Der technische Aufwand, darauf komme ich jetzt wieder zurück, in solche Computer digital einzudringen und sie konspirativ zu untersuchen, ist enorm groß, weil nämlich genau das, was der Kollege eben angesprochen hat, auf jeden einzelnen Computer zugeschrieben werden muss. Genau wie es in Deutschland keine willkürlichen Durchsuchungen gibt, ist es auch nicht abzusehen, dass es willkürliche Onlinedurchsuchungen geben würde. Hier geht es eben nicht darum, den Gameboy eines Kindes zu überwachen, das einen Schokoriegel im Supermarkt gestohlen hat, sondern wir reden hier über schwerste Verbrechen wie zum Beispiel Terroranschläge, schwere Formen der Kinderpornographie oder organisierte Kriminalität.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion fordert aus diesen Gründen die Schaffung von rechtlichen Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden, um einen bestimmten Rechner mit Richtervorbehalt konspirativ durchsuchen zu können, damit geplante Terroranschläge und schwere Straftaten verhindert werden können, die Suche nach Mittätern oder Hintermännern ermöglicht wird, unter dringendem Tatverdacht stehende Zielpersonen überwacht werden können, da die mit anderen Mitteln der Informationsgewinnung durchgeführten Überwachungen wie zum Beispiel Telekommunikationsüberwachung oder Einsatz von V-Leuten aufgrund des extrem konspirativen Verhaltens der Verdächtigen bisher nicht erfolgreich durchgeführt werden konnten.
Die CDU-Fraktion fordert den Senat deshalb auf, über den Bundesrat entsprechende Gesetzesinitiativen auf Bundesebene zu unterstützen und parallel dazu Vorschriften für das Bremische Polizeigesetz und das Bremische Verfassungsschutzgesetz, wie es auch in anderen Bundesländern praktiziert wird, auf den Weg zu bringen.
Selbstverständlich muss die Schaffung dieser Rechtsnorm die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutze des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung berücksichtigen. Um aber Zeit zu gewinnen, sollten die Vorbereitungen der Rechtsformergänzung sofort beginnen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann dann immer noch einfließen.
Ihnen bestätigen, dass es zurzeit eine Informationslücke bei der Aufklärung schwerer Straftaten und der Verhinderung von Terroranschlägen gibt. Diese Informationslücke kann durch die Onlinedurchsuchungen geschlossen werden. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch unsere Landesregierung wird sich irgendwann im Bundesrat zu den geplanten Änderungen, unter anderem des BKA-Gesetzes, verhalten müssen, und das Bundesverfassungsgericht wird im Frühjahr dieses Jahres eine Entscheidung zur generellen Zulässigkeit von Onlinedurchsuchungen treffen. Die Antwort des Senats hat, lieber Kollege Hinners, deutlich gemacht, dass der Zeitpunkt der heutigen Debatte eigentlich viel zu früh ist, denn noch bewegen wir uns auf dem Boden von Entwürfen, Spekulationen, Interessensbekundungen und mehr oder minder ernst zu nehmenden Vorschlägen.
Wir Grünen betrachten diese Debatte mit sehr viel Unbehagen. Terrorszenarien werden zur Stimmungsmache heraufbeschworen, und zu ihrer Bekämpfung wird eine Fülle von neuen rechtsstaatlich inakzeptablen Instrumenten gefordert, die weit in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.
Damit wir uns nicht missverstehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass es gleich von dem einen oder anderen bewusst getan wird, es ist die Aufgabe des Staates, seinen Bürgerinnen und Bürgern Schutz und Sicherheit zu gewährleisten. Wir als Gesellschaft und unsere Sicherheitsorgane stehen im Hinblick darauf vor meist technisch begründeten neuen Herausforderungen. Aus diesen neuen Herausforderungen darf und kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben nunmehr die Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger ignoriert.
