Protokoll der Sitzung vom 22.03.2006

Herr Köhler, es ist schlichtweg falsch, wenn Sie wieder hier stehen und behaupten, es war beabsichtigt, die Finanzierung der Investitionen, die mit dem Bund allesamt abgesprochen waren, das Programm und auch die einzelnen Investitionen, die Finanzierung dieser Investitionen aus Schuldentilgungen zu leisten. Wie bitte sehr hätte das funktionieren sollen, dass wir von einem Tag auf den anderen aus einer extremen Haushaltsnotlage herauskommen und in der Lage wären, aus Schuldentilgung, den Zinsen, diese Zahlung zu leisten!

Das war nie so gedacht, sondern diese Investitionsausgaben sind immer berechnet worden auf einen unterstellten Zinssatz, angenommen waren damals 6,5 Prozent, das war in der Hochzinsphase, auf die geleisteten Sanierungszahlungen des Bundes. Da gab

es die Option, die Zinsersparnisse, die wir durch diese Zahlungen bekommen, das heißt dadurch, dass wir in dieser Höhe uns nicht selbst verschulden müssen, diese zur weiteren Schuldentilgung oder für Investitionsmaßnahmen einzusetzen. Bremen hat sich in der ersten Sanierungsphase bewusst entschieden, diese für Investitionen zu nutzen. Wir haben andere Ausgangsvoraussetzungen gehabt, was die Wirtschaftsstruktur anbelangt, als das Saarland. Das Saarland hat in der zweiten Phase ab 1999 genau diesen Bremer Weg eingeschlagen. Aber es war falsch, es war nie angedacht, dass das aus Schuldentilgung realisiert werden soll.

Es ist richtig, dass der Sanierungsrat vorgesehen hatte oder die Hoffnung hatte, dass durch die unterstellten Einnahmeerwartungen die Sanierungszahlungen und der Eigenbeitrag Bremens ausreichten, so dass man insgesamt am Ende des Jahres in der glücklichen Lage wäre, auch von diesem großen Schuldenberg etwas abzubauen. Das waren allerdings auch in der Annahme in den ersten Jahren natürlich sehr kleine Beträge, die hätten steigen sollen. Diese Einnahmeerwartungen haben sich nicht erfüllt. Ich bin es auch langsam leid, wenn hier immer unterstellt wird, die große Koalition habe da irgendwelche Erwartungen gehabt, die nicht eingetroffen seien. Diese Einnahmeerwartungen sind nicht hier von Bremen aufgestellt worden, sondern vom Finanzplanungsrat.

Die gesamte Republik ist davon ausgegangen, dass allein durch Umsetzung des Investitionssonderprogramms und den Strukturwandel hier in Bremen unser Wachstum 0,5 bis ein Prozent über dem der alten Bundesländer liegen werde. Genau diese Zahlen sind eingestellt worden und keine anderen. Das sind keine Zahlen, die wir uns hier in Bremen ausgedacht haben, sondern die sind vom Bund regionalisiert worden, und genau diese haben wir in die Finanzplanung eingestellt.

