Um das zu verschleiern, auch Frau Ziegert hat ja schon darauf hingewiesen, werden jede Menge Warteschleifen konstruiert, um den Anschein zu erwecken, es gäbe genügend Angebote für Jugendliche. Zu Beginn des Ausbildungsjahrs wird ja gern von der Agentur für Arbeit und vom Ausbildungspakt verkündet, bis auf wenige Jugendliche seien alle versorgt. Die Wahrheit sieht jedoch so aus, dass die Jugendli
chen keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und sie Warteschleifen im Rahmen der Berufsvorbereitung drehen. In diesem Bereich sind mittlerweile 4200 Plätze geschaffen worden.
Im Vergleich dazu werden jedes Jahr 5500 neue Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen, das heißt, 40 Prozent der Jugendlichen, die eigentlich einen Ausbildungsplatz haben wollen, bekommen in Wahrheit keinen, sondern sind in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Das, meine Damen und Herren, darf aus unserer Sicht auf keinen Fall so weitergehen.
Sehen wir uns einmal diese 4200 Plätze an, davon sind 1200 Ein-Euro-Jobs! Die Bagis rechnet selbst nur mit einer Integrationsquote von zehn bis 15 Prozent. Die Chancen, hinterher einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sind sehr gering. Dann gibt es 1000 Plätze bei berufsvorbereitenden Fachschulen. Ihre Integrationsquote ist ähnlich gering. Auch dort sind die Chancen auf einen Ausbildungsplatz hinterher ziemlich gering.
Vergleichweise erfolgreich gewertet werden die Einstiegsqualifizierungen. Darauf ist auch schon hingewiesen worden. Frau Ziegert hat das als Mitnahmeeffekte bezeichnet, weil vorher ein Praktikum gemacht wird und wir den Betrieben Geld geben. Möglicherweise ist es so, aber man muss in der Tat anerkennen, dass es eine hohe Integrationsquote von fast 70 Prozent an der Stelle gibt.
Weitere 700 Ausbildungsplatzsuchende werden schlicht in einen Job vermittelt und bekommen kein Ausbildungsplatzangebot. Auch sie fallen aus der Statistik heraus, sie werden keinen Ausbildungsplatz haben.
Wenn wir gleichzeitig wissen, und da fängt für mich das weitere größere Problem an, dass über 50 Prozent der Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, haben Sie jetzt vielleicht einen Eindruck davon, über welche Größenordnung des Problems wir hier eigentlich reden und welche Größenordnung verschleiert wird, wenn wir heute den Jugendlichen keinen ausreichenden Ausbildungsplatz geben, wie viele Arbeitslose wir später haben werden, denn die Arbeitslosigkeit heißt auch, vorher keine Ausbildung gehabt zu haben.
Nun stellt sich die Frage, woran es denn liegt. Ich glaube, es gibt mehrere Gründe. Ein Grund wurde hier schon hinreichend genannt: Unternehmen nehmen ihre Ausbildungsverantwortung unzureichend wahr. Der öffentliche Dienst wurde lobend hervorgehoben. Das stimmt, ich will darauf auch nicht weiter eingehen, weil Frau Ziegert aus meiner Sicht dazu schon alles gesagt hat.
Zweiter Grund ist, dass wir einen riesigen Abbau von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verzeichnen! In Bremen sind im Sanierungszeitraum der großen Koalition über 25 000 sozialversicherungspflichtige Jobs weggefallen. Damit verschwinden natürlich auch prozentual die entsprechenden Ausbildungsplätze.
Dritter Grund ist, dass 50 Prozent der Betriebe überhaupt keine Ausbildungsberechtigung haben. Das sind meist Kleinstbetriebe, aber auch viele Betriebe im Dienstleistungsbereich. Es muss geprüft werden, ob dort nicht viel mehr Ausbildungspotentiale für die Zukunft freigelegt werden können.
Vierter Grund ist natürlich auch, darüber muss man ehrlicherweise reden, dass die Ausbildungsfähigkeit mancher Jugendlicher nicht hergestellt wird. Da ist aber der Bildungssenator gefordert, denn es darf nicht sein, das hatte ich gestern auch schon gesagt, dass zehn Prozent der Jugendlichen ohne einen Hauptschulabschluss die Schule verlassen, nicht richtig lesen und schreiben können. Die Schule darf lernschwache Kinder und Schulverweigerer nicht aufgeben, sondern sie muss eine Verantwortung dafür übernehmen, dass Jugendliche das Rüstzeug erhalten, um einen Ausbildungsplatz annehmen zu können.
