Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Dieses Spielchen ist wahrlich auch kein Entlastungsmoment für die Polizei. Deswegen ist diese Maßnahme, wie wir sie hier im Probelauf hatten, durchaus positiver und kann dazu führen, dass wir unabhängig von Statistik, die sicherlich auch wichtig ist – ich habe aber auch über subjektive Eindrücke vorhin berichtet –, davon ausgehen können, dass diese Maßnahme durchaus fruchtbringend ist.

Einen letzten Satz noch zum Verfassungsschutz! Auch da sage ich einmal, ich lese die Berichte des Verfassungsschutzes hier in Bremen, ich lese den gerade wieder vorgelegten Bericht des Bundesverfassungsschutzes. Wer den liest, der muss in der Tat nachdenklich werden und muss überlegen, wie dieser Staat sich wehrhaft dagegen verhält, dass hier diese Auswüchse, die wir ohnehin schon im Lande haben, nun wenigstens im Zaum gehalten und hoffentlich irgendwie auch zurückgedrängt werden.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es ja sehr gut verstehen, dass in Anwesenheit sehr vieler Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten das Thema und meine klaren Worte Ihnen äußerst peinlich sein müssen.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Ihre Worte sind peinlich!)

Das kann ich ja sehr gut verstehen, aber trotzdem sollten Sie doch die demokratischen Gepflogenheiten wahren und mich ausreden lassen. Sie können

ja nachher nach vorn kommen. Das motiviert mich so richtig, wenn Sie schreien, das finde ich immer gut.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Es schreit ja keiner!)

Das macht richtig Spaß! Tatsache ist doch, meine Damen und Herren, dass es trotz Ihrer Selbstbeweihräucherung, wie gut es den Polizeibeamten geht, was Sie angeblich alles für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten so tun, eine grausame Tatsache ist, dass sich die Arbeitsbedingungen, sei es durch unverantwortliche Einsparungen, Weihnachtsgeldkürzungen, Urlaubsgeld, Personalmangel, ich könnte die Giftliste noch stundenlang weiter ausführen, Mangel an oder veraltete Ausrüstung, seit Jahren unverantwortlich verschlechtert haben. Diese Tatsache wollen Sie bewusst, weil Sie in einer Scheinwelt leben, nicht wahrhaben! Meine Damen und Herren, ich kenne aber sehr viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Wissen Sie überhaupt, wie viele Beamte im wahrsten Sinne des Wortes auf Deutsch die Schnauze voll haben? Wissen Sie überhaupt, wie viele Beamtinnen und Beamte aufgrund Ihrer verfehlten Politik demoralisiert und frustriert sind? Nein, das wissen Sie nicht, woher auch! Meine Damen und Herren, wissen Sie überhaupt, wie sich unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten fühlen müssen, unterbezahlt, ohne politischen Rückhalt und unter Lebensgefahr mutig täglich auf Grundlage Ihrer Politik gegen Windmühlen ankämpfen zu müssen? Fragen Sie doch zum Beispiel auch einmal die Anwohner in Bremen-Huchting oder in dementsprechenden Ortsteilen in Bremerhaven oder Bremen! Die werden Ihnen meine Aussage zu 100 Prozent bestätigen können, aber dahin trauen Sie sich ja nicht!

(Abg. K l e e n [SPD]: Das stimmt nicht!)

Sie sollten darum hier und heute nicht eine solche Scheindiskussion über Videoüberwachung führen, sondern Sie sollten schnellstens zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger die unerträglichen und unverantwortlichen Einsparungsorgien bei der Polizei verhindern und schleunigst beenden. Meine Damen und Herren, die Bürger brauchen keine vermehrte Videoüberwachung, sondern unsere Bürger brauchen verstärkt und vermehrt Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vor Ort mit uneingeschränkt geöffneten Polizeirevieren und nichts anderes. Darüber sollten Sie sich einmal im Interesse der Bürger vorrangig Gedanken machen, als dementsprechende Anträge einzubringen und hier und heute eine solch scheinheilige und nichts bringende Debatte über Videoüberwachung zu führen! Das wäre im Interesse der Bürgerinnen und der Beamten viel sinnvoller und zweckmäßiger. Sie mögen vielleicht die Sorgen und Nöte der vor kurzem hier zu Tausenden zu Recht demonstrieren

den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vergessen haben. Diese beeindruckende Demonstration jedenfalls wird die Deutsche Volksunion nicht vergessen. Wir haben uns schon immer seit Jahrzehnten vehement für die Interessen der inneren Sicherheit, der Bürger und der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eingesetzt. Das ist keine Drohung, das werden wir auch weiter machen, sondern das ist ein Versprechen.

