Protokoll der Sitzung vom 20.03.2007

Da haben wir 2001 ein Minusaufkommen gehabt. Das heißt, wir haben sogar mehr Körperschaftssteuer ausgezahlt, als der Staat bundesweit eingenommen hat. Das wollen Sie als ein Vorzeigemodell aufweisen?

(Beifall bei der CDU)

Ist es ein Vorzeigemodell, dass wir siebzehnmal Steuerschätzungen hatten, die nacheinander immer wieder weiter nach unten gingen? Es ist doch nicht richtig, dass man automatisch mit Steuererhöhungen mehr Steuereinnahmen bekommt. Irland hat das zum Beispiel belegt. Sie haben den Steuersatz der Körperschaftssteuer auf 12,5 Prozent gesenkt und anschließend ein viermal höheres Körperschaftssteueraufkommen gehabt.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Steuersenkung!)

Steuersenkungen bringen per se auf Dauer Mehreinnahmen! Herr Nußbaum hat es doch eben ausgeführt. Im ersten Jahr mag es zwar sein, dass es weniger Einnahmen gibt, aber unter dem Strich gibt es mehr Einnahmen auf Dauer, weil es insbesondere auch mehr Arbeitsplätze gibt. Das ist das Ziel dieser Reform, und das lassen wir uns von Ihnen auch nicht kaputtreden!

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Das Ergebnis Ihrer Finanzpolitik war doch, dass Sie zigfach die Maastricht-Kriterien unterlaufen, beziehungsweise nicht eingehalten haben. Was hat denn der Bundeskanzler Schröder damals immer wieder der EU versprochen! Dass sie 2003 eingehalten werden, 2004 sollten sie sogar auf Null kommen! Das Ergebnis ist, erst unter der jetzigen Regierung werden wir das Ziel erreichen, dass wir nächstes Jahr sogar die Einprozentgrenze unterschreiten. Das macht deutlich, dass wir einerseits mehr Steuereinnahmen durch unsere Politik generieren und andererseits gleichzeitig auch mehr Arbeitsplätze schaffen. Ich habe dargelegt, wie das Steueraufkommen bei der Lohnsteuer ist. Wenn es um 9 Prozent wächst, kann das nicht ein falsches Ergebnis einer falschen Politik sein. Das ist richtige Politik, die hier betrieben worden ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ausführen, man kann nicht einerseits sagen, wenn wir jetzt etwas weniger einnehmen, sei das ein Problem. Wir sind Exportweltmeister, wie hier ausgeführt worden ist, und deswegen hätten die Unternehmen ja kein Problem. Die Wahrheit ist doch, da sind sich alle Sachverständigen einig, und auch der sozialdemokratische Vizefraktionsvorsitzende Herr Poss hat das gesagt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus der „Welt“ vom 14. März 2007, da heißt es in dem Artikel: „SPD-Fraktionsvize Joachim Poss verteidigt

hingegen die Reform. Die derzeit hohen Steuersätze führten dazu, dass Unternehmen Gewinne von jährlich 100 Milliarden Euro zwar hier erwirtschafteten, aber im Ausland versteuerten.“

Meine Damen und Herren, wo Herr Poss recht hat, hat er recht. Wir wollen, dass das Geld, welches hier erwirtschaftet wird, auch hier versteuert wird.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das Geld auch hier versteuert wird, dann haben wir auf Dauer auch entsprechende Einnahmen, selbst wenn es uns kurzfristig etwas kostet.

Nun zu Ihrer Zahlenakrobatik: Sie sprechen da von 5 bis 6 Milliarden Euro. Ich möchte mich nicht streiten, ich teile das, was Herr Nußbaum hier ausgeführt hat, dass man das nicht auf Heller und Pfennig ausrechnen kann, was solch ein Reformwerk dann letzten Endes einbringen wird. Das hängt mit der konjunkturellen Entwicklung zusammen und so weiter, da spielen viele Dinge mit hinein. Die Tendenz ist doch entscheidend! Sie sprechen davon, diese Steuerreform koste rund 5 oder 6 Milliarden Euro. Diese 5 oder 6 Milliarden Euro gehen ja nicht ausschließlich zulasten der Länder. Dazu müssen Sie doch einfach einmal in dieses Papier hineinschauen, dazu ist doch Papier da, wenn es bedruckt wird, dass man es auch liest, und darin steht, dass als finanzielle Auswirkung dieser Unternehmenssteuerreform für die Gebietskörperschaften mit 5,015 Milliarden Euro an negativen Auswirkungen zu rechnen ist.

Auf den Bund entfallen davon 2,6 Milliarden – ich kürze es ab –, auf die Länder 2,3 Milliarden, und bei den Gemeinden ist ein Plus von 10 Millionen Euro. Ich habe das schon in meiner Eingangsrede ausgeführt, wir sind als Land und als Kommune davon betroffen. Als Kommune haben wir ein Plus, und ich habe dazu ausgeführt, dass unser Steuersatz nicht 400 beträgt, bei dem der Durchschnitt bei dieser Berechnung liegt, sondern bei 440 liegt, dass wir ein höheres Plus bei der Gewerbesteuer haben werden. Die Länder sind nur mit 2,3 Milliarden Euro, Herr Dr. Sieling, und nicht mit 5 oder 6 Milliarden Euro betroffen.

