Ich sage Ihnen, diese Armutsprozesse kann man überdies nicht stabilisieren. Das war gestern oft der Fall, dass man die Situation stabilisieren will. Man muss sie stoppen! Ich sage Ihnen auch, wenn Sie ein Dokument brauchen, mit dem Sie die Situation Bremens in Karlsruhe dokumentieren wollen, schicken Sie den Armutsbericht nach Karlsruhe. Wenn das nicht reicht, um entsprechende Beihilfen zu bekommen, weiß ich nicht, was man noch tun muss.
(Beifall bei der Linken – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: So einfach ist das Leben!)
wir müssen auch in Karlsruhe gewinnen, wir müssen den Gürtel noch enger schnallen, damit wir die Chance behalten, hier Mittel zur Entschuldung herauszuschlagen. Ich sage Ihnen, Herr Güldner, wenn Sie diesen Konsens einfordern, dass wir in dieses Horn blasen, müssen wir Sie leider enttäuschen. In dieses Horn werden wir nicht blasen.
Einmal ganz davon abgesehen, dass ich davon überzeugt bin, dass Bremen vor dem BVG nicht durch voreilenden Gehorsam gewinnen kann, wird uns die Entschuldung auch nicht retten.
Wenn wir womöglich in Berlin aushandeln, dass es Entsorgung für Altschulden gibt, dann gibt es möglicherweise im Gegenzug ein Verbot, weitere Schulden aufzunehmen. Dann sind wir als Bundesland tot. Dann brauchen die Steuereinnahmen nur wieder auf das Niveau von 2005 zu sinken, und Sie können ein Siebtel des Haushalts kürzen.
Wir müssen also aufhören, so zu tun, als wenn wir uns mit ein wenig Entschuldungshilfe berappeln könnten, und wir müssen aufhören, vor Karlsruhe zu kriechen und damit einen Haushalt zu rechtfertigen, der diese Stadt kaputtmacht. Was kann denn ein Kind dafür, das zu Beginn der Großen Koalition 1994 geboren wurde, dass diese Schulden in diesem Zeitraum nicht geringer geworden sind? Hat es über seine Verhältnisse gelebt? Nein, sicher nicht! Nicht nur, aber auch deswegen muss das Bundesland Bremen den Kotau vor Karlsruhe endlich beenden!
Für die Haushaltskrise in Bremen gibt es nur eine langfristige Lösung. Bremen mit seiner Haushalts- und Finanzpolitik muss den Konflikt mit dem Bund führen, nicht nur in Karlsruhe, sondern zunächst einmal in der Föderalismusreform. Wir brauchen eine gerechte Anerkennung des bremischen Ausgabenniveaus. Ich sage Ihnen, dazu gehört ein Länderfinanzausgleich, der auf nahezu 100 Prozent ausgleicht, und eine solidarische Föderalismusreform, nicht ein Konkurrenzföderalismus. Wir brauchen eine Rückkehr zur Steuerzerlegung 50 Prozent nach dem Wohnortprinzip, 50 Prozent nach dem Arbeitsstättenprinzip.
Wir brauchen im Übrigen auch eine Anerkennung der Hafenlasten. Es hat einmal ein vergleichsweise spitzer Rechner ausgerechnet, hätten wir vor 10 oder 15 Jahren den Hafen geschlossen, und die Leute wären weggezogen und würden hier nicht mehr arbeiten, würden wir unter Umständen finanziell besser
(Unruhe – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Wenn das die Arbeit- nehmer auch so sehen!)
Auch werden wir dafür sorgen müssen, dass die Einwohnergleichwertung endlich ein Niveau annimmt, das unseren Maßen entspricht. Das sind die Maßnahmen, wie wir mehr Einnahmen bekommen. Das ist das, wofür wir kämpfen müssen.
Im Übrigen – und da sind wir ja möglicherweise sogar einer Meinung – werden wir auf Bundesebene für eine gerechte Besteuerung von Vermögen und Unternehmensgewinne eintreten. Allein die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die den Namen verdient, würde in Bremen zwischen 100 und 200 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen. Eine solidarische Reform der Erbschaftsteuer bedeutet weitere Mehreinnahmen, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine gerechte Besteuerung von Unternehmen würden ein Übriges tun.
Allerdings ist es so, dass wir den Erfolg dieser Bemühungen unglücklicherweise nicht abwarten können. Was wir jetzt brauchen, ist ein Haushalt, der Armut nicht verwaltet, sondern bekämpft. Wir brauchen ein Beschäftigungssystem, das seinen Namen verdient. Wir brauchen Investitionen in ein sozial gerechtes und sozial sicheres Schulsystem. Wir brauchen einen konsequenten Ausbau der Netze sozialer Sicherung. Wir brauchen natürlich eine klare Regelung gegen jede Zwangsumzüge. Das ist ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Wir brauchen Geld für die Quartiere und für die sozialen und kulturellen Initiativen. Wir brauchen Geld, um ernsthaft über die Rekommunalisierung von privatisierter öffentlicher Daseinsvorsorge zu reden.
Das ist auch etwas, wofür Rot-Grün gewählt worden ist, nicht die Fortschreibung der Finanzpolitik der Großen Koalition.
