Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

litionsbeschlüssen. Wir hätten heute auch gut und gern eine Vorlage extra zum Personalvertretungsgesetz in erster Lesung haben können, hätten das ordentlich abarbeiten können, um die zweite Lesung im September zu machen. Dem ist nicht so. Wir haben keine andere Möglichkeit, als dieses Gesetz heute in der vorliegenden Form zu beschließen. Wir werden dies auch tun. Die SPD steht zu ihrer Regierungsverantwortung und ihrer Verantwortung für den Haushalt des Landes Bremen, zu dem von Bürgermeister Böhrnsen eingeleiteten Klageverfahren und der Strategie der Eigenanstrengung. Wir werden diesem Gesetz heute in der vorliegenden Fassung zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Gesetz um ein Artikelgesetz, mit dem eine ganze Reihe von Gesetzen geändert werden soll, unter anderem das Bremische Beamtengesetz, die Altersteilzeit betreffend, das Bremische Besoldungsgesetz, die jährliche Sonderzahlung – sprich Weihnachtsgeld – der Beamten betreffend, das Bremische Personalvertretungsgesetz, die Freistellung von Personalratsmitgliedern betreffend, sowie einige andere bremische Gesetze mit zugehörigen oder weniger bedeutsamen Sachverhalten.

Hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang auch auf die Inkrafttretensregelung, die zum Beispiel vorsieht, dass Artikel 2 und 3 des Gesetzes – also die jährliche Sonderzahlung an Beamte – rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft treten soll. Damit umfasst die Novelle wesentlich mehr Punkte, als bisher bekannt war und diskutiert wurde. Wir alle haben die Mitteilung des Senats erst vorgestern erhalten.

Ich meine, dass eine seriöse Gesetzesberatung bisher nicht möglich war. Gestern hat zwar der Haushalts- und Finanzausschuss getagt und sich mit dem Punkt jährliche Sonderzahlung an Beamte und Versorgungsempfänger und den haushaltsmäßigen Konsequenzen dieser Änderung befasst, es war aber nur dieser eine Punkt hinsichtlich seiner Wirkung auf den gerade erst beschlossenen Haushalt.

Dabei wurde uns erläutert, dass die gegenüber bisheriger Planung vorgesehenen zusätzlichen jährlichen Sonderzahlungen aus den eingeplanten Besoldungsanpassungsmitteln finanziert werden können. Haushaltsmäßig könne das ohne Probleme durch Nachbewilligungsanträge im beschlossenen Haushalt vollzogen werden. Das mag in den beiden Haushaltsjahren 2006/2007 vielleicht möglich sein, für die Jahre danach habe ich da meine Probleme. Auf mich wirkt das wieder einmal wie einer der bekannten Haushalts- und Finanzierungstricks der Koalition.

Für die Beamten insgesamt bedeutet das übrigens, dass in den nächsten Jahren mit keinerlei Besoldungserhöhung zu rechnen ist, die dafür vorgesehenen Mittel werden für das Weihnachtsgeld der unteren Gehaltsgruppen verbraucht. Der neue Paragraph 10 Absatz 4 des Bremischen Besoldungsgesetzes sagt dies ausdrücklich. Mit dieser neuen Regelung weicht der Senat von der bisherigen Planung um gut sieben Millionen Euro nach oben ab mit entsprechenden Folgewirkungen für die nächsten Jahre, und eine Angleichung der beiden Statusgruppen im öffentlichen Dienst wird hierdurch auch nicht bewirkt.

Im Haushalts- und Finanzausschuss nicht diskutiert wurde der Inhalt der neuen Regelung zum Weihnachtsgeld der Beamten. Auch nicht diskutiert wurde über die anderen Punkte des Gesetzes und ihre haushaltsmäßigen Auswirkungen. Die Mitteilung des Senats und die Erläuterung zum Gesetz enthalten hierzu keinerlei Angaben. Meines Wissens haben andere Ausschüsse der Bremischen Bürgerschaft beziehungsweise Deputationen, die zu beteiligen wären, über dieses Gesetzesvorhaben bisher nicht beraten. das ist auch erwähnt worden. Es liegt dort meines Wissens überhaupt nicht vor.