2,3 Milliarden ergeben nicht 60 Millionen Euro, wie Sie, Frau Linnert, hier ausgeführt haben. Das ist ein Ammenmärchen, was Sie uns hier vorgaukeln, das passt in die rot-grüne Misswirtschaft, die wir gehabt haben, hinein, aber ist nicht seriös.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, deswegen will ich hier auch mit Genehmigung des Präsidenten Herrn Steinbrück aus dem „Weser-Kurier“ vom 15. März 2007 in einem Interview zitieren. Die Frage lautet: „Die Regierung beschließt Steuergeschenke für Unternehmen, während die Bürger mit höherer Mehrwertsteuer

belastet werden. Was antworten Sie den Kritikern? Peer Steinbrück: Wir machen keine Steuergeschenke für Unternehmen. Die Reform ist eine Investition in die Zukunft. Die Steuerbasis in Deutschland wird so erhalten und erweitert, das nützt dem Wirtschaftswachstum und den Arbeitsplätzen. Wir machen Schluss mit der Unsitte, dass sich Firmen in Deutschland künstlich arm rechnen und Gewinne ins Ausland verschieben. In Deutschland erzielte Gewinne werden zukünftig auch in Deutschland versteuert werden. Das ist ur-sozialdemokratisch.“ Den letzten Satz unterschreibe ich nicht, aber alles andere kann man wirklich teilen und ist auch richtig.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen wird diese Steuerreform, selbst wenn sie, wie das im Bundestag üblich ist, so wie ein Gesetzespaket in den Bundestag hineinkommt, nicht wieder hinausgehen. Es gibt dort immer wieder Veränderungen. Klar ist auch, diese Reform wird verabschiedet werden, auch wenn Sie da Bedenken haben, Herr Dr. Sieling und Sie von den Grünen.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, wir können nicht einerseits sagen, solch eine Reform lehnen wir ab, weil sie zu Mehraufwendungen führt, aber gleichzeitig haben wir durch die Mehrwertsteuererhöhung allein in diesem Jahr 64 Millionen Euro Mehreinnahmen. Wir werden 2008, in dem Jahr, in dem die Steuerreform in Kraft tritt, 73 Millionen Euro Mehreinnahmen haben, und wir werden im Jahr 2009 75 Millionen Euro Mehreinnahmen haben. Wir können uns nicht die Maßnahmen der Bundesregierung, die zu Mehreinnahmen führen, herauspicken und sagen, das kassieren wir einfach ein, und alles andere lehnen wir ab. Unter dem Strich, meine Damen und Herren, wird diese Reform zu mehr Arbeitsplätzen und dann auch zu mehr Steuereinnahmen führen. Davon bin ich überzeugt, und deswegen ist es auch richtig, dass sie beschlossen wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Frage von Rückmeldungen aus der Großen Koalition gibt es ja eine bunte Reihe. Da heißt es zum Beispiel in der „Bild“-Zeitung vom 20. März, der Chef der CDU, Rheinland-Pfalz, Christian Baldorf – –.

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Lesen Sie diese Zeitung nicht? Ich lese sie regelmäßig. Das gehört mit dazu, dass man sich informiert, was auch in dieser Zeitung steht. Damit habe ich kein Problem. Christian Baldorf: „Gerade angesichts spru

delnder Steuerquellen muss die Große Koalition jetzt für Entlastung sorgen. Die Menschen empfinden es als ungerecht, wenn wir die Wirtschaft entlasten, aber den einfachen Steuerzahler vergessen.“ Das ist dann vielleicht auch ur-sozialdemokratisch, ich weiß es jetzt auch nicht.

Herr Pflugradt, Sie haben unheimliche Schwierigkeiten, hier konsistent zu argumentieren. Das ist, glaube ich, Ihr Problem.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Erst haben Sie die Lotterwirtschaft der rot-grünen Steuerreform, der Bremen ja im Übrigen plus Kanzlerbrief zugestimmt hat, hier angeprangert und behauptet, ich hätte diese Reform als modellhaft bezeichnet. Das müssen Sie mir einmal zeigen in meiner Rede. Das habe ich überhaupt nicht gesagt, weil es auch nicht meine Auffassung ist. Jedenfalls war das die größte Steuerentlastung in der Geschichte Deutschlands, die Sie jetzt gerade ganz schrecklich fanden. In Wirklichkeit hat Bremen dem aber zugestimmt. Außerdem haben Sie dann erzählt, dass Steuerentlastungen ja mehr Steuereinnahmen brächten. Gleichzeitig hat Bremen aber versucht, auf der Basis der Steuerausfälle im Rahmen des Kanzlerbriefs 500 Millionen Euro zu bekommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Kapriole in der Argumentation wird überhaupt niemand mehr verstehen. Es ist eben nicht so, dass jede Steuer – –.

