Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wäre ja noch schöner!)

Aber dennoch debattieren wir heute!

Natürlich haben wir im laufenden Haushaltsjahr, ich sagte es schon, eine besondere Verpflichtung zur Einhaltung unserer Ausgaben und Anschläge. Es ist wichtig, dass wir uns insbesondere mit Blick auf die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hier daran halten. Da sehe auch Ihre Unterstützung, die nehme

ich auch sehr dankbar auf, dass wir alle wissen, dass wir keinen „normalen Haushalt“ führen, sondern einen besonderen Haushalt. Wir sind auf dem Radarschirm der Länderkollegen des Bundes und auch des Bundesverfassungsgerichts. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch daran bleiben und uns jetzt nicht zur Ruhe setzen.

Ich möchte noch etwas zum Ablauf des Verfahrens sagen! Wir führen planmäßig das Controlling durch, wir haben dieses Controlling auf der Basis der Daten von Januar bis Juli durchgeführt, und wir haben natürlich eine Vorausschau ergänzend bis zum Jahresende mitgeliefert. Was den zeitlichen Horizont angeht, haben wir von den Ressorts am 3. August ihre Einschätzungen, Bewertungen und Analysen, wie sie die Weiterentwicklung extrapolieren, wie sie sie bis zum Jahresende fortschreiben, erhalten, und wir haben dann diese Ergebnisse am 24. August, also zeitnah, im Rahmen von Verwaltungsleiterrunden gemeinsam mit den Ressorts erörtert.

Im Rahmen dieser Erörterung wurde deutlich, dass die Ist-Werte extrem positiv sind, aber dass die Prognosen, die in dieser Runde von den einzelnen Verwaltungsleitern abgegeben worden sind, natürlich auch mit einem bestimmten Hintergrund abgegeben wurden, nämlich sich möglichst auch Freiraum für das einzelne Ressort – das kennt man als Finanzer, Herr Perschau – bis zum Jahresende verschaffen zu wollen. Wir sind auf die Zahlen, die wir im Controllingbericht genannt haben, wenn man die Gesamtzahl nimmt von 42 Millionen Euro respektive bereinigt um die Kernprobleme auf 25 Millionen gekommen. Wir haben dann bei einer differenzierten Analyse dieser Probleme festgestellt, dass wir eigentlich unterschiedliche Risiken, unterschiedliche Qualität in den Faktoren haben und auch davon ausgehen, dass wir diese Risiken – und auch das ist eine gemeinsame Einschätzung – auch zu einem guten Teil durch interne Steuerungsmaßnahmen auffangen können.

Um genau das zu gewährleisten, haben wir am 5. September den Senat mit den Controllingdaten befasst und am 8. September den Haushalts- und Finanzausschuss direkt in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause informiert. Ich denke, zeitnaher kann man nicht daran sein. Die Daten liegen vor, und deswegen ist es auch gut, dass wir darüber debattieren. Ich bin aber der festen Meinung, dass wir noch nicht jetzt im September ein Manöver des letzten Augenblicks einleiten müssen, wenn wir noch Chancen sehen, dieses Problem gemeinsam, zusammen mit den Kollegen, mit den Ressorts, zu steuern.

Wir haben uns mit den Verwaltungsleiterkollegen darauf verständigt, dass wir am 14. September noch einmal eine revidierte Stellungnahme bekommen, mit der noch einmal auch mit Blick auf die Gesamtverantwortung deutlich wird, ob es bei diesen Zahlen bleibt oder ob wir mit anderen Zahlen rechnen müssen. Deswegen, denke ich, Sie sind darin eingebunden.

