Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bürgerschaft entscheidet hier heute über einen der wichtigsten Haushalte in der Nachkriegsgeschichte Bremens. Ich möchte gern, dass wir uns hier gemeinsam als die die Regierung tragenden Fraktionen und als Opposition der Bedeutung dieser Haushalte bewusst sind. Wenn man sich dann anschaut, was der Senat eigentlich vorgelegt hat: Ist es wirklich so, dass das, was der Senat dem Parlament vorgelegt hat, dem wirklich Ausdruck verleiht? Das ist aus unserer Sicht nicht so!
Ich habe versucht, auch neutral darzustellen, wie das Verfahren gewesen ist, mit dem man das Parlament beglückt hat, und ich möchte gern auch inhaltlich noch etwas zu diesen Haushalten sagen. Aus diesen Haushalten wird kein Umbauprozess deutlich. Aus diesen Haushalten wird nicht deutlich, was die Politik der nächsten Jahre sein wird. Es wird nicht deutlich, welche Weichen heute gestellt werden und wohin
die Reise gehen soll. Aus grüner Sicht sind diese vorgelegten Haushalte ein einfallsloses Durchwursteln und Ausdruck der Endzeitstimmung der großen Koalition!
Deshalb, verehrte Frau Kollegin Wiedemeyer, haben die Grünen einen Globalantrag eingebracht, weil diese Haushalte das nicht leisten, was sie leisten müssten, nämlich eine Grundlage für Politik zu legen. Man kann nicht auf der Basis eines Haushaltes, der den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht, der weder vollständig noch transparent ist, noch jährlich alle Ausgaben und Einnahmen beinhaltet, irgendwelche Haushaltsstellen heraussuchen, zusammenrechnen und dann sagen, das ist jetzt die Änderung! Deshalb haben die Grünen hier beantragt, dass sich die Bürgerschaft der Tragweite dessen, was wir hier heute tun, bewusst wird und den Haushalt zurückweist.
Dieser Haushalt ist ein löchriger Käse, der aus Sondervermögen, Gesellschaftszuweisungen, Vor- und Zwischenfinanzierungen besteht. Das von der Verfassung vorgeschriebene einheitliche – Heiterkeit auf der Senatsbank – Bild besagt, dass auch Außenstehende aus diesem Haushalt die Staatstätigkeit erkennen können müssen. Was der Gesetzgeber, nämlich das Parlament, der Verwaltung sagen will, was sie in den nächsten Jahren machen soll, das war und ist laut Verfassung ein Haushalt. Das leistet der Haushalt nicht, weil Sie in vielen Bereichen die Grundlagen gar nicht kennen! Sie kennen die Vorbelastungen nicht, Sie wissen nicht, in welche Bereiche wie viel Geld fließt. Sie wissen nicht, wie die Zusammenhänge sind, und vor allen Dingen wissen Sie in vielen Punkten nicht, ich sage dazu gleich ein paar Beispiele, wie es weitergehen soll!
Ein Beispiel: Wissen Sie, Herr Kollege Günthner, wie viel Geld Bremen für die Häfen ausgibt? Er wiegt sein weises Haupt! Natürlich weiß er es nicht, weil die Ausgaben für die Häfen unter dem Deckmantel von Transparenz versteckt und verteilt wurden in Sondervermögen Haushalt, in Zuweisungen aus dem Haushalt, in Kapitaldienstfinanzierung, und einen Teil der Lasten – doch, Herr Sieling, das ist wahr! – trägt die Bremer Lagerhausgesellschaft. In diesem konkreten Punkt ist es geradezu nicht einfach nur ein harmloses Verstecken, worüber man sich ja unterhalten könnte, sondern das ist einer der Punkte, wo Sie massiv die Zukunft Bremens verschwenden! Sie müssten mit diesem Geld, das wir für die Häfen ausge
Nein, das können Sie doch gar nicht, weil Sie doch keinen Überblick über die gesamte Finanzierung haben!
Im Haushalt steht es jedenfalls nicht! Man kann sich natürlich durch Folianten wühlen und annäherungsweise herausbekommen, wie viel wir ausgeben. Das kann man, ich komme da auch zu Ergebnissen, aber die Vorgaben sind, dass es im Haushalt stehen muss.
