Protokoll der Sitzung vom 08.10.2003

Meine Damen und Herren, im Fall Akan ging es um die Zusammenarbeit und die Kompetenz in einem Ressort. In einem Fall wie dem hier vorliegenden muss die Zusammenarbeit von drei Ressorts fehlerfrei funktionieren, damit eine solche Situation, ich sage nicht Fehler, nicht wieder eintreten kann. Wie diese Regelung der Zusammenarbeit wegen der verschiedenen zuständigen Gesetze bisher in Bremen und Bremerhaven gehandhabt wurde, hat der Senat auf sechs Seiten seiner Antwort auf die Große Anfrage vorangestellt. Ich glaube, das ist eine sehr gute Darstellung für jemanden, der sachfremd ist, sich einzulesen, wie diese verschiedenen Gesetze und die Ämter zusammenwirken müssen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen muss sich aber auch fragen lassen, ob sie die richtigen Fragen gestellt hat, um den Vorgang abzuarbeiten. Die Frage nach der Verantwortung des Hauswirtes hielt ich für ziemlich überflüssig, Herr Dr. Güldner!

Zu Antwort eins: Frau K. war in der Vergangenheit auffällig, daran kann gar kein Zweifel bestehen. Das ist von meinen Vorrednern auch schon gesagt worden. Hier heißt es im ersten Absatz, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die beschlossenen Unterbringungen dauerten jeweils so lange an, wie nach Einschätzung der Klinik eine Gefährdung durch Frau K. bestand.“ Für wen und wodurch die Gefahr bestand, wird an dieser Stelle nicht gesagt, jedenfalls nicht in dieser Antwort. Die weiteren Absätze machen deutlich, dass es zu dem Zeitpunkt an keiner Stelle zu der Erkenntnis gekommen war, Frau K. könnte eine Gefahr für andere, nicht nur für sich selbst sein. Weil es zu diesem Zeitpunkt, Juni 2001, keine Anhaltspunkte für eine akute Fremdoder Eigengefährdung gab, wurde auf eine Bekanntmachung an den Sozialpsychiatrischen Dienst und das Stadtamt verzichtet, zu diesem Zeitpunkt völlig korrekt. Es wurde aber im Juni 2001 erneut eine Betreuung nach einer Anhörung der Betroffenen veranlasst. Diese Betreuung hatte bis zum 1. Juli 2003 Bestand.

Meine Damen und Herren, wer von uns weiß schon, wie schnell sich solche psychischen Erkrankungen bei den Betroffenen entwickeln, wie rasend sie sich entwickeln? Ich vermag das nicht zu sagen. Die Betreuerin, ich zitiere, „allein zuständig für die Gesundheitsfürsorge der Frau K.“, spricht sich für eine Aufhebung der Betreuung aus. Es gab kaum Handlungsbedarf. Ein Gutachten des Sozialpsychiatrischen Dienstes enthält keinen Hinweis auf eine von Frau K. ausgehende Fremdgefährdung oder Unterbringungsnotwendigkeit. Ein Gericht hat aufgrund der Aussagen der Betreuerin und des Gutachtens

des Sozialpsychiatrischen Dienstes auf eine weitere Betreuung von Frau K. in Abwesenheit von Frau K. verzichtet, sie war bei der Verhandlung über die weitere Betreuung nicht anwesend. Ebenso wurde nach geltendem Gesetz auf eine Mitteilung an das Stadtamt und den Sozialpsychiatrischen Dienst verzichtet. Dabei, so meine ich, wiegt das fachliche Gutachten, das die Aufrechterhaltung der Rechtsbetreuung aus psychiatrischer Sicht empfiehlt, sicher schwerer als die Meinung einer Betreuerin.