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Wedler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir über das Polizeigesetz und dieses Sicherheitspaket diskutieren, dann muss man auch sehen, dass wir nicht, wie das häufig gesehen wird, Regelungsdefizite haben, sondern wir haben häufig Vollzugsdefizite bei der Anwendung des Gesetzes. Ich glaube, im Polizeibereich ist das auch ein markanter Punkt, dass man sagt, wir haben da schon jetzt viele Möglichkeiten im Gesetz, die müssen genutzt werden und auch genutzt werden können. Das heißt, die Technik, die Einrichtungen und die Möglichkeiten, die die Polizei hat, müssen entsprechend ausgerichtet sein.

Ziel der gesamten Aktivitäten, die man in diesem Zusammenhang entfaltet, denke ich, ist, dass sich die Bürger in unserem Land tatsächlich wieder sicher fühlen können, denn nur wer ohne Angst vor Verbrechen leben kann, kann sich auch frei bewegen. Insofern ist natürlich die Freiheit die Voraussetzung für mehr Lebensqualität in unserem Land. Wer allerdings glaubt, mit dem Gesetz zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes, und damit möchte ich mich jetzt zunächst beschäftigen, sei eine wesentliche Verbesserung der polizeilichen Arbeit zu erreichen, dem muss man ein wenig Wasser in den Wein gießen. Das möchte ich an einigen Punkten hier einmal aufzeigen.

Zunächst das Thema Kontrollstellen, das im Paragraphen 13 Absatz 5 geregelt wird! Sie beabsichtigen hier eine Ausweitung des Straftatenkatalogs. Früher knüpfte sich die Berechtigung zur Einrichtung von Kontrollstellen, also von den Gefahrenorten, nur an ganz wenige gemeingefährliche Straftaten. Jetzt soll es ein umfangreicher Straftatenkatalog werden, Straftaten von erheblicher Bedeutung in organisierter Form. Dies führt dazu, dass jetzt praktisch jede Person an diesen Kontrollstellen, und zwar unabhängig vom konkreten Vorliegen eines Verdachts, kontrolliert werden kann. Früher gab es einen Zurechnungszusammenhang. Man konnte sagen, es herrscht eine Notsituation vor, dann musste sich jeder an dieser Stelle kontrollieren lassen. An der Diskomeile haben wir das ja gesehen, das war sozusagen ein Notfall, ein Anlass, und da konnte das dann auch gemacht werden.

Die Straftaten, die jetzt die Einrichtung von Kontrollstellen erlauben, induzieren mehr als eine Notsituation des gesamten Staates wie bei Terrorangriffen oder Mordaktivitäten. Es sind gewöhnlichere Straftaten, wenn auch schwere Kriminalität. Wenn man diesen Rechtskreis so regeln will, dann bedarf es einer inhaltlichen rechtlichen Begründung, weshalb sich jemand kontrollieren lassen muss. In dem Gesetz wird die bisherige Praxis so ausgeweitet, dass nun jeder Bürger, der in diesem Bereich angetroffen wird, zur Strafverfolgung beitragen und Kontrollen über sich ergehen lassen muss. Kontrolle heißt hier: angehalten werden, befragt werden, Ausweispapiere aushändigen und mitgeführte Sachen prüfen lassen und im Extrem dann auch, wenn kein Ausweis da ist, mit zur Wache laufen. Das entspricht weder der bisherigen Dogmatik noch einem liberalen Grundverständnis.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Berücksichtigung der Anforderung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung, im Paragraphen 33 des Gesetzes geregelt! Zwar begrüße ich ausdrücklich die aufgenommene Regelung, dass Aufzeichnungen über Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, unverzüglich zu löschen sind, doch der Gesetzentwurf übernimmt weder die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte regelmäßig anzustellende Vermutung einer Kernbereichsrelevanz bei Gesprächen unter Familienangehörigen noch die regelmäßige Vermutung, dass Gespräche in Privatwohnungen grundsätzlich dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind.