Die Aufgabe, Schutz und Sicherheit zu organisieren, verlangt gerade auch primär den Schutz dieser Freiheitsrechte. Eine Politik, die das ignoriert, hat den Kampf gegen den Terror bereits verloren. Die Sicherheit darf eben nicht zur Staatsdoktrin werden, der sich alles unterzuordnen hat, und in diesem Zusammenhang wäre es sehr hilfreich, wenn nicht fast täglich durch den Bundesinnenminister Schäuble neue Sze––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wir Grünen wollen der Bedrohung durch den Terrorismus, die durchaus besteht, da sind wir einer Meinung, mit den Mitteln des Rechtsstaates und unter Wahrung der Menschen und Bürgerrechte entgegentreten. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies nicht nur der einzig mögliche, sondern auch der einzig richtige Weg ist.
Das BKA-Gesetz soll auch einen Passus zu sogenannten Onlinedurchsuchungen, also den unbemerkten Einbruch in den Computer, enthalten. Nach dem großen Lauschangriff nun also der große Netzangriff! Mit dem heimlichen Screening der Festplatte droht den Bürgerinnen und Bürgern ein Grundrechtseingriff neuer Qualität. Ein eigener Computer gehört in der heutigen Gesellschaft zu den intimsten Bereichen vieler Menschen. Hier sind Tagebucheintragungen, E-Mails, Fotos, Videos und andere private Dinge abgespeichert. Viele Menschen lagern fast schon ein komplettes Abbild ihrer eigenen Identität auf diesen PC ab oder schleppen es als Laptop mit sich herum. Wer in diesen Bereich eindringt, verletzt die Intimsphäre in bisher ungeahntem Ausmaß. Die Onlinedurchsuchungen wären ein klarer Bruch mit rechtsstaatlichen Prinzipien. Online darf nicht erlaubt sein, was offline verboten ist, meine Damen und Herren!
Schnüffelsoftware kann eben nicht zwischen Bombenbauanleitung oder Urlaubsfotos, zwischen Drohbrief oder Liebesbrief unterscheiden. Für uns Grüne ist der garantierte Schutz der Privatsphäre unantastbar, und die Strafprozessordnung kennt im Übrigen auch keine Mischung aus Durchsuchung und Wohnraumüberwachung, genau das wäre nämlich die Onlinedurchsuchung. Das bestätigt der Bundesgerichtshof bereits im Februar 2007.
Gestatten Sie mir auch den Hinweis, weil Sie darauf abgehoben haben, Herr Kollege Hinners, auf das Beispiel mit den Wohnungsdurchsuchungen! Wenn eine Wohnung heutzutage durchsucht wird und der Nutzer dieser Wohnung nicht vor Ort ist, dann muss – da sind wir uns einig, das haben Sie mir gerade jüngst noch erklärt – ein neutraler Zeuge dabei sein. Ich bin einmal gespannt, wie Sie das bei Onlinedurchsuchungen machen wollen!
Dabei hat die Bundesregierung bisher nicht begründen können, dass dieser Eingriff in Bürgerrechte bisher
zur Kriminalitätsbekämpfung wirklich erforderlich ist. Schon jetzt dürfen auf gesetzlicher Grundlage E-Mails mitgelesen, Telefonate abgehört und bei ausreichendem Tatverdacht der PC beschlagnahmt werden. In wenigen Fällen besonders gefährlicher Kriminalität ist auch das heimliche Abhören eines sonst geschützten Privatraumes gestattet. So etwas ist bei Verdacht wie zum Beispiel bei Tötungsdelikten ein sogenannter großer Lauschangriff in der Privatwohnung.
Wenn Sie das jetzt aber vergleichen mit dem bloßen Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen wie zum Beispiel Filesharing im Internet, dann würden wir sagen, es wäre eine normale Durchsuchung angemessen. Die Quintessenz muss doch eigentlich lauten: Wenn wir in die Computer der Menschen wollen, dann müssen wir das auch in unserer Verfassung, in unserem Grundgesetz, entsprechend ändern, wie das auch beim großen Lauschangriff der Fall gewesen ist, meine Damen und Herren.
