Protokoll der Sitzung vom 08.10.2003

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek und Herrn Böhrnsen haben schon darauf hingewiesen, die Bremische Bürgerschaft muss wie alle anderen Parlamente auch über die Höhe der Diäten selbst beschließen, aber im Gegensatz zu meinen Vorrednern finde ich das nicht bedauerlich. Ich finde das gut, weil es nämlich zeigt, dass das Verfassungsgericht ein Bewusstsein dafür hatte, dass wir die erste Gewalt und der Haushaltsgesetzgeber sind und es niemanden darüber gibt, der uns diese Arbeit abnehmen kann, auch niemanden geben kann, der uns diese Arbeit abnehmen sollte.

Ich finde also, wir sollten uns zu dieser Aufgabe bekennen und nicht in der Öffentlichkeit den Ein––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

druck erwecken, als würden wir das ganz schrecklich finden und als würden wir es gut finden, wenn wir irgendwo einen Automatismus hätten, hinter dem wir uns dann verstecken könnten. Unsere Arbeit lebt von der Öffentlichkeit und davon, dass wir uns auch mit missliebigen Meinungen über die Höhe unserer Abgeordnetenentschädigung auseinander setzen und dass wir das auch aushalten, dass es Menschen gibt, die finden, dass es zu viel ist.

Herr Böhrnsen hat auf die beiden Pole hingewiesen, die Professor von Arnim erwähnt, nämlich dass man Abgeordnete einerseits anständig bezahlen, damit nicht nur Reiche in Parlamente gehen können, aber andererseits nicht so gut ausstatten soll, dass Menschen wegen des Geldes animiert werden, in Parlamente zu gehen. Das teile ich auch, ich glaube aber, dass man noch einen dritten Pol zur Kenntnis nehmen muss, und der hat etwas damit zu tun, welches Demokratie- und Politikverständnis wir haben.

Aus all den Leserbriefen und all dem öffentlichen Getöse – wenn man einmal das Unangenehme, Hasserfüllte oder abzieht, dass es Menschen gibt, die Politik gern zum Sündenbock machen und für alles verantwortlich machen wollen, Menschen, die gar nicht bereit sind, sich irgendwie in öffentliche Angelegenheiten einzumischen, das, was uns da auch so ärgert – bleibt doch etwas Richtiges übrig, nämlich dass es offensichtlich ein sehr weit verbreitetes Bedürfnis in der Bevölkerung gibt, Volksvertreter zu haben, die sich in ihrer Lebenswirklichkeit und damit auch in ihrer Einkommenssituation nicht zu weit von dem unterscheiden, was in der Bevölkerung ansonsten Standard ist. Das ist ein sehr urdemokratischer und aus grüner Sicht auch sinnvoller Wunsch, nämlich zu sagen, ich möchte gern, dass Menschen mich vertreten, die meine Sorgen und Nöte kennen, die wissen, was es bedeutet, wenn man nach der Arbeit nach Hause kommt und den Haushalt machen muss, wenn es Menschen gibt, die wissen, was es bedeutet, wenn man sich überlegen muss, ob man sich noch einen Urlaub leisten kann, vor allen Dingen, wenn Familie vorhanden ist.

Diesem Grundsatz, diesem dritten Pol, nach dem sich die Abgeordnetenentschädigungen richten sollten, fühlen sich die Grünen, insbesondere in Landtagen, verpflichtet. Es ist richtig, dass die Bevölkerung auch diesen Wunsch hat und auch dieses Kriterium an unsere Abgeordnetenentschädigung anlegt. Das heißt auch, noch einmal das Thema von eben, es muss mehr Transparenz in der Höhe sein, aber wir müssen uns auch klar machen, dass die Menschen gern möchten, dass wir uns einkommensmäßig nicht zu weit von dem entfernen, was Standard und Durchschnitt unserer Gesellschaft ist.

Auch die Grünen finden, dass sich das bremische Verfahren, wie die Abgeordnetenentschädigung berechnet wird, nämlich nach der Diätenkommission, wie sie das gemacht hat, bewährt hat. Es steht ja weiterhin im Abgeordnetengesetz. Solange es da

rin steht – ich hoffe auch, dass das so bleibt und sich keine Mehrheit findet, das zu ändern –, finden wir, dass das so bleiben sollte. Das ist ein bewährtes Verfahren und hat uns sehr geholfen, selbstbewusst und auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent unsere Abgeordnetenentschädigungen zu regeln.

Der Verzicht dieses Hauses darauf, die Empfehlungen der Diätenkommission umzusetzen und die Diäten jetzt zu erhöhen, bedeutet für die Grünen, das sage ich hier ganz klar, einen klaren Verzicht. Wir möchten uns nicht gern bei den Berichten der Diätenkommission im nächsten oder übernächsten Jahr mit Nachholdebatten beschäftigen, das muss dem Haus klar sein, jedem, der das hier heute macht, da gibt es kein Nachholen. Heute wollen wir gern Akzeptanz in der Bevölkerung für eine bestimmte Art von Sparpolitik, das ist unter anderem auch unsere Geste. Das heißt dann aber auch, dass man nicht im nächsten oder übernächsten Jahr das nachholen kann.

