Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Die geplante Evaluation darf sich allerdings nicht allein auf das Verfahren und dessen Wirksamkeit beziehen, dringend erforderlich ist es nach meiner Meinung auch, die aufgeworfenen Datenschutzfragen zu untersuchen, und das ist mehr, als nur die Verfahrensorganisation und den sicheren Austausch der Daten zu überprüfen. Auch die Erforderlichkeit der Datenübermittlung und der zulässige Umgang mit den Daten müssen überprüft werden. Ich werde, wie gesagt, dem Gesetz dennoch zustimmen, setze aber bezüglich meiner kritischen Anmerkungen auf die Evaluation und möglicherweise dann nachfolgende gesetzgeberische Schritte.

Zum Abschluss, Herr Präsident, gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung! Das war jetzt meine letzte Rede. Sie wissen, dass ich nicht mehr für die Bremische Bürgerschaft kandidiere und mit Ablauf dieser Legislaturperiode aus diesem Gremium ausscheiden werde. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, mich von diesem Hause zu verabschieden und mich bei Ihnen für Ihre Akzeptanz und Ihre Bereitschaft, mich sehr kollegial in Ihre Reihen aufzunehmen, bedanken. Beim Präsidenten und bei der Bürgerschaftsverwaltung möchte ich mich für das Wohlwollen und das jederzeitige Verständnis mir gegenüber ebenfalls sehr herzlich bedanken!

Es waren ja, wie Sie wissen, 4 sehr bewegte Jahre, wenn ich mir nur einmal das mit der Senatsbildung, den nachfolgenden Nachwahlen zum Senat und dem Regierungswechsel an der Spitze des Senats vorstelle, dann den Misstrauensanträgen und den beiden Untersuchungsausschüssen, wenn ich mir den geplatzten Kanzlerbrief anschaue, dann die Klage in Karlsruhe, die Föderalismusreform und, was mich besonders belastet hat, weil ich in dem betroffenen Ausschuss war, die ständigen Haushaltsberatungen, die wir gemacht haben, das waren sehr bewegte Jahre, und ich muss sagen, es waren auch für mich sehr interessante Jahre.

Ich möchte mich also bei Ihnen dafür bedanken. Wenn ich zu Beginn meiner Tätigkeit als Abgeordneter beim Staatsgerichtshof geklagt habe, dann nicht, weil ich Probleme mit der Verwaltung hatte, sondern weil ich insbesondere meine Arbeitsmöglichkeiten als Einzelabgeordneter verbessern wollte. Das ist mir leider nicht gelungen. Der Hinweis des Staatsgerichtshofs auf die Möglichkeiten des Wissenschaftlichen

Dienstes und der Verwaltung dieses Hauses greift leider zu kurz. Mir scheint, dass das Bremische Abgeordnetengesetz in diesem Punkt dringend einer Nachbesserung bedarf.

Bei der Senatsverwaltung und bei den Senatoren möchte ich mich ebenfalls für die Bereitschaft, mir zu helfen, bedanken. Ich habe vielfältig von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Bei einem Senator, das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal erwähnen, der mir bei meiner Arbeit ebenfalls sehr geholfen hat, muss ich mich zwar nicht entschuldigen, ich muss aber Abbitte leisten für eine anfängliche Fehleinschätzung. Ich hatte ihn in einer meiner ersten Reden hier als Blitzableiter und Sündenbock für das absehbare Scheitern der bremischen Haushaltssanierung bezeichnet, dem man als parteilosem Quereinsteiger bequem alle Schuld zuweisen und ihn dann in die Wüste schicken könne. Das ist erkennbar nicht geschehen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Wie könnten wir!)

Der Finanzsenator ist immer noch im Amt, die Partei, die ihn als Senator nominiert hat, hat auch nach dem Abgang von Henning Scherf und der Neubesinnung im Rathaus an ihm festgehalten, und das zu Recht, wie ich finde.

Die Haushalts- und Finanzpolitik hat das Schönreden und Wunschdenken sowie die Gesundbeterei der vergangenen Jahre inzwischen weitgehend – –.

(Glocke)

Das geht jetzt ein bisschen weit!