Die Situation ist in vielen Bereichen schon sehr schlimm. Verarmung als sich selbst verstärkender Prozess, soziale Segregation sowie kulturelle Verödung finden statt. Das wenigste, was man von einem Haushalt für die nächsten zwei Jahre erwarten kann, ist, dass die Steuermehreinnahmen eingesetzt werden, um ein weiteres Abkippen der sozialen Lage zu verhindern. Das sage ich ganz deutlich!
In einer Situation, in der wir mittlerweile etwa 15 Milliarden Euro Schulden haben, je nachdem, wie viele verdeckte Schattenhaushalte man einrechnet, ist es natürlich keine leichte Übung zu sagen, wir verzichten auf die Vermeidung von Neuverschuldung. Auch angesichts der drohenden sozialen Verschul
dung und Verelendung in dieser Stadt und angesichts der Perspektive, dass wir, wenn wir so fortfahren, frühestens im Jahr 2028 einen ausgeglichenen Haushalt haben und diese Perspektive so lang ist und wir genug Zeit haben, die Einnahmesituation zu verbessern, ist es unabdinglich, dass wir in dieser Frage agieren.
Das ist es, was die Linke von diesem Haushalt erwartet. Es reicht sicher nicht, um alle Prozesse umzukehren, aber es reicht vielleicht, um die Grundlagen eines funktionierenden Sozialwesens und die Reste von politischer Gestaltbarkeit zu erhalten. Gestaltet wird nämlich wenig bis gar nicht mehr. Wir streben in allen Bereichen eher nur nach Mindeststandards. Für eigene Ansätze und Anstrengungen ist längst kein Platz mehr. Wenn das so ist, braucht auch niemand mehr ein Bundesland Bremen. Das ist nur sinnvoll, wenn man es auch gestaltet und wenn man den Verfassungsauftrag zur sozialen Entwicklung dieser Stadt ernst nimmt und ihm Vorrang vor der fiskalischen Sanierung gibt.
Der vorliegende Haushaltsentwurf sagt, wir haben diese Stadt jahrelang bis auf die Knochen heruntergespart, und jetzt haben wir ein paar hundert Millionen Euro mehr Steuereinnahmen, und die stecken wir auch in die Vermeidung von Neuverschuldung. Das, meine Damen und Herren, halten ich und wir, Die Linke, für zynisch und unhaltbar.
Wir müssen hier mit einem Haushalt herausgehen, bei dem wir nicht erschrecken, wenn uns in 20 Jahren jemand darauf anspricht: „Was habt ihr da eigentlich gemacht? Wart ihr das?“ Mit dem vernünftigen Einsatz der Steuermehreinnahmen in Ausgaben für Soziales, Bildung, Kultur und Arbeit kann ein Teil des Kahlschlags der Großen Koalition gebessert werden, kann bewirkt werden, dass die Prozesse von Armut, sozialer Hoffnungslosigkeit und kulturelle Frustration, die um sich greifen, zumindest verlangsamt werden. Damit werden die sozialen Schulden vermieden, die die Schulden in Geld deutlich übersteigen und letztendlich wieder zu Schulden in Geld werden.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Damit würde man auch Zeichen setzen, dass wir anfangen, uns gemeinsam zu wehren, und dass wir nicht mehr bereit sind, Sanierungen auf den Knochen unserer Kinder und auf Kosten eines lebensfähigen Gemeinwesens zu betreiben. Meine Damen und Herren, haben wir Mut! Nehmen wir die Steuermehreinnahmen, um dringend notwendige finanzielle Spielräume zu öffnen, Spielräume, um die sich verstärkenden Armutsprozesse zu bekämpfen und die dazu notwendigen sozialen Instandhaltungsinvestitionen zu tätigen, Spielräume, um die dringenden Investitio
nen zu tätigen, die auch notwendig sind, um zum Beispiel gegen die drohende Klimakatastrophe vorzugehen! Ich denke, diese Investitionen werden sich für zukünftige Generationen rechnen. Haben wir den Mut, auf Bundesebene für gerechte Steuern und einen gerechten Länderfinanzausgleich zu streiten! Dann haben das Land Bremen und die Menschen in Bremen eine Zukunft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute schon viele schöne Worte gehört, deshalb möchte ich damit anfangen: Ich bin erstens kein enttäuschter Liebhaber, ich fühle mich aber trotzdem wohl!
Da wir heute so sehr bei der Vergangenheitsbewältigung waren, möchte ich mit dem Kollegen Dr. Sieling anfangen. Sie sind in Ihrem Dreiparteiendenken sehr in der Vergangenheit verharrt. Die Opposition besteht, und ich bin Herrn Dr. Güldner besonders dankbar dafür, dass er auch die kleinen Oppositionsparteien angesprochen hat. Ich nehme ganz einfach an, dass das der Zeit geschuldet ist, als die Grünen hier in der Opposition gesessen haben und sich auch durchbeißen mussten. In diesem Fall sind wir mittlerweile fünf Parteien in diesem Hause.
