenden Wahlrecht legen allein die Parteien die Reihenfolge ihrer Kandidaten fest, die durch den Wahlakt nicht mehr verändert werden kann. Mit einer Reform ließen sich die politischen Auswahlmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger erheblich ausbauen.
Zudem würde durch eine derartige Änderung des Wahlrechts für den Wähler die Möglichkeit geschaffen, seine Stimmen über Parteigrenzen hinweg zu verteilen. Gerade in einer Zeit, in der es vielen Bürgerinnen und Bürgern zunehmend schwer fällt, sich mit einer einzigen Partei zu identifizieren und Stammwählerschaften spürbar abnehmen, ist eine solche Reform begrüßenswert. Insbesondere beim Panaschieren lässt sich durch den Wähler auch eine etwaige Koalitionspräferenz ausdrücken. Ob die Wähler und, wenn ja, wie intensiv sie von einer
solchen Möglichkeit Gebrauch machen, das ist völlig offen. Immerhin wird dadurch die Möglichkeit geschaffen. Wie davon Gebrauch gemacht wird, das ist, wie gesagt, völlig offen. Der Stimmzettel würde sicher umfangreicher, und man müsste als Wähler mehr lesen und nachdenken. Das ist dann aber der Preis dafür, dass man den Wählern zusätzliche Möglichkeiten beim Wahlakt einräumt.
Im Ausschuss wurde in diesem Zusammenhang auch über den Einfluss von Kumulieren und Panaschieren auf die Wahlbeteiligung, auf die Fehlerhäufigkeit und auf die Mandatsrelevanz diskutiert und gesprochen. Wir haben auch Erfahrungsberichte angehört. Die vorgetragenen Erfahrungen und Analysen aus anderen Bundesländern waren jedoch nicht so eindeutig und nicht so durchschlagend, dass man darauf verzichten sollte, so etwas in Bremen zu machen.
Es hängt letztlich, glaube ich, von der Gestaltung des Auszählverfahrens ab, wie man mit solchen Stimmabgaben am Ende umgeht. Im gemeinsamen Gesetzesantrag von den Grünen und der FDP wurde deshalb dem Auszählverfahren ein besonderes Augenmerk gewidmet. Wir hoffen, dass wir mit diesem Vorschlag, der sich an das niedersächsische Modell anlehnt, hier eine größere Mandatsrelevanz insgesamt erzeugen können. Die Bedenken, Herr Tschöpe, die Sie hier vorgetragen haben, teile ich so in dieser Form jedenfalls nicht.
Meine Damen und Herren, dass sich SPD und CDU nach den guten Beratungen im Ausschuss und trotz der fachkundigen und konkreten Vorschläge von „Mehr Demokratie“ jeglicher Reform des Wahlrechts verweigern, das finde ich bedauerlich, das müssen wir aber zur Kenntnis nehmen. Ich halte das für die Beteiligten und auch für diejenigen, die sich außerhalb des Parlaments mit der Sache beschäftigt haben, jedoch für äußerst unbefriedigend. Besonders ärgerlich erscheint mir das Aus für das Mehrstimmenwahlrecht, für das Kumulieren und Panaschieren. Ich hoffe, dass wir das über diesen Initiativantrag, der nach seiner Ablehnung in die Volksabstimmung gehen wird, durch die Wählerinnen und Wähler bei der Abstimmung korrigieren können.
Der heute vorgelegte Gesetzesantrag von den Grünen und der FDP greift die überarbeiteten Vorschläge von „Mehr Demokratie“ auf und stellt sie hier heute zur Abstimmung. Nachfolgend, wenn er abgelehnt werden sollte, geht er dann in die Volksabstimmung. Wir haben in unserem Gesetzesantrag darauf verzichtet, für Bremerhaven die Abschaffung der Fünfprozenthürde einzubauen, aus dem gleichen Gedanken, der hier vorhin schon genannt wurde, dahinter stehe ich auch, dass wir vom Ausschuss her nicht die Beiräte und insbesondere Bremerhaven dominieren wollen, wenn sie denn darüber noch keine Meinung abgegeben ha
ben. Die Meinung von den Beiräten, die ich kenne, ist nicht so stringent ablehnend. Von Bremerhaven kenne ich sie noch nicht, meines Wissens beraten die Bremerhavener nächste Woche, aber die Meinung ist dort sicher so, wie Sie das hier gesagt haben, dass die Zustimmungsfähigkeit da nicht sehr groß sein wird.