Wer würde denn nicht sagen, dass es ein Erfolg ist, wenn wir sehen, welche Arbeitsplätze wir mittlerweile im Bereich der Universität haben! Sie sehen ja die Universität vor lauter Gebäuden und Arbeitsplätzen überhaupt nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Warum sind wir denn Stadt der Wissenschaften geworden in Bremen und Bremerhaven? Warum sind wir als einzige Universität in Norddeutschland im Gespräch, Exzellenzuniversität zu werden, und das gleich in vier Fachbereichen? Ich bin fest davon überzeugt, das ist Ausdruck dessen, dass wir ein Viertel dieser von Ihnen kritisierten Investitionsausgaben im Sanierungszeitraum bis 2004 in den Wissenschaftsbereich gesteckt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Da wundert es mich, dass Sie einen Punkt überhaupt nicht angesprochen haben, darauf hätte ich eigentlich gewartet. Natürlich sind diese Wissenschaftsausgaben auch konsumtive Ausgaben gewesen, das ist ein Punkt, den wir immer kritisch und nicht einhellig auch mit dem Rechnungshof diskutiert haben. Wir werden in den jetzigen Haushalten alle konsumtiven Ausgaben, auch die im Wissenschaftsbereich, haushaltstechnisch entsprechend bewerten, aber es bleibt dabei, auch Wissenschaftsausgaben, Investitionen in die Köpfe, sind Investitionen, die nachhaltig die Wirtschaftsstruktur hier in Bremen beeinflussen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Im Haushalt werden wir sicherlich noch einmal auf die einzelnen Punkte zurückkommen. Ich glaube, die ganze Fraktion ist überzeugt, dass es keine Alternative zu unserem Weg der Sanierung gegeben hat. Es ist allerdings richtig, die Phase der Sanierung ist vorbei, die Phase der externen Hilfen ist vorbei, und unsere Haushalte, die wir jetzt aufstellen, und auch unser Sanierungsprogramm, das wir definieren müssen, um gegenüber Karlsruhe zu zeigen, welche Eigenanstrengungen wir unternehmen und welche Vorstellung wir davon haben, wie sich der Bremer Haushalt sanieren kann, müssen jetzt unter anderen Rahmenbedingungen beschlossen werden.

Diese Vergünstigungen, die wir hatten mit dem Investitionssonderprogramm, aus den ersparten Zinsen dies zu finanzieren, 4,8 Milliarden DM waren das damals, 2,5 Milliarden Euro, diese Bedingungen sind nicht mehr gegeben, und deshalb führen wir zurzeit anstrengende Diskussionen. Ich glaube aber, dass wir uns einig sind in dem Weg und weiterhin alles unternehmen werden, um die Wirtschaftskraft hier zu stärken, um qualifizierte Arbeitsplätze hier zu sichern und auch unsere Wissenschaftsstrukturen entsprechend auszubauen, um hierfür zukunftsfähig zu sein.

Ein Punkt hat überhaupt nichts mit dem Rechnungshofbericht zu tun. Ihre Mutmaßung zur Klageschrift, dass es irgendwelche Dissense geben kann, kann ich so nicht teilen. Ich bin Mitglied einer Koalitionsfraktion, bei uns sind zumindest irgendwelche Dissense nicht angekommen. Ich bin überzeugt davon, dass der Senat in Kürze natürlich eine geeinte und eine vorwärts gerichtete Klagestrategie einreichen wird. Das ist schlichtweg eine Unterstellung, die Sie da gemacht haben.

Als Haushaltsausschussmitglied, muss ich sagen, bedauere ich es auch, das haben wir im Haushaltsausschuss gemeinsam getan, dass wir eben nicht die Chance hatten, die Gutachten vorab an dieser Stelle zu debattieren. Sie liegen schlichtweg nicht vor, sie liegen auch uns nicht vor. Auch das ist nichts, bei dem Sie hier mutmaßen könnten, es würde den Grünen irgendetwas vorenthalten. Ich bin überzeugt, wir

sind da auf einem guten Weg, und wir werden gemeinsam hier die Zukunft für Bremen gestalten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Nußbaum.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass die Sanierungspolitik gerade jetzt in dieser Phase nicht schlecht geredet werden sollte, nur weil wir in dem geltenden System des Finanzausgleichs nicht dafür belohnt werden, wie wir uns verhalten haben, anders als Berlin. Deswegen ist es nach meiner Auffassung sehr wichtig, auch klar zu unterscheiden, worüber wir denn reden. Reden wir über die wirtschaftliche Sanierung des Landes und die unzweifelhaft erzielten Erfolge im wirtschaftlichen Aufholprozess –

(Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen])

ja, aber das geht hier immer durcheinander, Frau Linnert –

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, aber das liegt nicht an uns!)

oder reden wir über die Frage, ob wir die haushaltsmäßige Sanierung erreicht haben?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, darüber reden wir!)

Darüber, glaube ich, brauchen wir nicht lange zu reden, das ist jedem hier einsichtig, dass wir eben dies genau nicht erreicht haben.