Last, but not least, ich weiß, dass ich damit eine heilige Kuh ein bisschen angehe, aber wir müssen auch die Frage aufwerfen, ob in den sich stark wandelnden Arbeitsmärkten und Berufsfeldern sowie durch die Notwendigkeit von Kompetenzen und einem lebenslangen Lernen nur die duale Berufsausbildung der Weisheit letzter Schluss ist oder ob wir uns auch um mehr Flexibilisierung Gedanken machen müssen. Ich weiß, dass man in der Vergangenheit in Deutschland sehr stolz auf die duale Ausbildung war, aber bei der Flexibilisierung von Arbeitsmärkten müssen wir vielleicht auch schauen, wie wir flexibilisieren und ob das, was wir im Berufsausbildungsgesetz im letzten Jahr vereinbart haben, möglicherweise nicht ausreichen kann.
Ich möchte in keinem Fall – und ich komme damit auch gleich zum Schluss – weiter erleben, von Jugendlichen zu hören, dass sie 100 Bewerbungen schreiben und trotzdem nur Absagen erhalten. Wir müssen uns auch klarmachen, mit welcher Hypothek wir junge Menschen in das Leben entlassen. Wir sagen ihnen eigentlich, dass sie für diese Gesellschaft nicht gebraucht werden mit all den Konsequenzen. Das dürfen wir in Zukunft nicht mehr zulassen, und wir dürfen auch nicht zulassen, dass Jugendliche, die in der Tat am Ende noch einen Ausbildungsplatz bekommen haben, ein durchschnittliches Einstiegsalter von 19 Jahren haben. Da werden aus meiner Sicht Lebenschancen von Jugendlichen verspielt.
Wenn das Ziel nach wie vor richtig ist, dass alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz haben wollen, auch einen Ausbildungsplatz bekommen sollen, dann muss aus meiner Sicht der Ausbildungspakt deutlich nachgebessert werden, die berufsvorbereitenden Maßnahmen, die nur Warteschleifen sind, müssen abgeschafft und durch chancenreichere Maßnahmen ersetzt werden. Für Betriebe, die keine Ausbildungsberechtigung haben, müssen Möglichkeiten zur Ausbildungsverantwortung geschaffen werden, man muss über neue Wege in der Berufsausbildung nachdenken, und Schule muss die Verantwortung für die Ausbildungsfähigkeit wahrnehmen.
Vielleicht sollten wir – und jetzt komme ich auf meinen Anfang zurück – die Debatte in einem anderen Rahmen noch einmal weiterführen, in dem wir auch Beschlüsse fassen können, denn nur für Appelle in einer Aktuellen Stunde ist dieses Thema in der Tat viel zu ernst.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schön, ich verstehe nach dem, was Sie hier aufgezeigt haben, und auch nach dem, was Sie dazu gesagt haben, nicht so ganz Ihre Meinung, dass dies nicht Thema für eine Aktuelle Stunde sein soll. Ich bin vielmehr der Meinung, es muss Thema einer Aktuellen Stunde sein. Der Verlauf dieser Debatte hat dies gezeigt. Ich glaube, es hat auch sehr deutlich gezeigt, dass wir hier über alle Fraktionen der Bürgerschaft hinweg die Lage auf dem Ausbildungsmarkt als außerordentlich ernst einschätzen. Es freut mich dann, dass Sie hinsichtlich der Lösungsvorschläge ungefähr dasselbe gesagt haben wie ich.
Trotzdem möchte ich noch einmal auf eines hinweisen: Sie haben vermisst, dass hier von Seiten der großen Koalition mit irgendwelchen Maßnahmen gekommen wird. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat es vor zwei Jahren die Diskussion gegeben über eine Umlagefinanzierung, eine Ausbildungsabgabe auf Bundesebene, die dann durch die damals herrschende Regierung umgewandelt wurde in diesen Ausbildungspakt. Damals hatten wir eine rotgrüne Regierung. Von daher finde ich es nicht richtig, sich jetzt an dieser Stelle der Verantwortung dafür, dass diese Maßnahme ergriffen wurde, zu entziehen.