Oder die 35 Millionen Euro Weihnachtsgeld, das soll jetzt Ihr Haushalt sein! Woher dieses Geld nehmen? Herr Pflugradt sagt im Haushaltsausschuss, vielleicht wird es irgendwie noch woanders erbracht! Grüner Vorschlag war es, ironisch, vielleicht den Behindertenfahrdienst zu kürzen. Oder die SPD sagt, nein, man muss sich an die Vorgaben halten! Sie sollen hier einen Haushalt beschließen, von dem Sie gar nicht wissen, von anderen Minderausgaben einmal abgesehen, woher diese 35 Millionen Euro eigentlich kommen sollen. Das wollen Sie nicht, Sie beschließen ihn einfach einmal. Das dürfen Sie nicht! Sie müssen der Verwaltung dieser Regierung Vorgaben machen und nicht pauschale Kreditermächtigungen gewährleisten in der Hoffnung, dass Sie mit dem ganzen Schlamassel in Zukunft möglichst wenig zu tun haben.
Wozu ist das technisch klingende Instrument einer mittelfristigen Finanzplanung gut? Das ist ein Kernpunkt der Grünen, warum der Haushalt als unzureichend zurückgewiesen werden soll: weil er keinen ausreichenden qualitativen Anforderungen – gesetzlich kann man sich darüber streiten, aber politisch haben wir da eine klare Meinung –, den gesetzlichen und politischen Anforderungen für eine mittelfristige Finanzplanung genügt. Warum ist das so wichtig?
Frau Kollegin Wiedemeyer, sind Sie sich eigentlich sicher, dass hier alle Kolleginnen und Kollegen wissen, was einvernehmlich mit der Opposition an Finanzrahmen an das Verfassungsgericht gemeldet wird? Glauben Sie eigentlich wirklich, dass hier alle wissen, welche Qual das in den nächsten Jahren wird? Glauben Sie das? Dann ist ja gut! Ich glaube das nicht!
den, eine mittelfristige Finanzplanung zu machen, die es uns ermöglicht, in den nächsten Jahren abzubilden, was die Ressortsanstrengungen sein müssen, welche Umbauprozesse, heute eingeleitet, morgen und übermorgen erforderlich sind, um das, was darin an wahnsinnig harten Sparvorgaben steht, überhaupt erwirtschaften zu können. Weil Sie keine mittelfristige Finanzplanung vorlegen, drücken Sie sich einfach davor, sich darüber klar zu werden, was die Sparvorgabe für den Bereich Soziales, für den Bereich Hochschule und für den Bereich Bildung bedeutet!
In einer Lage, in der Bremen jetzt ist, muss man Konzepte vorlegen. Diese Konzepte finden sich im Haushalt wieder. Jetzt schauen wir einmal, was die große Koalition macht: einen Hochschulgesamtplan. Der Hochschulgesamtplan IV gilt, in den Hochschulen wird aber letztendlich schon irgendetwas anderes umgesetzt, was keinem Konzept folgt. Da werden blindwütig Professorenstellen nicht mehr besetzt, weil das Geld gekürzt wird. Das ist keine gültige, verlässliche Hochschulplanung! Ein Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm, das bis zum Jahr 2004 terminiert war! Es hat sich bisher niemand von Ihnen die Mühe gemacht, daran zu gehen und zu überlegen, ob das jetzt eigentlich so bleiben soll oder ob man nicht etwas ändern müsste.
Dass wir keine einheitliche Investitionsplanung haben, hat auch Frau Wiedemeyer eingeräumt. Anschlussinvestitionsprogramm und Grundinvestitionsprogramm sind fröhlich nebeneinander, gemeinsam haben sie beide, dass die Vorbelastungsquoten der zukünftigen Jahre steigen. Über Hafeninvestitionen habe ich schon gesprochen, auch da: Wo ist die verlässliche Planung? Dann das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm: Große Mengen an Mitteln sind eingestellt, und keiner kümmert sich wirklich darum. Die Verwaltung hat freie Hand, die Mittel hin und her zu verschieben.
