Stalking findet übrigens viel häufiger statt, als wir das alle so vermuten würden. Stalking ist auch heute noch ein Delikt, das vorrangig Frauen trifft. Es gibt in Deutschland aktuell 500 000 bis 600 000 gestalkte Menschen. Wenn man dies auf Bremen herunterrechnet, dann ergibt sich allein für Bremen aus Sicht von Experten ein Dunkelfeld von circa 4500 bis 5000 Fällen. Dieses Dunkelfeld gilt es zu erhellen, und da
Mit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes wurde in juristischer Sicht eine erste Verbesserung für die Opfer herbeigeführt. Nunmehr ist es den Opfern möglich, eine Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erlangen, wonach sich Täter dem Opfer nicht mehr nähern dürfen, aber auch dies reichte nicht aus, denn die direkte Strafbarkeit von Stalking bewirkt mehr als der Umweg, Verstöße gegen gerichtliche Anordnungen unter Strafe zu stellen. Dies gelang nun mit der Einführung des Paragrafen 238 StGB, dem sogenannten Nachstellungsparagrafen, der erstmalig das Stalking im Schwellenbereich ebenfalls unter Strafe stellt. Dabei ist festzustellen, dass Stalking ganz klar als Gewaltspirale gesehen werden muss, die sich immer weiter steigert, wenn diese Spirale nicht ganz gezielt und ganz klar unterbrochen wird.
Eine erst vermeintlich harmlose E-Mail steigert sich sehr schnell in zerstochene Reifen bei dem oder der Angebeteten, in Diffamierungen, wie wir sie in der Zeitung lesen konnten, wo in der Neustadt eine Person des Gospelchors der Zions-Gemeinde ihrem Anbeter ganz klar gesagt hat, dass sie nichts mehr von ihm wissen möchte. Das Ganze wurde hinterher in Plakataktionen an der Straße niedergelegt, ist groß durch die Presse gegangen, und das ist nur ein Beispiel dafür, wie sich das Ganze steigert. Manch einer verteilt Flugblätter oder irgendwelche anderen netten Dinge und besorgt weitere Personen, die sich ebenfalls in das Thema hineinziehen lassen. Das ist ein ganz typisches Verhalten beim Stalking.
Auch vor diesem Hintergrund ist Paragraf 238 StGB eine echte Verbesserung für die Opfer. Seit Inkrafttreten – so können wir der Antwort auf die Große Anfrage übrigens entnehmen – haben sich in nur 7 Monaten inzwischen 333 Stalking-Fälle, die genau diesen Verstoß nach Paragraf 238 StGB festgestellt haben, gemeldet. Fachleute gehen davon aus, hochgerechnet auf ein Jahr, dass wir mit 600 bis 650 Verstößen nur allein gegen diesen Paragraf 238 zu tun haben werden. Da ist der Bereich Verleumdung, der Bereich Beleidigung und was es sonst noch alles an Straftatbeständen gibt, die mit Stalking einhergehen, noch gar nicht mit enthalten.
Diese eben in juristischer Weise dargestellten Verfahren haben das Problem, dass sie ein Verhalten unter Strafe stellen, ohne dass das Opfer sofort geschützt wird dadurch, dass der Täter nicht sofort begrenzt wird oder dass den Tätern dadurch geholfen wird. Hier kommt nun das Stalking-KIT ins Spiel, um das es in der Großen Anfrage der CDU geht. Dieses EU-Pilotprojekt hilft genau an dieser Stelle. Es unterstützt Polizei und Staatsanwaltschaft.
Eingeschaltet durch die Staatsanwaltschaft nimmt sich das Stalking-KIT sowohl der Opfer als auch der Täter in getrennten Gesprächen mit geschulten Psychologen an. Ziel bei den Opfern ist, diese dabei zu unterstützen, die akute Krise zu bewältigen, die innere Sicherheit, also das innere Gleichgewicht, wiederherzustellen und das Selbstwertgefühl des Opfers zu stärken.
Dem Täter – und das sind, das muss man ganz deutlich sagen, häufig sehr kranke, hilflose Menschen, die eben nicht wissen, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen müssen – wird durch geschulte Psychologen geholfen. Viele dieser Täter, das stellt man auch immer mehr fest, sind zudem psychisch krank und würden von selbst nie einen Psychologen aufsuchen.
