Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Bremen hat für die Anerkennung des Bunkers als Gedenkstätte seinen konzeptionellen Anteil geleistet und ist bereit, diesen auch zukünftig finanziell abzusichern. Ohne den Bund als verantwortungsvollen Partner ist diese Realisierung nicht zu leisten. – Danke!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bunker Valentin ist in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld der Bremer Öffentlichkeit gerückt. Das liegt nicht nur daran, dass er vom Bremer Theater als Bühne genutzt wurde, das liegt zu großen Teilen am Engagement von Personen und Initiativen, die den Bunker als Gedenkort in das Bewusstsein rücken wollten. Zu nennen sind hier unter anderem die Landeszentrale für politische Bildung, der Verein Geschichtslehrpfad aus Bremen-Nord und auch einzelne Menschen aus der Bundeswehr. Ohne ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

diese Arbeit würden wir hier heute wohl nicht debattieren. Für dieses unermüdliche Engagement dieser Menschen möchten auch wir uns herzlich bedanken!

(Beifall bei der Linken, bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist wichtig, dass sich die Bürgerschaft gerade jetzt mit dem Thema auseinandersetzt. Wenn im Jahr 2010 die Bundeswehr den Bunker verlässt, ergibt sich die einmalige historische Chance, das Gebäude in eine Gedenkstätte umzuwandeln. Es muss jetzt dringend geklärt werden, wie es dann mit dem Bunker weitergeht. Hoffentlich können wir hier vom Parlament aus Druck entwickeln, dass eine weitere Nutzung des Bunkers als Gedenkort in die Wege geleitet wird. Ich finde es skandalös, dass niemand Verantwortung für den Bunker übernehmen will. Niemand darf sich aus der Verantwortung für dieses Gebäude stehlen, weder Land noch Bund oder die Bundeswehr.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr jahrelang bereit ist, das Gelände für ihre Zwecke zu nutzen, sich aber anschließend nicht für den Erhalt als Gedenkort einsetzen möchte. Die Bundeswehr stiehlt sich gerade aus ihrer Verantwortung. Das kann nicht zugelassen werden. Auch sie sollte ihren finanziellen Beitrag dazu leisten, diesen Ort zu erhalten.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Der Bunker Valentin ist ein schwieriger Ort. Oft wird er nur in seiner monströsen Größe wahrgenommen. Für Militärbegeisterte, die nichts vom Vernichtungskrieg der Wehrmacht wissen wollen, ist der Bunker bis heute ein faszinierendes Objekt. Oft wird der Bunker als Ausdruck deutscher Ingenieurskunst gefeiert und darüber geschrieben, denn sichtbar bis heute sind nur die räumliche Größe und die Unverwüstlichkeit dieses Objekts. Nicht sichtbar sind die Spuren des Leids, des Todes und der Vernichtung durch Arbeit, die diesem Ort eingeschrieben sind. Nicht sichtbar sind die Gewinne, die deutsche Bauunternehmen aus der Beteiligung am Bau des Bunkers gezogen haben.

Weit über 10 000 Menschen mussten unter unmenschlichen Bedingungen am Bau schuften. Es waren Kriegsgefangene, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Nach vorsichtigen Schätzungen mussten mindestens 2000 von ihnen auf der Baustelle oder in den Lagern ihr Leben lassen. Sie wurden Opfer der deutschen Politik der Vernichtung durch Arbeit. Dies alles geschah vor den Augen und mit dem Wissen der Bremer Bevölkerung, an der täglich der Marsch der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zwischen Lager und Baustelle vorbeigetrieben wur

de. Dies geschah mit dem Wissen der beteiligten Unternehmen, die nur Hungerlöhne zahlten, stets vor Ort präsent waren und das Leid kannten. Dies geschah unter den Augen der Aufpasser, SS, Marine und Wehrmacht.

Aus der Geschichte des deutschen Vernichtungskrieges, dessen Teil der Bunker war, ergibt sich heute eine historische Verantwortung, der wir alle gerecht werden müssen. Ein Ort, an dem so viele Menschen unfassbare Qualen bis zum Tod erleiden mussten, kann nur als Gedenkstätte angemessen weiter genutzt werden.

