Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Aber zum Schluss muss ich noch eine Bemerkung zur Klage in Karlsruhe machen. Bremerhaven hat sich mit Vertretern Bremens auf den Kurs geeinigt, wie das Land die Klage vorbereitet. Das ist für beide Kommunen nicht einfach, aber das ist notwendig. Deshalb sollten die nötigen Abstimmungen zwischen Bremerhaven und dem Finanzressort – Sie haben das gerade erwähnt – nicht über die Presse und politische Begleitmusik stattfinden. Probleme in einen Koffer zu packen, wie es gerade der Stadtkämmerer Herr Teiser macht, und nach Bremen zu schicken, denke ich, ist nicht lösungsorientiert. Ich erwarte für Bremerhaven, dass es zu Gesprächen kommt und nicht zu einem regen Briefverkehr. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Klaus-Rainer Rupp hat bereits davon gesprochen, dass der vorliegende Haushalt vor der

Realität des Landes Bremen die Augen schließt. Das gilt noch weit mehr für die Stadt Bremerhaven.

Im Oktober letzten Jahres haben wir eine Anfrage zum Umzug von bremenports gestellt. Bremenports ist eine hundertprozentige Tochter der Stadtgemeinde Bremen und hat sich als Ankermieter im Hotel Sail City Bremerhaven eingemietet. Zuvor hat sie alle selbstgenutzten Liegenschaften für über zwölf Millionen Euro an Bremerhaven verkauft, um Realitäten zu schaffen. Nun residiert bremenports nicht mehr vom Boden aus, sondern in den sieben obersten Etagen des Hotels. Ein Mietpreis der Residenz ist aus dem Haushalt und auch aus anderen Quellen nicht herauszufinden. Über 20 Jahre werden wir jetzt diese ungeklärte Summe aus Landesmitteln zahlen müssen.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Da müssen Sie den Wirtschaftsplan lesen! – Abg. G ü n t h - n e r [SPD]: Das ist doch Bullshit, was Sie dort erzählen!)

Zeigen Sie mir andere Zahlen! Bereits gestern haben wir versucht, bestimmte Zahlen herauszufinden, und trotz Hin und Her war nichts zu bekommen. Das wird die Realität klären.

Ich habe mich schon damals gefragt, wie man sich den Realitäten Bremerhavens verschließen kann. Ich will kurz erwähnen, was die Realitäten Bremerhavens sind: In Bremerhaven leben über 40 Prozent der Kinder in Armut, im letzten Monat lag die Arbeitslosigkeit bei 17,8 Prozent. Damit hat die Arbeitslosigkeit in Bremerhaven eine Höhe erreicht, die in keinem anderen Land Deutschlands erreicht wurde. Das sind traurige Fakten, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der Linken)

Was macht nun aber der Landeshaushalt in Bezug auf Bremerhaven? Er kürzt die Mittel für die Beschäftigungspolitik! In der neuen Förderperiode 2007 bis 2013 werden die Mittel zur Beschäftigungspolitik um 36 Prozent niedriger liegen als in der letzten Förderperiode. Die Mittel sinken dann von 216,9 Millionen Euro auf 138,6 Millionen Euro. Das, meine Damen und Herren, ist ein Minus von 78,3 Millionen Euro.

Von den Kürzungen wird die Bremerhavener Bevölkerung sehr hart getroffen werden. Der Evaluationsbericht des BAP, also des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms, erklärte zu dieser Tatsache: Da hier praktisch nur noch EU-Mittel umgesetzt werden, ist ein landespolitisches Zielsystem nicht vorhanden. Bremen selbst hat seine eigenständigen Aktivitäten hier praktisch eingestellt. Für Bremerhaven ist das eine Katastrophe! Die Arbeitslosigkeit ist das zentrale Problem in Bremerhaven, und der Landeshaushalt sagt: „Wir reduzieren unsere Aktivitä

ten um ein Drittel.“ Das, meine Damen und Herren, ist einfach nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der Linken)

Ich will hier einmal auf die Größenverhältnisse hinweisen, und zwar habe ich eben noch erklärt, dass bremenports umgezogen ist. Die Kosten für den vorgesehenen Umzug wurden vom Senat mit 40 000 Euro beziffert. Diese werden bei Weitem höher liegen. Allein für diese 40 000 Euro hätte man vier LOS-Projekte erhalten können. Diese Projekte würden dann Arbeitsplätze schaffen. Der Umzug kostet aber Beschäftigung. Denn, was hat bremenports noch mitgeteilt? „Durch die Optimierung der Organisationsund Arbeitsplatzstruktur werden Arbeitsplätze abgebaut.“ Einfach unfassbar!