Ziel der Arbeit mit den Tätern ist es also, sofort Grenzen zu setzen, Täter unmittelbar in die Verantwortung für ihr Handeln zu nehmen, eine Beendigung des Stalking durch Unterzeichnung einer Schlichtungsvereinbarung direkt nach der ersten Stunde, in der das Stalking-KIT eingegriffen hat, herbeizuführen mit eindeutigen Absprachen, die auch genau eingehalten werden müssen, beziehungsweise wird überprüft, ob sie eingehalten werden.
Es findet darüber hinaus auch eine Weitervermittlung in entsprechende Angebote statt. Polizei und Staatsanwaltschaft bekommen Unterstützung in der Einschätzung der Dynamik eines Stalking-Falles, was häufig Polizei und Staatsanwaltschaft mangels psychologischer Ausbildung gar nicht leisten können, und das Stalking-KIT hilft gleichzeitig, weil es kompetente Ansprechpartner bietet, Stalking schnell und dauerhaft zu beenden.
Warum habe ich also die Große Anfrage eingebracht? Nicht nur, um Ihnen dieses Projekt vorzustellen, denn ich glaube, nach dem, was Sie bisher gehört haben, sind Sie von der Sinnhaftigkeit fraktionsübergreifend überzeugt! Dieses Stalking-KIT ist ein Pilotprojekt, das über EU-Mittel gefördert worden ist und bis zum 14. Dezember 2008 abgesichert ist. Das heißt, dieses Projekt, das Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Bewältigung der stetig steigenden Anzahl von Fällen hilft, ist gleichzeitig echter Opferschutz, und das ist etwas, was für uns als CDU im Vordergrund steht, Opferschutz.
Ich bitte daher alle Fraktionen hier im Hause: Helfen Sie mit, das Stalking-KIT ab dem Jahr 2009 mit abzusichern, denn unter Beibehaltung der in Frage 3 genannten Kofinanzierung reichen schon ungefähr 30 000 Euro aus, damit hier in Bremen ein weiterer Schritt in Richtung Opferhilfe geleistet werden kann, Stalking wirklich sinnvoll begrenzt werden kann! Ich glaube an dieser Stelle, dieses Geld ist gut angelegt. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegin Ahrens! In einem Punkt muss ich Ihnen recht geben und gleichzeitig widersprechen: Es ist sicherlich richtig, dass bei vielen Tätern psychische Störungen vorliegen und Anlass dafür sind, was wir als Stalking bezeichnen. Genauso ist es aber richtig, dass eben nicht in allen Fällen eine solche psychische Störung als Entschuldigung für das Verhalten genommen werden darf. Das wollen wir nicht durchgehen lassen!
Im Übrigen wollte ich Sie loben für diese wirklich gute Anfrage, weil Sie mit dieser Anfrage dem Senat die Gelegenheit geben, noch einmal darzustellen, wie gut wir hier in Bremen in Sachen Stalking aufgestellt sind.
Das ist wirklich toll! Das ist ein richtig gutes Zusammenspiel von Opposition und Regierungskoalition, finde ich.
Wir haben immer gesagt, der Schutz der Bürger vor Stalking und die Hilfe für die Opfer von Stalking ist viel zu wichtig, als dass dies Gegenstand von parteipolitischem Gezänk sein sollte, und daran haben wir uns in Bremen auch gehalten. Wir haben dies als SPD-Fraktion so gesehen, und so haben wir das Thema mehrfach in den letzten vier Jahren diskutiert. Wir waren uns parteiübergreifend weitestgehend einig, und ich finde, das wird auch der Bedeutung dieses Themas durchaus gerecht. Auf Bundesebene – darauf komme ich gleich noch zu sprechen – war das allerdings leider anders, dort hat es einen großen Parteienstreit um die Frage gegeben, wie das Thema bearbeitet werden soll.