Ich sehe mich nicht in der Lage, von einem Tag auf den anderen parallel zu einer laufenden Bürgerschaftssitzung eine weitreichende Gesetzesmaterie zureichend zu bearbeiten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich weiß von Mitgliedern der anderen Fraktionen, dass dort ebenfalls großes Unbehagen in dieser Hinsicht herrscht.

Wenn ich mir Artikel 79 unserer Landesverfassung ansehe, dann habe ich auch verfassungsrechtliche Probleme, was das Vorgehen des Senats und der ihn tragenden Fraktionen betrifft. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten aus Artikel 79 Satz 1 Bremische Landesverfassung zitieren: „Der Senat ist verpflichtet, die Bürgerschaft oder die zuständigen Ausschüsse oder Deputationen über die Vorbereitung von Gesetzen sowie über Grundsatzfragen der Landesplanung“, und weiter heißt es, „frühzeitig und vollständig zu unterrichten.“

Ich kann weder etwas von einer frühzeitigen noch etwas von einer vollständigen Unterrichtung der zuständigen Ausschüsse und Deputationen feststellen. Deshalb komme ich noch einmal auf meinen gestern abgelehnten Geschäftsordnungsantrag zurück: Unterbrechen Sie nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs die Beratung, gehen Sie in die relevanten Ausschüsse und Deputationen, und machen Sie die zweite Lesung gleich nach der parlamentarischen Sommerpause! Sollten Sie, wie Sie das hier angekündigt haben, bei Ihrem geplanten Verfahren bleiben, dann bitte ich den Präsidenten, durch den Wissenschaftlichen Dienst einmal klären zu lassen, ob Ar

tikel 79 Satz 1 der Landesverfassung eingehalten wurde, meine Zweifel also berechtigt sind.

Sollte es, das ist meine abschließende Bemerkung, trotzdem bei aller Prüfung und Überlegung bei dem vorgesehenen Verfahren bleiben – heute erste Lesung, zweite Lesung –, bleibt mir nur die Ablehnung des Gesetzesvorhabens. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem chaotischen Verfahren, das Herr Wedler gerade angesprochen hat, hatte Frau Linnert, unsere Fraktionsvorsitzende, gestern schon geredet. Darauf möchte ich jetzt nicht noch eingehen.

Eine Sache verstehe ich nicht, meine Damen und Herren von der SPD: Warum setzen Sie sich eigentlich immer noch an einen Tisch mit der CDU, wenn irgendwie klar ist, dass Sie, wenn Sie anfangen zu zocken, immer systematisch verlieren?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Für Sie ist die Verabschiedung dieses Gesetzes doch schlicht in jeder Hinsicht ein Desaster. Erst haben Sie geglaubt, dass die CDU sich an das halten würde, was sie mit dem Haushaltsaufstellungsbeschluss im Senat mitgetragen hat. Das war natürlich nicht so, das ist ja klar. Aber immerhin hatten Sie nun ein Druckmittel. Von der taktischen Sicht her war das kein besonders tolles Druckmittel. Wie viel es wert war, haben wir im letzten Monat bei der Verabschiedung des Haushalts erleben können.

Wir haben im letzten Monat einen Haushalt beschlossen, in dem etwas anderes steht als das, was jetzt durch dieses Gesetz passieren soll. Sie schieben zwar Gelder hin und her zwischen den Haushaltsjahren, aber insgesamt sieht jetzt alles so aus, als ob die SPD den Beschäftigten im öffentlichen Dienst an das Geld will – Parteitagsbeschluss 420 Euro –, und die CDU stellt sich hin als Rächer der Enterbten, die für „ihre“ Polizeibeamten keine Kürzung hinnehmen will und sich jedenfalls mit diesem Kompromiss hinstellen und behaupten kann, das Allerschlimmste abgewendet zu haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gegen den Willen der SPD! Die Einigung sieht dann so aus, dass die SPD dann auch noch der CDU die Änderung im Personalvertretungsgesetz in den Rachen werfen muss, die die CDU schon einmal in einer Koalitionsrunde im Frühling 2005 an Land gezogen hat. Sozusagen als Sahnehäubchen servieren Sie der CDU die Änderung im Personalvertretungsgesetz!