(Beifall bei der Linken)

Aber auch andere wichtige Mittel werden reduziert. Beispiel, die Kürzungen „Soziale Stadt“. Die Mittel, die auch für Bremerhaven wichtig wären, sind wieder zurückgenommen worden. Hier bräuchten wir statt weniger Mittel mehr Mittel. Bis 2006 konnte Bremerhaven noch von der Gemeinschaftsaufgabe Urban II profitieren. Sie konnte mit den in sechs Jahren geflossenen 20 Millionen Euro wirklich sehr interessante und wichtige Projekte für Bremerhaven umsetzen. Ein Anschlussprogramm gibt es hierfür nicht. Mir ist bisher nicht bekannt geworden, dass die zugrundeliegende Problemlage, nämlich der wirtschaftliche Strukturwandel mit all seinen Belastungen über Nacht verschwunden ist. Dazu sage ich jetzt nichts, außer: Das ist skandalös!

(Beifall bei der Linken)

Auch die Umsetzung des Hochschulentwicklungsprogramms, kurz HEP V, kostet die Hochschule Bremerhaven 2,6 Millionen Euro. Die benötigten Mittel der Hochschule werden somit von 12,6 auf 10 Millionen Euro gekürzt. Eine Ausgabensteigerung, die durch den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes verursacht wird, soll aus den Mitteln der Hochschule ausgeglichen werden. Wie soll das gehen? Haben wir uns das unter Vernetzung von Wissenschafts- und Standortentwicklung vorgestellt? Das kann es wohl nicht sein!

(Beifall bei der Linken)

Stichwort Kulturpolitik: Die Stiftung Wohnliche Stadt wird künftig pro Jahr 2,5 Millionen Euro weniger zur Verfügung haben, was einer Halbierung der Mittel gleichkommt. In unseren Städten wurden bisher von diesen Mitteln Kulturförderung, Kunst im öffentlichen Raum, Stadtentwicklung, Spielplätze und vieles andere mehr finanziert. Diese Mittel fehlen nun. Gibt

es dafür eine Kompensation im Haushalt? Nicht im Mindesten!

Stichwort Investitionsquote Bremerhaven: In der Mitteilung des Senats zur Lage Bremerhavens hieß es noch, eine zielorientierte Investitionsplanung für Bremerhaven sei besser als eine starre Anteilsquote.

Uns wurde mitgeteilt, dass diese Quote sogar höher ausfallen könne. Ich für meine Person halte es für gut und für einen richtigen Weg. Gutes Geld für gute Projekte! Wir werden uns dafür einsetzen, diese guten Projekte aufzuzeigen.

(Beifall bei der Linken)

Aber die darin ausgedrückte Idee, die Hafeninvestitionen würden sich quasi automatisch in die Strukturentwicklung von Bremerhaven umsetzen, ist eine gefährliche Illusion, denn das tun sie nämlich nicht! Hierfür benötigt man eher eine aktive Landesstrukturpolitik. Dafür braucht man Investition in Beschäftigung, Qualifikation, Bildung und Kultur.

Laut einer Untersuchung der Arbeitnehmerkammer hat der Anteil hochqualifizierter Beschäftigung in Bremerhaven in den Jahren 1999 bis 2004 genau durch solche Mittel doppelt so stark zugenommen wie in Bremen. Eine gute Entwicklung! Meine Damen und Herren, wenn nun aber die Maßnahmen für betriebliche Qualifikation und die Hochschulmittel so zurückgefahren werden, wie es hier vorgesehen ist, dann kommen die qualifizierten Beschäftigten in Zukunft nicht mehr aus Bremerhaven, sondern von außen.