Es ist hier schon gesagt worden: Stalking heißt Auflauern, Nachstellen, psychischen Druck ausüben, Psychoterror ausüben, verbunden mit vielerlei anderen Straftatbeständen, die schon genannt worden sind, von der Beleidigung über den Hausfriedensbruch, die Sachbeschädigung bis hin zu Mord und Totschlag; schlimme Fälle, über die wir in der Presse gelesen haben, und wir sind auch in Bremen davon leider nicht verschont geblieben.
Nach Untersuchungen sind, auch das ist hier schon Thema gewesen, 12 Prozent der Bevölkerung schon Opfer von Stalking im Sinne der schweren Belästigung gewesen, das heißt jeder Achte. Es werden also auch einige hier im Raum sein, die davon betroffen gewesen sind. Opfer sind meistens Frauen. Meistens kennen sich die Täter und die Opfer, das Ganze spielt sich also im Beziehungsumfeld ab. Häufig stellt der
Expartner seiner Expartnerin nach, und dies kann sich über Monate, Jahre hinziehen und sich steigern, von Ausfällen hin, wie gesagt, bis zu den ganz schweren Delikten.
Deshalb sagen wir auch: Das wollen wir nicht hinnehmen, auch wenn es in vielen Fällen psychologische Erklärungen gibt, sondern wir sagen, wehret den Anfängen, und dafür brauchen wir entsprechende gesetzliche Vorkehrungen!. Wir sagen: Den Opfern muss natürlich geholfen werden. Deshalb haben wir als Bremer schon wegweisend – das passt ganz gut – das Wegweisungsrecht im Januar 2001 beschlossen. Da waren wir bundesweit führend. Wir sind diejenigen gewesen, die als erstes Bundesland eine polizeirechtliche Grundlage dafür geschaffen haben, dass die Opfer – wie gesagt, meistens Frauen – sich zur Wehr setzen konnten, und die Polizei wurde in die Lage versetzt, einen Täter für mehrere Tage aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen, was bis dahin rechtlich nicht oder nur in ganz krassen Fällen möglich war. Das war also ein großer Fortschritt.
Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass das Gewaltschutzgesetz des Bundes verabschiedet wurde, wonach ein Täter dann durch Gerichtsbeschluss aus der Wohnung oder aus dem Haus verwiesen werden konnte, und wir haben darauf gedrängt, dass im Strafrecht und im Strafprozessrecht eine Änderung geschieht, und das ist dann auch geschehen. Zuständig für diese Regelungen, also die Aufnahme des Tatbestandes der schweren Belästigung im Strafgesetzbuch, ist aber der Bundestag.
Im Bund, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es nun ganz schwierig. Da haben sich die SPD oder die damalige rot-grüne Koalition und die CDU in Gestalt der Bundesländer, insbesondere Bayern und Hessen, um die Frage gestritten, was denn rechtlich zulässig sei und wie überhaupt mit dem Problem umgegangen werden könne. Man kann da über viele Fragen streiten, die Frage, wie konkret ein Tatbestand gefasst werden muss, die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Täter in Untersuchungshaft genommen werden kann. Dort waren verschiedene Lösungen denkbar, aber es gab keine Verständigung, sondern das Thema wurde in den Ausschüssen im Bundesrat behandelt, und es hat Jahre gedauert, bis es dann zu einer Verständigung kam.
Gott sei Dank gab es dann im Sommer 2006 endlich eine Verständigung über eine Regelung. Es hat dann noch weitere Monate gedauert, nämlich bis März 2007, bis dann die entsprechende Regelung in Kraft getreten ist. Ich finde, das ist kein gutes Beispiel dafür – ich meine nicht uns, sondern den Bundestag –, wie ein Parlament mit solch einem Thema umgeht, was für so viele Menschen und Bürger eine ganz erhebliche Bedeutung hat. Das kann noch besser werden, finde ich, daran sollten wir arbeiten.
Das war übrigens auf einem anderen Politikfeld ähnlich: In Berlin ist auch lange Zeit um die Frage gestritten worden, ob und wie die Regelungen im Strafgesetzbuch über die Sachbeschädigung geändert werden konnten. Das ist dann Gott sei Dank ja auch geschehen, aber auch da hat es einen ganz langen Verhandlungsprozess gegeben. Ich finde, wenn man auch Bürgernähe möchte, dann müssen die Parlamente sich auch in die Lage versetzen, Gesetze schneller zu beschließen, als es in der Vergangenheit da und dort der Fall gewesen ist.