(Abg. F o c k e [CDU]: Steuerreform! – Beifall bei der CDU)

Körperschaftssteuer, ja, da gab es sehr große Probleme, deshalb bin ich auch weit davon entfernt, diese Steuerreform als modellhaft zu bezeichnen. Ich bin der Auffassung, dass der Staat die Steuern an die Lage seiner eigenen Finanzierung anpassen muss. Ich glaube auch nicht an das Ammenmärchen, dass jede Steuersenkung höhere Steuereinnahmen nach sich zieht, sondern es gibt ganz bestimmte Situationen, ganz bestimmte Instrumente und auch eine ganz bestimmte Konjunkturlage, bei denen das so ist.

Als Automatismus funktioniert das überhaupt nicht. Im Übrigen ist es so, dass, wenn Sie selbst recht haben, nämlich, dass jede Steuersenkung Steuermehreinnahmen nach sich zieht, das, was die Große Koalition in Berlin jetzt erntet, letztendlich dann ja ausschließlich Ergebnis der von Ihnen hier so kritisierten rot-grünen Steuerreform sein muss. Auch das gehört mit zu Ihrem dreifachen Rittberger.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was ich gern noch einmal aus grüner Sicht sagen möchte, ist, ich glaube, dass man fachlich einem gro

ßen Irrtum aufsitzt, wenn man die Volkswirtschaften von Lettland oder Irland mit der deutschen Volkswirtschaft vergleicht. Man wird mit keinem Instrument des Staates der Welt Wachstumsraten in hoch entwickelten Volkswirtschaften erzielen, wie das in diesen Ländern übergangsweise möglich gewesen ist. Es ist einfach nicht redlich, darauf zu verweisen, dass man das einfach rezeptmäßig so machen muss, wie sie das dort gemacht haben, und dann funktioniert das hier auch.

Es ist ein Unterschied, ob man in Lettland eine viel geringere staatliche Infrastruktur hat, wo ja gerade dann die Ausgaben des Staates geringer sind, zugegeben da auch ein großer Nachholbedarf besteht, oder ob wir hier ein sich über Jahre hinweg entwickelndes Gemeinwesen haben, das finanziert und ausgestattet werden muss. Das ist nicht redlich, Instrumente von der einen zur anderen Seite zu legen und zu glauben, man könnte das kopieren. Eigentlich halte ich das, ehrlich gesagt, für Propaganda. So funktioniert das einfach überhaupt nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist nicht so, dass alle Steuerentlastungen Steuermehreinnahmen erzeugen. Es ist auch nicht so, dass es am allerbesten wäre, wenn Unternehmen überhaupt keine Steuern zahlen würden, sondern es ist so, dass wir ein funktionierendes Gemeinwesen nur mit Steuereinnahmen auch von Unternehmen finanzieren können.

Herr Pflugradt, Sie haben sich einfach über die Frage, was heißt das für Bremen, hinweggemogelt. Sie haben einfach nur behauptet, es gebe keine Ausfälle für Bremen. Dies ist aber nicht so! Nach den Prognosen wird Bremen mit Steuerausfällen zu rechnen haben. Sie haben hier dem Parlament gegenüber nicht gesagt, wie Sie im Rahmen der Finanzplanung, die Karlsruhe gemeldet wurde, darauf reagieren wollen. Gleichzeitig werden ja gerade mit großem Getöse von der CDU lauter Dinge in die Öffentlichkeit verbreitet, die ordentlich Geld kosten. Diesem finanzpolitischen Widerspruch haben Sie sich hier nicht gestellt. – Ich bedanke mich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich auch nur gemeldet, weil Sie, Herr Kollege Pflugradt, wie Frau Linnert das so schön formuliert hat, sich beim Ringen mit der Konsistenz Ihrer Argumente etwas verfangen haben und dabei leider in den Burggraben gefallen sind. Es ist notwendig, dass in einem solchen Hause die Zahlen nicht über die Stühle und über die Köpfe fliegen. Wenn Sie schon zitieren und den Ab

geordneten Poss zitieren, dann, finde ich, muss das auch richtig geschehen.

Ich nehme Bezug auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Quantifizierung/Auswirkungen der Steuerreform. Sie haben die Behauptung aufgestellt, dass die Länder lange nicht so betroffen seien. Demnach ist es natürlich so, dass der Bund in stärkerer Weise betroffen ist. Ich verweise nur darauf, dass man in der Tat – der Finanzsenator hat darauf hingewiesen – das Ganze über die Jahre betrachten muss.

Im Jahr 2008 kommt es zu Ausfällen in Höhe von 7,9 Milliarden Euro, das sind Regierungszahlen in diesem Zusammenhang, und es gibt weit höhere Prognosen. 2009 6,9 Milliarden, 2010 6,6 Milliarden – Minus immer! –, 2011 4,9 Milliarden, 2012 immer noch 3,3 Milliarden! Ich bin ganz auf der Seite des Finanzsenators, wenn er die Hoffnung formuliert, dass 2015 endlich die Null erreicht ist. Das dauert mir aber zu lange, und auch das können wir uns nicht erlauben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Pflugradt, ich mache mir auch Sorgen um den Bund. Ich bin hier auch als Landespolitiker in einer Verantwortung für die Bundespolitik.

(Lachen bei der CDU)