Das war am 1. Juli 2003, meine Damen und Herren! Durch die Entscheidung eines Vormundschaftsgerichts konnte es nicht zur Weiterleitung an die sonst vorgesehenen Schnittstellen kommen, weil es nach geltender Rechtslage nichts zur Weiterleitung gab. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Die Schnittstelle zwischen Betreuungsgesetz, Stadtamt und Sozialpsychiatrischem Dienst konnte nicht aktiviert werden, weil es nach dem Gesetz nichts zu melden gab und weil es dann keine gesetzliche Grundlage für eine Weiterleitung gibt. Wir wissen heute, dass dies für das Leben von Frau S. eine folgenschwere Entscheidung war. Ich gehe davon aus, dass in diesem Haus kein Mensch die Akten kennt und so die Entscheidung des Gerichts nachvollziehen oder kritisieren kann.

Die Antwort auf die Frage zwölf macht mit aller Deutlichkeit klar, diese im höchsten Maße bedauerliche Kette von Abläufen, die zum Tod eines Menschen geführt haben, hat es in den vergangenen Jahren in Bremen nicht gegeben und wird es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren auch nicht wieder geben, meine Damen und Herren. Eine solche Tat ist aber schon eine Tat zu viel. Es darf keine Wiederholungen geben. Wir müssen alles versuchen, Wiederholungstaten so weit wie möglich auszuschließen. Möglicherweise hätte die Anordnung einer Unterbringung zu diesem Zeitpunkt sogar zu einer anderen Debatte in diesem Haus oder in der Sozialdeputation geführt.

Ich komme jetzt zu den Antworten zehn und elf auf die Große Anfrage. Der Senat oder die Arbeitsgruppe, die dort tagt, macht sich ja Gedanken, was man für die Zukunft verändern kann. Der Senat will in der Zukunft das ISA-System, Informationssystem Anzeigen, so umgestalten, dass die polizeilichen Akten von Personen, die bereits polizeilich erfasst, bekannt und mit dem PsychKG in Berührung gekommen sind, auch eine Eintragung bekommen, dass sie mit dem PsychKG in Berührung gekommen sind, in welcher Form auch immer. Das würde dem aufnehmenden Polizeibeamten sicherlich erleichtern zu erkennen, ob hier ein weiteres Gefährdungspotential vorliegt, das über das, was er an Tatbestand aufnimmt, hinausgeht und in welchem Umfang das sein kann. Das ist sicherlich eine vernünftige Maßnahme zur Gefahrenabwehr. Das würde über die in der Vorbemerkung der Großen Anfrage aufgezeigten derzeitigen gesetzlichen Möglichkeiten hinaus

gehen und hätte im Fall der Frau K. zu einer anderen Einschätzung führen können, aber nicht zwangläufig führen müssen.

Meine Damen und Herren, ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger Bremens und Bremerhavens bei gleichzeitiger Sicherung der persönlichen Freiheit ist sicherlich und sollte oberste Regel für den Senat sein. Der Umgang mit psychisch auffälligen Menschen ist dabei ein besonders sensibler Bereich. Ich rede hier für die CDUFraktion nicht darüber, deren Freiheiten über das notwendige Maß oder bestehendes Recht hinaus weiter einzuengen. Dazu reichen die Instrumente des PsychKG aus. Der Umgang mit psychisch kranken Menschen in Bremen und Bremerhaven ist durch das PsychKG umfassend geregelt. Das Ergebnis einer vom Senat eingesetzten Expertenkommission soll nun zeigen, ob auf der Grundlage dieser sinnlosen und grausamen Tat ein Handlungsbedarf gegeben ist.

Es sind Schnittstellen zwischen den Zuständigkeitsbereichen, die stärker verzahnt werden sollten oder müssten. An diesen Schnittstellen sitzen Menschen. Menschen können immer zu Fehleinschätzungen kommen. Wenn eine Instanz durch einen Menschen zu einer Einschätzung gekommen ist, eine Entscheidung gefällt hat, ist eine andere Instanz entweder beteiligt oder nicht beteiligt. Beteiligen kann aber nicht heißen, die Verantwortung auf die nächste Instanz zu verschieben und dann selbst die Hände in Unschuld zu waschen. Der CDU-Fraktion ist es deshalb lieber, es wären mehr Instanzen beteiligt, damit sich eine Tat wie die vom 11. Juli 2003 unter den damaligen Umständen nicht wiederholen kann.