Ich möchte noch einmal etwas zu den Risiken sagen, sie sind hier im Detail angesprochen worden. Wir haben Risiken unterschiedlichster Qualität. Die zwei großen Positionen sind die Kosten der Unterkunft, also im Sozialbereich elf Millionen Euro, es sind aber auch Risiken im Justizressort von 4,6 Millionen Euro, die aus den Betreuungskosten respektive aus den Verbraucherinsolvenzen resultieren. Zu diesen Positionen möchte ich einmal etwas sagen! Dies alles sind Positionen, bei denen Bremen letztlich keine Steuerungsmöglichkeit hat. Es ist ein generelles Problem auf Länderebene, dass die Kosten für die Unterbringung, nämlich wegen einer Fehleinschätzung der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften, auseinanderlaufen und es gerade in den letzten Monaten hier in allen Ländern zu Budgetüberschreitungen kommt. Sie wissen, dass wir in diesem Zusammenhang mit dem Bund Revisionsverhandlungen führen, weil die Regelung, die jetzt verständigt ist, im Jahr 2006 ausläuft. Im Jahr 2007 muss es zu einer neuen Regelung kommen. Es gibt hier große Abweichungen zwischen den Vorstellungen der Länder respektive der Kommunen und dem Bund. Wir haben in Bremen seinerzeit mit 110 Millionen Euro geplant, wir haben letztlich 60 Millionen Euro bekommen, und wenn die Entwicklung sich so fortschreibt, werden wir dann vielleicht mit elf Millionen Euro herausgehen. Das zeigt aber auch gerade – und hier, meine ich, müssen wir auch zusammenstehen –, wir können nicht Risiken, die uns der Bund, ob es bei den Betreuungskosten, bei den Insolvenzen, bei den Kosten der Unterkunft ist, jedesmal einfach in unseren Landeshaushalt hineinschreiben und zur Tagesordnung übergehen. Deswegen begrüße ich es und bin auch sehr froh darüber, dass wir gemeinsam mit Frau Röpke, mit Herrn Böhrnsen und dem Finanzressort versuchen, dieses für uns wichtige Thema, Kosten der Unterbringung, das uns als Stadtstaat natürlich mit überproportionaler Schärfe trifft, mit dem Bund zu regeln, und als Haushaltsnotlageland nicht einfach sagen: Da sind einmal Gesetze gemacht worden, da ist uns bei der Gesetzgebung zugesagt worden, wir sollen entlastet werden, und wir stellen fest, dass es uns den Haushalt sprengt. Deswegen sehe ich diese Position, die sich sowohl im Justizressort als auch im Sozialressort spiegelt, mit einer auch an den Bund gerichteten Verantwortung und nicht so sehr nur ausschließlich im Rahmen der Landesgesetzgebung.

(Beifall bei der SPD)

Was die übrigen Positionen angeht, so bin ich der festen Überzeugung, dass der Senat und alle Haushaltsverantwortlichen die bremischen Interessen bei der Verfassungsgerichtsklage nicht gefährden werden und wir alle zusammenstehen werden, um gemeinsame Probleme dann auch zu lösen. Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, wie man mit diesen Themen umgehen kann. Die Umlage ist ein Thema, aber es gibt natürlich auch Möglichkeiten, bei

den Investitionen sich noch einmal umzuschauen. Man kann über Investitionskürzungen gehen, man kann weitere zentrale Gegensteuerungsmaßnahmen machen, auch im Sinne von Einsparungen. Wir werden uns das im Detail ansehen müssen.

Ich denke, ab dem 14. werden wir wirklich eine verlässliche Rückmeldung der einzelnen Ressorts haben. Dann werden wir auch einschätzen können, wie wir gegensteuern können, und wir werden im Haushalts- und Finanzausschuss in der ersten Oktoberwoche, unmittelbar nach einer Senatsbefassung, hierüber berichten. Sie können davon ausgehen, dass der Senat und auch der Finanzsenator Ihnen hier Vorschläge machen, die auch verständigungsfähig sind. Wir denken nicht daran, einen Nachtragshaushalt zu machen, wir denken auch nicht daran, Einnahmen zu verwenden, es sei denn zur Schuldentilgung. Ich würde es begrüßen, wenn wir in diesem gemeinsamen Sinne weiter auch gemeinsam an der Lösung dieser für Bremen zentralen Probleme arbeiten könnten. Dazu lade ich Sie recht herzlich ein! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das nette Bild von dem Kapitän, der von Bord geht, weil ein kleines Wölkchen droht, das weise ich zurück! Das verniedlicht auch die Bremer Lage. In Wirklichkeit ist es so, das Ding steuert auf einen Eisberg zu, und Sie wollen erst einmal in aller Ruhe Chopin zu Ende hören.