In Bezug auf den Täter-Opfer-Ausgleich und das Kriseninterventionsteam möchte ich sagen: Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage zeigt, dass wir in Bremen sehr gut aufgestellt sind, was die Verwaltung angeht. Wir haben eine exzellente Zusammenarbeit der Behörden, wir haben viele Fortbildungsveranstaltungen für alle beteiligten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, wir haben eine gute Informationslage für die Öffentlichkeit, das kann sich wirklich sehen lassen. Da sind wir bundesweit Spitze, und darauf sind wir stolz als Bremer!
Gestatten Sie mir zum Schluss noch einige kurze persönliche Anmerkungen! Ich hoffe, ich komme heute mit meiner Redezeit hin, gelegentlich musste ich ja ermahnt werden.
Dies ist heute mein letzter Beitrag in der Bremischen Bürgerschaft. Ich habe mich, wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, aus Gründen der persönlichen Lebensplanung entschieden, das Mandat niederzulegen, im Sinne des Abgeordnetengesetzes heißt das: zu verzichten. Ich möchte in die Justiz zurückgehen und werde zum Anfang des Jahres 2008 meine Arbeit wieder beim Landgericht Bremen als Vorsitzender einer Zivilkammer aufnehmen.
Zu den Zeiten, die ich hier erlebt habe, seit dem Sommer 2003, kann ich sagen: Es war eine sehr spannende Phase meines Lebens, für Sie, glaube ich, auch!
Wir haben uns in diesen Zeiten mit den Themen Verbandsklage, der Frage der Zukunft des Strafvollzugs, Neubau oder Sanierung in Bremen, bleibt die Justizvollzugsanstalt in Bremerhaven oder wird sie geschlossen, muss der Jugendvollzug von Bremen nach Hameln verlegt werden, beschäftigt, mit der Frage der Regelung für die Arbeitslosengeld-II-Verfahren, zuletzt mit den Fragen der Unterkunft, dem
Sonderfahrdienst für Behinderte, jetzt mit den schwierigen Fragen, wie können wir in Zeiten knapper Kassen im Sozialbereich vernünftige Beratungsangebote bestehen lassen, wie können wir die Betreuung von Kindern verbessern, vor allen Dingen in den Problemgebieten der Stadt. Es sind also spannende Themen, mit denen wir uns beschäftigt haben, jedenfalls nehme ich das so wahr, und ich habe gut in Erinnerung, dass wir auch zwei Untersuchungsausschüsse hatten. In einem konnte ich ja dabei sein, und ich bin sehr froh darüber, dass ich sowohl mit Dieter Focke als auch mit Karoline Linnert dort eine richtig gute Zusammenarbeit haben konnte. Ich habe an diese Zeit eine gute Erinnerung.
Ich möchte mich bedanken bei meinen Kollegen aus der Fraktion und bei allen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen. Einen Kollegen nehme ich jetzt aus – den sehe ich auch gerade –, dafür werden Sie Verständnis haben! Ich finde, dass das Parlament in Bremen sehr viel besser ist, als es manchmal von außen wahrgenommen wird, und ich wünsche Ihnen allen eine glückliche Hand und vor allem viel Erfolg bei dem Kampf um den Erhalt der bremischen Selbstständigkeit!
bei Gericht sehen sollten, dann kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Sie Ihren Prozess dort gewinnen, aber ich kann Ihnen versprechen, dass Sie ein faires, ein unparteiisches Verfahren erwartet, und in diesem Sinne bedanke ich mich, dass Sie mir zugehört haben!
Sehr geehrter Herr Kollege Grotheer! Wir hier oben im Präsidium zuckten auch zusammen, als Sie auf einmal die Opposition lobten. Das konnten wir nur interpretieren, dass es in der Tat Ihre letzte Rede sein wird. Diese Milde hatten wir von Ihnen sonst gar nicht erwartet.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag, aber wir werden Sie ja morgen zum Schluss des letzten Tages hier noch einmal gebührend verabschieden!