Ich möchte, Herr Köhler, deswegen ist das auch müßig, die Stellung des Rechnungshofs ansprechen. Der Rechnungshof ist unbestritten eine unabhängige Organisation, seine Berichte sind es wert, wirklich im Detail studiert zu werden und sich damit auseinander zu setzen, darauf einzugehen und daraus auch für die Zukunft zu lernen. Ich meine, das haben wir getan.

Wenn Sie sich den Doppelhaushalt 2006/2007 ansehen und die in Kürze vorzulegende Finanzplanung, sehen Sie ein Lernen aus der Vergangenheit, ein Umsteuern und eine Neuausrichtung aus der Tatsache, dass, wie es eben schon angesprochen worden ist, eben keine Sanierungshilfen mehr gezahlt werden, der Kanzlerbrief sich nicht realisiert hat und Bremen in einer der schwierigsten Situationen der Geschichte des Landes in finanzieller Hinsicht steht und wir jetzt alles daran setzen müssen, gemeinsam – ich betone gemeinsam – die Chance, die wir haben, mit einer überzeugenden Klage und damit auch mit einem überzeugenden Finanzweg vor dem Bundesverfassungs

gericht wahrzunehmen und für das zu streiten, was uns zusteht, nämlich eine Verbesserung unserer finanziellen Situation. Dafür ist es wert, sich diesen Eigenanstrengungen, die damit verbunden sind, zu unterwerfen.

Ich habe jetzt lange überlegt, weil der Bericht so fundiert ist, wie man damit umgehen kann, jede pauschale Einlassung zu dem Bericht wird ihm nicht gerecht. Wir haben deswegen auch eine Stellungnahme dazu gemacht, Herr Spielhoff. Gleichwohl meine ich, dass einzelne Punkte, die auch hier zum Teil angesprochen worden sind, was die Einwohnerentwicklung, was auch andere Indikatoren anbelangt, zum Teil etwas aus dem Zusammenhang gerissen worden sind und dass man sie, wenn man sie richtig einordnet, auch gegebenenfalls anders bewerten muss. Deswegen gibt es da auch einen gewissen Dissens in der Einschätzung zwischen dem Finanzressort und dem Rechnungshof.

Ich möchte nur eines dieser Beispiele nennen. Sie sprechen in Ziffer 10 die Frage der Hafeninvestitionen an. Es war natürlich klar, dass wir mit Rücksicht auf die anderen Küstenländer im Investitionssonderprogramm ganz bewusst diese Hafeninvestitionen nicht als Maßnahmenschwerpunkt dargestellt haben.

Sie sagen an einer Stelle, wir müssen die MaastrichtKriterien irgendwo mit berücksichtigen für Bremen. Natürlich, die Maastricht-Kriterien sind für die EUVerfassung entwickelt worden, dass sich dort die entsprechenden Haushalts- und Finanzpolitiken nicht auseinander entwickeln mit all den Auswirkungen auf die Stabilität des Euros, aber hier in Bremen geht es um ein Haushaltsnotlageland, auf das man nicht eins zu eins die Maastricht-Kriterien anwenden kann.

(Unruhe – Zuruf von der SPD: Handy! – Heiterkeit)

Sie haben, was auch an der einen oder anderen Stelle vorkommt, nicht deutlich herausgearbeitet, dass wir mit bestimmten Steuereinnahmen gerechnet haben, die so nicht eingetreten sind. In der Frage der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes machen Sie einfach eine Durchschnittsbetrachtung, die natürlich verzerrt, wie die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes während der Gesamtperiode der Sanierung gewesen ist. Es ist hier schon angesprochen worden, die Auswirkungen der Vulkankrise, die Strukturprobleme, die Bremen hier zu bewältigen hat, kommen hier meines Erachtens einfach etwas zu kurz.

Auch die Durchschnittsbetrachtung bei der Erwerbstätigenentwicklung, die Sie kritisieren, ist meines Erachtens nicht aussagekräftig. Es ist natürlich unbestritten, dass wir in den Anfangsjahren der Sanierung deutlichere Beschäftigungseinbrüche hatten, als das bundesweit der Fall war, aber das hat auch etwas mit den Produktivitätsfortschritten und bestimm

ten Verlagerungen von entsprechenden Industrien zu tun gehabt.