Die Redebeiträge der Großen Koalition bestätigen die Kritik der Grünen. Sie räumen ein, 25 Millionen Euro werden es wohl werden, der Finanzsenator hofft, es ist ein bisschen weniger, und Sie legen kein Konzept vor, wie Sie es lösen wollen. Herr Kollege Pflugradt, ein bisschen auch Frau Wiedemeyer, im Grunde reden Sie sich hier doch um Kopf und Kragen, indem Sie dem Parlament gebetsmühlenhaft erzählen, dass das doch alle gewusst haben. Ja, das war die Behauptung der Opposition, dass es alle gewusst haben, dass Sie nämlich sehenden Auges einen Haushalt beschlossen haben, der nichts taugt, in dem man nicht nur Risiken benennen kann, sondern bei dem man weiß, dass es Eckwerte gibt, die völlig unzureichend und unzutreffend waren. Sie sind sehenden Auges dort hineingeschleudert und haben jetzt keine Lösung dafür. Diese Eckwerte hätten Sie nicht beschließen dürfen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mir wird eigentlich immer deutlicher, dass Ihr Hauptproblem, das Hauptproblem Ihrer Art zu regie––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ren eine total isolierte Ressortsichtweise ist. Sie haben nicht verstanden, dass es um Bremen insgesamt geht,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

dass es um einen gemeinsamen Haushalt geht und es dem Kulturressort und dem Bildungsressort nicht egal sein kann, dem Gesamtsenat nicht egal sein kann, ob Menschen sicher in ihrer Wohnung verbleiben können oder ob wir Teile der Stadt in Angst und Schrecken versetzen. Sie tun so, als sei das Ressortbudget irgendetwas, was ein Senator oder eine Senatorin in schwierigen Verhandlungen erbeutet hätte, und das muss man dann mit Zehen und Klauen verteidigen, weil es nämlich meines ist. Sie haben nicht verstanden, dass es um etwas Gesamtes, Gemeinsames für Bremen geht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie sind erstarrt in Ressortegoismen, und das ist auch Ihre Haushaltspolitik: Dann keinen Millimeter dem anderen gönnen, dem feindlichen Ressort, vielleicht sogar noch geführt von einer anderen Partei! Was ist das für eine schlimme Sichtweise auf eine Stadt, die ein Recht darauf hat, dass abgewogen wird zwischen der Frage: Wo kann man noch etwas herausschnitzen, und vor allem, welche Folgen hat das eigentlich für die Bevölkerung? Natürlich ist es so, dass Sie jetzt in der Lage, in der Sie jetzt sind, die Wahl zwischen Pest und Cholera haben, natürlich ist es so, dass eine Umlage schmerzhaft ist und niemand Lust darauf hat und das totalen Ärger macht, nur, da haben Sie sich doch gerade selbst hineinmanövriert! Jetzt sich hier hinzustellen und den Grünen – obwohl wir Ihren Haushalt ganz fundamental angegriffen und gesagt haben, dass er das Papier nicht taugt, auf dem er steht – das jetzt anlasten zu wollen, dass wir über Bildung sparen wollen, das ist wirklich absurd!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben sich da hineinmanövriert, dass es keine Wahl mehr gibt. Es gibt meiner Meinung nach nur die Wahl: Umlage oder verschieben in 2007! Die CDU, das sage ich Ihnen hier, will das Zweite, weil sie gar nicht bereit ist, für die Zukunft in Bremen Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Pflugradt hat hier gesagt: Jedes Ressort selbst, und dann sollen die doch sehen, wie sie klarkommen! Die Innendeputation hat letzte Woche gesagt, der Senator hat gesagt,

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Sie haben die Oppositionsrolle so verinnerlicht, dass Sie gar nicht mehr geradeaus sehen!)

Inneres kann es nicht, um das hier aus diesem Geruch, dass es nur um das Sozialressort gehe, herauszubringen. Ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass es sich bei den Kosten der Unterkunft – Senator Nußbaum hat zu Recht gesagt, es handelt sich um Leistungen, die wir hier erbringen müssen – nicht um irgendeinen Posten handelt, über den man einmal so ein bisschen darüberbürsten kann. Wollen Sie wirklich, dass das Sozialressort gezwungen ist, Menschen in die Wohnungslosigkeit zu manövrieren? Das wird das Ergebnis sein, wenn man auf diesen Haushaltsposten weiter herumtrommelt.