Was wirklich richtig übel gewesen ist für diejenigen, die darauf gehofft haben, dass sich jetzt mit Bürgermeister Böhrnsen etwas ändert, ist die Bürgermeistereinigung oder – wie es so euphemistisch genannt wird – die Positivliste. Das hat man von einem Bürgermeister, dem ich geglaubt habe, dass er versuchen will, diese Vorfinanzierungspraxis, die Frau Wiedemeyer hier immer noch damit rechtfertigt, es würde Transparenz über die realen Kosten der Zukunft entstehen,
zu beenden, dass diese Vorbelastungspraxis, die auch rechtswidrig ist, endlich aufhört anders erwartet.
Stattdessen hat die Bürgermeistereinigung dazu geführt, dass aus zehn Millionen Euro, die im Anschluss
investitionsprogramm vorhanden gewesen wären – unter Zuhilfenahme von 27 Millionen Euro A 281 –, 103 Millionen Euro geworden sind. Dass Sie sich von Maßnahmen getrennt haben, das hörte man nicht, sondern Sie haben verschoben, und die Heldentat besteht offensichtlich für die Koalition darin, dass aus 300 angemeldeten Millionen Euro – was für ein Wahnsinn! – 103 Millionen Euro geworden sind. Ich bleibe dabei, so Leid mir das tut, das ist ein Wortbruch des Bürgermeisters gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament, was eine andere Haushaltspolitik betrifft, die darauf verzichtet, heute Geld auszugeben und es morgen und übermorgen abzufinanzieren.
Frau Wiedemeyer, ich weise das zurück, uns zu unterstellen, dass wir einen rein fiskalischen Sanierungsweg gehen! Wir sind als Parlament verantwortlich für den Staat, und der kann nur finanziell auskommen, wenn es eine prosperierende Wirtschaft gibt, aber nicht umgekehrt. Diese Gesellschaft wird sich einen verhungernden und nicht mehr handlungsfähigen Staat einfach nicht leisten können. Deshalb ist die Unterbewertung der fiskalischen Bedeutung der Bremer Entwicklung das, was die große Koalition sich als Versäumnis wird ankreiden lassen müssen. Schon allein unter demokratischen Gesichtspunkten kann es doch wohl nicht angehen, dass man einem Denken Vorschub leistet, das da heißt: Hauptsache, die Unternehmen brummen, ob wir noch Geld dafür haben, Kinder ordentlich zu beschulen, das ist erst zweitrangig. Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Was wäre richtig? Was müsste man jetzt machen, wenn der Senat einen Haushalt vorgelegt hätte, auf dessen Basis man hier operieren kann? Dann braucht man eine sozial ausgewogene Sparpolitik, oder wollen Sie den Leuten etwa in Zukunft versprechen, dass hier oder dort noch kräftig zusätzliches Geld ausgegeben werden kann?
Das können Sie gar nicht versprechen, und das tun wir auch nicht. Sozial ausgewogen ist aber etwas anderes, als den Behinderten ihren Sonderfahrdienst zu streichen, während die BIG gleichzeitig in der Lage ist, Millionensummen zu tilgen, um weitere fiktive Spielräume für zukünftige Haushalte zu gewinnen.
Was man machen muss: einen neuen Hochschulgesamtplan, ein neues Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm. Man muss eine einheitliche Investitionsplanung machen, die man auch mit dem Bundesverfassungsgericht diskutieren kann, ob darin Maßnahmen sind, die über das Schaffen von Arbeitplätzen
und das Gewinnen von Einwohnern letztendlich die Zukunft Bremens sichern. Über das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm habe ich schon gesprochen, völlig rückwärtsgewandt und ohne ein Konzept, was letztendlich Beschäftigung sichert!
Es muss eine ressortübergreifende Anstrengung für Bildung und Wissenschaft geben. Stattdessen werden Ressortshaushalte stur immer weiter fortgeschrieben, ohne dass man aus ihnen irgendeine Art von Zukunftsplanung ersehen kann. Kooperation wird in dieser großen Koalition sowieso klein geschrieben. Wir müssen Bremen als grüne und ökologische Stadt, als wichtigen Standortfaktor – das sind unsere Werte – weiter entwickeln. Wir müssen die Häfen so aufstellen und entwickeln, dass wir überall nach außen zeigen, welche Leistungen wir hier in Bremen für Deutschland erbringen.