(Beifall bei der Linken)

Es muss ein Gedenkkonzept entwickelt werden, in dem die Spuren von Zwangsarbeit und Vernichtung durch Arbeit sichtbar werden. Es muss ein Konzept entwickelt werden, in dem die Profiteure der Sklavenarbeit benannt werden und das Zusehen der Bremer Bevölkerung nicht ausgeklammert wird. Dieses Konzept muss die gesamte Gedenklandschaft in Bremen-Nord einbeziehen. Nicht nur der Bunker, sondern auch die ehemaligen Lagergelände, soweit sie noch erhalten sind, müssen als Gedenkstätte bewahrt werden. Nur solch ein Konzept kann gewährleisten, dass mit dem Bunker als Faszinosum vermeintlicher deutscher Größe gebrochen wird und er als das erscheint, was er ist, ein Ort, an dem von Deutschen Verbrechen verübt wurden und Leid über Tausende von Menschen gebracht wurde.

Die Landeszentrale für politische Bildung hat solch ein Konzept vorbereitet, jetzt muss sie es auch nutzen können. Wir fordern vom Bund, vom Land und von der Bundeswehr, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die ab 2010 notwendig sein werden, um den Bunker zu erhalten und um ihn in eine Gedenkstätte umzuwandeln. Eine solche Gedenkstätte darf nicht als unfinanzierbar gelten. Die entstehenden Kosten müssen gemeinsam aufgebracht werden.

Darüber hinaus fordern wir, dass von wissenschaftlicher Seite eine Liste erstellt werden soll, welche Unternehmen beim Bau des Bunkers profitiert haben. Im Anschluss muss geprüft werden, welche dieser Unternehmen bereit waren, in den Stiftungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einzuzahlen. Falls sich hier Unternehmen finden, die für ihren einstigen Gewinn an Sklavenarbeit bis heute keine Wiedergutmachung geleistet haben, sehen wir gerade diese in der Pflicht, sich finanziell an der zukünftigen Gedenkstätte zu beteiligen.

(Beifall bei der Linken)

Lassen Sie uns die Chance nutzen, die sich durch den Auszug der Bundeswehr aus dem Bunker ergibt, und zukünftig in einer Gedenkstätte, einem historischen Ort, auf die Zusammenhänge von Krieg und

Vernichtung durch Arbeit hinweisen und so die Monumentalität des nationalsozialistischen Baus entzaubern! So kann den Opfern des Nationalsozialismus auf würdige Art und Weise gedacht werden. Wer heute Verantwortung für jetzt und die Zukunft übernehmen will, darf die Vergangenheit nicht ausklammern. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Richter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine riesige graue Wand ist der erste Eindruck, wenn man sich dem U-Boot-Bunker Valentin nähert, ein gigantisches Bauwerk, gedacht als sichere U-Boot-Werft, nachdem die Bombenangriffe auf entsprechende Einrichtungen zunahmen. Baubeginn 1943, Einstellung der Bauarbeiten nach einem Bombenangriff 1945, fertiggestellt wurde dieses Bauwerk nie, und auch kein fertiges U-Boot hat diese Werft jemals verlassen.

Eine riesige graue Wand, 426 Meter lang, 97 Meter breit, 33 Meter hoch, eine Grundfläche von 37 000 Quadratmetern und ein Bauvolumen von 520 000 Kubikmetern! Gebaut wurde er unter qualvollen Umständen, darauf sind meine Vorredner eingegangen, von etwa 12 000 Häftlingen und Zwangsarbeitern. Sie waren in sieben Außenlagern untergebracht, darunter ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme und ein Arbeitserziehungslager der Gestapo. Der Bunker Valentin steht exemplarisch für das System der Lager im Dritten Reich. Der Bau war mit unendlichem Leiden und Sterben verbunden. Während Konzentrationslager reine Vernichtungslager waren, ging es beim Bau der Bunkeranlage um die Vernichtung durch Arbeit. Niemand weiß, wie viele Menschen auf der Baustelle und in den Lagern gestorben sind, Zahlen wurden ja schon genannt.