Was passiert eigentlich bei abgehörten Gesprächen in fremder und nicht in des Straftäters eigener Wohnung? Der grundsätzlich richtige Ansatz dieser Vorschrift sollte also näher konkretisiert werden, um den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerecht zu werden, für die auch meine Parteifreunde Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum in Karlsruhe gestritten und sich eingesetzt haben. Offenbar ist der Erarbeiter dieser Regelung nicht in der Lage, die unbestimmten Rechtsbegriffe Kernbereich privater Lebensführung mit Inhalt zu füllen, und schiebt damit den Gerichten die weitere Klärung dieser Frage zu.

Schließlich haben wir in der FDP auch große Bedenken, was den Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte betrifft, im Paragraphen 29 Absatz 6 ist das geregelt. Sie wollen, dass zukünftig jedes Fahrzeug erfasst werden kann und die Daten direkt, das heißt über Funk oder über Leitung, an einen Zentralcomputer weitergeleitet werden oder, wie es im Gesetz heißt, ein sofortiger automatisierter Abgleich mit dem kriminalpolizeilichen Fahndungsbestand vorgenommen wird. Der zentrale Rechner soll dabei überprüfen, ob das Fahrzeug oder der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit etwaigen Verbrechen gesucht wird.

Wenn jemand weiß, was Inhalt dieses kriminalpolizeilichen Fahndungsdatenbestandes ist, wird er

große Zweifel bekommen, wenn er diese Möglichkeit eröffnet, denn in diesem Fahndungsbestand sind nach meinem Wissen und nach meiner Kenntnis nicht nur gesuchte Straftäter, gesuchte Fahrzeuge oder gestohlene Kennzeichen, sondern darin sind zum Beispiel auch entlaufene Fürsorgezöglinge oder gesuchte Zeugen, denen man überhaupt nichts vorwerfen kann. Das ist ein sehr umfassender Datenbestand, der hier zugrunde gelegt wird. Darauf sollten Sie noch einmal näher schauen, wenn Sie hier solche weitgehenden Möglichkeiten zulassen.

Wir von der FDP sind äußerst skeptisch, ob diese umfangreiche Erfassung und Nutzung von Daten unabhängig von einem konkreten Verdacht zulässig ist. Jeder Verarbeitungsprozess auf den beteiligten Rechnern wird aus Sicherheits- und Datenschutzgründen datenmäßig protokolliert und steht damit grundsätzlich für weitere Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung.

Meine Damen und Herren in den Koalitionsfraktionen, es ist abzusehen, dass für die Behörden mit den neuen Vorschriften die Arbeit an diesen neuen Regelungen außerordentlich schwierig wird. Deshalb schlagen wir vor, dass Sie eine sorgfältige und ergebnisoffene Analyse der neuen Möglichkeiten in diesem geänderten Polizeigesetz später vornehmen und hier mit einem Bericht dann vielleicht auch unterlegen werden, damit man über die Wirksamkeit und die Erfahrung mit diesen neuen Instrumenten sich Gedanken machen kann.

Noch einige Anmerkungen zum Erfahrungsbericht des Innensenators über die Videoüberwachung öffentlicher Räume! Wir haben es hier ja mit einem polizeilichen Instrument zu tun, das bereits rechtlich im Paragraphen 29 geregelt ist, das nicht neu ist. Jetzt bekommen wir aber erstmalig an einem konkreten Beispiel einen Erfahrungsbericht. Das ist gut so, zumal auch das Polizeigesetz zur regelmäßigen Überprüfung einer solchen Maßnahme verpflichtet. Ich finde, der Senat hat uns einen gründlichen und sehr abgewogenen Erfahrungsbericht vorgelegt, dem ich durchaus zustimmen kann.

Die vorgelegte Statistik ist zunächst einmal beeindruckend, da sie anschaulich eine Reduzierung der Kriminalität aufweist, doch wie im Erfahrungsbericht zu lesen ist, gibt diese Statistik keine Auskunft darüber, wie viele der auf dem Bahnhofsvorplatz registrierten Straftaten innerhalb oder außerhalb des Kamerasichtfeldes verübt wurden. Es kann also nicht die Vermutung widerlegt werden, dass sich die Straftaten tatsächlich nur verlagert haben und nicht, wie vom Senator geplant oder vielleicht auch erhofft, tatsächlich auch verringert haben. Die Frage, ob sich mit einer Videoüberwachung tatsächlich die Kriminalität reduzieren lässt, ist damit also noch lange nicht beantwortet.