Man muss sich von Dingen trennen. Wir Grünen haben gesagt, dass wir es nicht mehr schaffen werden, was wir sehr gern wollen, nämlich das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei zu gestalten. Wir wollen aber gleichzeitig auch nicht, dass unsinnig Geld ausgegeben wird für das Abreißen von Kleingartenhäuschen, und, ehrlich gesagt, die Rennbahn muss privat finanziert werden oder gar nicht.
Als Gegenfinanzierung für die von uns gemachten Vorschläge haben wir vorgeschlagen, zu dem Zustand von 1999 zurückzukehren. Da gab es keine Bremer Aufbaubank, die brauchen wir auch heute nicht unbedingt, nice to have vielleicht, aber nicht unbedingt erforderlich. Wir können mit Verträgen mit bestehenden Kreditinstituten genau sicherstellen, dass die Aufgaben so wahrgenommen werden ohne diese 110 Millionen Euro, die da immerhin als Stammkapital liegen. Dieses Geld kann man für Umbauprozesse, die über mehrere Jahre hinweg angelegt werden, benutzen. Über die Mehrwertsteuer, die unsinnigerweise Bremen entgeht, weil gemeint wird, dass es besser ist, in Gesellschaften Dinge zu organisieren, will ich jetzt einmal schweigen.
Wir brauchen, das hat Frau Wiedemeyer im Prinzip eingeräumt, endlich einen Überblick über die Belastungen der Zukunft. Man kann sich doch hier nicht hinstellen und den Grünen vorwerfen, keine Visionen zu haben, während Sie selbst die Spielräume für die nächsten Haushalte in Ihrer großen Koalition so verschleudert haben, dass letztendlich jede Regierung danach gezwungen sein wird, das viele Schöne, was Sie sich hier geleistet haben, abzufinanzieren.
Aus unserer Sicht sind Sie abgetaucht, abgetaucht vor den Zukunftsherausforderungen! Die CDU, das hat mein Kollege Güldner gestern schon gesagt,
scheint an bestimmten Punkten einfach auch nur noch verbrannte Erde hinterlassen zu wollen. Diese Haushalte dokumentieren Ihre eigene Hilflosigkeit, sich zu einigen, Konzepte zu entwickeln und für die Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Das ist äußerst bitter, wir bleiben dabei, das Parlament sollte diese Haushalte zurückweisen, sie sind ein weiterer Baustein für zwei verschenkte Bremer Jahre.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Doppelhaushalt 2006/2007 ist ein besonderer Haushalt. Keiner der vorangegangenen Haushalte musste unter derart schwierigen Rahmenbedingungen aufgestellt werden: das Ende der Sanierungszahlungen des Bundes, die schwierige wirtschaftliche Lage in ganz Deutschland mit der Folge der seit Jahren wegbrechenden Steuereinnahmen, der nicht eingelöste Kanzlerbrief, die Amtsaufgabe von Henning Scherf mit dem Wechsel zu Jens Böhrnsen mitten in dieser für die Zukunft Bremens entscheidenden Phase des Haushalts. Die vernehmbar lauter werdenden Rufe nach einer Länderneugliederung und die Entscheidung für eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht haben zwangsläufig Auswirkungen auf die zu entwickelnden Haushalte, die heute hier zur Verabschiedung anstehen.
Meine Damen und Herren, der großen Koalition, allen voran den Bürgermeistern Böhrnsen und Röwekamp, ist es gelungen, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen einen geordneten Haushalt vorzulegen und die Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg zu bringen. Diese Haushalte tragen der gesamtwirtschaftlichen Lage Rechnung, sie reihen sich in die Strategie der Bremer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Sie sind ein Beleg für die Notwendigkeit der Selbständigkeit unseres Bundeslandes und belegen die Handlungsfähigkeit der großen Koalition.