Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Uns in der FDP ist wichtig, dass den Heranwachsenden in der Schule Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein vermittelt werden. Sie sollen darauf vorbereitet werden, später für sich und andere Entscheidungen treffen zu können. Dazu gehört für uns auch, dass die Schülerinnen und Schüler an den Entscheidungen in ihrer Schule beteiligt werden, zum Beispiel was die Frage einer einheitlichen Kleidung an der Schule anbetrifft. Insofern können ich und meine Partei mit dem vorliegenden Antrag gut leben. Eine landesweite Vorgabe über die Köpfe der Beteiligten vor Ort hinweg lehnen wir ab. Aber wenn sich die jeweiligen Schulkonferenzen für eine einheitliche Schulkleidung aussprechen, wenn Eltern, Schüler und Lehrer dafür sind, spricht in unseren Augen nichts dagegen.

Für uns in der FDP ist klar, was für die jeweilige Schülerschaft einer Schule gut ist, können weder wir Abgeordneten hier in der Bürgerschaft noch die Schulaufsichtsbeamten in der Bildungsbehörde beurteilen. Die im vorliegenden Antrag beschriebene Vorgehensweise, dass die Politik nur den Rahmen schafft und Möglichkeiten eröffnet und die Schulen vor Ort sich für oder gegen eine Maßnahme entscheiden, entspricht voll und ganz dem Gedanken der Stärkung einer Schulautonomie, die wir Liberalen schon lange predigen.

Ein wichtiger Aspekt bei der Einführung einheitlicher Schulkleidung ist aber selbstverständlich die Sozialverträglichkeit. Kleidung ist teuer. Eine eigene Schulkleidung darf nicht so teuer sein, dass finanziell schlechter gestellte Familien in Schwierigkeiten geraten. Daher finde ich es richtig, dass auch dieser Gedanke im Antrag aufgegriffen wurde. Ich werde dem vorliegenden Antrag deshalb zustimmen. – Vielen Dank!

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Frau Linnert, Ihre ausschweifende Rede aus dem Tierreich in Bezug auf meine Person, die war ja richtig niedlich.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, finde ich auch!)

Nun möchte ich Ihnen auch gern einmal ein Beispiel aus dem Tierreich zum Besten geben, und Sie sollten jetzt genau zuhören, sich das auch merken und deutlich zur Kenntnis nehmen: Ein Floh kann einen

Löwen mehr ärgern, ihm seelischen und schmerzlichen Schaden zufügen und ihm sehr viel gefährlicher werden als ein Löwe einem Floh, oder? Das wird hier noch sehr lange der Fall sein.

Zweitens haben Sie vielleicht etwas voreilig behauptet, ich hätte heute noch niemanden beleidigt.

(Heiterkeit)

Da haben Sie sich leider ein bisschen zu früh gefreut. Warten Sie doch einfach meine weiteren Reden ab, denn ich bin noch lange nicht mit Ihnen fertig!

Meine Damen und Herren, dass Sie ausgerechnet durch einen Dringlichkeitsantrag eine einheitliche Schulkleidung an Schulen im Land Bremen unterstützen wollen, verwundert mich doch sehr. Man kann über dieses Thema ja eine geteilte Meinung haben, aber nicht darüber, dass Sie dieses Thema heute ausgerechnet in einem Dringlichkeitsantrag behandeln müssen, denn meiner Meinung nach ist hierfür eine Dringlichkeit überhaupt nicht gegeben und schon gar nicht erforderlich. Ich frage mich ganz besorgt: Hat das Bundesland Bremen bei der katastrophalen und skandalösen Bildungspolitik, sprich Pisa-Ergebnisse, Lehrermangel, unerträglicher Unterrichtsausfall, Schulverweigerer und so weiter, wirklich keine anderen Sorgen, die man vorrangig mit einem Dringlichkeitsantrag behandeln und lösen müsste, als eine einheitliche Schulkleidung an Bremer Schulen behandeln zu müssen? Ich glaube schon.

Obwohl schon länger an einigen Schulen in Deutschland wie zum Beispiel in Hamburg projektmäßig eine einheitliche Schulkleidung getragen wird, hätten Sie diesen meines Erachtens unnötigen Dringlichkeitsantrag auch noch später als normalen Antrag einbringen können.