Wir möchten nicht, dass das hier aus Feigheit oder falscher Anpassung an einen bedauerlichen Mainstream in der Bevölkerung passiert, der Politik zunehmend kritisch und oft auch sehr hasserfüllt sieht. Wir möchten, dass dieser Verzicht hier aus der politischen Erkenntnis erfolgt, dass in Anbetracht der Haushaltslage ein vorbildlicher Schritt des Parlaments angesagt ist. Jedenfalls ist das für meine Fraktion der Grund, weshalb wir das machen. Wir wollen gern, dass es Bestand hat, dass wir das hier gemeinsam verkünden, dass aber das nicht einem selbstbewussten Umgang mit der Höhe unserer Entschädigungen Abbruch tut.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann dem Gutachten der Diätenkommission, und dem Bericht des Vorstands und seinem Vorschlag uneingeschränkt zustimmen. Zustimmen möchte ich auch den Beiträgen, die meine Vorredner hier abgegeben haben. Darin sind sehr viele nachdenkliche Aussagen, denn die Abgeordnetenentschädigung und auch die Amtsausstattung, denke ich, müssen eingebettet sein und bleiben in das, was hier im Allgemeinen an Einkommens- und Gehaltsentwicklung in der Gesellschaft vorhanden ist. Insofern kann man also dem Vorschlag, der hier gemacht worden ist, aus heutiger Sicht und angesichts unserer haushalts- und finanzpolitischen Probleme durchaus zustimmen.

Man muss allerdings wissen, dass diese Abgeordnetenentschädigung für die Anziehungskraft, hier ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Abgeordneter zu werden oder zu bleiben, natürlich eine ganz große Bedeutung hat, und das haben Sie ja auch sehr schön mit diesem Beispiel zum Ausdruck gebracht. Wenn wir verzichten, bedeutet das ja, dass wir unser Einkommen immer weiter absenken und dass die Anziehungskraft, sich hier tatsächlich zu engagieren, immer geringer wird. Das kann nicht im Interesse dieses Hauses sein, denn wir wollen ja offen für alle Bevölkerungsschichten sein, auch aus allen Einkommensklassen, die hier möglicherweise anzusprechen sind. Ich denke, wir wollen hier kein reines Beamtenparlament und auch kein reines Parlament des öffentlichen Dienstes haben, wo dann noch möglicherweise bestimmte Einkommensgrößen ein Ausgangspunkt sind. Das kann nicht das Ziel sein, sondern wir müssen an dieser Stelle sehr sorgfältig hinschauen. Deswegen ist das hier sicherlich ein sehr sensibler Bereich für diese Überlegung.

Die Diätenkommission finde ich andererseits natürlich auch sehr gut, weil im Grunde genommen die Entscheidung oder die Vorbereitung einer Entscheidung nach außen verlagert wird, so dass wir hier immerhin sachgerechte und gute Entscheidungsgründe in der Hand haben, um dann politisch zu entscheiden. Das halte ich für eine gute Lösung, und ich denke, das sollten wir auch künftig so handhaben, weil uns das immerhin zeigt, wie die gesellschaftliche Entwicklung ist, wo wir da ungefähr stehen und was wir dann unter Umständen machen müssen. Das halte ich für eine sehr gute Lösung, insofern sollte das auch so bleiben.

Was wir eventuell noch einmal überlegen müssten – vorhin ist das bei der Diskussion über das Übergangsgeld angedeutet worden –, ist, dass die Diätenkommission bestimmte Punkte nicht angefasst hat. Es gibt bestimmte Punkte, bei denen man durchaus noch einmal überlegen sollte, ob die heute – wohlgemerkt heute, 1993 war eine andere Situation –, fast zehn Jahre später, noch Gültigkeit in den Regelungen haben, die wir heute haben. Das Übergangsgeld war zum Beispiel schon thematisiert worden, die Sitzungsgelder und auch der Erwerbsausfall sind

schon einmal angesprochen worden. Da sollte man tatsächlich noch einmal überlegen, ob man bei den nicht von der Diätenkommission angesprochenen Themen nicht auch noch einmal überprüft, ob die heute noch zureichend richtig gelöst sind. Das würde ich anregen, wenn jetzt diese Kommission anfängt zu arbeiten, und wie gesagt, meine Bitte, vielleicht denken Sie dann auch an den einzelnen Abgeordneten Wedler, der durchaus Interesse hat, daran mitzuarbeiten und dort eventuell auch Beiträge zu leisten. – Vielen Dank!

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von dem Bericht des Vorstandes der Bremischen Bürgerschaft nach Paragraph 24 des Bremischen Abgeordnetengesetzes, Drucksache 16/51, Kenntnis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich die Sitzung des heutigen Tages schließe, möchte ich darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahr und die ersten Monate des folgenden Jahres nicht mehr in diesem Saal tagen werden, sondern wir werden die nächste Sitzung in Bremerhaven abhalten und dann im Rathaus tagen.

Meine Damen und Herren, als Dienstleistung unseres Hauses haben wir Ihnen unten einen Container hingestellt, damit Sie jetzt alles aus Ihren Pulten, aus Ihren Schließfächern und wo auch immer bitte entfernen und in den Container bringen, denn ab 13. Oktober ist dieses Haus von vorn, von der Marktseite her, nicht mehr zugänglich.

Ich bedanke mich und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

(Beifall)

Ich schließe die Sitzung.