Die Vorschläge, die der Senat auf die Frage 13 macht, sind sicher alle schlüssig und einer Überprüfung wert. Die einzelnen Punkte bedürfen einer Überprüfung, wie sie in ihrer Verzahnung mit geltendem Recht wirken würden. Denken wir nur an den Datenschutz! Ich habe zur Kenntnis genommen, dass der Datenschutzbeauftragte in der Lage ist, das zu regeln, dass man diese Mitteilung machen kann. Diese Frage ist also bereits abgehandelt.

Ein Punkt scheint der CDU-Fraktion besonders wichtig. Es ist schon zitiert worden, aber ich möchte es doch noch einmal wiederholen – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –: „Erhöhung der Sensibilisierung aller Beteiligten, um psychische Erkrankungen als Hintergrund für eine mutmaßliche, tatsächliche oder künftige Straftat zu erkennen“. Ich füge hinzu: Straftat gegen das eigene Leben oder die eigene Gesundheit oder die Gesundheit oder das Leben eines Dritten oder einer weiteren Person!

Ob in diesem Fall alle Beteiligten bereits über diese Fähigkeit verfügt haben oder verfügen, muss jede der beteiligten Personen für sich und seine Kompetenz selbst entscheiden, meine Damen und Herren,

die eine Person sicherlich mehr als die andere, aber das ist so mit den Entscheidungsinstanzen. Aus der Bearbeitung des Falls Akan hatten wir alle gemeinsam hier im Haus eine Lehre gezogen, die Bedeutung und Bearbeitung von Akten und die Entscheidungsebenen wurden neu geregelt. Bei der Art der Behandlung, Führung und Weitergabe von Akten und den Ebenen, wo Entscheidungen zu fällen sind, hat sich aus dem Sozialressort damals ein Spitzengremium von Außenstehenden beraten lassen. Meine Damen und Herren, der eigene Blick auf Vorgänge ist manchmal auch ganz ohne Vorsatz getrübt.

Die CDU-Fraktion erkennt im Fall der Tötung von Frau S. und den zur Zeit der Tat geltenden und vorgenommen Maßnahmen der Behörden keinen Zusammenhang, der zwangsläufig zu dieser Tat führen musste. Die CDU-Fraktion empfiehlt dem Senat aber für die Abstimmung der Zusammenarbeit zwischen dem Senator für Inneres, dem Senator für Justiz und dem Senator für Soziales, bei Personen mit psychischer Erkrankung sich des Rates einer unabhängigen Person oder Institution von außen zu bedienen und das nicht mit eigenen Boardmitteln zu machen.

Meine Damen und Herren, der Fall Akan hat mir damals gezeigt, dass die Beratung von außen wichtig war, dass viele Dinge doch anders gesehen worden sind, und ich glaube, der Senat würde gut daran tun, wenn er auch hier einen fachlichen Vertreter von außen holen würde, der auf das, was der Senat meint verändern zu müssen, einmal schaut und das bestätigt oder weitere Verbesserungsvorschläge macht.

Das Bedauern über diese Tat haben Sie alle hier im Haus gespürt, es ist sicherlich in allen Fraktionen vorhanden. Unser Mitgefühl gilt sicherlich auch noch einmal den Angehörigen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich als einzelner Abgeordneter die Möglichkeit gehabt hätte, hier eine Große Anfrage einbringen zu dürfen, dann würde die Überschrift dieser Großen Anfrage lauten: Versagen nach Vorschrift, Fakten eines vermeidbaren Mordes.