Meine Damen und Herren, Tatsache ist aber auch, und das konnte ich des Öfteren durch längeren persönlichen Auslandsaufenthalt wie zum Beispiel in Japan und vielen anderen Ländern, wo eine einheitliche Schulkleidung vorgeschrieben ist, bemerken, dass in diesen Ländern durch das Tragen einer einheitlichen Schulkleidung das gemeinsame Wir-Gefühl, das Gemeinschaftsgefühl unter den Schülerinnen und Schülern sowie auch die Identifizierung mit ihrer Schule ganz besonders stark positiv ausgeprägt ist. Ebenso konnte ich mich auch anhand von eindeutigen Statistiken persönlich davon überzeugen, dass es an den japanischen Schulen keine solchen Gewaltorgien gibt, wie wir das an deutschen Schulen ja leider täglich erleben müssen, und dass Diebstähle, Markenwahnsinn, soziale Ausgrenzung, Abzocken, Erpressung durch gewalttätige ausländische Jugendbanden und so weiter an den Schulen in Japan und auch anderswo gänzlich unbekannt sind. Das liegt meines Erachtens erstens an der vorgeschriebenen einheitlichen Schulkleidung und zweitens daran, dass die japanische Regierung im Gegensatz zur deutschen

Regierung noch eine realistische und verantwortungsbewusste Ausländer-, Einwanderungs- und Integrationspolitik zum Wohle ihres eigenen Volkes betreibt.

(Unruhe bei der CDU)

Ja, da können Sie ruhig schreien! An japanischen Schulen gibt es zum Beispiel keinen weit über achtzigprozentigen Ausländeranteil! Das wäre in Japan unmöglich. So etwas Unverantwortliches würde diese Regierung niemals zulassen. Ich glaube, so etwas Unverantwortliches gibt es auch eben nur in Deutschland. Aber das ist ein anderes Thema, auf das ich mit Sicherheit in diesem Haus noch des Öfteren deutlich und mit Zahlen und Fakten lauthals zurückkommen und eingehen werde, dessen können Sie sich hundertprozentig sicher sein.

Meine Damen und Herren, die Unterstützung einer Einführung einer einheitlichen Schulkleidung im Land Bremen ist eine große Chance, dass sich sehr viele Schülerinnen und Schüler, die sich eben keine teuren Markenklamotten erlauben können, nicht weiter ausgegrenzt fühlen müssen. Ich bin zwar der Meinung, dass das Bundesland Bremen gerade im Bildungsbereich weitaus größere und wichtigere Probleme als die Unterstützung, es ist ja leider nur eine Unterstützung, einer einheitlichen Schulkleidung an Bremer Schulen hat. Ich habe Ihnen aber auch aus meinen persönlichen Erfahrungswerten dargelegt, dass es positive Aspekte gibt. Darum werde ich Ihrem Dringlichkeitsantrag auch zustimmen. – Ich danke Ihnen!

Das Wort hat der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir lernen von Auslandsaufenthalten, die ich gar nicht für möglich gehalten hätte, aber immerhin!

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Doch!)

Aber, meine Damen und Herren, zuviel sollte man ja auf die Reden des werten Herrn Abgeordneten, der vor mir geredet hat, nicht eingehen. Ich weise Sie nur darauf hin, er hat es doch geschafft, nachdem er erst hier irgendwie das Tierreich bemühte, wieder über kriminelle Ausländerbanden und Ähnliches zu reden.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Darüber redet er immer!)

