Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Nichts Neues? Sie werfen uns vor, dass wir nichts Neues machen, nachdem Sie vor allen Dingen die Investitionshaushalte bis weit hinein ins nächste Jahrzehnt „verfrühstückt“ haben und gleichzeitig Zahlen nach Karlsruhe melden, die diese Spielräume überhaupt nicht mehr zulassen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber über die Steuermehreinnahmen freuen Sie sich, oder?)

Wie wollen Sie das denn machen? Das geht doch nur, indem Sie die alten Verfahren, über Schattenhaushalte das Geld aufzutreiben, fortsetzen wollen! Das machen wir nicht, und das dürfen wir auch nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu Herrn Rupp möchte ich gern auf den Vorwurf eingehen, dass dieser Senat es vollständig ignoriert, dass es soziale Schulden gibt. Auch das verstehe ich nicht. Wie kommen Sie darauf? 670 Millionen Euro dieses Haushaltes fließen in den Haushalt „Jugend und Soziales“. Weitere Haushalte: der Sport-, der Bildungs-, der Kulturhaushalt, der Stadtentwicklungshaushalt, überall gibt es soziale Bestandteile, bei denen wir uns bemühen, dass die Menschen, denen es nicht so gut geht, besonders stark daran partizipieren.

Es ist auch nicht richtig, wie Sie behaupten, dass wir uns entschlossen hätten, nichts davon über Kredite zu finanzieren. Sonst wäre der Haushalt ja verfassungskonform, wenn wir das gemacht hätten, dann würden wir nur die Investitionen über Kredite finanzieren. In Wirklichkeit finanzieren wir massiv konsumtiv, finanzieren auch diese Dinge durch Kredite.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das wird uns von anderen vorgeworfen. Dieser Senat steht dazu, dass wir hier einen Standort haben, der sich vergleichbar mit anderen Standorten entwickeln können muss, und gerade deshalb machen wir keine reine Haushaltswirtschaft, wo ein Zahlengefüge über die Menschen hinweg bürstet und es uns

egal ist, wie Sie es uns unterstellen, was mit ihnen letztendlich dann passiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich denke, dass Ihre Kritik maßlos war. Es gibt viele Bereiche, das können Sie mir glauben, in denen ich finde, dass wir vieles besser machen können und Deutschland sein Gesicht sozialer machen sollte. Aber indem Sie hier alles herunterreden mit dieser Art von Maßlosigkeit, erreichen Sie gesellschaftlich das Gegenteil von dem, was Sie erreichen wollen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diejenigen, die die Sozialhilfe als eines der besten sozialen Sicherungssysteme schlechtgeredet haben, das System, um das uns die Welt beneidet hat, haben Hartz IV vorbereitet und geerntet, und meinen Widerstand und den Widerstand des Senats werden Sie dort finden. Wir geben für arme Menschen viel Geld aus, und das ist richtig, soweit sie es benötigen. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn Sie sich einmal die Mühe machen, über den Tellerrand zu sehen. In anderen Kommunen, in anderen europäischen Ländern oder vielleicht auch noch einmal über unseren Kontinent hinaus können Sie sich dann eine Meinung darüber bilden, wie das Niveau der sozialen Sicherung in Deutschland ist, und das ist immer noch etwas, worauf man stolz sein sollte!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. R ö w e - k a m p [CDU])

Ich glaube, die CDU hat Hartz IV mitbeschlossen im Bundesrat!

Zur FDP möchte ich Folgendes sagen: Herr Ella, das waren hier wirklich die ganz großen Leidenschaften! Aber ehrlich gesagt, was ich über Ihr Verhalten im Haushalts- und Finanzausschuss weiß, das war dort ganz anders. In dem Ausschuss haben Sie ziemlich „kleine Brötchen gebacken“. Hier sagen Sie nichts Konkretes und halten wilde Reden, das kann man vielleicht das eine Mal bei seiner ersten Haushaltsrede machen, aber letztendlich werden Sie auch irgendwann gezwungen sein, konkret zu sagen, was wo mit welchen Mitteln wie finanziert werden soll, wo geht es hin, und wo geht es weg.