Meine Damen und Herren, der Staat hat die Verpflichtung, die Bürger zu beschützen, ihr Leben, ihr Hab und Gut. Wenn man sich aber einmal die Ermittlungsmöglichkeiten sowie den Bericht des Senats ansieht, so muss man berechtigte Zweifel haben, ob Polizei und Justiz dieser Verpflichtung gegenüber den Bürgern überhaupt nachkommen können und in diesem Fall nachgekommen sind. Ich sage im Namen der Deutschen Volksunion klar und deut

lich nein! Hier in Bremen, und das ist ja gerade hier in Bremen auch kein Einzelfall gewesen, musste jetzt eine fünfundzwanzigjährige Frau unnötig sterben, weil die Behörden ein Verbrechen nicht erkennen und so auch nicht verhindern konnten.

Meine Damen und Herren, diese junge Frau wurde nur 25 Jahre alt, dann musste sie unnötig und grausam sterben. Dieser schlimme, grausame und unnötige Tod dieser jungen Frau wäre meines Erachtens vermeidbar gewesen. Sie wurde das Opfer von Behörden und Gesetzen. Diese junge Frau könnte heute noch leben, wenn Behörden frühzeitig eingegriffen und Informationen rechtzeitig ausgetauscht hätten. Es ist doch aktenkundig, dass die junge Frau Karola S. schon eine Woche vor der schrecklichen Tat von derselben psychisch kranken Täterin Susanne K., die im Übrigen in den letzten sage und schreibe zehn Jahren immer und immer wieder auf fremde Menschen gewalttätig losgegangen ist, angegriffen worden ist.

Tatsache ist doch, Susanne K. leidet schon lange unter Bewusstseinsstörungen und Wahnvorstellungen. Sie wurde immer und immer wieder, und das seit Jahren, äußerst gewalttätig. Ich lese Ihnen einmal das Protokoll eines meines Erachtens vermeidbaren Mordes vor, damit hier auch einmal deutlich wird, wie gefährlich diese Frau war.

19. September 1998, Körperverletzung mit einem Messer, das Opfer wurde schwer verletzt, eine Geldstrafe, mehr nicht. Die nächste Tat: Am 6. Juli 2000 bedrohte Susanne K. eine Imbissbesitzerin mit einem Messer, das Verfahren wird eingestellt, doch die Täterin wird ins Krankenhaus Ost eingewiesen. Das war es!

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Ist das über- haupt erlaubt?)

Das ist erlaubt! Schon nach einer Woche wird sie wieder entlassen, danach die nächste Gewalttat am 16. September 2000, Angriff auf die eigene Mutter. Susanne K. kommt wieder in die Psychiatrie, wieder nur für wenige Tage. Ein neuer Krankheitsschub am 29. Mai 2001 führt zu einem Selbstmordversuch, vermutlich wieder mit einem Messer, dieses Mal wird sie für zwei Monate eingewiesen. Danach wird Susanne K. vom Sozialdienst betreut. Aber sie sticht am 5. September 2002 erneut zu, gefährliche Körperverletzung mit einem Messer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ohne Folgen.

Meine Damen und Herren, und so kommt es, dass Karola neun Monate später zum ersten Mal von ihrer Nachbarin bedroht wird. Am 25. Juli 2003 überfällt Susanne K. Karola vor ihrer Wohnung und verletzt sie mit einem Messer. Karola kann entkommen, flüchtet zu ihrem Freund, gemeinsam gehen sie zur Polizei, hier ist die Täterin nicht unbekannt. Die Beamten nehmen die Anzeige auf, aber es passiert nichts. Sonst nichts!

So unternehmen die Polizeibeamten nichts, niemand erkennt, wie gefährlich diese Frau wirklich ist. Niemand sieht, dass sie wieder in eine Psychiatrie müsste, sie bleibt unbehelligt draußen. Noch schlimmer ist, dass das Amtsgericht die Betreuung von Susanne K. aufhebt, weil es von all den Straftaten angeblich nichts weiß.