Meine Damen und Herren, darum geht es hier nicht. Es gibt ja eine Reihe von Anträgen und Reden, die wir vom Abgeordneten Tittmann hier gelegentlich hören. Er hat es auch in dieser Thematik geschafft, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wieder Ausländerfeindlichkeit und Rassismus unterzubringen. Er hat auch einen totalitären Gedanken hier die ganze Zeit versucht zu implementieren, er möchte alles von oben verordnen. Wir reden hier über etwas anderes, nämlich dass sich Schülerinnen und Schüler selbst auf den Weg machen und sagen, wir wehren uns gegen Markenterror, wir wollen etwas gegen Abziehen tun. Das ist der Sinn des Antrags, den wir Ihnen hier heute vorgelegt haben, meine Damen und Herren. Darum ist es ganz wichtig, dass man das eben auch so deutlich hier sagt: Wer hier von Uniformen, ich habe das eben von der Bank aus gesagt und sage es auch noch einmal hier, in Schwarz oder Braun träumt, der hat hier nichts zu suchen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht hier darum, eine Kleidung zu finden, die von den Kindern und Jugendlichen akzeptiert wird, meine Damen und Herren. Ich habe das vorhin auch gesagt, ich will es nur als Erwiderung sagen. Frau Stahmann, Frau Hövelmann, Sie hatten das, glaube ich, angesprochen. Es geht nicht um ein T-Shirt, sondern es geht wirklich darum, dass Schulen selbst sagen, wir haben hier vielleicht zehn Kleidungsstücke, aus denen die Kinder und Jugendlichen auswählen sollen, es gibt ganz unterschiedliche Stile, und da muss sich jeder auch wiederfinden. Damit haben wir ja wahrscheinlich auch die FDP mit ins Boot geholt, dass der Individualismus eben doch zumindest im Rahmen einer Einheitlichkeit seinen Weg finden wird.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich das einmal anzuschauen in Hamburg-Sinsdorf, das ist hochinteressant. Das Lernklima hat sich in den sechs Jahren – es ist eine Haupt- und Realschule mit einer extrem schwierigen Klientel – enorm verbessert. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler zum Beispiel, die nach der zehnten Klasse dann aufs Gymnasium gegangen sind, hat sich verbessert, die Lernkultur hat sich verbessert, es gibt kaum noch Gewaltdelikte. Das will an einer Schule mit einer problematischen Klientel, wie wir sie in Bremen ja auch kennen, schon etwas heißen.

Wir haben hier ja auch lange über die Gewaltstudie gesprochen und was daraus zu folgen hat. Es ist ein Mosaikstein, Frau Hövelmann, weil in einem Bild ein Mosaikstein ein wesentlicher Punkt ist, Sie haben es aufbauend als Baustein bezeichnet, ich glaube, wir meinen beide dasselbe. Wir haben viele wichtige Probleme in diesem Land, das ist angesprochen worden. Aber es handelt sich hier um ein wichtiges Element, das dazu beitragen soll, die Lernkultur zu verbessern. Die Lernkultur ist etwas, das wir entscheidend brauchen, um auch die Pisa-Ergebnisse und die Vera-Ergebnisse und die Leistungsergebnisse von Schulen insgesamt nach vorn zu bringen. Daher freue ich mich, dass alle demokratischen Parteien und Frak

tionen in diesem Haus diesem Antrag zustimmen. Die eine Stimme Zustimmung, die wir hier anscheinend bekommen, werden wir dann auch noch ertragen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Stahmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einige Worte zum Abgeordneten Tittmann sagen, denn ich möchte das nicht so stehen lassen, was er wieder an Falschaussagen und Diffamierungen von hier vorn über die Mikrofone in die Welt geschallt hat, denn es ist alles falsch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Herr Tittmann, Sie melden sich wiederholt zu einem Thema, von dem Sie überhaupt keine Ahnung haben,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

und benutzen dieses Thema wieder, um Ihre windige Polemik, die Diffamierung von Jugendlichen an Schulen, anzubringen. Dann picken Sie sich immer beispielhaft eine Schule heraus, jetzt picken Sie sich ein anderes Land heraus, und Sie kommen immer wieder, so hat Herr Kollege Rohmeyer richtig gesagt, zum Thema Ausländerfeindlichkeit und dass einige Menschen besser sind als andere. Das ist doch die braune Soße, die wir hier nicht hören wollen, die die Menschen nicht ertragen können und die wir hier im Haus auch nicht mehr von Ihnen ertragen können.