Die FDP hat zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze stets nicht etwa eine grundsätzlich ablehnende

Position vertreten, sondern schon immer eine differenzierte Meinung gehabt. Bahnhöfe gehören zweifelsohne zu den besonders gefährdeten Objekten und Bereichen. Das gilt in Bezug auf Anschläge genauso wie auch hinsichtlich sonstiger Kriminalität wie Taschendiebstähle und auch Drogendelikte. Deshalb ist die Videoüberwachung von Bahnhöfen auch längst Alltagspraxis. Ähnliche Überlegungen kann man auch für die Bahnhofsvorplätze anstellen. Wir von der FDP können die Fortsetzung der Videoüberwachung auf dem Bahnhofsvorplatz hier in Bremen also durchaus akzeptieren, allerdings nur unter den im Bericht genannten Modalitäten, was die polizeilichen Begleitarbeiten betrifft, und bei regelmäßiger Überprüfung der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme. Bei der Ausweitung dieser Technik muss man auch über die Grenzen der Videoüberwachung in einem Rechtsstaat nachdenken.

Die FDP hat sich stets gegen eine flächendeckende Videoüberwachung ausgesprochen und tut es auch weiterhin. Ein übertriebener Einsatz dieser Technik ist für uns in einem liberalen und freien Rechtsstaat nicht vorstellbar. Deswegen ist es der richtige Weg, der auch in dem Erfahrungsbericht zum Ausdruck kommt, diejenigen öffentlichen Plätze, bei denen wegen einer besonderen Gefährdungslage oder besonderer Häufung von Straftaten eine Videoüberwachung in Betracht kommt, sorgfältig auszuwählen. Die Bedingungen an den einzelnen Plätzen sind nicht identisch und auch nicht ohne Weiteres mit Bahnhöfen oder Bahnhofsvorplätzen zu vergleichen. Ob also auf der Bremer Diskomeile oder an der Sielwall-Kreuzung das polizeiliche Instrument der Videoüberwachung eingesetzt wird, muss sorgfältig überlegt werden. Bei einer Videoüberwachung der Sielwall-Kreuzung zum Beispiel vertritt meine Partei die Auffassung, dass der Drogenhandel an dieser Stelle, und nur darum geht es hier, eher verdrängt wird und eben wieder in den Nebenstraßen verschwindet. In einem Wohnviertel wie dem Ostertor-/Steintorquartier wäre es aber für alle Beteiligten eine Katastrophe.

Gestützt auch auf den Erfahrungsbericht möchte ich festhalten, dass man mit Videoüberwachung allein die Kriminalität nicht in den Griff bekommen wird. Videoüberwachung ist kein Allheilmittel, ist lediglich ein Hilfsmittel, sie kann die polizeiliche Arbeit unterstützen, aber nie die polizeiliche Präsenz ersetzen. Nur die verstärkte Polizeipräsenz vor Ort stärkt das objektive und subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger und ist zugleich auch eine effektive Methode, der Kriminalität entgegenzutreten.

(Glocke)

Das sage ich bewusst auch vor dem Hintergrund des neuen Polizeikonzeptes hier in Bremen. Ich werde also, und damit komme ich zum Schluss, dem Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes nicht zustimmen. Den Erfahrungsbericht, der die Videoüberwachung betrifft, nehme ich gern zur Kenntnis. – Vielen Dank!

Das Wort hat Herr Staatsrat Dr. vom Bruch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst bin ich Ihnen sehr dankbar dafür, dass das so genannte Sicherheitspaket hier im Zusammenhang diskutiert wird, macht es doch deutlich, dass Sicherheit ein ganzheitlicher Begriff ist, er umfasst Phänomene der Alltagskriminalität genauso wie Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus. Zur Novellierung stehen im Kern an das Verfassungsschutzgesetz und das Polizeigesetz, und schließlich gehören im weiteren Sinne auch das Gesetz über die öffentliche Ordnung beziehungsweise das Gesetz zur Rechtsetzungsbefugnis dazu. Einzubeziehen ist noch der Bericht über die Videoüberwachung auf dem Bahnhofsplatz.