(Zurufe)

Ja, einen Haushaltsantrag haben Sie nicht gestellt!

Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt! Wenn Sie ihn hier heute beschlossen haben, dann beginnt eine neue Phase von Arbeit, nämlich das Controlling.

Wir werden Ihnen berichten, ob alles klappt, wo es Probleme gibt und wie es weitergeht. Wir im Finanzressort bereiten für Sie den Haushalt 2010 und 2011 vor, recht bald geht es los mit Überlegungen, welche wichtigen Dinge wir in den Haushalt einstellen wollen. Wir arbeiten auf der Basis der Finanzplanung, die Sie hier auch zur Kenntnis nehmen.

Ich will noch vier Punkte nennen, die uns bei der Vorbereitung besonders wichtig sind: Das ist die Frage, wie wir noch besser eine Kontrolle über die Sondervermögen und über die Gesellschaften bekommen. Es gibt die Senatskommission, die dort große Fortschritte erzielt. Wir werden Vorschläge zur erweiterten Kameralistik vorbereiten, damit wir uns in Zukunft besser darüber Rechenschaft abgeben können, welche Folgen politische Entscheidungen für die Kosten in der Zukunft haben.

Wir werden uns hoffentlich mit Ihnen gemeinsam vornehmen, dass wir in Zukunft mehr über die Produktgruppenhaushalte steuern und aus diesem Denken herauskommen, dass in der Hauptsache die Menge an Geld bestimmend für die Qualität ist, sondern wir wollen über die Produktgruppenhaushalte mit Ihnen gemeinsam weiter mehr Transparenz in den Haushalt bringen. Wir bekommen heraus, wie viel ein Kindergarten, eine Schule oder die Steuerverwaltung kostet, um dann mehr Steuerungsmöglichkeiten für den Haushalt zu gewinnen. Das sind die Perspektiven für die Zukunft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, zur Generaldebatte Finanzen liegen mir jetzt keine Wortmeldungen mehr vor, sodass wir zur zweiten Runde mit dem Schwerpunkt Bremerhaven und Häfen kommen.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Günthner.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist gestern in den Vorbereitungen auf meine Rede ein kleines Büchlein aus dem Jahr 1987 aus Bremerhaven mit dem Titel „Fishtown ist irgendwie dunkel“ in die Hände gefallen. Ich glaube, dass die Autoren sich zu dem Zeitpunkt noch keine Gedanken darüber gemacht haben, was nach 1987 noch kommt: nämlich Anfang der neunziger Jahre der Weggang der Amerikaner und der Wegfall der damit verbundenen Arbeitsplätze, Mitte der neunziger Jahre die riesige Werftenkrise in Bremerhaven mit dem Wegfall vieler Arbeitsplätze.

Wenn wir auf die heutige Situation schauen, können wir feststellen, dass es deutlich heller geworden ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ist. Das hat mit den Investitionen in den Containerterminal und in die Kaiserschleuse, mit OffshoreWindenergie, Tourismus, Auswandererhaus, Klimahaus – das Sail City hat sich die SPD-Fraktion gerade am letzten Montag als Tagungsort ausgesucht, um sich eben diese eindrucksvolle Entwicklung in Bremerhaven anschauen zu können –, AWI-Hochschule, der Forschungslandschaft in Bremerhaven, aber eben auch mit den schon von mir erwähnten Werften zu tun. Wenn wir uns Mitte der neunziger Jahre angeschaut haben, wie auch von vielen hier im Lande Bremen über die Werftindustrie diskutiert worden ist, dann sind wir inzwischen wieder in der hervorragenden Situation, dass auf den Werften Beschäftigung herrscht. Das ist auch ein Stück weit Erfolg der Politik dieses Senats und der vorangegangenen Senate.