(Beifall bei beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Das Thema Gewalt an Schulen hat viel mit dem Antrag zu tun, den der Kollege Rohmeyer auf den Weg gebracht und hier gemeinsam mit Frau Kollegin Hövelmann vorgestellt hat. Aber ich habe beim letzten Mal schon gesagt, Kollege Tittmann, zu diesen Punkten, die Sie hier ausführen: Der Bildungssenator in Bremen ist der einzige Bildungssenator in der Republik gewesen, der eine Gewaltstudie in Auftrag gegeben hat. Bremen ist das einzige Bundesland, in dem alle Schulen sich bei einer Schulleiterbefragung mit dem Thema Gewalt an Schulen auseinandergesetzt haben. Es sind hier Schülerinnen und Schüler repräsentativ befragt worden, und das ist in Bremen passiert, nicht in Timbuktu oder Japan, sondern ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

hier in der Stadt Bremen und in der Stadt Bremerhaven. Das müssen Sie auch hier zur Kenntnis nehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aus dieser Studie ist die Diskussion an einigen Schulen zum Thema Abziehen entsprungen. Auch die Diskussion um Markenklamotten ist aus diesen Studien resultiert, und deswegen finde ich es auch gut, dass die CDU abgerückt ist. Früher hat Herr Rohmeyer ja auch immer gesagt, Schuluniformen wären ein Denkmodell.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ich habe nie das Wort Uniform benutzt!)

Wir haben hier schon kontrovers darüber diskutiert bei der Anstandsdebatte, Herr Rohmeyer. Aber ich bin froh, dass die CDU jetzt auch zu dem Thema einheitliche Schulkleidung einen Antrag gemacht hat. Das ist auch richtig, und man muss an dieser Stelle sagen, gerade an den Schulen, über die man sagt, die sind vermeintlich privilegiert, die sind in den besseren Stadtteilen, haben die Jugendlichen zwar gesagt, wir haben weniger körperliche Gewalt als an anderen Schulen, aber es gibt einen hohen Anteil an informeller Gewalt, einen hohen Anteil von Mobbing, von dem die Jugendlichen berichtet haben. All das stand auch in dem Kontext darüber, welche Klamotten man anhat, welche Uhr und welches Handy man hat. Deswegen begrüße ich das, dass wir uns an dieser Stelle über den Sinn und Zweck auseinandersetzen, was Jugendliche anziehen und was eigentlich Ausdruck von Persönlichkeit ist.

Ich finde, man darf nicht den Fehler machen und sagen, man verordnet Schülern Kleidung. Das muss freiwillig an den Schulen passieren. Da müssen die Schüler richtig mitdiskutieren und müssen das auch wollen, dass das passiert. Das können auch nicht die Eltern ihren Kindern verordnen, sondern das ist wirklich eine Sache, bei der die Schülerinnen und Schüler mitreden müssen, denn sie sind es schließlich, die die Kleidung dann auch anziehen sollen.

Es ist ein schwieriger Balanceakt, finde ich, in der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. Man kleidet sich mit 14 oder 15 gern anders als seine Freundin oder als seine Freunde. Nicht jeder steht darauf, mit 15 oder 16 in den gleichen Sachen herumzulaufen wie sein Banknachbar. Man möchte sich auch abgrenzen, und das muss in dieser Diskussion auch eine Rolle spielen.

Ich finde, man sollte auch nicht die Lehrer von dieser Diskussion ausschließen. Wenn die Schülerinnen und Schüler Schulkleidung tragen, warum sollte das dann nicht auch für die Lehrerinnen und Lehrer gelten, denn auch sie könnten vielleicht einmal den einen oder an

deren Impuls an dieser Stelle gebrauchen, um sich auch mit denjenigen zu identifizieren, die sie unterrichten und auch mit der Schule, an der sie gerade sind. Das sind die Anmerkungen, die ich machen wollte.

Kollege Tittmann, Sie brauchen sich hier nicht wieder zu melden, denn Sie haben einfach keine Ahnung von dem Thema. Sie haben sich damit nicht auseinandergesetzt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie benutzen das für Ihre dumpfe Polemik. Ich bitte Sie, davon abzusehen, dass Sie sich noch einmal zum Thema Bildungspolitik äußern. Es hängt mir wirklich aus dem Hals heraus!