Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Sie müssen Folgendes zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie das in einem Nebensatz formuliert haben: Wir sind ein Industriestandort hier in Bremen, fünftgrößter Industriestandort in der Bundesrepublik, das

ist ein Fakt! Wir sind leider aber auch ein Standort, in dem Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen, gerade Dienstleistungen wissensbasierter Bereiche, in dieser Themenstellung schlichtweg unterentwickelt sind aufgrund der Tatsache, dass wir wenig Entscheidungszentralen hier in Bremen haben.

Das wird auch deutlich an den Zahlen zum Beispiel von Frankfurt und Düsseldorf. Sie müssen sich einfach nur einmal die Anzahl der Entscheidungszentralen an diesen beiden Standorten anschauen und sehen, welch hoher Anteil wissensbasierter Dienstleistungen gerade im WP-Bereich, Steuerberater, Anwaltssozietäten sich in diesen Bereichen ansiedelt. Sie können doch nicht sagen, das ignoriere ich einfach und fange dann an – und den Brückenschlag habe ich überhaupt nicht verstanden – zu sagen, und das muss alles mit Frauenförderpolitik in Verbindung gebracht werden.

Unabhängig davon, welches Frauenbild haben Sie eigentlich? Ich habe Sie als Grüne immer so verstanden, dass Sie ein progressives Frauenbild haben, also auch weg von den traditionellen Berufen, in denen Frauen verhältnismäßig stark vertreten sind, dass Sie sagen, nein, wir müssen Frauen in naturwissenschaftliche Berufe und auch in Ingenieurberufe hineinbringen. Überhaupt kein Dissens über die Bedeutung des Potenzials von Frauen in der Wirtschaft, darüber streiten wir hier gar nicht, es geht sogar viel weiter als Sie glauben an der Stelle!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Na!)

Nein, Sie sagen, wir müssen in dem Bereich, wo diese Frauen bisher sehr stark vertreten sind, weiter fördern. Welches Frauenbild ist das, wenn Sie das sagen? Sie sprechen damit den Frauen die Kompetenz ab, in ingenieur- und naturwissenschaftlichen Bereichen entsprechende Leistungen zu bringen und die Studien erfolgreich zu absolvieren. Darum bin ich doch etwas enttäuscht, Frau Schön, dass das die Position der Grünen hier in der Bremischen Bürgerschaft ist, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Was Sie dann als Strategie genannt haben, da bin ich ganz aufmerksam geworden. Jetzt wird es spannend, jetzt wollen wir einmal schauen, was Sie bringen, was Sie als Strategie formuliert haben. Ich will es nicht wiederholen, es wäre unsachlich! Sie haben als Strategie formuliert, wir brauchen ein Gründungsnetzwerk, Sie haben auf einen Teil reflektiert, der nun wirklich nicht die Gründungsintensität in dieser Stadt, in diesem Land letztendlich darstellt.

Wir haben seit B.E.G.I.N. ein hervorragendes Gründungsnetzwerk, und wir haben auch ein Gründungsnetzwerk, wo es ganz konkrete Beratungsangebote

für Frauen gibt. Belladonna müsste Ihnen doch eigentlich bekannt sein, Frau Schön! Wenn nicht, mache ich Sie gern einmal mit den Vertreterinnen dieser Einrichtung bekannt, was dort für eine super Arbeit geleistet wird. In den Veranstaltungen wird von B.E.G.I.N. auch immer hervorgehoben, dass es dort spezielle Beratungsangebote für Frauen gibt, weil diese anders gründen als Männer. Nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis! Falls Ihnen das noch nicht bekannt sein sollte, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Sie kommen einmal zu einer Veranstaltung von B.E.G.I.N. an dazu, oder ich stelle Ihnen gern die Vertreter von Belladonna vor, auch das ist überhaupt kein Problem, damit Sie sich ein umfassendes Bild machen können, bevor Sie hier anfangen zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Dazu brauchen wir Sie nicht, Herr Kastendiek!)