(Beifall bei der SPD)

Es ist uns gelungen, in den letzten Jahren jedes Jahr 1000 neue Arbeitsplätze in Bremerhaven zu schaffen. Das sind auch die Zahlen für die Zukunft, das ist die Prognose für dieses und für nächstes Jahr, dabei handelt es sich um sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. So zu tun, als wäre das, was bisher geleistet worden ist, und das, was in der Zukunft kommen wird, nicht mit Arbeitsplätzen verbunden, wie es hier teilweise versucht wird, ist aus meiner Sicht falsch.

Ich finde aber, man muss auch darüber sprechen, dass wir trotz der positiven Entwicklung, die Bremerhaven in den letzten Jahren genommen hat, noch große Probleme haben. Ich beschreibe das gern als Kluft, die in der Stadt aufgeht, zum einen zwischen dem Teil an der Wasserseite, der sehr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und den Investitionen in den vergangenen Jahren profitiert hat, und zum anderen in den Stadtteilen, wo wir es mit Armut und Bildungsferne zu tun haben, wo eben die Kinder, Herr Kollege Röwekamp, sind, die ohne Mittagessen und ohne Frühstück in die Schule kommen, die ein Stück weit abgekoppelt sind. Insofern plaudere ich ja nicht aus dem Nähkästchen. Wir haben das gleiche, das die rot-grüne Koalition in Bremen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, als Große Koalition in Bremerhaven vereinbart, dass wir nämlich mehr für unter Dreijährige und für Mittagsversorgung tun wollen, dass wir es organisieren wollen, dass wir möglichst eine Schule für alle bekommen. Sie stellen sich hier heute hin und tun so, als wäre das Sozialismus und Gleichmacherei, das haben Herr Bödeker und Herr Röwekamp in Bremerhaven mit unterschrieben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will den Hinweis von Frau Linnert zu den Hafeninvestitionen gern noch einmal aufnehmen. Hier so zu tun, als gäben wir kein Geld in die Häfen, ist

schlichter Unfug! Wir investieren jedes Jahr, jedes Jahr müssen 100 Millionen Euro im Land Bremen für die Häfen aufgewendet werden. Insofern haben wir eine gute Basis gelegt. Das jetzt alles zu zerreden, weil Sie jetzt auf einmal in der Opposition sitzen, finde ich, ist fadenscheinig. Das sollten Sie nicht machen, sondern Sie sollten mit uns gemeinsam auch in die Zukunft schauen, aber sich dabei auch darüber bewusst werden, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben.

Ich bin 1999 in die Bürgerschaft gekommen. Herr Kollege Werner Heuer, der davor schon den Wirtschaftsförderungsausschüssen angehört hat, hat gesagt, in der letzten Sitzung der Wirtschaftsförderungsausschüsse vor der Bürgerschaftswahl 1999 hätte er gar nicht so schnell den Arm heben können, wie dort die Millionenpakete für Investitionen über den Tisch gewandert sind. Diese Rahmenbedingungen haben wir nicht mehr. Wir können nicht mehr Geld aus dem Fenster werfen, wir können nicht mehr die große Investitionsschlacht der vergangenen Jahre schlagen. Insofern kommt es nach unserer Auffassung als SPDFraktion darauf an, dass wir auch in Bremerhaven solide und kleinteilig investieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben uns darauf geeinigt, dass in Bremerhaven auch in den nächsten Jahren weiterhin überproportional investiert wird, und der Senat hat den entsprechenden Investitionsbericht dazu vorgelegt. Wir sind damit auf einem richtigen Weg. Aber auch darüber muss sich natürlich die Große Koalition, in der ja Herr Röwekamp und in Bremerhaven Herr Bödeker an maßgeblicher Stelle sitzen, noch verständigen, welche politischen Schwerpunktprojekte wir aus Bremerhaven auch nach Bremen melden. Natürlich trifft das zu, was Ralf Nagel als Wirtschaftssenator gesagt hat, dass nämlich gute Projekte ihr Geld finden werden.