Für Bremerhaven gab ein einmal ein böses Stichwort von der „passiven Sanierung“. Das bedeutet: Die Lebensverhältnisse werden immer schlechter, es gibt immer weniger Arbeitsplätze, und die Menschen ziehen weg, sodass sich alles auf möglichst niedrigem Niveau ausgleicht. Meine Damen und Herren, das, was dieser Haushalt macht, kommt dem ziemlich nahe.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Was für ein Blödsinn!)

Weniger Beschäftigungspolitik, weniger Kulturpolitik, weniger Wissenschaftspolitik! Eines muss ich in aller Deutlichkeit sagen: Wenn Bremerhaven wirklich von der Hafenentwicklung profitieren soll, muss es daran anschließen können. Dann muss es eine steigende Investition in Beschäftigung, Qualifikation, Bildung und Stadtentwicklung geben. Ansonsten werden die Häfen zu einer Enklave. Bremerhaven wird so zu einem Ort, durch den nur noch die Container durchfahren, und bremenports, hoch sitzend in den sieben oberen Etagen, wird dabei zusehen und weiter die Steuergelder, die wir für unsere Politik benötigen, ausgeben.

(Beifall bei der Linken)

Das kann nicht die Perspektive unseres Landes sein. Deshalb kann man als Bremerhavener Bürger und Bürger dieses Landes den Haushaltsentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nur ablehnen. – Vielen Dank!

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Da fällt mir nicht einmal ein Zwischenruf ein! – Beifall bei der Linken)

Das Wort hat der Abgeordnete Ella.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ein bisschen langsamer, damit wir auch Zwischenrufe machen können!)

Herr Präsident! Frau Präsidentin, ich entschuldige mich vielmals!

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das war der erste Fehler!)

Meine Damen und Herren, liebe Koalitionäre! Trotz Ihrer engagierten Beiträge bleibt es dabei: Dieser Haushalt ist nicht zustimmungsfähig!

(Beifall bei der FDP)

Die Bremerhaven-Runde in der Haushaltsdebatte betont die besondere Bedeutung unseres Landes als Zweistädtestaat. Deshalb möchte ich es noch einmal hervorheben, Frau Hoch sprach das richtigerweise auch schon an: Eine Schwächung Bremerhavens bedeutet eine Schwächung des ganzen Landes.

(Beifall bei der FDP)

Die besondere Situation mit den zwei ungleichen Kommunen wird gerade in der Haushaltspolitik deutlich. Deswegen möchte ich einleitend an dieser Stelle vielleicht erst einmal Herrn Teiser,

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

unseren Bremerhavener Bürgermeister und Kämmerer, zitieren, der im Bremerhavener Finanzausschuss in der vergangenen Woche sagte, er glaube nicht daran, dass die Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht etwas bringen würde. Auch glaube er nicht, dass die Bemühungen Bremens in der Föderalismuskommission II überzeugend seien.

Es kommt nicht gerade häufig vor, und die, die unsere innige Beziehung kennen, wissen, was ich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

meine, aber hier stimme ich Bürgermeister Teiser ausnahmsweise einmal zu, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Da sowohl die Klage in Karlsruhe als auch die Verhandlungen der Föderalismuskommission für Bremerhaven existenziell sind, fasse ich noch einmal zusammen: Wer sich so bedeutenden Fragen wie einem Neuverschuldungsverbot, natürlich in Zusammenhang mit Entschuldung, und einer Steuerreform kompromisslos verweigert, muss sich nicht wundern, wenn ihm an anderer Stelle kaum Zugeständnisse gemacht werden. Wer nicht bereit ist, das Tafelsilber zu verkaufen, kann nicht auf Hilfe von anderen hoffen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Für die FDP würden wir nichts be- kommen!)

Wer sich einem Wettbewerb mit anderen Bundesländern verweigert, kann nicht auf Unterstützung derer hoffen,

(Zuruf der Abg. Frau B u s c h [SPD])