Solange jedoch der Nutzen für die Sicherheit nicht bestimmt und der Schaden für die Bürgerrechte nicht absehbar ist, bleiben wir Grünen bei unserer Ablehnung staatlichen Hackens.
Abschließend lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen, dass aus unserer Sicht in der derzeitigen Debatte massiv versucht wird, die Achsen unseres Rechtsstaates zu verschieben! Fasst man alle Maßnahmen der Bundesregierung zusammen, von der Onlinedurchsuchung über die Vorratsdatenspeicherung bis hin zu den neuesten Planungen, Kirchen abzuhören, dann machen wir unseren Rechtsstaat so langsam aber sicher zu einem Präventivstaat, in dem jeder erst einmal grundsätzlich verdächtig ist. Dieser Entwicklung werden sich Grüne mit allen politischen Mitteln entgegensetzen.
Herr Kollege Hinners, es ist weniger die Ideologie als die Überzeugung und das Eintreten für diese Rechte, die mich diese Aussagen treffen lassen. Wenn Sie mich deswegen als Ideologen bezeichnen, dann bin ich es gern, und dann stehe ich auch dazu. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Innenminister Schäuble überbietet sich ja geradezu in einem für Bürgerinnen und
Bürger nicht mehr nachvollziehbaren Maß an unkontrollierbaren und ausufernden Überwachungsmaßnahmen. Jetzt schon sind sehr viele Bürgerinnen und Bürger der Meinung, dass der Rechtsstaat so lange geschützt wird, bis der Rechtsstaat nun endgültig abgeschafft worden ist.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich ist es unumstritten, dass unsere Bürger in einem Rechtsstaat sicher leben müssen, das ist ihr gutes Recht, alle hier in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger, aber eine noch weitere Ausweitung staatlicher Überwachungsmaßnahmen, sprich Onlinedurchsuchung, würde unweigerlich eine noch weitere Einschränkung des Rechtsstaates für unsere Bürger bedeuten und somit in sehr vielen Bereichen ihre Persönlichkeitsrechte, die Eckpfeiler unserer Demokratie, einschränken oder sogar in hohem Maße beschädigen. Ich aber sage Ihnen: Deutschland darf nicht zu einem ausufernden, zügellosen Überwachungsstaat werden.
Sehr viele unschuldige Bürger fühlen sich doch heute schon als gläserne Menschen in einem Überwachungsstaat. Der Roman von Orwell scheint doch schon bereits heute teilweise nicht nur eine bloße Horrorvision zu sein. Es heißt ja zu Recht, muss ich ja zugestehen: Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten, aber darum geht es gar nicht. Es geht um das Prinzip, es geht um die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte unschuldiger Bürger und Bürgerinnen, es geht um die Einhaltung des Datenschutzes insgesamt, der nicht nach Belieben, wie es Innenminister Schäuble gerade einmal so passt, Stück für Stück eingeschränkt werden darf, bis der Datenschutz am Ende auch vielleicht gänzlich abgeschafft worden ist.
Meine Damen und Herren, und wenn Innenminister Schäuble noch so viele Überwachungsgesetze mit dem Argument Terrorgefahr in Deutschland erlässt, so gibt es keine absolute Sicherheit vor einem Terrorangriff oder vor kriminellen Übergriffen des organisierten Verbrechens. Es gibt doch für jede Form der Überwachung früher oder später, gerade für Terroristen oder andere Tätergruppen, immer Mittel und Wege, Überwachungskontrollen, und wenn sie noch so gut gemeint sind und wenn sie noch so technisch gut ausgearbeitet sind, zu umgehen und auszutricksen. Die Leidtragenden sind wie immer unschuldige Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren, es ist doch immer das gleiche Muster: Ein Bundesland beschließt ein Gesetz, andere Bundesländer warten erst einmal ab, wie stark die Gegenwehr der Bevölkerung sein wird, dann rennen die anderen Bundesländer hektisch hinterher, und schon ist der nächste Schritt auf dem Weg zum gläsernen Bürger beschlossen worden. Ich frage mich hier ganz besorgt: Dient eine Onlinedurchsuchung wirklich, aber auch wirklich der inneren Sicherheit, oder stecken ganz andere Gründe dahinter?