Sind Sie, meine Damen und Herren von der SPD, eigentlich der Meinung, dass man auf diese Art und Weise Wahlen gewinnen kann? Meinen Sie etwa noch, dass die SPD und ihre neue Führung an Ansehen in dieser Stadt und in diesem Land gewinnen können, je länger Sie mit dieser CDU Koalition spielen?

Wir sind ja inzwischen Einiges gewohnt.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ist das jetzt ein Antrag?)

Dass der Senat ein Gesetz einbringt, das von der Bürgerschaft einstimmig abgelehnt wird, statt dass der Senat es zurückzieht, wie am Dienstag, war neu. Man weiß ja nie, was noch alles kommt,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist die Regierungsfähigkeit!)

aber einer der Gipfelpunkte Ihrer Koalitionsstreitereien ist, dass Sie sich noch nicht einmal mehr so weit über den Weg trauen, um noch normale Vereinbarungen treffen zu können. Ich meine die Koalitionsverabredung darüber, dass Sie nicht nur das Weihnachtsgeld kürzen wollen, sondern dass Sie auch gleich noch die Anpassung der Gehälter für 2006 und 2007 streichen. Sie sind dazu übergegangen, Ihre koalitionspolitischen Vereinbarungen in Gesetze zu schreiben, so, wie man sich das bei einer Bananenrepublik vorstellt. Mir sind fast die Augen übergegangen, als ich den Gesetzestext gelesen habe, dass mit der Weihnachtsgeldauszahlung die Mittel, die für Besoldungsanpassung reserviert waren, ausgeschöpft sein sollten. Das hat keine rechtliche Wirkung. So etwas kann man überhaupt nicht in ein Gesetz hineinschreiben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist ein Merkposten für Ihren politischen Deal. Dafür, dass die SPD überhaupt einer Weihnachtsgeldauszahlung zustimmt, soll die CDU schon einmal vorab erklären, dass sie sozusagen gemeinsam, Seite an Seite mit der SPD gegen die Anpassung der Gehälter sein wird.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Joschka Fi- scher hat das anders gemacht! Das wissen Sie hoffentlich!)

Ich kann Ihnen schon sagen, wie das ausgeht: So wie immer! Die SPD wird dann dastehen und auf die Einhaltung dieses unwirksamen Gesetzes pochen, und die CDU wird sich dann wieder als Rächer der Enterbten hinstellen und für den Inflationsausgleich bei den Gehältern kämpfen. Meine Damen und Herren, das kann doch keinen Spaß machen!

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, eigentlich wäre das Ganze ja recht lustig, aber es geht ja immer um etwas, es geht sogar um viel. Vor zwei Jahren haben Sie angefangen, das Prinzip zu brechen, dass die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhandelt werden und dass nicht einseitig vom Dienstherrn, vom Arbeitgeber letztlich in der Tarifautonomie herumgefummelt wird. Bis dahin war es immer so, und das war auch richtig, dass die wesentlichen Bestandteile der Tarifeinigung zwischen den öffentlichen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften im Beamtenbereich nachvollzogen wurden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist deshalb sinnvoll, weil wir keine Auseinanderentwicklung zwischen Angestellten, Arbeitern und Beamten haben wollen. Beamte dürfen aus gutem Grund keinen Arbeitskampf machen. Wenn jetzt durch einseitige Veränderungen bei den Beamten, gegen die sie sich nicht wehren dürfen, die Latte für den künftigen Tarifvertrag gelegt wird, den man als öffentlicher Arbeitgeber abzuschließen bereit ist, dann ist Tarifautonomie dahin.