Ich will dazu einige kurze Stichworte nennen. Nach meiner Auffassung ist der Ansatz der CDU zu sagen, es muss etwas im Bereich der südlichen Innenstadt gemacht werden, richtig. Es ist richtig, aber dazu gehört natürlich auch, dass man sich dann Gedanken darüber macht, wie man den Abschluss dort mit dem sogenannten Wencke-Lange-Dock findet, und damit auch endlich die Werftengeschichte in Bremerhaven positiv aufnimmt. Ich glaube, dass wir auf dem Kistner-Gelände in Bremerhaven etwas machen müssen, das städteplanerisch auch dort hineinpasst und das auch dazu führt, dass wir diesen sozial instabilen Stadtteil Lehe weiter stärken können. Ich glaube, und das würde ich auch immer als einen unserer Schwerpunkte benennen, dass wir uns die Forschungs- und Entwicklungszone an der Fischereihafendoppelschleuse vornehmen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube nur, dass wir uns darauf erst einmal als Große Koalition einigen müssen und dann diese Projekte nach Bremen auch entsprechend melden können. Ich glaube, dass wir dann auch in diesem Haus breite Unterstützung dafür bekommen werden.

Ich habe eingangs gesagt: „Fishtown ist irgendwie dunkel“. Ich glaube, dass Fishtown Bremerhaven am Ende des Tages heute nicht mehr so dunkel ist, noch nicht ganz so strahlend, wie es aussehen könnte. Die Basis, die wir geschaffen haben, ist gut. Ich glaube, dass wir auch mit diesem Haushalt eine gute Basis für Bremerhaven gelegt haben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Bödeker.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, lieber Martin Günthner, bin ich ja froh, dass die Große Koalition, die in Bremerhaven hervorragende Arbeit leistet, nicht vergessen worden ist.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Oh ja, das sehen wir jeden Tag!)

Ich denke, das, was wir als Strukturwandel in Bremerhaven mit Beschlüssen der letzten Landesregierung und mit der Arbeit der Großen Koalition in Bremerhaven geschafft haben, ist der richtige Weg gewesen. Wir haben den Weg der Sanierung vorangetrieben, wir haben im Bereich des Strukturwandels zum Tourismus hin große Erfolge. Wir sind dabei, diese Erfolge umzusetzen.

Wenn das so ist, könnte man ja als Bremerhavener sagen: Man kann zufrieden sein. Aber mit diesem Haushalt dieser Landesregierung kann man natürlich in Bremerhaven eben nicht zufrieden sein! Wir gehen von einer Ausgangssituation aus: im März 10,8 Prozent Arbeitslosigkeit in Bremen Stadt, 17,8 Prozent Arbeitslosigkeit in Bremerhaven Stadt, im Umland Landkreis Cuxhaven 6,9 Prozent. Wenn wir über Finanzzuweisungen und über die Ausstattung der Städte reden, müssen wir auch über die Gleichstellung der Bürgerinnen und Bürger in Bremerhaven und in Bremen reden. Da ist natürlich gerade die Quote der Arbeitslosigkeit ein außerordentlich wichtiger Punkt.

Ich denke, wenn wir unsere Entscheidung, die wir getroffen haben, weiter vorantreiben – das Stichwort südliche Innenstadt ist gefallen –, nämlich zum Bereich von Forschung und Entwicklung, dann brauchen wir in dem Bereich auch Hilfe. Wenn man jetzt

überlegt, dass es ein Investitionsprogramm für Bremerhaven gibt, Bericht zur Lage Bremerhavens, ist man hier mit Senator Nagel auf die glorreiche Idee gekommen, was richtig ist und was wir immer gefordert haben, die Häfen herauszurechnen.

Das heißt CT IV wird herausgerechnet, die Doppelschleuse wird herausgerechnet, aber eingerechnet sind Investitionen für die Polizei Bremerhaven – da gibt es eine Bürgermeistervereinbarung –, für das Gebäude des Amtsgerichts, für die Neugestaltung des Schifffahrtsmuseums, für das Alfred-Wegener-Institut,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wird ja nicht alles herausgerech- net!)