Gleichwohl bin ich der Meinung, dass wir als Landesgesetzgeber sehr wohl über die Fünfprozenthürde oder deren Abschaffung in Bremerhaven nachdenken können. Das ist Teil des Landeswahlgesetzes und wird da ausdrücklich geregelt. Bei den Beiratswahlen in Bremen gibt es die Regelung nicht. Gut, Beiräte und Stadtverordnetenversammlung sind nicht vergleichbar, deswegen ist das sicherlich ein schräger Vergleich. Die Fünfprozenthürde gibt es dort nicht, aber man kann immerhin darüber nachdenken, dass es diese dort nicht gibt. In vielen Kommunen gibt es die Fünfprozenthürde nicht, selbst im niedersächsischen Umfeld ist die Fünfprozenthürde auf drei Prozent abgesenkt worden, das ist also durchaus gestaltbar.
Zum Gesetzesantrag, der in die Volksabstimmung gehen wird, kann man über die Abschaffung der Fünfprozenthürde noch einmal nachdenken, diese muss da meines Erachtens eingebaut werden. Dann ist auch ein Bezug zu Bremerhaven darin, und damit ist auch die Motivation für die Bremerhavener möglicherweise größer, sich einer solchen Initiative anzuschließen. Wie gesagt, der Landesgesetzgeber kann sehr wohl darüber nachdenken und auch solche Regelungen schaffen. Ich bin der Meinung, dass man diese Regelung für Bremerhaven auch machen sollte.
Zum Schluss: Auch in Hamburg haben sich CDU und SPD einer Reform verweigert, um dann in einer Volksabstimmung zu unterliegen. Wie schon in Hamburg wird es nun ein Volksbegehren, davon gehe ich aus, auch hier in Bremen geben, und das ist es, was mich zum Abschluss versöhnlich stimmt. Ursprünglich war ich ja sehr enttäuscht, dass der Ausschuss mit einem Nullergebnis aus seinen Beratungen kommt. Man kann das aber auch andersherum sehen und sagen, das ist nach diesem Lernprozess der Einstieg in das, was jetzt kommen wird. Das Reformpaket wird zwar hier im Hause möglicherweise abgelehnt werden, aber wir können darauf setzen, dass die Initiative dann dieses Paket nehmen und den Wählern selbst direkt vorlegen wird und die Wähler die Möglichkeit haben, diesem Gesetz zuzustimmen oder auch nicht. Das, denke ich, sollte man zum Schluss noch positiv erwähnen. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren, bevor ich Frau Dr. Hannken von der CDUFraktion das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich eine Gruppe Zuwan
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jetzt möchte ich noch einmal für die CDU-Fraktion Stellung nehmen zur Wahlrechtsreform und zum Bericht des Ausschusses. Ich möchte mich dabei auf den Bereich Kumulieren und Panaschieren konzentrieren. Zum Bereich Einführung von Wahlkreisen ist meines Erachtens bereits alles ausführlich gesagt worden, und in diesem Hause tritt ja auch keiner der hier Beteiligten mehr für die Einführung von Wahlkreisen ein. Auch die Initiative „Mehr Demokratie e. V.“ setzt sich nicht mehr für die Einführung von Wahlkreisen ein, so dass ich diesen Teil jetzt im Moment vernachlässigen kann.
Es geht also um die Frage, ob wir in Bremen zukünftig kumulieren und panaschieren wollen. Das klingt erst einmal sehr hochtrabend. Gemeint ist damit, dass dem Wähler zukünftig bei der Wahl nicht nur eine Stimme überlassen, sondern er fünf Stimmen haben wird und er diese fünf Stimmen über mehrere Parteien verteilen kann oder aber auch einem Abgeordneten fünf Stimmen geben oder diese fünf Stimmen auf mehrere Abgeordnete verteilen kann. Der Wähler hat also mehr Auswahlmöglichkeiten.
