Bericht und Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses zur Haushaltsrechnung der Freien Hansestadt Bremen (Land) für das Jahr 2003 (Mitteilung des Senats vom 22. Dezember 2004 – Drs. 16/492) und zum Jahresbericht 2005 des Rechnungshofs vom 14. März 2005 (Drs. 16/569) vom 23. Januar 2006
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute den Jahresbericht des Rechnungshofs von 2005. Bevor ich jedoch auf den Bericht eingehe, möchte ich an dieser Stelle im Namen des Ausschusses den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofs für ihre umfangreiche und hochkompetente Arbeit danken. Ebenso möchte ich mich bei allen Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses für die kollegiale Zusammenarbeit bedanken.
Doch jetzt zum Bericht! Ein wesentlicher Bestandteil ist eine umfangreiche Analyse des Verlaufs der Sanierungsmaßnahmen des Landes Bremen seit 1992. Bremen strebte zu Beginn der Sanierungszahlungen für 2005 einen sanierten und im weiteren Verlauf einen verfassungskonformen Haushalt an, in dem die Ausgaben aus eigenen Einnahmen ohne Kredite überwiegend gedeckt werden sollten. Auch ein Ziel der Sanierung Bremens ist es und war es, durch die Eigenleistung Bremens eine Entlastung bei den so genannten Geberländern zu bewirken.
Jedoch folgende Zielvorstellungen sind nicht erreicht worden: Die Zinssteuerquote hat sich nur unwesentlich verbessert, der Schuldenberg ist höher als zu Beginn der Sanierungsperiode, das konsumtive Defizit übersteigt das der Vorsanierungszeit, die Einwohnerentwicklung Bremens gestaltete sich nicht entsprechend, und das Bruttoinlandsprodukt hat sich im Vergleich zum Durchschnitt der alten Bundesländer weniger gut entwickelt. Trotz der Hilfen des Bundes ist die Befreiung des Landes Bremen aus der extremen Haushaltsnotlage nicht gelungen.
Der Rechnungsprüfungsausschuss teilt die Feststellung des Rechnungshofs, dass die Lage Bremens auch weiterhin als extrem notleidend bezeichnet werden kann. Bremen hat die im Finanzausgleichsgesetz geregelten Bedingungen für die Verwendung der Sanierungsbeiträge sowie die Vorgaben des Finanzplanungsrats uneingeschränkt eingehalten.
Die unbefriedigenden Sanierungsergebnisse, insbesondere die der haushaltspolitischen Ziele, sind in erster Linie auf wirtschaftliche Entwicklung und die daraus resultierenden massiven Steuermindereinnahmen gegenüber den Erwartungen zurückzuführen. Die Steuereinnahmen Bremens entwickelten sich völlig anders als zu Beginn der Sanierung unterstellt und anders, als in der Sanierungsvereinbarung mit dem Bund einvernehmlich zugrunde gelegt wurde.
Das Sanierungsprogramm unterstellte eine jährliche Steigerung der Steuereinnahmen, Bundesergänzungszuweisungen und Finanzausgleichszahlungen von 6,4 Prozent bis 1996 und von fünf Prozent ab 1997. Tatsächlich sanken die Einnahmen gegenüber 1993 um sieben Prozent. Die Ursachen hierfür liegen vor allem in den nachhaltig veränderten und von Bremen kaum beeinflussbaren Rahmenbedingungen. Von der Erosion der Steuerbasis waren und sind alle Bundesländer betroffen.
Der Schuldenstand ist im selben Zeitraum, statt auf 5,3 Milliarden Euro bis 2002 zu sinken, bis dahin auf 10,6 Milliarden Euro gestiegen. Mittlerweile beträgt er an die 13 Milliarden Euro, ausgeschrieben 12,2 Milliarden Euro. Dieser Schuldenberg ist eine schwere Hypothek auf die Zukunft unseres Landes. Nach den Feststellungen des Rechnungshofs genügen derzeit
und am Ende des Sanierungszeitraums nicht einmal optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Wachstum des Bundesinlandsprodukts von jährlich 2,1 Prozent oder gar 3,1 Prozent bei einer Rückführung der Nettoneuverschuldung bis 2010 auf dann 500 Millionen Euro jährlich, um überhaupt einen verfassungskonformen, geschweige denn einen sanierten Haushalt zu bekommen. Die daraus resultierende Zinslast wird weiter wachsen und den ohnehin schon engen finanziellen Gestaltungsspielraum weiter einengen. Ohne weitere externe Hilfen wird sich die Zinslast Bremens weiter dramatisch steigern und alle Konsolidierungsanstrengungen der zurückliegenden Jahre zunichte machen.