Meine Damen und Herren, die große Koalition macht ganz deutlich, dass wir Tendenzen, die die Sicherheit beeinträchtigen, weder im Kleinen noch im Großen dulden werden.

(Beifall bei der CDU)

Bremen ist kein weißer Fleck im Feld der Kriminalität, deshalb darf es auch keine weißen Flecken in den Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung gerade dieser Kriminalität geben. Die Gesetze sind dabei für die Vollzugsorgane wie Handwerkszeug. Sie müssen deshalb situations- und bedrohungsangemessen und gleichzeitig handhabbar und anwendbar sein. Dies bedeutet auch, dass sie Rechtssicherheit für Anwender und Betroffene und eine angemessene Kontrollierbarkeit beinhalten müssen. Es geht aber schlussendlich im Kern um die Frage, wie wirkungsvoll und effektiv staatliche Organe für die innere Sicherheit wirken können. Dies entscheidet sich auch auf dem Feld der rechtlichen Möglichkeiten. Innere Sicherheit ist damit nicht nur – auch, und darauf ist zu Recht hingewiesen worden – von Ressourcen und Qualifikation der handelnden Personen abhängig, sondern auch von der Angemessenheit der rechtlichen Grundsätze.

Am Beispiel der Videoüberwachung auf dem Bahnhofsvorplatz lassen sich meine grundsätzlichen Äußerungen beispielhaft belegen. Einerseits haben wir der Polizei ein effektives Mittel zur Bekämpfung und zum Schutz vor bestimmten Formen der Kriminalität an die Hand gegeben. Andererseits zeigt sich doch in dieser Debatte, dass wir es mit der Kontrollierbarkeit und der Transparenz ernst nehmen. Wir haben erreicht, dass die Gesamtkriminalität auf dem Bahnhofsvorplatz gesunken ist. Wir haben erreicht, dass Raubkriminalität, Delikte gegen das Betäubungsmittelgesetz und gefährliche und schwere Körperverletzungen zurückgegangen sind. Wir haben erreicht, dass eine Reihe von Straftaten zeitnah aufgeklärt werden konnte. Wir haben erreicht, dass der Bahnhofsvorplatz nicht mehr als Angstort mit bedrohlichem Charakter wahrgenommen wird.

Wir haben bestätigt bekommen, dass Videoüberwachung an bestimmten Orten, eingebunden in ein polizeiliches Gesamtkonzept, eine Maßnahme sein kann, die die Sicherheit und die Aufenthaltsqualität an bestimmten Orten verbessern helfen kann. Videoüberwachung ist für uns ein inzwischen bewährtes Mittel mit präventiver und repressiver Wirkung und Bedeutung.

Herr Dr. Güldner, wenn Sie hier zur Sprache bringen, dass die Zahl der einfachen Körperverletzungen zum Beispiel dadurch nicht gesenkt werden konnte, dann hat das einen einfachen Grund. Die Delikte, die ich nannte, sind alles Delikte, die in einer geplanten Art und Weise begangen werden, während sich einfache Körperverletzungen meist situationsbezogen in einer bestimmten sozialen Situation entwickeln, und deshalb ist dies kein Befund, der auch nur ansatzweise gegen das Instrument der Videoüberwachung spricht.

Eine Maßnahme wie die Videoüberwachung, darauf hat Herr Wedler zu Recht hingewiesen, ist kein Allheilmittel, es kommt auf den Gesamtkanon polizeilicher Mittel an. Genau den wollen wir mit der anstehenden Novellierung des Polizeigesetzes konsequent, aber mit Augenmaß weiterentwickeln. Dazu gehört notwendig die so genannte verdachtsunabhängige Kontrolle. Gerade die Vorfälle an der so genannten Diskomeile haben eindrucksvoll belegt, es kann doch nicht sein, dass am Ort des Geschehens Kontrollen durchgeführt werden dürfen, an anderen Orten aber nicht. Gerade in solchen Lagen und im Sinne von gefahrenabwehrender Prävention müssen solche Kontrollen auch in anderen Teilen der Stadt oder auf den Autobahnen möglich sein, wie dies im Übrigen in anderen Bundesländern längst der Fall ist.