Wir haben ja im Streik um den Tarifvertrag schon erlebt, wie das läuft. Da ist ja tatsächlich gesagt worden, dass die Gewerkschaften der Abschaffung des Weihnachtsgeldes und einer höheren Wochenarbeitszeit zustimmen sollten, um Ungleichheiten im Betrieb zu vermeiden, die aber erst dadurch entstanden sind, dass die öffentlichen Arbeitgeber einseitig die Bedingungen vorher verändert haben. Wir sind da in einer Abwärtsspirale, deren Ende nicht sichtbar ist. Wenn jetzt auch noch die kompletten Dienstrechtsbefugnisse im Zusammenhang mit der Föderalismusreform auf die Länder übergehen, dann muss man sich doch irgendwelche Mechanismen überlegen, dass dieser Fall nicht bodenlos wird.

Mit der Einigung zwischen SPD und CDU, keine Gehaltsanpassung vorzunehmen, macht Bremen jetzt den Vorreiter. Ich glaube, kein anderes Land hat sich bislang festgelegt, keine Erhöhung vorzunehmen. Bremen werden dann wieder andere Länder bis zur nächsten Runde folgen, und das kann nicht sein, meine Damen und Herren.

Nun ist es ja so, dass wir einen ganz frischen, aktuellen Tarifvertrag haben, um den ja nun wirklich ausreichend gekämpft worden ist. Normalerweise müsste man diesen Tarifvertrag eins zu eins auf die Beamten übertragen. Nun haben wir eine Sondersituation. Der Senat und ver.di verhandeln, und es wäre gut, wenn mit ver.di eine Einigung erzielt werden könnte, die sich auf den gesamten öffentlichen Dienst übertragen lässt.

Wenn man von Anfang an so verhandelt, dann sieht die Einigung möglicherweise auch etwas anders aus. Natürlich haben Sie Ihre Zwänge, die dagegen sprechen. Sie wollten ja unbedingt letzten Monat einen

Haushalt beschließen, von dem Sie wussten, dass es in einer so zentralen Frage wie diesem Gesetz keine Einigung gab. Wir haben gesagt, dieser Haushalt ist nicht beratungsfähig. Wir brauchen einen neuen Entwurf auf realistischer Grundlage. All die Zwänge, die Sie sich selbst durch Ihre Hin- und Hertaktiererei geschaffen haben, sind nicht unser Bezugsystem.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Heraufsetzen der Grenzen für die Freistellung von Personalvertretern folgt einer Haltung, die wir nicht teilen. Diese Haltung lautet, Personalvertretung sei Geldverschwendung, Mitbestimmung sei überflüssig, Personalräte machten nur Ärger. Genau das Gegenteil ist richtig, meine Damen und Herren. Wenn man eine leistungsfähige Verwaltung haben will, dann braucht man motivierte Mitarbeiter, und gerade dort, wo gesagt wird, hier blockiert der Personalrat ständig, spielt nicht mit, da ist es doch in der Realität meistens so, dass die Führung das Problem ist. Personalräte fungieren doch teilweise als Puffer zwischen einer schlechten Führung und einer durch allgemeinen Spardruck geplagten Arbeitnehmerschaft. In einer solchen Situation muss man sich doch überlegen, wie man die Personalvertretungen stärkt, aber nicht, wie man sie schwächt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn der DGB von einer Gefahr für den Betriebsfrieden spricht, dann muss man das auch ernst nehmen. Die bisherigen Regelungen entsprachen dem, was für die Privatwirtschaft gilt und im Betriebsverfassungsgesetz steht. Es trifft zwar zu, dass die neue Regelung dem entspricht, was der Bund und die meisten anderen Länder geregelt haben. Natürlich ist es auch nicht so, dass dies das Ende der Mitbestimmung ist, aber trotzdem ist und bleibt es ein Schritt in die falsche Richtung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Grünen werden dieses Gesetz ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.