Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die Realität, und vor allem ist es erst der Anfang. Das muss uns allen bewusst sein. Laut Bericht der Verwaltung für die Baudeputation im Dezember ergibt sich von 2006 bis 2010 eine Kürzung der Mittel in Höhe von insgesamt 14,3 Millionen Euro,

und für das kommende Jahr werden weitere Streichungen von Zugangeboten im Umfang der jetzigen schon einmal vorsichtshalber angekündigt. Dies werden wir Grünen auf keinen Fall akzeptieren, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Regionalisierungsgesetz, das die Geldmittel vom Bund auf die Länder verteilt, kennt keine Trennung von investiven und konsumtiven Mitteln. Was also, Herr Senator, spricht dagegen, dass die Mittelverwendung zugunsten eines attraktiven, eines ausreichenden Zugangebots ausgegeben wird und dass man stattdessen vielleicht bei den Verschönerungen von Bahnhöfen spart? Was nützen uns letztlich wunderschöne Bahnsteige, wenn dort kein Zug mehr fährt?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man könnte ja meinen, dass bei solch gravierenden Änderungen im Fahrplan die Politikerinnen und Politiker einbezogen werden, bevor solche Kürzungen im Fahrplan der DB auftauchen. Mitnichten! In Bremerhaven werden die entsprechenden Informationen vom Stadtbaurat Holm in der Schublade versenkt, und in Bremen erfahren die Deputierten der Baudeputation im Dezember auf der Baudeputationssitzung von dieser Kürzung, und sie dürfen sie dankenswerterweise zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, allein das ist schon eine Frechheit! Dass Sie so mit der Opposition normalerweise umgehen, dass wir etwas zur Kenntnis nehmen und nicht vorher mit einbezogen werden, das sind wir ja gewöhnt, aber dass Sie als Abgeordnete sich so etwas von der Verwaltung gefallen lassen, das erstaunt uns schon sehr, meine Damen und Herren! Hier haben wir als Gesetzgeber ein Wörtchen mitzureden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb fordern wir den Senat auf, das Regionalisierungsgesetz doch ernst zu nehmen. Dies besagt, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Mit diesen Zugstreichungen werden Sie dieser Aufgabe bei Weitem nicht gerecht. Ich weise noch einmal darauf hin, dies ist erst der Anfang. Wer nicht eine Abwärtsspirale im Angebot des Schienenpersonennahverkehrs in Gang setzen will, ist gut beraten, sich nach Alternativen umzuschauen, die Kürzungen der Regionalisierungsmittel auf Bundesebene drastisch zu bekämpfen.

Wir Grünen in Bremen fordern jedenfalls, dass Sie diese Kürzungen zurücknehmen und dass für die kommenden Kürzungen Alternativen gesucht werden. Al

ternativen gibt es aus unserer Sicht aber nicht im Angebot der Zügestreichungen. Das ist ein völlig falsches politisches Signal gerade in Zeiten, in denen es darum geht, mehr Menschen für das Fahren mit der Bahn zu gewinnen und sie nicht wieder zurück auf das Auto auf die Straße zu treiben. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Krusche, was Sie da eben abgezogen haben, war eine totale Überziehung dessen, was tatsächlich stattgefunden hat. Im Grunde genommen haben Sie hier versucht, ein Horrorszenarium aufzubauen, das überhaupt nicht existiert.

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie hören sich wohl nicht um in der Stadt!)

Ich höre mich sehr genau um in der Stadt, und vielleicht sollten wir einmal sachlich darüber reden, was tatsächlich passiert ist, und zwar muss man das über einen Zeitraum von mehreren Jahren sehen,

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Eben! Dann wird es immer schlim- mer!)

nämlich seitdem die Freie Hansestadt Bremen für den SPNV zuständig ist. Das ist seit dem 1.1.1996 der Fall. In diesem Zeitraum bis zu dem Jahre 2005/2006, in welchem wir uns jetzt befinden, ist der Zugverkehr in Verbindung mit Niedersachsen auf bremischen Gebieten zwischen Bremerhaven und Vegesack und Bremerhaven und Bremen erheblich ausgeweitet worden,

(Beifall bei der CDU und bei der SPD – Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja eben! Das ist doch der Sinn gewesen des Regionalisierungsprogramms!)

und zwar um 17 Prozent insgesamt, und wenn man die Strecke zwischen Bremerhaven und Cuxhaven nimmt, sogar um 40 Prozent. Dagegen sind die Zugkilometer, die wir vergeben haben, von 2,2 auf 2,6 Millionen angestiegen. Jetzt kommt es zu einer Kürzung von 40 000 Kilometer, das sind noch nicht einmal 2 Prozent dessen, was wir in den letzten Jahren alles zusätzlich geleistet haben. Da kann man nicht von ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

einem Kahlschlag sprechen, meine Damen und Herren! Das ist völliger Unsinn!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Jetzt möchte ich Ihnen einmal sagen, dass es natürlich auch für uns unangenehm ist, dass Regionalisierungsmittel gekürzt worden sind, aber wir wissen doch alle, wie in Bund und Ländern die Haushalte gestellt sind. Wir sind im Übrigen auch rechtzeitig darüber informiert worden, wie die Kürzung der Regionalisierungsmittel ausfällt. Das haben wir alle zusammen auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Bahn und mit dem Bausenator besprochen, und es ist ganz genau dargelegt worden, wie sich diese Mittel verändern werden. Wir sind auch nicht im Dezember kurzfristig darüber informiert worden, sondern wir haben Anfang November diesen Bericht in der Deputation gehabt, auf den ich im Übrigen gleich noch einmal zurückkommen will. Da ist von diesen Kürzungen berichtet worden, wie das in der Umsetzung genau aussieht.