Ich wollte noch auf einige Dinge eingehen, die jetzt in der Debatte gesagt worden sind. Herr Peters hat angedeutet, dass etliche Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen, dies gar nicht wollen oder möglicherweise studieren wollen. In der Lebenswirklichkeit ist das natürlich so. Es sind etliche Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen und sich auch noch andere Möglichkeiten offen halten. Nach den Untersuchungen einer jüngsten Studie des Bundes
instituts für Berufsausbildung ist es aber in der Tat so, dass der weitaus überwiegende Teil der Jugendlichen einen Ausbildungsplatz eigentlich anstrebt und sowohl Studium als auch Schulen oft nur ein Ausweg sind. Ich kenne wiederum Jugendliche, die gesagt haben, ich habe dann erst einmal Abitur gemacht, habe dann keinen Ausbildungsplatz gefunden und erst einmal studiert. Dann haben sie festgestellt, dass das Studium für sie vollkommen falsch war, und sind wieder zurückgegangen und haben glücklicherweise noch einen Ausbildungsplatz gefunden.
Es ist in der Tat so, wenn man sich einmal die Zahlen ansieht, dass bei den Jugendlichen der Wunsch nach einer Ausbildung im dualen System im Betrieb sogar steigt und nicht sinkt, dass 58 Prozent der Schulabgänger insgesamt eine Berufsausbildung anstreben. Vor zwei Jahren waren es noch 56 Prozent, übrigens Migranten noch stärker als Deutsche, das heißt, dass Migranten auch noch stärker benachteiligt werden, als wir das sowieso schon feststellen. Sie sind unterdurchschnittlich vertreten. Ich habe mich auch immer gefragt, ob es daran liegt, dass sie es eigentlich gar nicht so sehr wünschen und anstreben. Ich finde, hier ist auch gerade ein Gebiet, Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche mit migrantischem Hintergrund zu schaffen, wobei wir noch sehr viel Überlegungen und Mühe daran binden müssen, dass die Benachteiligung der Migranten auch in Bezug auf die Berufsausbildung etwas abgemildert wird.
Das duale Berufsausbildungssystem wurde angesprochen als heilige Kuh! Ich würde es nicht als heilige Kuh bezeichnen, ich würde aber davor warnen, es vor dem Hintergrund der europäischen Diskussion leichtfertig aufzugeben oder zu riskieren. Ich stimme auch damit überein, dass möglicherweise die Wege zur Flexibilisierung innerhalb dieses dualen Systems teilweise zu mühselig sind, aber auch das duale System hat sich durchaus als reformierbar und flexibel erwiesen.
Aus meiner Sicht liegt der Vorteil des dualen Systems der Berufsausbildung in Deutschland nicht nur darin, dass es bisher unwidersprochen eine sehr gute Grundlage für die Fachkräftequalifikation bildet, dass also gerade die deutsche Industrietradition der Facharbeiterausbildung, aber auch in vielen anderen Berufen in dem dualen System, nämlich Lernort Schule und Beruf, theoretische und praktische Ausbildung verbindet im Ernstfall des Betriebes und nicht in irgendwelchen pädagogischen Zonen, sondern auch darin, dass bei allen Schwierigkeiten die zweite Schwelle des Übergangs von der Ausbildung in den Beruf weitaus besser gemeistert wird als in Ländern mit stärker schulisch oder überbetrieblich orientierter Ausbildung.
Wir haben in Deutschland immer noch – auch in Bremen übrigens, das ist mir wichtig! – eine niedrigere Arbeitslosigkeitsquote bei Jugendlichen als bei Erwachsenen. Ich finde das sehr wichtig. Wir haben eine unvergleichlich niedrige Arbeitslosigkeitsquo
te von Jugendlichen als in Ländern mit überbetrieblicher Ausbildung, wie dies in Frankreich oder Spanien der Fall ist. Von daher bitte ich, wenn man sagt, na gut, das duale System irgendwo als heilige Kuh ad acta zu legen, das ist ein etwas schiefes Bild, dass man sich das sehr genau überlegt.
Allerdings muss ich sagen, die duale Ausbildung ist bei allen Differenzen sonst in dieser Frage ein Thema, bei dem sich Gewerkschaften, Unternehmen und Arbeitgeber durchaus einig sind, dass man das erhalten soll. Die Betriebe gefährden natürlich – und Frau Schön hat zu Recht darauf hingewiesen – durch ihr Verhalten selbst dieses duale System. Wenn es dabei bleibt, dass weiterhin nur 25 Prozent der Betriebe ausbilden, obwohl eigentlich 50 Prozent der Betriebe durchaus diese Möglichkeit hätten, dann stellt sich auch für diejenigen, die in diesen Betrieben ausbilden – ich finde, wir sollten nicht immer nur über die reden, die nicht ausbilden, sondern über die vielen, die ausbilden, und zwar schon seit Jahren und qualifiziert und gut ausbilden und dies auch als ihre Aufgabe ansehen –, doch die Frage: Wieso bilden wir eigentlich für die anderen aus, wieso stellen wir denn für die anderen die Fachkräfte zur Verfügung?