Meine Damen und Herren, das wird einfach so hingenommen, weitere Maßnahmen werden nicht eingeleitet, und so kann Susanne K. am Morgen des 11. Juli 2003 ihre Nachbarin Karola mit 38 Messerstichen ermorden. Mit Brachialgewalt bricht sie die Tür auf, Karola Schmidtke hat keine Chance. Das ist Tatsache, meine Damen und Herren.

Eine unerträgliche Tatsache ist, alle haben etwas gewusst, aber niemand hat den anderen informiert oder ist rechtzeitig eingeschritten. Eine Verantwortung will natürlich auch keiner übernehmen. So hat Bürgermeister Dr. Scherf den Eltern von Karola einen Brief folgenden Inhalts geschrieben, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Warum musste es so kommen? Hätte man nicht? Ich will Ihnen sagen, ich habe auch keine Antwort, ich bin ratlos.“

Aber eines sage ich Ihnen, so einfach kann sich das Herr Dr. Scherf nicht machen und sich nicht aus der Verantwortung herausziehen, denn, meine Damen und Herren, eines ist klar, diese nachweislich schwer psychisch kranke Täterin hätte schon vor Jahren in eine geschlossene Anstalt gehört. Das wäre eine effektive und sinnvolle Maßnahme zur Gefahrenabwehr gewesen, so passierte aber nichts. Aber dazu dürfte Ihnen auch klar sein, dass bei Ihrer Vorstellung von Täter-Opfer-Schutz und Opfer-TäterSchutz mir das schon klar ist.

Meine Damen und Herren, der grausame Tod dieser jungen Frau war vermeidbar, doch schuldig fühlt sich keiner. Das ist schäbig und verantwortungslos. Sie haben die Pflicht und die Aufgabe, das Leben, die Gesundheit, das Hab und Gut unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Diese Verantwortung wurde meines Erachtens aber fahrlässig auf das Gröbste von den zuständigen Behörden unverantwortlich vernachlässigt.

Meine Damen und Herren, den Angehörigen des Opfers spreche ich das tiefste Mitgefühl der Deutschen Volksunion aus.

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht gemeldet, um auf die Ausführungen meines Vorredners einzugehen, sondern ich möchte lediglich die Vorträge der Kollegen ergänzen, die aus den Fraktionen hier gesprochen haben, nämlich um den Punkt Polizei beziehungsweise Innenbereich. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Zunächst will ich wie alle Vorredner der Fraktionen sagen, dass natürlich die Betroffenheit über einen solchen Vorgang groß ist, und es ist auch durchaus richtig, dass man hier nicht öffentlichkeitswirksam, sondern mit sachbezogener objektiver Art schaut, inwieweit es möglich ist, zukünftig Maßnahmen zu ergreifen, die vielleicht die Möglichkeit einer solchen weiteren Tat einschränken oder weiter einschränken.

Der Eindruck allerdings, der sich mir hier eröffnet hat, entstand sowohl aufgrund der Ausführung von Dr. Güldner als auch aufgrund des „taz“-Artikels vom 7., worin gesagt wurde, Dr. Güldner fragt, welche Maßnahmen ergriff die Polizei! Dies suggeriert nach meiner Auffassung, dass hier im Prinzip vorrangig zumindest der Polizeivollzug, ich will nicht sagen, schuldig ist, sondern Versäumnisse aufweist, die möglicherweise dazu geführt haben könnten, dass es zu dieser Tat kam.

(Vizepräsidentin D r. T r ü p e l über- nimmt den Vorsitz.)

Das allerdings muss ich doch relativ deutlich zurückweisen, denn so, wie es zumindest mein Eindruck war, stimmt es nun in der Tat nicht.