Herr Röwekamp hat dankenswerterweise darauf verzichtet, in seiner Rede vom Oppositionsführer zu sprechen, sondern er hat nur von der Opposition gesprochen. Das finde ich eigentlich sehr nett, denn ich muss ein ganz kleines bisschen Wasser in den Wein der Harmonie bei einigen Punkten gießen, das werde ich noch weiter ausführen. Selbstverständlich ist die FDP dafür, die Gewoba zu verkaufen, und dabei bleiben wir auch.
(Beifall bei der FDP – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Immer noch! – Zuruf des Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen])
Darüber können wir uns noch weiter streiten, das werden wir auch tun, und das machen wir gern. Ich will aber vorher noch einmal ein Bekenntnis zur bremischen Selbständigkeit ablegen. Die Bremer FDP steht zu Bremen und auch zur Klage. Wir haben die Klage zwar relativ kritisch betrachtet, als sie auf den Weg gebracht worden ist, weil wir genau die Debatte vorausgesehen haben, die jetzt geführt wird, die Bremens Rolle insgesamt infrage stellt. Deswegen hatten wir gesagt, dass wir das erst in der Föderalismusre
formkommission debattiert haben wollten und dann weitersehen, ob man den Klageweg bestreitet. Da es aber anders herum gelaufen ist, stehen wir zu dieser Klage und zu Bremen.
Ich möchte meine weiteren Ausführungen mit einem Lob und einem Dank verbinden, Dank dafür, dass der Haushaltsentwurf so früh vorliegt, dass die Koalition ihre Ankündigungen wahr gemacht hat, und natürlich auch Dank an die Mitarbeiter aus den beteiligten Ressorts! Im Haushalts- und Finanzausschuss können wir immer deutlich sehen, wie viel Arbeit darin steckt. Dafür gilt Ihnen der ausdrückliche Dank der FDP-Fraktion.
Meine Damen und Herren, angesichts der erdrückenden Schuldenlast wird sich Bremen aus eigener Kraft nicht aus der dramatischen Finanzlage befreien können. Die Verhandlungen im Rahmen der Föderalismusreform II laufen, und wir haben es gehört, es gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus, dass Bund und Länder Bremen nicht im Stich lassen werden. Dies wird aber nur gelingen, davon sind wir fest überzeugt, wenn wir alles, aber auch wirklich alles, unternehmen, unsere Eigenanstrengungen zu erhöhen.
Natürlich haben wir Bremer auch gute Gründe auf unserer Seite, schließlich haben wir im Vergleich zu anderen Ländern eine besonders hohe Wirtschaftskraft, wir haben eine hohe Finanzkraft, und wir stellen, das haben wir heute auch schon gehört, sehr viele Arbeitsplätze zur Verfügung, insbesondere auch für Menschen, die im Umland leben und in unserer Stadt arbeiten. Außerdem tragen unsere Häfen in hohem Maße zum wirtschaftlichen Wohlergeben der exportorientierten deutschen Volkswirtschaft bei.
Wir haben heute auch gehört, und diesen Forderungen schließen wir uns an, dass diese Hafenlasten deutlicher ausgeglichen werden müssen. Wir müssen die anderen Länder und den Bund aber auch davon überzeugen, dass Bremen es mit seinen Eigenanstrengungen ernst meint. Der vorgelegte Haushaltsentwurf lässt mich allerdings daran zweifeln. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke. Auch sind öffentliche Äußerungen der Finanzsenatorin, die sie neulich getätigt hat, dass der Süden uns Bremer aushungern will, nicht angebracht, ich würde sogar sagen, sie sind ausgesprochen kontraproduktiv.
Sparen ernst ist. Beim näheren Hinsehen stellt man nämlich fest, dass die konsumtiven Ausgaben steigen sollen. Was ist das denn für ein Signal an die Geberländer? Da sagt man doch nichts anderes als, ihr dürft die Suppe auslöffeln, die wir euch eingebrockt haben. Außerdem muss man annehmen, dass es in Zukunft so bleiben soll und dass wir weiter so wirtschaften wollen. Das müssen wir abstellen und ganz deutlich sagen, wir sind dazu bereit, Eigenleistungen zu erbringen. Wir müssen diese Eigenleistungen erbringen, weil uns sonst keiner helfen wird, denn nur, das ist ein bekanntes Sprichwort, wer sich selbst hilft, dem helfen auch andere.
Auch haben Senat und Rot-Grün bei den Investitionen noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Bei den Statistiken des Finanzplans 2007 bis 2011 haben sie sich sicher an einigen Stellen bewusst etwas vage gefasst, weil Sie einige selbst gesteckte Ziele nicht deutlich und nicht transparent gemacht haben. Das ist eigentlich auch ein Kernpunkt, der heute schon mehrfach angesprochen worden ist. Es gibt eine mangelnde Transparenz, und die kann man nicht wegdiskutieren.
Es ist darüber hinaus absolut unverständlich, warum vertragliche Verpflichtungen gegenüber Dritten jetzt wieder erneut eingegangen werden. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, das ist auch von den Grünen kritisiert worden, und jetzt macht es der Senat trotzdem wieder. Das stößt überhaupt nicht auf unsere Zustimmung!