Protokoll der Sitzung vom 03.06.2008

Des Weiteren wurden Absprachen getroffen zur Verbindung der Tagesordnungspunkte 9, Homosexuelle im Adoptionsrecht gleichstellen, und 30, Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen, der Tagesordnungspunkte 21, Akute Finanznot der Krankenhäuser mildern – Sanierungsbeitrag abschaffen!, 22, Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser jetzt streichen, und außerhalb der Tagesordnung, Entlastung der Krankenhäuser bei den Tarifsteigerungen, Drucksache 17/428, der Tagesordnungspunkte 23, EU-Strategie der Freien Hansestadt Bremen, und 39, BundLänder-Vereinbarung über die Zusammenarbeit in EU-Angelegenheiten, und der Punkte außerhalb der Tagesordnung, die sich mit dem Thema „StalkingKIT beim Täter-Opfer-Ausgleich finanziell absichern“ befassen. Es handelt sich hier um die Drucksachen 17/201 und 17/409.

Des Weiteren wurden Vereinbarungen getroffen zu Redezeiten bei einigen Tagesordnungspunkten.

Hinsichtlich der Abwicklung der Tagesordnung der Bürgerschaft (Landtag) wurde vereinbart, dass heute zu Beginn der Sitzung der Punkt außerhalb der Tagesordnung, Arbeitsfähigkeit der Häfen sichern, Drucksache 17/427, behandelt wird.

Zu Beginn der heutigen Nachmittagssitzung der Bürgerschaft (Landtag) wird der Tagesordnungspunkt 4, Wege für Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt, aufgerufen; im Anschluss daran soll der Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Gehaltserhöhung für Senat zurücknehmen, Drucksache 17/432, behandelt werden.

Die Sitzung am Mittwochvormittag beginnt mit dem Tagesordnungspunkt eins, Fragestunde. Zu Beginn der Nachmittagssitzung am Mittwoch werden der Punkt außerhalb der Tagesordnung, Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes, Drucksache 17/426, danach Tagesordnungspunkt 10, Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht streichen, und der Punkt außerhalb der Tagesordnung, Europäische Dienstleistungsrichtlinie: Einheitliche Ansprechpartner in kommunaler Verantwortung errichten, Drucksache 17/430, aufgerufen.

Die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) am Donnerstagvormittag beginnt mit dem Tagesordnungspunkt „Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand

des Präsidenten des Rechnungshofes der Freien Hansestadt Bremen“; im Anschluss daran wird der Punkt außerhalb der Tagesordnung, Zukunft der Hartz-IV Verwaltungsstruktur: Gestaltungsspielräume und Einflussmöglichkeiten für Bremen und Bremerhaven müssen erhalten bleiben!, Drucksache 17/411, in der Verbindung mit dem Dringlichkeitsantrag Organisation der Arbeitsförderung: Entscheidungen vor Ort statt Bürokratie und Zentralisierung!, Drucksache 17/433, behandelt.

Zu Beginn der Nachmittagssitzung am Donnerstag wird der Tagesordnungspunkt 12, Islamkunde als Ersatzfach im Lande Bremen, behandelt.

Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, den Tagesordnungspunkt 37, Wahl eines Mitglieds der staatlichen Deputation für Umwelt und Energie, für diese Sitzung auszusetzen.

Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Arbeitsfähigkeit der Häfen sichern

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 28. Mai 2008 (Drucksache 17/427)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Nagel.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Günthner.

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der sich mit dem Thema „Arbeitsfähigkeit der Häfen sichern“ befasst, der seinen Anlass darin gefunden hat, dass die USA ab 2012 fordern, dass jeder Container durchleuchtet wird, der in die Vereinigten Staaten geht. Das würde die Arbeitsfähigkeit der Häfen nicht nur in Bremerhaven, sondern insgesamt in Europa massiv beeinträchtigen. Deswegen wollen wir, dass der Senat gemeinsam mit den anderen norddeutschen Küstenländern eine Initiative ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

startet, die darauf zielt, diese Gesetzesregelung nicht in Kraft treten zu lassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will Ihnen an ein paar einzelnen Punkten deutlich machen, warum insbesondere Bremen und Bremerhaven aufgerufen sind, sich dieses Themas intensiv anzunehmen. Wir sind der größte US-Hafen in Europa, das heißt, wir haben mit besonderen Belastungen zu rechnen, wenn sich die US-Regierung bei diesem Thema durchsetzt und jeder Container durchleuchtet werden muss. Wenn Sie sich anschauen, dass es in Southampton einen Testlauf gibt, bei dem jeder Container durchleuchtet wird, und sich die Kosten vor Augen führen, die dort entstehen, nämlich 500 US-Dollar pro Container, dann können Sie sich ungefähr ausrechnen, was auf Bremen und Bremerhaven und auch auf die Hafenbetreiber zukommt.