Nach dem Krieg war zunächst eine Sprengung vorgesehen, diese wurde dann aufgrund der gigantischen Ausmaße und der zu befürchtenden Schäden in der Umgebung nicht realisiert, dafür nutzte man die Bunkeranlage, um Bombenangriffe zu üben. Das führte zu weiteren Schäden. 40 Prozent des Gebäudes werden seit 1965 von der Bundeswehr als Marinematerialdepot genutzt, die restlichen 60 Prozent sind aufgrund von Schäden nicht nutzbar und nicht für die Öffentlichkeit zugängig. Die Beseitigung dieser Schäden und eine Herrichtung für eine anschließende Nutzung ist schlichtweg nicht bezahlbar.

2010 wird die derzeitige Nutzung aufgegeben, der Bunker steht zum Verkauf. Ein Grund dafür sind sicherlich die hohen Unterhaltskosten, die sich nach den Schätzungen allein für den genutzten Teil auf rund 700 000 Euro pro Jahr belaufen. Ist bei diesen Gegebenheiten zu befürchten, dass sich überhaupt ein

Kaufinteressent findet? Das ist wohl eher unwahrscheinlich.

Die grundsätzliche Überlegung, ein Konzept für eine nationale Gedenkstätte zu erarbeiten, wird von unserer Fraktion in vollem Umfang begrüßt und unterstützt. Hierbei handelt es sich, wie von meinen Vorrednern bereits deutlich gemacht, um eine nationale Aufgabe, der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung herausschleichen. Den Bunker einfach auf Bremen zu übertragen, kann hier nicht die Lösung sein, eine Gedenkstätte, allein durch das Land Bremen getragen, dürfte nicht zu leisten sein.

Eine gigantische graue Mauer, ein Bauwerk, welches von Beginn an dem Verfall ausgesetzt war! Eine Instandsetzung des Ruinenteils dürfte aufgrund der Kosten ausgeschlossen sein, denkbar ist die weitere Nutzung und der weitere Ausbau eines Dokumentationszentrums, das ja in einem kleinen Teil des derzeit noch genutzten Gebäudeteils schon vorhanden ist. Auch hier gilt unser Dank den Initiativen, die ja hier mit hohem ehrenamtlichen Engagement bereits tätig waren und sind und unendlich viel schon geleistet haben.

Die gewaltige Baumasse dokumentiert für sich allein den Wahnsinn der menschenverachtenden Politik des Dritten Reichs. Vielleicht liegt ein Ansatz für eine Konzeption, den Bunker in weiten Teilen endgültig zu schließen und als nationales Mahnmal dem weiteren Verfall preiszugeben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kau.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bunker Valentin in Farge ist mit Sicherheit in jeder Hinsicht ein Thema von bemerkenswerter Dimension. Das gilt nicht nur für die Größe des Bauwerks, die ja schon beschrieben wurde, das gilt auch für den Größenwahn der Planer und Erbauer. Der Bunker war Teil einer menschen- und völkerverachtenden Kriegsmaschinerie, die Deutschland, Europa, ja die der ganzen Welt in meiner Meinung nach unvergleichlichem Ausmaß Leid, Elend, Tod, Zerstörung gebracht hat. Ich glaube, darüber sind wir uns hier im Hause alle einig.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der Linken und bei der FDP)

Er ist nicht nur deswegen bemerkenswert, sondern auch wegen des Ausmaßes an Willkür, an gnadenloser Ausbeutung, an Gefangenen, Deportierten, Zwangsarbeitern, Minderheiten, jüdischen Mitbürgern, Kriegsgefangenen und vielen Ausgegrenzten

und Verfolgten. Die 1100 Menschen wurden ja schon zu Recht erwähnt, die dort unter unmenschlichen Bedingungen gequält, geschunden, ausgebeutet und teilweise elend getötet wurden. Ihnen, diesen Personen, gebührt unser anhaltendes Gedenken, die CDU-Fraktion unterstützt die Aufrechterhaltung dieses Gedenkens an diese Opfer.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich ohne parteipolitisches Gezänk sagen, die CDU unterstützt alle sinnvollen Bestrebungen, das historische Geschehen im Zusammenhang mit dem Bunker Valentin nachhaltig in Erinnerung zu halten und dessen würdig zu gedenken. Wir bekennen uns ausdrücklich zu einer gesamtgesellschaftlichen Erinnerungskultur, natürlich und selbstverständlich auch hier in Bremen.