Gut, dann verabschiede ich mich jetzt noch, indem ich Ihnen alles persönlich Gute wünsche und den Demokraten unter uns auch ein gutes politisches Händchen bei ihrem Wirken für unser Bundesland. Vergessen Sie dabei nicht, dass das Bundesland Bremen aus 2 Städten besteht und dass die kleinere Stadt wegen ihrer besonderen Probleme im Augenblick mehr Unterstützung bedarf als die größere Stadt! – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine letzte Rede steht noch bevor – im Wollpullover, das ist richtig –, aber erst heute Nachmittag. Jetzt möchte ich dann doch noch zum Thema sprechen! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Bartels, Sie haben völlig recht, wir unterstützen Ihren Gesetzentwurf. Sie können uns auch gern Bedenkenträger nennen, nur einen Punkt möchte ich so nicht stehen lassen, nämlich, dass wir unsere Bedenken mittlerweile abgelegt hätten und jetzt Ihrem ursprünglichen Entwurf zustimmen würden. Da verkennen Sie dann doch ein bisschen die Tatsachen. Schauen Sie sich doch einmal Ihren Entwurf an, und vergleichen Sie das mit dem, was Sie hier in der Debatte seinerzeit gefordert haben! Da hieß es, wir brauchen verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen, normalerweise gehört zu einer Verpflichtung auch immer eine Sanktionierung, und dann war die Frage, wie kann man das jetzt wohl sanktionieren, wenn Eltern ihre Kinder dann doch nicht zur Vorsorgeuntersuchung schicken, will man denen etwa das Kindergeld kürzen, lauter solche Sachen schwirrten ja in der bundespolitischen Debatte.

Da haben wir gesagt: Das ist doch hanebüchen, man schadet doch den Kindern damit, wenn man das Kindergeld kürzt, und man nützt ihnen doch damit nicht! Das war doch der ursprüngliche Punkt, und jetzt schauen Sie sich doch einmal an, was jetzt in Ihrem Entwurf steht, keine Sanktionierung mehr! Wir waren ja damals auch nicht die Einzigen, die das kritisiert haben, wir als Grüne, sondern wo Sie sich umgeschaut haben außerhalb der Politik, ob Sie mit dem Kinderschutzbund gesprochen haben, ob Sie mit den Kinder- und Jugendärzten gesprochen haben, ob Sie mit dem Deutschen Jugendinstitut gesprochen haben, diese alle haben gesagt, sie sind gegen verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen.

Im Wesentlichen waren es 2 Argumente, die all diese Akteure, die sich sicher, das werden Sie nicht bestreiten, mit der Sache auskennen, dazu bewogen haben, die gleiche Meinung zu teilen wie wir Grüne. Es war nämlich zum einen die Sanktionierung, und der zweite Punkt war, dass man gesagt hat, es besteht das große Risiko, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Kinderarzt und Patient, das ein sehr sensibles ist, gestört wird und dass wir die Familien, die wir gerade sozusagen näher an unsere staatlichen Systeme, an unsere staatlichen Instrumente heranholen müssen, eben gerade mit solchen martialischen Maßnahmen wie einer verpflichtenden Ladung noch weiter in die Isolation treiben, und im Endeffekt verschlimmern wir das Problem, statt es zu verbessern. Das war die wesentliche Kritik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, zur Sanktionierung habe ich schon etwas gesagt, auch das Problem des Vertrauensverlusts zwischen Kinderarzt und Patient ist in dem vorliegenden Entwurf solide gelöst. Es gibt eine Positivmeldung. Keine Familie, die nicht zum Kinderarzt kommt, wird davon etwas merken, keine Familie wird hinterher den Eindruck haben, dass ihr Kinderarzt sich

ihnen gegenüber illoyal verhalten haben wird. Es ist dann auch einfach nicht so gewesen, sondern es gibt dann lediglich eine Meldung an das Jugendamt, und in der Ultima Ratio wird dann das Jugendamt die Schritte vornehmen, die wir ja auch immer schon vom Jugendamt erwartet haben, nämlich zur Kindeswohlsicherung auch einmal einen Hausbesuch zu machen und sich auch einmal freundlich sozusagen in der Familie vorzustellen und zu schauen, ob man da mit irgendwelchen Hilfen vielleicht der Familie weiterhelfen kann oder ob man sagt, nein, es ist alles in Ordnung, sie gehen trotzdem nicht zur Vorsorgeuntersuchung, dann ist es eben so, aber für das Kind besteht keine Gefahr.

Ein bisschen mehr Führsorge, ein bisschen mehr auf die Leute zugehen, nicht immer nur erwarten, dass sie zu einem kommen, das, finde ich, ist der Schlüssel, wie erfolgreiche Hilfesysteme funktionieren müssen. Damit erreichen wir gerade auch die Familien, die wir bislang mit unseren statischen Systemen, mit unseren Komm-Strukturen nicht erreichen, und von daher, denke ich, ist das eine gute Sache. Ich wünsche mir, dass es im Ergebnis auch die Erfolge bringt, die wir uns davon versprechen.