Sie sehen, meine Damen und Herren, die irrsinnigen Sicherheitspläne von Minister Schäuble entwickeln sich immer mehr zu einem Albtraum für unsere Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren, Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger, uneingeschränkt ja, dazu stehe ich 100 Prozent, aber nicht zu einem so hohen Preis auf Kosten der Persönlichkeitsrechte von Millionen unschuldiger Bürger!
Was nützt eine Onlinedurchsuchung, wenn hier gewalttätige Intensivtäter, also mehrfach vorbestrafte Gewalttäter, nicht einmal mehr gesetzmäßig zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen hier rigoros weggesperrt werden? Was also nützt eine Onlinedurchsuchung, wenn die festgestellten Straftäter vielleicht anschließend wahrscheinlich soweit dementsprechend nicht verurteilt werden? Diesbezügliche Beispiele können Sie ja fast täglich jetzt, gerade in dieser Zeit, aus den Medien und aus der Presse entnehmen. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wie wahrscheinlich zu erwarten ist, ist die Position der Linken natürlich eine generelle Ablehnung der Onlinedurchsuchungen. Allerdings müssen wir in dem Fall sagen: Wir sind der Meinung, dass sich der Senat mit seiner Antwort auf die Fragen der CDU auch völlig richtig verhalten hat.
Warum? Ich glaube, dazu muss man noch einmal – das ist leider bisher bei meinen Vorrednern immer nur in kleinen Splittern vorgekommen – sagen, was denn die Ausgangslage ist. Die Ausgangslage ist doch erstens die, dass nach der Föderalismusdiskussion die Gesetzgebungsbefugnis bei Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus beim Bund liegen. Da das der Fall ist, sollen sozusagen im neu zu reformierenden oder zu novellierenden BKA-Gesetz, dem Paragrafen 20 K, die Onlinedurchsuchungen geregelt werden. Das hat die Bundesregierung vor. Da muss man aber auch der Ehrlichkeit halber sagen, dass man sich bei diesem Entwurf der Bundesregierung, der wohl existiert, aber auch noch nicht beschlossen worden ist, auch fragen kann: Na ja, warum hat man es nicht getan, wenn man es will?
Man muss weiter feststellen, dass es Versuche gegeben hat, die Onlinedurchsuchungen durch die Strafprozessordnung abzudecken. Das wiederum wurde im Juni 2007 durch den Bundesgerichtshof gestoppt. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Parallel dazu, also einmal der Versuch, das durch die Änderung des BKA-Gesetzes auf Bundesebene über die Strafprozessordnung zu regeln, hat man in Nordrhein-Westfalen versucht, durch ein eigenes Verfassungsschutzgesetz die Onlinedurchsuchungen zu regeln, und dazu wird es jetzt im Frühjahr dieses Jahres ein Bundesverfassungsgerichtsurteil geben. Wenn da der Senat sagt, wir warten dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil ab, bei welchen Möglichkeiten es überhaupt eine rechtliche Grundlage dafür gibt, dann finde ich das ein gutes und ein richtiges Vorgehen.
Die Bayern, muss man auch feststellen, wollen jetzt vorpreschen. Nach Presseberichten wollen sie jetzt wiederum ein eigenes Gesetz und eine eigene Praxis machen und die Onlinedurchsuchungen am besten morgen umsetzen. Da würde ich sagen: Das kann man unter dem üblichen Polit-Theater abtun. Beckstein und Co. haben in Bayern nicht so eingeschlagen, also muss man einmal etwas anfangen.