Es ist nur wichtig, und das wurde auch schon erwähnt, dass es sich bei den Gedenkstätten um Länderaufgabe handelt. Daher, Herr Böhrsen, steht es dem Lande Bremen völlig frei, aktiv zu werden und dort in einer angemessenen Form das Gedenken aufrechtzuerhalten. Die Forderung nach einer nationalen Gedenkstätte zielt allerdings deutlich auf die Einbindung des Bundes, um ein Projekt oder Objekt von nationaler Bedeutung zu fördern. Das setzt aber ein wissenschaftlich fundiertes Konzept voraus, in dem man herausarbeitet, wo die nationale oder vielleicht sogar internationale Bedeutung eines solchen Bauwerkes liegt. Und, darüber muss man sich gerade in Zeiten der Haushaltsnotlage bewusst sein: mindestens das Tragen der Hälfte der finanziellen Mittel vom jeweiligen Sitzland, das diese Gedenkstätte haben möchte!

Wenn Sie das ernsthaft, seriös und mit Nachhaltigkeit, was wir unterstützen würden, verfolgen, müssen Sie als Regierungskoalition mit Ihrem Senat zunächst einmal ein solides Finanzierungskonzept und ein tragfähiges Erinnerungskonzept mit einer Art von Gedenkstätte oder Ausstellung und einer würdigen Erinnerungskultur vorlegen.

(Beifall bei der CDU)

Das Bauwerk als Ganzes zugängig zu machen und zu unterhalten, halte ich schlicht und einfach für unangemessen und auch finanziell für absolut nicht darstellbar.

Deswegen die Frage, was der Senat diesbezüglich bisher unternommen hat! Wie soll ein solcher Gedenkort aussehen? Denn der bloße Mechanismus, Bremen möchte etwas, Bremen kann aber nicht und der Bund ist gefordert, dürfte in Berlin manche Erinnerung wecken und ergibt unseres Erachtens keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU)

Konzepte, die anspruchsvoll sind, müssen tragbar finanziert werden, und wir fragen uns natürlich, wie ein solches Finanzierungskonzept aussehen soll. Welche Summen stehen im Raum? Wie ist der Einrichtungsaufwand einer solchen Ausstellung oder Gedenkstätte? Welche Folgekosten sind zu beachten? Woher sollen die einzelnen Finanzierungsbeiträge kommen? Daher, lieber Herr Böhrnsen, wann ist konkret mit einer Vorlage eines solchen Konzeptes einschließlich Finanzierung zu rechnen? Bloße Forderungen an den Bund allein werden hier nicht genügen.

Es wurden schon die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen erwähnt, die eingebunden waren, und deren Arbeit gebührt natürlich auch unser Dank. Fraglich ist natürlich, ich habe gestern noch mit der Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz gesprochen, warum sie über nichts Bescheid weiß, in nichts involviert ist, nicht einmal informiert ist und in keiner Weise aktiv eingebunden. Wieso taucht es jetzt plötzlich als aktuelles Thema auf, während es in den letzten Monaten nicht ein einziges Mal Gegenstand unserer Debatten in der Kulturdeputation gewesen ist?

(Beifall bei der CDU)

Herr Böhrnsen, haben Sie Ihren Nordbremer, nennen wir es jetzt einmal „Nachbarn“ Bernd Neumann einmal ganz aktiv eingebunden und in dieses Vorhaben integriert? Aus dem Bundeskanzleramt war gestern bis dahin noch keine solche Initiative bekannt!

Gestatten Sie mir abschließend noch einige konstruktiv kritische Anmahnungen! Wir unterstützen diesen Gedenkort, wir glauben aber, es muss mit Behutsamkeit und Sensibilität vorgegangen werden. Man sollte das ruhig angehen und nicht vorschnell Publizität erzeugen. Auf den Bund Druck zu machen, weil in Bremen etwas sinnvoll erscheint, allein wird als Konzept nicht reichen. Hier müssen Nachhaltigkeit und ein fundiertes, klares Konzept her, und es muss ein Brückenschlag aller gesellschaftlichen Gruppen und Anstrengungen werden, um diese unrühmliche Geschichte in die Gegenwart und vor allen Dingen auch für unsere Kinder und Enkel in die Zukunft zu tragen, denn es ist eine erinnerungswürdige Stätte.