Darüber hinaus muss es auch gefahrenabwehrend bei bestimmten schweren Straftaten gegen Leib und Leben möglich sein, Mittel der akustischen Raumüberwachung einzusetzen. Opferschutz muss vor Täterschutz gehen. Darum kann es auch nicht sein, dass ein Haus plötzlich zum Großteil aus Schlaf- oder Baderäumen besteht und entsprechende Maßnahmen unterbrochen werden müssen, ohne dass man weiß, wann sie wieder eingeschaltet werden dürfen.

Die rechtliche Konditionierung dieser Möglichkeit im Polizeirecht suchen wir deshalb auf anderen Wegen. Unterschiedlich ausgestaltet sind dies zum Beispiel Richtervorbehalte, Verwertungsverbote, Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen, Begrenzungen auf sehr bestimmte Verdachtslagen und andere umfangreiche Restriktionen, Berichtspflichten und Datenschutzbestimmungen.

Meine Damen und Herren, das Polizeirecht soll auch dazu dienen, eine annähernde Waffengleichheit zwischen Kriminellen und der Polizei herzustellen. Es ist darum notwendig, auch für neue technische Möglichkeiten rechtliche Grundlagen zu schaffen und für ihre

Möglichkeiten offen zu sein. Dazu gehört zum Beispiel die so genannte Distanz-Elektroimpulswaffe, hier auch genannt Taser, gegen Menschen mit erheblichem Aggressionspotential. Übrigens nicht nur im Interesse der Polizei, sondern auch im Interesse der Betroffenen! Sie kommen, angewandt nur durch Spezialeinheiten, dann zum Einsatz, wenn ansonsten eventuell Schusswaffen eingesetzt werden müssten.

Herr Dr. Güldner, ich möchte auch noch anmerken, dass mit dieser rechtlichen Grundlage die Einführung dieser Waffe noch nicht abschließend verfügt ist. Es bedarf des Erlasses unseres Hauses, dass diese Waffen eingeführt werden, und insofern haben Sie auch im Rahmen der Deputation noch alle Gelegenheiten, sich darüber zu informieren und Ihre Meinung zu bekunden.

Eine weitere effektive technische Fahndungsmöglichkeit ist der Einsatz von automatischen Kennzeichenlesegeräten. Hier ist nicht etwa dauerhaft und verdachtslos, Herr Wedler, die Aufzeichnung von Bewegungen mit Kraftfahrzeugen beabsichtigt. Hier ist der Abgleich von Fahrzeugen mit einem aktuellen Fahndungsbestand zur Vorbereitung von Anhaltekontrollen gemeint. Gesuchte Kraftfahrzeuge und Kennzeichen und damit verbundene Personen können so schnell und effektiv erkannt werden.

Meine Damen und Herren, wenn man sich einige Reden anhört, bekommt man den Eindruck, dass der 11. September und zum Beispiel die Anschläge in Madrid oder London weit und lange her sind. Tatsächlich ist Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sehr gegenwärtig, und ich möchte daran erinnern, dass auch deutsche Staatsbürger bereits Opfer dieser globalen Bedrohung geworden sind. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes notwendig und dringend geboten. Positiv formuliert könnte man sagen, das Verfassungsschutzgesetz begeht in diesem Jahr seinen fünfundzwanzigjährigen Geburtstag. Etwas nüchterner ausgedrückt muss man sagen, es ist bereits ein Vierteljahrhundert alt.

Hieraus ergeben sich bereits erste evidente Konsequenzen. Das Gesetz beinhaltet Mittel und Methoden zur Bekämpfung und zur Aufklärung von Tendenzen des Rechts- und des Linksextremismus und der Spionage, wird aber den aktuellen Erfordernissen zur Bekämpfung des bereits erwähnten Terrorismus und Extremismus durch insbesondere islamistische Extremisten nicht mehr gerecht. Es werden im Übrigen auch keine großen Neuigkeiten damit in Landesrecht überführt. Viele Regelungen finden sich in den Verfassungsschutzgesetzen der Länder und des Bundes und in den so genannten Terrorismusbekämpfungsgesetzen längst wieder.

Für eine effektivere Arbeit wird immer wieder zu Recht die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes angemahnt, dafür ist aber eine angemessene Gleichheit der Mittel