Unser Problem ist die ungerechte Verteilung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Vor diesem Hintergrund geht die von Bürgermeister Böhrnsen dargestellte Bremer Strategie mit seinen drei Bestandteilen Eigenanstrengung, Klage und Verhandlung genau in die richtige Richtung.
Über Verhandlungen im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform muss es uns gelingen, die Mechanismen des föderalen Finanzsystems so zu ändern, dass das erwirtschaftete Steueraufkommen in höherem Umfang im Land verbleibt und wirtschaftspolitische Anstrengungen auch honoriert werden.
Gerade vor dem Hintergrund der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sind die Eigenanstrengungen Bremens besonders hervorzuheben.
Der Rechnungsprüfungsausschuss unterstreicht deshalb noch einmal ausdrücklich die Forderung des Rechnungshofs aus der Ziffer 196 des Berichts, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:
„Eine Aufgabenkritik muss auch mit Hilfe von Benchmark-Untersuchungen nicht nur geübt, sondern daraus gewonnene Erkenntnisse müssen auch konsequent in die Tat umgesetzt werden. Effektivität und Effizienz in der Verwaltung einschließlich der ausgegliederten Bereiche müssen weiter gesteigert werden. Dies schließt in der Folge weitere Einsparungen bei den konsumtiven Personal- und Sachausgaben ein. Investitionen müssen in einer angemessenen Korrelation zum Verschuldungsgrad und zum Zinsaufwand stehen, Wirtschaftskraft stärkende Investitionen müssen in jedem Fall vor ihrer Umsetzung einer realistischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung standhalten können.“
Außerdem betont der Rechnungshof, dass ein anhaltendes komplettes Ausnutzen der Kreditbeschaffungsgrenze des Artikels 131 a der Landesverfassung, also die regelmäßige Finanzierung aller Investitionen aus Krediten, die Handlungsfähigkeit des Gemein
wesens untergräbt. Um dies zu verhindern, ist aber die Erreichung eines verfassungskonformen Haushalts Voraussetzung. Als Land in extremer Haushaltsnotlage sind wir von diesem Wunschdenken, das muss man leider ehrlicherweise so sagen, noch weit entfernt. Aber in der Auseinandersetzung mit dem Bund und den anderen Bundesländern spielt deshalb die hohe Bremer Investitionsquote eine große Rolle. Dies hat auch der Rechnungsprüfungsausschuss festgestellt.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen mittels eines Zitats des Ökonomen Paul Romer zur neuen Wachstumstheorie, „dass in modernen Volkswirtschaften die Fähigkeiten und Kompetenzen der Erwerbstätigen, das Humankapital, den entscheidenden Beitrag zur Sicherung und Mehrung von Wohlstand leisten“.
Ich hoffe, dass diese Feststellung auch bei den vor uns liegenden Haushaltsberatungen von allen Fraktionen entsprechend berücksichtigt wird. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Es wäre ganz nett, wenn wir hier vorn die Wortmeldungen der Abgeordneten rechtzeitig und sichtbar aufnehmen könnten. Bitte, Herr Kollege Köhler!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns hier heute mit einem Bericht aus dem letzten Jahr über die Rechnungsprüfung des Jahres 2003. Das ist schon eine ganze Weile her. Das liegt nicht daran, dass wir das so lange haben liegen lassen, sondern es liegt daran, dass es eine Weile dauert, bis die verschiedenen Gremien in der Lage sind, Konsequenzen aus Fehlern der Vergangenheit zu ziehen. Das ist, glaube ich, das Wesentliche bei der Rechnungsprüfung: Konsequenzen aus Fehlern zu ziehen, am konkreten Missstand, den der Rechnungshof auf
Konsequenzen aus Fehlern zu ziehen setzt voraus, dass man bereit ist, sie einzugestehen und die Fakten anzuerkennen. Der Rechnungshof ist eine neutrale Instanz, sehr ähnlich aufgebaut wie ein Gericht. Der Rechnungshof arbeitet objektiv, und deshalb ist es so wertvoll, sich mit dem zu beschäftigen, was er in seinen Berichten schreibt.
Es lohnt sich wirklich, den Bericht des Rechnungshofs nachzulesen, er ist über die Seite www.bremen.de unter dem Suchwort Rechnungshof leicht zu finden, sowohl der aktuelle Bericht, der gestern vorgestellt worden ist, als auch der aus dem Jahr 2005, den wir jetzt diskutieren.