Nächstes Stichwort, günstige Gewerbeflächen! Da hätte ich jetzt wirklich einmal die Protokolle der Debatten der Wirtschaftsförderungsausschüsse und hier in der Bürgerschaft von Frau Linnert haben müssen, damit ich sie hätte zitieren können. Sie sind es doch immer, die kritisieren, Gewerbeflächen würden viel zu günstig weggegeben, wir müssten viel sparsamer mit Ressourcen umgehen, und die Große Koalition sei da verschwenderisch, meine Damen und Herren! Also, Sie müssen schon stringent in Ihren Thematiken, in Ihren Positionen sein, Sie können nicht auf der einen Seite hü und auf der anderen Seite hott sagen, nur weil es Ihnen gerade in die Diskussion hineinpasst, meine Damen und Herren. Das ist nicht seriös!

(Beifall bei der CDU)

Dann die Schwerpunktsetzung der Geisteswissenschaften, der Sozialwissenschaften! Sie versuchen, hier wieder einen Konflikt aufzubauen, den es gar nicht mehr gibt, davon sind wir völlig weg! Sie befinden sich in einer politischen Diskussion, auch über Ausrichtung von Hochschullandschaft, von vor 20 Jahren! Sie sind dort einfach stehengeblieben offensichtlich, Frau Schön!

(Beifall bei der CDU)

Es gibt nicht den Gegensatz zwischen Ingenieurund Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Beides brauchen wir, und wir müssen uns dort auf unsere Stärken konzentrieren, auch das ist in den Berichten immer wieder deutlich geworden. Wir müssen uns auf die Stärken dieses Standortes konzentrieren. Dort hat sich aufgrund der hervorragenden Arbeit in den Universitäten, in den Hochschulen, in den Instituten natür

lich ein großer Schwerpunkt bei den Ingenieur- und Naturwissenschaften entwickelt.

Das ist übrigens auch gesellschaftlich der Bedarf, den wir haben. Wenn man sich in anderen Volkswirtschaften anschaut, welches Potenzial dort an jungen Menschen in diesem Bereich ausgebildet wird, wenn man das einmal bevölkerungsanteilsmäßig auf die Bundesrepublik Deutschland überträgt, dann werden Sie feststellen, wir haben dort einen hohen Bedarf, in diesem Bereich noch verstärkt auszubilden, dort auch entsprechendes Know-how heranzubringen, weil das die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft letztendlich mitprägt.

Sie gehen einen ganz verkehrten Weg, einen ganz anderen Weg. Woher nehmen Sie Ihre Kenntnis? Sie ignorieren alle empirischen Daten, die es zu dieser Thematik gibt. Deshalb kann ich Sie hier nur auffordern, sich doch einmal an der Stelle zu einer modernen Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik zu orientieren, meine Damen und Herren!

(Beifall bei CDU)

Ich stelle fest, dass es sich nicht weiter lohnt, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen, weil Ihnen an dieser Stelle schlichtweg die Grundlagen für eine qualifizierte Diskussion fehlen.

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt reicht es langsam!)

Sie versuchen, auf einen Zug aufzuspringen, der schon Kilometer weit weg ist. Die große Koalition hat schon seit langem dieses Thema auf der Agenda und geht es auch sehr systematisch an. Wir sind damit ja sehr offen in der Antwort umgegangen. Hier wird nichts verheimlicht oder verkleistert, Frau Schön, sondern im Gegenteil, es wird mit den Problemen in diesem Zusammenhang sehr offen umgegangen, weil wir die Erfolge, die wir im wissenschaftlichen Bereich haben, in einem noch viel stärkeren Maße als bisher in wirtschaftliche Wertschöpfung umsetzen wollen.

Es ist auch völlig unstrittig, dass die Akademikerquote nicht ausreicht. Sie reicht übrigens nicht nur in Bremen nicht aus, sie reicht bundesweit nicht aus, wenn man das einmal mit anderen Volkswirtschaften in Mitteleuropa vergleicht. Wir haben insgesamt einen Mangel an Akademikern, also muss uns die Frage auch beschäftigen, wie wir insgesamt diesen Anteil der Akademikerquote erhöhen, meine Damen und Herren. Ich kann Sie nur auf die aktuelle Literatur hinweisen, und ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang, was die Anforderungen aus der demografischen Entwicklung angeht, das neue Buch von Schirrmacher zu lesen.