Im Gegensatz zu den Kollegen Wedler und Dr. Güldner möchte ich noch einmal klarstellen: Dieses Wahlrecht des Kumulierens und Panaschierens gibt es in keinem einzigen deutschen Bundesland außer Hamburg, und in Hamburg wurde mit diesem Wahlrecht noch nie gewählt. Das muss man schon einmal deutlich sagen: Kumulieren und Panaschieren gibt es nur auf kommunaler Ebene, nicht auf Landtagsebene, Herr Dr. Güldner und Herr Wedler! Das sollten Sie hier auch richtig stellen! Es gibt in anderen Bundesländern regionale Bezüge, die sich allerdings auf Wahlkreise beziehen, und für Wahlkreise haben wir ja nun eindeutig festgestellt, dass es von keiner Fraktion hier verfolgt wird, in Bremen Wahlkreise einzuführen. Wir diskutieren hier also über ein Kommunalwahlrecht, das Sie für einen Landtag einführen möchten, und das sollte man schon so deutlich sagen, weil damit auch Probleme verbunden sind.
Die Frage, ob wir zukünftig ein Kommunalwahlrecht für einen Landtag haben möchten, muss ich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
danach beantworten, ob die Ziele, die „Mehr Demokratie e. V.“, aber auch die Bevölkerung mit einem solchen Wahlrecht verbindet, auch wirklich umgesetzt werden können. Wir machen das Wahlrecht nicht für uns selbst, obwohl der eine oder andere sicherlich den Gedanken dabei hat: Nützt mir das, nützt mir das nicht? Ich glaube, dass sich auch keiner in diesem Haus von dem Gedanken frei machen kann. Die kleinen Parteien werden sicherlich denken: Mensch, Kumulieren und Panaschieren, da fällt vielleicht doch ein Stimmchen für mich ab, für die Grünen vielleicht von der SPD, Herr Wedler, ich weiß nicht, von wem Sie die Stimmen haben wollen.
Die Hoffnung mag sicherlich gegeben sein. Sicherlich ist das eine oder andere Eigenmotiv dabei. Wir sollten uns daher vielleicht damit auseinander setzen, was „Mehr Demokratie e. V.“ damit erreichen will. Was soll denn das Ziel davon sein, dass wir dem Bürger zukünftig fünf Stimmen statt eine geben wollen? Da muss man doch fragen: Kann man damit die Wahlbeteiligung erhöhen? Würde es dazu führen, dass sich mehr Bürger beteiligen, wenn sie eine größere Auswahl haben?
Die Antwort, die wir im Ausschuss von den Vertretern, die mit diesem Wahlrecht wählen, bekommen haben, ist eindeutig: Man kann keine höhere Wahlbeteiligung mit einem anderen Wahlsystem erreichen, im Gegenteil! In den Bundesländern, in denen es eingeführt wurde, ist die Wahlbeteiligung am Anfang sogar teilweise sehr drastisch gesunken, weil die Bürger dieses Wahlsystem noch nicht kannten, und das, obwohl sehr umfangreiche Informationskampagnen, die viel Geld kosteten, durch-geführt wurden. Man muss dazu hier einfach offen sagen: Man kann durch ein anderes Wahlsystem keine höhere Wahlbeteiligung erreichen.
Dann stellen sich die Fragen: Machen die Bürger denn wirklich Gebrauch davon? Wollen sie panaschieren und kumulieren? Wollen sie zukünftig auf einer Liste auswählen, dass nicht mehr nur die Partei, sondern eben auch der Abgeordnete, der von seiner Partei auf Listenplatz 36 gesetzt wurde, wirklich in das Parlament einzieht, oder ist es ihnen letztendlich ein bisschen egal, weil sie vielleicht einen Inhalt, ein Programm wollen? Auch da stellen wir fest: In Städten von der Größenordnung Bremens und Bremerhavens macht noch nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung Gebrauch davon, sondern sie wählt weiterhin die Partei und nicht die Personen. Es machen nur zwischen 25 und 40 Prozent Gebrauch von diesem Wahlrecht. Auch diese Zahlen muss man sich einfach einmal vor Augen führen.
Man muss den Bürgern auch deutlich sagen: Ihr bekommt zukünftig einen Stimmzettel, der diese Ausmaße haben wird. Er wird sehr groß sein, es werden alle Kandidaten, die kandidieren, auf diesem Stimmzettel aufgeführt werden mit Namen, Alter, Beruf und Adresse. Alles steht auf diesem Stimmzettel, und dann haben sie 500, 600 Kandidaten auf einem Stimmzettel und dürfen bei diesen 600 Kandidaten fünf Kreuze machen. Ob das jetzt wirklich so viel mehr Demokratie ist, mag ich einmal in Frage stellen!