Zunächst einmal will ich sagen, die Polizei ist für die Zwangseinweisungen in die Psychiatrie außerhalb der allgemeinen Dienstzeit der anderen Institutionen, die originär zuständig sind, hier nur subsidiär zuständig. Dies bedingt, dass die Handelnden insbesondere das Stadtamt als Ordnungsbehörde oder Ortspolizeibehörde, wie immer man auch will, und das Hauptgesundheitsamt, insbesondere der Sozialpsychiatrische Dienst, sind. Die Handelnden sind im Kern also andere und nicht die Polizei.

Zweitens, die Polizei und der einschreitende Beamte oder die Beamtin beurteilen nach der Dienstanweisung zum PsychKG für die Polizei, ob ein Arzt oder Amtsarzt oder der Notdienst des Sozialpsychiatrischen Dienstes, der so genannte Krisendienst, hinzugezogen werden soll, um mögliche psychische Hintergründe feststellen zu lassen. Auch die vorgesehene Sensibilisierung der Beamten wird sie nicht in die Lage versetzen, abschließend zu beurteilen, ob möglicherweise eine Einweisung in die psychiatrische Obhut notwendig ist. Polizeibeamte machen schon viele Aufgaben, die eines Psychiaters gehören nach wie vor jedoch nicht dazu.

Drittens, die Hinzuziehung von Ärzten zur Frage der Einweisung erfolgt dann, wenn der Eindruck bei den Polizeibeamtinnen oder -beamten entsteht, bei der Person, dem potenziellen Täter, besteht eine akute Gefährdung für sich oder andere, nicht nach der Frage, wie viele Straftaten begangen wurden.

Viertens, wenn akut eindeutige Symptome bei dem polizeilichen Gegenüber festgestellt werden, erfolgt eine Berichtsdurchschrift an den Sozialpsychiatri

schen Dienst entsprechend der Dienstanweisung, aber eben auch nur dann. Wird gegen diese Dienstanweisung verstoßen, dann hat das auch Konsequenzen im disziplinarrechtlichen Bereich, die sind hier aber nicht erfolgt, weil sie nicht zu erfolgen brauchten und mussten.

Fünftens, die reine Auflistung unterschiedlicher Straftaten hilft dabei nicht weiter, die in der Antwort des Senats aufgelisteten Straftaten schon gar nicht, denn hier handelte es sich zum Teil um Antragsdelikte, die über den psychischen Zustand eines Menschen nichts aussagen. Wenn man das als Grundlage nehmen würde, müsste auch bei jedem Intensivtäter unterstellt werden, er sei psychisch krank.

Sechstens, festgestellte Erkrankungen im Sinne des PsychKG, die von einem Arzt festgestellt wurden, sollten, sofern keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen, im ISA-System untergebracht und aufgenommen werden.

Abschließend lassen Sie mich feststellen, meine Damen und Herren, der Polizei ist in diesem konkreten Fall kein Vorwurf zu machen! Leider, auch für die Zukunft sind solche Taten nicht ganz auszuschließen, auch wenn präventiv alles getan wird – das wiederhole ich –, damit solche schlimmen Taten von Kranken nicht begangen werden.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort Herr Senator Röwekamp.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, meine Damen und Herren, dafür bedanken, dass Sie nicht der Versuchung erlegen sind – mit der Ausnahme eines Abgeordneten, der der weiteren Debatte das Interesse nicht schenken will –, hier im Parlament Schuldzuweisungen vorzunehmen. Ich bin skeptisch gewesen, als ich den Text der Großen Anfrage gelesen habe und dass wir hier im Parlament darüber debattieren wollen. Umso erfreuter bin ich, dass wir in eine, wie ich finde, sehr konstruktive Beratung des Sachverhalts eingestiegen sind. Ich halte auch die Schuldzuweisungen, die insbesondere Herr Tittmann hier geäußert hat, erstens nicht für sachdienlich und zweitens für falsch, weil sie suggerieren, dass eine Untersuchung ergeben könnte, dass eine Behörde oder vielleicht ein Mensch Verantwortung für das hätte, was hier tatsächlich passiert ist.