Interessanterweise haben sich übrigens auch in einer Umfrage damals zur Ausbildungsabgabe die ausbildenden Betriebe mehrheitlich durchaus für die Erhebung einer solchen Abgabe ausgesprochen, das muss man auch noch einmal sehen!
Zum Schluss wollte ich noch etwas sagen, Herr Präsident, zu den Warteschleifen. Ich bestreite überhaupt nicht, dass auch solche Maßnahmen – –.
Abschließend: Ich will nicht sagen, dass all diese Maßnahmen unnütz oder schlecht sind, aber ich finde trotzdem, wir müssen uns darüber klar sein, sie sind großenteils nur Ersatz dafür, dass wir Jugendlichen nicht die Möglichkeit geben, gleich in eine betriebliche Ausbildung zu gehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte eigentlich da anfangen, wo Frau Ziegert gerade aufgehört hat, mit diesen so genannten Warteschleifen. Ich habe vorhin gesagt, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
es ist auf jeden Fall sinnvoll, dass die, die aus irgendwelchen Gründen auf der Strecke geblieben sind, schon ihre Tagesstrukturen behalten und auch ihre Qualifizierung weiterbringen können. Wenn Sie sich die Langzeitarbeitslosen, insbesondere die langzeitarbeitslosen Jugendlichen anschauen, stellen Sie heutzutage fest, leider haben zehn Prozent keinen Schulabschluss. Das ist eine große Zahl. Als ich gelernt habe, hatten auch diese jungen und auch ältere Menschen eine Chance. Es gab den Kalfaktor auf dem Bau, es gab den Kalfaktor auf der Werft, es gab die Reiniger. Alle diese Menschen haben eine Arbeitsaufgabe gehabt, die sie heute nicht mehr finden. Deshalb betone ich noch einmal, dass es ganz wichtig ist, dass auch diese Menschen einen Schulabschluss bekommen, und zwar einen Hauptschulabschluss, mit dem sie etwas anfangen können.
Außerdem, Frau Schön, waren Sie ja in der Arbeitsdeputation auch bereit, diese Maßnahmen mitzutragen, was ich auch richtig finde, um eben diesen Jugendlichen zumindest ein Stück Versorgung und vielleicht auch eine Chance zu geben.
Fachkräftenachwuchs ist natürlich wichtig und auch zunehmend wichtig bei der demographischen Entwicklung. Deshalb kann ich natürlich auch nur an alle Betriebe appellieren, nicht nur den Moment, sondern auch die Zukunft im Auge zu haben!
Nicht dass es in 15 oder 20 Jahren heißt, es gibt keine Maschinenschlosser mehr! Die heißen heute anders, ich habe so etwas einmal gelernt, aber der Beruf heißt etwas anders.
Ja, so ähnlich! Sie wissen, wen ich damit meine. Ich habe das Beispiel vor Augen, was passieren kann, wenn ich immer nur Akademiker fördere, nämlich Schweden. Die haben dort einen ganz konkreten Handwerkermangel. Sie fischen hier auf unserem Markt ganz kräftig ab und geben vielen, vor allem jüngeren Menschen auch eine Chance, dort als Handwerker einen Arbeitsplatz zu finden. Das ist für uns hier auch nicht unbedingt positiv, wenn unsere Leute abwandern.
Ich möchte noch ein letztes Wort dazu verlieren, dass es immer heißt, viele Betriebe können, wollen, dürfen nicht ausbilden. Ich komme selbst aus dem Handwerksbereich. Ich bin selbst Handwerksmeister. Ich weiß, dass heute bei der Spezialisierung der Handwerksbetriebe viele Betriebe die ganze Palette der Ausbildungsinhalte nicht selbst in einem Stück anbieten können. Sie können sie sich dann einerseits durch überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen teuer erkaufen. Diese kosten viel Geld, und die können sich diese Betriebe häufig nicht leisten. Wir haben aber ein hervorragendes Instrument, das sind die Ausbildungsverbünde. Sie sollten wir noch massiver und intensiver bewerben,