Da habe ich einen richtigen Dissens mit Ihnen, Herr Wedler. Herr Wedler, Sie haben hier eine inhaltsleere Sichtweise auf Haushaltseckwerte, und Sie weigern sich, sich vorzustellen, dass sich dahinter Menschenschicksale verbergen und ob es überhaupt möglich ist, bestimmte Einsparungen zu erbringen. Damit will ich nichts zu tun haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man muss sich vorstellen, was das für unsere Stadt bedeutet, was man hier tut.

Ich gebe Herrn Senator Nußbaum Recht – das ist auch lange in der Sozialdeputation besprochen worden –, dass das, was gerade bundesweit läuft, das Gezerre über die Frage, welche Länder und Kommunen werden wie stark entlastet bei der Frage Kosten der Unterkunft, ein absolut absurdes Theater ist. Wenn man noch ein mieses Zeugnis für den Zustand braucht, in dem sich der Föderalismus in Deutschland zurzeit befindet, dann ist das wirklich der Gipfelpunkt.

(Zuruf des Abg. P e r s c h a u [CDU])

Nein, das ist nicht eine Nummer kleiner! Da gibt es wirklich Bundesländer, die stellen sich hin und wollen, dass die Entlastung des Bundes nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt wird. Absurder geht es doch nicht! Das war doch gerade die Hoffnung, den Bund daran zu beteiligen, dass es in bestimmten Bundesländern oder in Großstädten für die Gebietskörperschaften nicht mehr finanzierbar ist, was an Armutskosten entsteht. Ich habe es hier so verstanden, dass man das auch vielleicht gemeinsam so sehen könnte, und dann bieten wir an, dass wir in der nächsten Bürgerschaftssitzung gemeinsam hier im Parlament dem Präsidenten des Senats bei seinen Verhandlungen den Rücken stärken. Es muss so sein, dass die Gebietskörperschaften, die die größten Armutskosten zu tragen haben, auch den größten Teil an Entlastungen bekommen. Da finden Sie uns auf Ihrer Seite.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich darauf hinweisen, dass wir am Montag in der Fraktion einen Antrag beschlossen haben, in dem wir den Senat – den haben wir den Sozialdemokraten hoffentlich schon zugeleitet –

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Noch liegt er nicht vor!)

bei seinen Verhandlungen nachdrücklich unterstützen wollen mit solch einer Initiative im Hinblick auf Hartz IV, im Hinblick auf die Verhandlungen mit Herrn Müntefering und Herrn Steinbrück. Das wollen wir auch mit solch einem Beschluss der Bürgerschaft zum Ausdruck bringen.

Frau Linnert, wenn Sie Ihre Kraftausdrücke ins richtige Verhältnis setzen zu den konstruktiven Vorschlägen, die Sie hier einmal machen! Sie haben gesagt, Sie wollen eine Umlage, aber gleichzeitig wollen Sie doch nicht das Bildungsressort belasten. Oder wollen Sie sagen, dass das Kulturressort die Probleme des Sozialhaushalts lösen soll?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollen das ja nicht verstehen, Herr Pflugradt, das ist das Problem!)

Sie sagen immer das, was Sie nicht wollen, aber was Sie wollen, das sagen Sie nicht! Wenn Sie das täten, wenn Sie uns sagen würden, woher Sie das Geld hernehmen wollen – –! Aus den Steuermehreinnahmen, sagen Sie, wollen Sie es nicht, aus dem Bildungsressort wollen Sie das doch wohl auch nicht nehmen, oder wollen Sie das? Dann sagen Sie das doch einmal! Das wollen wir doch einmal von Ihnen hören! Oder wollen Sie das aus dem Kulturressort nicht?

Eine Umlage aus dem Sozialressort oder aus dem Justizressort, aus dem Innenressort bringt doch nichts, die haben doch sowieso schon zu wenig Geld.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch Ihr Haushalt!)

Woher soll das Geld denn kommen? Dann sagen Sie es doch einmal!

(Beifall bei der CDU)

Sie werfen uns vor, wir würden nur auf die anderen Ressorts sehen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist doch so! Das ist doch immer so!)

Ich habe doch ausdrücklich gesagt: Wir wollen nicht, dass beim Bildungsressort gekürzt wird, dass die Probleme, die wir haben, zulasten des Bildungs- oder des Wissenschaftsressorts gehen.