Ich meine, dass auch der Vergleich mit dem Saarland, wo Sie sagen, das Saarland habe mit geringeren Investitionsanstrengungen vergleichbare wirtschaftliche Fortschritte erzielt, so nicht nachvollziehbar ist. Bis 1999, Frau Wiedemeyer hat es angesprochen, wurde diese durch Strukturprobleme belastete Entwicklung Bremens ganz eindeutig vom Saarland unterschritten. Seit 1999 bewegt sich Bremen gemessen am Wirtschaftswachstum in der Spitzengruppe, Rang vier genau gesagt, das Saarland liegt im Mittelfeld.

Für uns wird es schwierig, das zu operationalisieren, wenn der Rechnungshof das Bild eines sanierten und damit stabilen Haushalts anknüpft an ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben und eines kontrollierbaren Maßes an Verschuldungen und Vorbelastungen. Das ausgewogene Verhältnis! Mir wäre es lieber, wir würden auch eine Hilfestellung vom Rechnungshof bekommen im Sinne von konkreten Quantifizierungen, die dann auch in eine konkrete Politik umgesetzt werden könnten.

Wenn man sich das Investitionsvolumen, das Sie auch kritisieren, ansieht, was wir auch kritisch betrachten, muss man natürlich fairerweise auch relativieren um die Notwendigkeit des Umbuchens von konsumtiv in investiv, das ist eben auch schon angesprochen worden. Ich könnte das hier noch lange fortsetzen, wir haben uns detailliert damit auseinander gesetzt. Mein generelles Fazit ist, dass ich bedauere, dass an manchen Stellen der Eindruck erweckt wird, dass Sanierungsfortschritte generell nicht erzielt worden seien.

Jetzt wird es aber schwierig, jetzt will ich mein Handy ausmachen.

(Heiterkeit)

Ich habe gedacht, ich hätte es auf leise gestellt. Es tut mir Leid!

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Senatoren dürfen das, nur Abgeordnete dürfen das nicht!)

Das ist wahrscheinlich Herr Pape, der Ihnen eine Order geben will!

(Heiterkeit)

Das war meine Frau, aber das hier ist wichtiger.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich nehme einmal an, dass ich mir dafür, dass ich sie jetzt weggedrückt habe, heute Abend eine Menge Ärger einhandeln werde.

Um noch einmal ernst zu werden: Wir haben wirklich den Eindruck, dass an manchen Stellen einfach so zum Ausdruck gebracht wird, dass wir generell keine Sanierungsfortschritte erzielt und die Nichtbefreiung aus der extremen Haushaltsnotlage im Wesentlichen selbst verschuldet haben. Ich finde, das wird auch Ihrem Ansatz nicht gerecht. Wir müssen es differenziert betrachten, so pauschal kann man das nicht machen. Deswegen wäre es mir wichtig gewesen, gerade auch in der Ziffer 102, wenn Sie uns unter den Punkten Aufgabenkritik, Effektivität und Effizienz der Verwaltung, angemessenes Investitionsniveau und Wirtschaftlichkeitsberechnung auch quantifizierbare Ansätze für eine konkrete Strategieplanung geliefert hätten.

Sie haben noch einmal das Siemens-Hochhaus angesprochen. Ich möchte auch dazu etwas sagen. Diese nach rückwärts gerichtete Betrachtung hilft natürlich zurzeit nicht weiter.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Man kann ja auch aus Erfahrung lernen!)

Sie wissen, dass wir beim Siemens-Hochhaus den auf 30 Jahre geschlossenen Vertrag gekündigt haben. Wir werden ja sehen, ob sich die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit, die ja auch in einem gewissen Dissens zwischen dem Finanzressort und dem Rechnungshof steht, nachher nicht ganz anders darstellt. Möglicherweise stellen sich bestimmte Parameter, die der Rechnungshof unterstellt hat wie Flächenaufmaß, Investitionsvolumen zur Sanierung, Mietzins und Vertragsdauer anders dar, wenn wir damit durch sind. Deswegen ist das in diesem Bereich zurzeit eine etwas akademische Bewertung. Entscheidend wird sein, wie sich das am Ende darstellt. – Vielen Dank!