Letzter Satz! Wir wissen alle, das ist nicht die Lösung für die Probleme, die wir gerade hier im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss diskutiert haben, und wir wissen auch, der wesentliche Akteur auch bei diesem vorliegenden Gesetz ist im Endeffekt das Jugendamt. Das Jugendamt muss im letzten Schritt dann handeln, und deshalb brauchen wir ein handlungsfähiges Jugendamt, darum kommen wir nicht herum, aber sozusagen vonseiten des Gesundheitsamtes ist, glaube ich, nachdem wir dieses Gesetz heute beschlossen haben, alles gut aufgestellt, und die zukünftige Aufgabe in der kommenden Legislaturperiode wird dann für die Kolleginnen und Kollegen darin bestehen, das Jugendamt auf Vordermann zu bringen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin erhält das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich hier relativ kurz fassen. Das Gesetz zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Kindesvernachlässigung ist ein Mosaikstein und eingebettet in ein Netz präventiver Maßnahmen. Der zentrale Bestandteil dieses Gesetzes ist das Einladungswesen. Wir haben auch bisher in den ersten U-Untersuchungen eine Beteiligung an diesen Untersuchungen von 98 oder 99 Prozent. Diese Quoten nehmen dann mit zunehmendem Alter der Kinder ab und finden sich dann bei etwa 80 bis 84 Prozent wieder. Genau da wollen wir ansetzen, wir wollen die Teilnahme an den U-4- bis

U-9-Untersuchungen mit diesem Einladungswesen deutlich stärken.

Grundsätzlich dienen Früherkennungsuntersuchungen, das möchte ich auch noch einmal betonen, zunächst dazu, den altersgemäßen Entwicklungsstand von Kindern festzustellen und bei Entwicklungsverzögerungen kognitiver oder körperlicher Art entsprechende Unterstützungsmaßnahmen einzuleiten. Gleichzeitig, und das ist unser ganz wesentlicher Punkt dabei, sollen sie mit dazu dienen, mögliche Gefährdungen des Kindeswohls zu erkennen.

Deutliches Ziel ist, dass die Früherkennungsuntersuchungen schon durch die erste Einladung mehr in Anspruch genommen werden, dass Eltern sich hier dadurch erinnert und angesprochen fühlen, mit ihren Kindern zu dieser Untersuchung zu gehen. Wird dann die Früherkennungsuntersuchung auch nach der schriftlichen Erinnerung und nach dem Angebot einer sogenannten Vor-Ort-Untersuchung nicht wahrgenommen, wird von den Gesundheitsämtern, das ist bereits ausgeführt worden, das Jugendamt eingeschaltet. In diesem Fall müssen sich die zuständigen Behörden, hier die Jugendämter, im Einzelfall davon überzeugen, dass trotz Ablehnung der Vorsorgeuntersuchung durch die gesetzlichen Vertreter keine Anzeichen einer Gefährdung des Kindeswohls oder von Kindesvernachlässigung vorliegen.

Zusammen mit den präventiven Maßnahmen wird das Einladungssystem zu den Früherkennungsuntersuchungen U 4 bis U 9 dazu beitragen, dass eben auch Eltern erreicht werden, die bisher – lassen Sie uns über die Gründe nicht spekulieren – den Früherkennungsuntersuchungen ferngeblieben sind. Damit wird eine größere Sicherheit des Kindeswohls und ein stärkerer Schutz vor Kindesvernachlässigung zum Schutze aller kleinen Kinder im Land Bremen erreicht. Es ist gesagt worden, es ist ein Baustein, ein Mosaiksteinchen, um hier eine Sicherung, einen Schutz deutlicher hervorzuheben und deutlicher zu machen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema Entbürokratisierung sagen! Wir haben im Vorfeld mit den dort zu beteiligenden Institutionen, mit der Ärztekammer, mit den Kinderärzten, mit der KV, mit den Gesundheitsämtern sehr konstruktive Gespräche geführt, und diese haben zum Ziel, dass wir hier die Abarbeitung dieser Einladung in einer sehr schlanken Art und Weise umsetzen können. Wir werden es im Gesundheitsamt Bremen ansiedeln und werden dort auch die Erfahrungen nutzen, die im Übrigen in einem anderen Bereich, nämlich im Bereich des Mamma-Screenings, mit dem Einladungswesen schon vorliegen. Insoweit ist dieses Gesetz, kurz Kindeswohl-Gesetz genannt, ein wichtiger und wesentlicher Baustein zum Schutz unserer Kinder. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Kindesvernachlässigung in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Da der Senat um Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung gebeten hat und die Fraktionen der SPD und der CDU dies als Antrag übernommen haben, lasse ich nun darüber abstimmen, ob wir jetzt in die zweite Lesung eintreten.

Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Kindesvernachlässigung in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!