Nun sind tatsächlich einige Züge gestrichen worden. Das ist richtig. Man hat jedoch besonderen Wert darauf gelegt, dass es nicht zu besonders schlimmen Einschränkungen kommt, da Züge insbesondere gestrichen wurden, die überhaupt nicht nachgefragt worden sind. Es gibt zum Beispiel einen Zug zwischen Bremen und Rothenburg, der Montags bis Freitags um 7.53 Uhr gefahren ist, den nach Zählwert im ersten Halbjahr 2006 täglich 12 Personen benutzt haben. Da kann man sich ja vorstellen, wenn so ein großer Zug von 12 Personen benutzt wird, dass das erhebliche Kosten verursacht und dass man, wenn man so einen Zug streicht, der kaum nachgefragt wird, natürlich alle erhebliche Möglichkeiten hat, Ansparungen zu treffen. So kann man das Angebot in anderen Stunden aufrechterhalten.

Das geht so weiter: 19.29 Uhr Rotenburg – Bremen 22 Personen, 8.29 Uhr Rotenburg – Bremen 30 Personen. Die Kürzungen sind also dort passiert, wo insbesondere sehr wenig Nachfrage ist, und deswegen sage ich, es ist im Endeffekt natürlich nicht schön, auf der anderen Seite ist es eine sehr erträgliche Maßnahme, die hier durchgeführt worden ist.

Nun zu den besonders für uns wichtigen Punkten, dass nach Mitternacht kein Zug mehr nach Bremerhaven fährt! Das hat der Bausenator geändert. Künftig, ab 11. Mai, vorher kann das nicht eingebaut werden in den Zugverkehr, wird wieder um 0.04 Uhr gefahren. Das heißt also auch, dass jeder Bremerhavener hier in Bremen ein Konzert besuchen kann und dann auch wieder normal nach Hause kommt. An den Wochenenden ist 0.45 Uhr angesagt, Freitags, Sonnabends und Sonntags, das ist auch eine gute Regelung.

Für den Daimler-Chrysler-Verkehr, für den Schichtverkehr, meine Damen und Herren, ist es sogar besser

geworden. Die Leute brauchen nicht um 3.53 Uhr in den Zug zu steigen, sondern können jetzt mit dem ersten Zug, der aus Bremerhaven nach Bremen fährt, der um 5.26 Uhr hier in Bremen ankommt, direkt in einen Bus umsteigen. 5.35 Uhr fährt er ab und ist um 6.00 Uhr im Werk. Das ist in meinen Augen eine wesentliche Verbesserung, als vorher nachts um 3.00 Uhr aufstehen zu müssen, um dann hierherzufahren.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dann sagen Sie, wir sollten einfach bei den Bahnhofsverschönerungen einsparen. Das ist eine ganz andere Vorlage gewesen als die, die Sie angesprochen haben. Damit haben Sie nichts zu tun, Frau Krusche?

(Zuruf der Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen])

Frau Krusche, Sie haben dieser Vorlage zugestimmt, was die Verschönerung der Bahnhöfe betrifft, weil es sich überhaupt nicht um eine Verschönerung der Bahnhöfe handelt, sondern es handelt sich darum, die Bahnhöfe attraktiv zu machen, damit die Leute wieder in die Bahnhöfe gehen, um mit dem Zug zu fahren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Nachdem wir Ihnen das erklärt haben in der Deputation, ich kann Ihnen das vorlesen, was der Bausenator dazu gesagt hat, haben Sie sich überzeugen lassen und haben dieser Vorlage zugestimmt, sodass Sie jetzt das Geld, das Sie einfordern, hier nicht mehr verteilen können! Also, ein Unsinn, was Sie hier erzählt haben! – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kasper.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte gedacht, wir nähern uns der Weihnachtszeit und wollen alle etwas friedlicher miteinander umgehen. Ich verstehe auch die Schärfe nicht, die bei diesem Thema hier an den Tag gelegt wird. Ich will einmal versuchen, das Ganze wieder ein bisschen herunterzufahren.

(Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Schärfe schon, aber da, wo sie hingehört! Wir haben eben als letzten Punkt vom Kollegen Focke die Sanierung der Bahnhöfe gehört. Frau Krusche, ich sage Ihnen auch ganz deutlich, Sie haben in einem Satz gesagt: „Was nützt es, wenn die Bahnhöfe in Ordnung sind, aber keine Züge mehr abfahren!“ Ich

sage auf der anderen Seite genauso, was nützen uns Zugverbindungen, die vorhanden sind, wenn die Barrierefreiheit an den Bahnsteigen nicht gewährleistet ist.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auch dafür müssen wir Mittel einsetzen. Es geht bei Sanierung von Bahnhöfen nicht nur darum, einmal eine neue Lampe dahin zu bauen, sondern es geht auch um andere Dinge. Es ist in der Vorlage enthalten. Ich will nicht weiter darauf eingehen; dass Sie zugestimmt haben, hat Herr Focke gesagt.

Aufenthaltsqualität, um mehr Leute in die Bahn zu bekommen, ist ein ganz wichtiger Punkt. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir eine Qualität und eine Sicherheit der Verbindungen haben. Uns nützen zehn zusätzliche Zugverbindungen nichts, wenn von diesen acht wacklig sind und ständig ausfallen. Das hilft uns an der Stelle auch nicht weiter. Wir müssen die Bahn dazu bringen, Qualität abzuliefern. Ich denke, hier muss die Verwaltung noch einmal nachdenken, ob man nicht eine Malus-Regelung einrichten kann, wie es ja in Zukunft schon angedacht ist, wenn der Leistungserbringer nicht die Qualität der Fahrzeuge und der Verbindungen erbringt, ob da nicht auch ein Sparpotenzial ist, um nicht Zugverbindungen streichen zu müssen.

(Beifall bei der SPD)

Die Ausweitung von ungefähr 17 Prozent in den Jahren 1998 bis 2006 hat Herr Focke schon angesprochen. Die friedliche Erstürmung der Bremerhavener am 8.12.2006 im Rathaus finde ich schon etwas putzig. Eine Aktuelle Stunde zeigt, wie aktuell dieses Thema sich ständig verändert. Die Rücknahme der Zugverbindungsstreichung zum Mai, muss ich jetzt einmal kompliziert ausdrücken, ist ja schon ein Zeichen dafür, wie aktuell sich etwas ändert.

Ich komme jetzt einmal zu einer Kritik an dem Ressort. Das Ressort hat aus unserer Sicht deutlich versäumt, bei den ersten Anzeichen von Einsparungen zu reagieren, ausgelöst durch die Föderalismusreform, Haushaltsbegleichungsgesetz, die ganzen Daten kennen wir. Frau Krusche, auch noch einmal ein Einschub in Richtung Grüne! Wir sind uns der Verantwortung als Koalition bewusst. Wenn gespart werden muss, weil die Haushalte so sind, wie sie sind, dann werden wir dies auch gemeinsam nicht nur in Berlin tragen, sondern wir werden es auch gemeinsam in diesem Haus tragen, und wir wollen hoffen und gemeinsam dafür sorgen, dass wir nicht noch weitere Einsparungen hinnehmen müssen. Aber das, was zu verantworten ist, verantworten wir auch, um das ganz deutlich zu sagen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zu der Diskussion mit den Bremerhavenern! Sie schreiben ganz prima in Ihrer Presseerklärung von den Grünen beziehungsweise auf der Homepage: „Das Bundesland Bremen endet nicht in Vegesack, sondern wir gehören eigentlich auch noch irgendwie dazu.“ Das ist richtig. In Vegesack endet es überhaupt nicht, denn vom Bahnhof Vegesack geht es noch gut 10 Kilometer weiter, das ist auch noch Bremen. Um den Bremerhavenern nur einmal die Dimensionen zu verdeutlichen, das bedeutet vom Ende CT IV bis zur Anschlussstelle Geestemünde! Das ist eine ganz schöne Ecke, und für die Stadtbremer ist das ungefähr die Entfernung von Radio Bremen bis zum Goethe-Theater, um einmal die Dimensionen zu verdeutlichen, die dann nicht mehr durch Schienenverkehr erreicht werden, die dann noch ab Bahnhof Vegesack kommen.

Wir haben eine Diskussion zu spät angefangen, Herr Senator. In dem Moment, als die Kürzungen angedroht waren, hätte ich eigentlich erwartet, dass die Verwaltung nicht nur nach fiskalischen Gründen schaut und sieht, wie viele Leute in den Zugverbindungen sitzen – einmal 35, einmal 18, einmal 5, sehr wenige in den Tagesrandlagen –, sondern ich hätte mir auch gewünscht, dass die Verwaltung Alternativvorschläge macht. Ich hätte mir gewünscht, dass sich nicht ein Verkehrsclub Deutschland hinstellen und ausrechnen muss, welche Verbesserung man in der letzten Verbindung Richtung Bremerhaven machen kann, um die Fernverkehrsverbindungen ab Hannover mit einzubauen. Diese Vorschläge hätte ich eigentlich auch vom Ressort erwartet, das muss ich ganz deutlich sagen. Das wäre Qualität gewesen.

(Beifall bei der SPD)