Wenn Sie sich anschauen – darauf hat ein Vertreter des Zolls vor einigen Wochen im Hafenausschuss hingewiesen –, dass wir zehn neue Anlagen für das Containerscanning bräuchten, und im Bundeshaushalt im nächsten Jahr stehen für die zweite Anlage, die in Bremerhaven gebaut wird, 18 Millionen Euro zur Verfügung, dann können Sie sich ausrechnen, welche Kosten auf uns zukommen würden. Insofern sind die Maßnahmen, die von amerikanischer Seite eingefordert werden, unverhältnismäßig und müssen deutlich zurückgewiesen werden.

Ich will hier aber auch die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, dass das Land Bremen das erste Land war, das nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September auf die Vereinigten Staaten und die Folgen, die sich daraus für den Welthandel ergeben haben, den sogenannten ISPS-Code vollständig umgesetzt hat, dass wir das erste Land waren, das deutlich gemacht hat, dass zu unseren engen wirtschaftlichen, aber auch engen politischen und freundschaftlichen Beziehungen zu den USA eben dazugehört, dass wir als US-Hafen Nummer eins in Europa die entsprechenden Regelungen hier in Gesetze einbeziehen. Ich glaube, dass das aus heutiger Sicht auch richtig war.

Ich glaube aber auch, dass wir mit den Amerikanern darüber sprechen müssen, dass bei allen Notwendigkeiten im Sicherheitsbereich in den Häfen die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden und weiterhin bleiben muss. Diese Verhältnismäßigkeit wäre nicht gewahrt, wenn das Gesetz 2012 so in Kraft treten würde.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nun kann man sagen, Bremen ist das kleinste Land in der Bundesrepublik, winzig im europäischen Maßstab, auf Amerika bezogen natürlich noch viel klei

ner, aber wir haben natürlich lange und gute, enge Beziehungen in den vergangenen Jahren, insbesondere seit dem Krieg, zu den Amerikanern aufgebaut. Insofern steht es, glaube ich, Bremen mit seiner langen Hafentradition, aber auch mit seiner langen Kaufmannstradition sehr gut an, an dieser Stelle den David gegen den Goliath USA zu spielen und darauf zu bauen, dass wir gemeinschaftlich mit den Amerikanern zu einer guten Lösung kommen, die unsere Häfen nicht belastet.

Wir stellen uns das als SPD-Fraktion so vor, dass der Senat, möglichst im sehr engen Schulterschluss mit den übrigen norddeutschen Küstenländern, auf Bundesebene für dieses Thema sensibilisiert. Mein Eindruck ist bisher nämlich, dass sich die Große Koalition auf Bundesebene, die Bundesregierung, sich dieses Themas nicht angenommen hat, dass sie auch bisher auf der europäischen Ebene nichts unternommen hat, um deutlich zu machen, welche Auswirkungen das für die Hafenstandorte in Deutschland, aber auch für die Hafenstandorte in Europa hätte. Insofern erwarten wir, dass der Senat hier aktiv wird, dass der Senat auf Bundesebene über den Bundesrat interveniert, dass das dann am Ende auch auf die europäische Ebene abzielt, denn eines ist klar: Knapp hinter Bremen liegt als Top-Europahafen der USA Antwerpen. Das heißt natürlich, dass auch andere Standorte ähnlich betroffen sind und dass es für andere Standorte ebenso große Auswirkungen haben würde, wie es für Bremen und Bremerhaven der Fall wäre.

Insofern kann und muss es an dieser Stelle eine konzertierte Aktion der Europäer geben, bei allen Konsultationen, die in den kommenden Jahren mit den USA stattfinden, deutlich zu machen, dass dieses Gesetz nicht die Verhältnismäßigkeit wahrt, die notwendig ist, sondern dass dieses Gesetz den Welthandel insgesamt massiv beeinträchtigen würde, dass es unabsehbare Folgen für die Hafenstandorte, für die Hafenbetreiber hätte und die ganzen Abläufe in den Terminals in einem Maße chaotisieren würde. Das deckt sich nicht mit den Zielen, die freier Welthandel hat.