Wenn jemand aus Ihrer Fraktion bei der Veranstaltung zur Verleihung des Gründerpreises in Bremerhaven gewesen wäre – Frau Berk, wir beide waren

da – dann würde vielleicht diese Erkenntnis auch bei Ihnen in die Fraktion einfließen. Da gibt es Anforderungen, Fragestellungen und Lösungsansätze, die schlichtweg über Ihre monokausalen Versuche, sich mit diesem Thema zu profilieren, hinausgehen.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, Sie haben das Thema voll und ganz verfehlt! Ich hoffe, dass diese Diskussion zumindest dazu anregt, bei Ihnen auch einen Umdenkprozess in Gang zu setzen, dass wir eine moderne Wissenschaftspolitik haben, dass wir eine moderne Wirtschaftspolitik haben, damit wir uns etwas intelligenter an dieser Stelle mit diesen Thematiken auseinandersetzen, als das bisher hier erfolgt ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ließe sich jetzt noch viel dazu sagen, aber es ist eine ZehnMinuten-Debatte, von daher gibt es nur eine Kurzintervention, was bedauerlich ist in Anbetracht des Themas.

Herr Kastendiek, die Grünen laufen mit Sicherheit nicht der Großen Koalition hinterher,

(Abg. F o c k e [CDU]: Da kommen Sie auch nicht mit!)

und von Ihnen brauche ich auch keine Nachhilfe in Sachen Frauenpolitik!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weshalb Sie hier so aufgeregt diskutieren, kann ich sowieso gar nicht verstehen. Das zeigt aus unserer Sicht nur, dass Sie doch ganz genau wissen, dass Sie mit Ihrer Politik die Akademikerquote genau nicht erhöhen, dass wir nämlich nicht nur hinter München und Stuttgart liegen, sondern auch hinter Städten wie zum Beispiel Hannover, die über 16 Prozent haben.

(Abg. F o c k e [CDU]: Die Fakten spre- chen doch eine ganz andere Sprache!)

Wenn Sie jetzt so tun, wir würden hier alles richtig machen, dann wissen Sie ganz genau, dass das so einfach überhaupt nicht stimmt. Da muss man nicht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

viel und aggressiv reden und dann glauben, die Sache wird an der Stelle schon richtig!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Zahlen einfach schlecht sind und auch der Zuwachs geringer ist als in anderen Regionen! Es ist überhaupt nicht ausreichend, und das wissen mit Sicherheit alle hier im Haus, dass wir nicht alle Zukunftsfragen nur mit Technik lösen. Das zu glauben ist schlicht abenteuerlich.

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Das hat doch auch keiner gesagt!)

Zu einer modernen Gesellschaft und auch zu Unternehmenslösungen, zu Gesellschaftslösungen gehören die Geisteswissenschaften dazu, und da rede ich explizit über Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften. Die brauchen wir in dieser Gesellschaft auch in Zukunft.

Wenn wir gestern, was die IUB angeht, über Konfliktforschung geredet haben, dass wir da mehr Möglichkeiten haben und besser Bescheid wissen müssen, dann können Sie doch nicht so tun, als wenn wir nur über Naturwissenschaften an dieser Stelle reden könnten! Da finde ich, dass Sie einen sehr verengten Blick davon haben, was wir in Zukunft brauchen, und wenn Sie sagen, es geht nur um Naturwissenschaften, und das bringt uns nur nach vorn, dann ist das schlicht falsch!

Ein letzter Punkt zu den Gewerbeflächen: Das hat mich schlicht geärgert, dass wir da Gewerbeflächen forderten! Ich habe zu keinem Zeitpunkt über Gewerbeflächen geredet, sondern es ging um leer stehende Immobilien. Es ging um die Immobilien und nicht um Flächen. Also, versuchen Sie hier nicht, mir das Wort im Munde umzudrehen,

(Senator K a s t e n d i e k : Wir schauen das im Protokoll einmal nach!)

sondern versuchen Sie, bei Debatten hier im Parlament, bitte schön, sachlich zu bleiben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Busch.

Herr Präsident, liebe Frau Schön, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schön, von Frau zu Frau ein Wort: Sie sind auf dem falschen Dampfer!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ach!)