Der Rechnungshof hat sich im letzten Bericht sehr ausgiebig mit dem Verlauf der Sanierung des Landes Bremen beschäftigt. Die Grünen unterstützen es sehr, dass er den Versuch unternommen hat, eine sachliche, nicht in irgendeiner Art und Weise parteipolitisch gefärbte, wirklich neutrale Darstellung der Sachlage vorzulegen. Aus unserer Sicht ist der Versuch gut gelungen.
Wenn ich hier sage, dass das die Position der Grünen ist, dann muss ich gleichzeitig sagen, dass ich wirklich sehr verwundert bin, weshalb die große Koalition nicht in der Lage war, diese Position im Rechnungsprüfungsausschuss zu teilen. Wir als Opposition haben versucht, der Koalition eine Brücke zu bauen, eine Brücke, die ausnahmsweise einmal nichts kostet. Wir haben einen Antrag eingebracht, der in seinen Formulierungen so vorsichtig und so zurückhaltend ist, dass ein Außenstehender wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass das der Antrag der Opposition ist und nicht der Antrag der Regierungsfraktionen. Wir haben gesagt, wir stellen die parteipolitische Auseinandersetzung zurück und ermöglichen der Koalition, ohne Gesichtsverlust mit den Fakten umzugehen, die der Rechnungshof so objektiv aufgeschrieben hat.
Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten aus unserem Antrag zitieren: „Der Rechnungsprüfungsausschuss schließt sich der Sachdarstellung des Rechnungshofs über Voraussetzungen, Bedingungen und die Durchführung des Bremer Sanierungsprogramms an. Das bedeutet insbesondere die Feststellung, dass im Sanierungszeitraum das Bruttoinlandsprodukt in Bremen geringer gestiegen ist als im Durchschnitt der alten Bundesländer. Im Bereich der Einwohner hat
Bremen einen Verlust erlitten, ebenso wie bei dem Anteil Erwerbstätiger an der Gesamtbevölkerung, wenn auch mit besseren Werten zum Ende des Sanierungszeitraums hin. Der Schuldenstand ist auf einen Wert von 12,2 Milliarden Euro bis 2004 gestiegen.“
Das ist doch wirklich nichts anderes als eine harmlose Darstellung der Fakten. Mir ist völlig unklar, mit welchen Argumenten man diese Fakten bestreiten will. Aber die Koalition konnte sich nicht dazu durchringen, diese Fakten als gemeinsame Grundlage der weiteren Auseinandersetzung zu akzeptieren.
Sie haben in Ihrem Antrag gesagt, Sie nehmen zur Kenntnis, dass der Rechnungshof in einer von anderen Berichten abweichenden Form die Stellungnahme der Finanzverwaltung kommentiert hat und sich daraus unterschiedliche Auffassungen zu Rechts- und Bewertungsfragen ergeben. Die Darstellung des Rechnungshofs wollen Sie einfach nur zur Kenntnis nehmen, so als ob das irgendeine beliebige Position wäre unter verschiedenen anderen möglichen.
Die Fakten sind in der Tat erschütternd. Trotz 8,5 Milliarden Euro Sanierungszahlungen des Bundes ist es in Bremen noch nicht einmal gelungen, bei der Wirtschaftskraft den Anschluss an die anderen alten Bundesländer wiederzugewinnen. Es wird manchmal von der Koalition der Eindruck erweckt, dass leider bei der Sanierung des Staatshaushalts etwas nicht geklappt hätte, was auch unübersehbar ist, aber dass sich auf der anderen Seite die wirtschaftliche Entwicklung in Bremen verbessert hätte. Wenn wir aber auf die objektiven Zahlen schauen, stellen wir fest, dass sich die Lage Bremens im Vergleich zu den alten Ländern eben nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.
Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Rechnungshofbericht: „Das Bruttoinlandsprodukt aller alten Bundesländer ist deutlicher als in Bremen gestiegen. In Bremen hat sich somit der bei Beginn der Sanierungszahlungen bestehende Abstand gegenüber der Gesamtheit der alten Bundesländer nicht nur nicht verringert, sondern noch vergrößert.“
Ein weiteres Zitat: „Die von Bremen abweichende Sanierungsstrategie des Saarlandes, die in der ersten Phase zugunsten der Entschuldung auf eine massive Ausweitung der Investitionstätigkeit verzichtete, hat sich bisher nicht nachteilig auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt.“ Fakten, Fakten, Fakten!