Insofern, auch wenn das Licht jetzt zum dritten Mal am heutigen Morgen ausgeht, hoffe ich natürlich, dass in der Hafenpolitik und bei unseren guten Häfen in Bremerhaven das Licht nicht so schnell ausgeht, und hoffe, dass der Senat sich dieses Themas intensiv annehmen wird, er dieses Thema intensiv auf die Bundesebene tragen wird und wir dann die Bedrohung, die damit auch für die bremischen Häfen verbunden ist, abwenden können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Willmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Anschlägen des 11. September 2001 rückte der internationale Seeverkehr als Ziel möglicher Terrorszenarien in den Blick. Mittlerweile, das wissen wir alle, bewegen Container über 90 Prozent des weltweiten Güterverkehrs. Die US-Zollverwaltung drängte deshalb kurz nach 2001 auf Maßnahmen zur Sicherung des Weltseehandels. In der Vorbereitung habe ich zu Hause irgendwann einen Zettel liegen lassen, darauf stand dann CSI. Mein Sohn bekam große Augen, weil es da wohl eine Fernsehserie gibt, die ihn ganz begeistert, aber CSI ist die Containersicherheitsinitiative der USA, die uns in den Häfen nachhaltig beschäftigt. Die Folge davon war eine selektierte und entsprechend kontrollierte Risikoanalyse von Containern. Seit 2003 ist die Containerröntgenanlage in Bremerhaven installiert und in Betrieb, und sie wird jetzt schon durch fünf USZöllner unterstützt, die dort zusammen mit dem deutschen Zoll rund 170 bis 200 Container am Tag durchleuchten. Das zeigt, wie wichtig der Bremerhavener Hafen hier auch im Blickfeld der Amerikaner als Zulieferungshafen für den amerikanischen Markt ist. Eingang finden jedoch auf der Bahn und der Straße rund 5000 Container am Tag in Bremerhaven ihren Weg. Die jetzt vom Zoll in Bremerhaven angedachte Lösung für rund 500 Container am Tag in der Durchleuchtung zeigt, welche Dimensionen dort auf uns zukommen werden. Die Folgen des US-Safe-Port-Act und der US-House Resolution No. One, nämlich ab 2012 alle die USA erreichenden Container einhundertprozentig nach Waffen, Sprengstoff und sonstigem gefährdenden Material zu durchleuchten, sind kaum absehbar, führen sie doch zu erheblichen Störungen des Containerflusses in den Seehäfen und verursachen ungeahnte Kosten für die Wirtschaft. Bereits im Februar 2008 hat die Bundesregierung ihre Kritik formuliert. Deutschland hat seine Kritik in internationalen und bilateralen Gesprächen immer vertreten. Die Bundesregierung geht auch davon aus, dass der Sicherheitsgewinn in keinem Verhältnis zum wesentlich höheren Aufwand steht. Dies ist nachzulesen in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP vom Februar dieses Jahres. Nach dem Großversuch, den Kollege Günthner schon angesprochen hat, bei dem in Southampton über die letzten sechs Monate 90 000 Container untersucht und rund 5000 Container durchleuchtet wurden, äußerte die EU in ihrer Stellungnahme gegenüber der USA schwerwiegende Bedenken gegen die Gesetzgebung der USA. Nicht allein die schon angesprochenen geschätzten 500 US-Dollar pro Container machen Kopfzerbrechen, sondern vielmehr – und das finde ich ganz wichtig – ein falsches Gefühl von Sicherheit, das hier in den USA und im Welthandel erzeugt werden könnte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dies ist ernster zu nehmen als alle anderen Dinge, die mit Kosten zu tun haben. In einem Schreiben der EU-Kommission an das US-Heimatschutzministerium von 2008 ist dies auch noch einmal sehr deutlich geäußert worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles zusammen rechtfertigt diesen Antrag und auch Ihre Zustimmung. Damit geben wir als zweitgrößter Hafen der Bundesrepublik und als wichtiger US-Hafen der Bundesregierung ein klares Votum, alle Anstrengungen – sowohl national, EU-weit, als auch international – gegen die geplanten Maßnahmen ab 2012 in die Umsetzung zu bringen. Bitte unterstützen Sie unseren Antrag!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ella.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die Einbringung dieses Antrages danken!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Geht doch!)

Wir können hier mit einem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft zwar nicht den Präsidenten der USA umstimmen, es ist aber ein Zeichen gegen den politischen, moralischen und wirtschaftlichen Irrsinn, der dort geplant wird.

(Beifall bei der FDP)

Zum Glück müssen wir aber weder Bundesregierung noch EU-Kommission in dieser Frage auf unsere Seite bringen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist doch nicht mehr lange!)

In einem Schreiben an die US-Behörden hat die EU-Kommission bereits schwerwiegende Bedenken wegen der unilateralen US-Gesetzgebung geäußert. Schon an den technischen Voraussetzungen wird der Plan scheitern, sämtliche Container zu durchleuchten: Die „Deutsche Verkehrszeitung“ hat errechnet, dass bei einem Dreischichtbetrieb rund 30 Durchleuchtungsanlagen nötig sind, um nur den durchschnittlichen Betrieb zu gewährleisten. Nicht berücksichtigt sind dabei Spitzenlasten, eventuelle Probleme im Ablauf und die notwendige Wartung der An

lagen. Eine schnellere Technik, die ein gründlicheres Durchleuchten gewährleistet, ist zurzeit nicht verfügbar.

Dass dabei nach heutigen Schätzungen Kosten von rund 500 Euro pro Container anfallen, könnte unsere Wirtschaft erheblich treffen. Allerdings können wir hier auch noch einen Verbündeten im Widerstand gegen diesen Irrsinn finden: Den amerikanischen Verbraucher werden diese Kosten ebenso empfindlich treffen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der FDP)