Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

setzung um die Bolkestein-Richtlinie, die jetzt scheinbar etwas abgemildert ist, schon herausgestellt. Wenn Bürokratieabbau in diese Richtung gedacht wird – in die Richtung von Senkung von Sozialstandards, in den Abbau von Schutzrechten, in Richtung Lohndumping, in Richtung von Verhinderung von so etwas wie Vergabegesetz, in Richtung Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge –, dann befinden wir uns auf einem Weg, bei dem in dem Fahrwasser diese, ich sage einmal Stammtischparole, wie sie hier teilweise verwendet wird, richtig konkrete Gesellschaftsveränderung betrieben wird. Da sind wir an einem Punkt, gegen den wir, wenn es dann so weit ist, kämpfen werden.

(Zuruf von der FDP)

Ja, ich weiß, dass Sie das Ziel haben! Sie wollen eine Welt, in der Bürgerinnen und Bürger möglichst keine Rechte mehr haben, sondern dass es nur noch Kundinnen und Kunden gibt und die dann nur für ihr Geld ihr Zeug kaufen können.

(Zuruf des Abg. D r. B u h l e r t [FDP])

Sie tauschen sozusagen Bürgerrechte gegen Kundenrechte.

(Beifall bei der Linken)

Wem ist denn wirklich geholfen, wenn der Bürger auf der einen Seite in der Verwaltung möglicherweise mit einer Form von Bürokratie zu tun hat und das ersetzt wird durch die Warteschleifen von privaten Telefonanbietern? Damit ist niemandem geholfen! Da schaffen Sie einen rechtsfreien Raum, in dem Menschen, die eben kein Geld haben, einfach ihr Recht nicht mehr bekommen. Das ist auch eine Form von Bürokratieabbau, und ich glaube, dafür steht die FDP, und deswegen werden wir uns auch in dieser Frage nicht einigen. – Danke!

(Beifall bei der Linken)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Busch, so ziemlich das Einzige, was richtig an Ihrer Rede war, ist, dass die Große Koalition eine Menge auf den Weg gebracht hat,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Und der Rest war falsch?)

Gesetze entrümpelt und befristet hat, die Grundlagen geschaffen hat für den Bürokratieabbau in Bre––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

men und sich damals mit gutem Erfolg in das Thema Modellregion eingeklinkt hat und mit anderen Regionen zusammen federführend gewesen ist.

(Beifall bei der CDU)

Was in Ihrer Rede nicht vorkam und, Herr Dr. Kuhn, in Ihrer Rede auch nicht, ist das Thema Wirtschaft. Nun ist es in der Tat richtig, dass wir auch den Bürgern den Stress mit den Behörden erleichtern müssen, aber es geht hier genauso gut darum, Millionenbelastungen für die Wirtschaft abzubauen, und, lieber Herr Rupp, damit sie hier Arbeitsplätze schaffen können, damit sie hier Freiraum haben, damit sie gute Rahmenbedingungen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für mich ist nun die wichtigste Frage, wie es denn im vergangenen Jahr weitergegangen ist und wie es insgesamt nach Ansicht der Koalition weitergehen soll. Dazu lese ich in der Koalitionsvereinbarung und in der Antwort des Senats, dass die Modellregion ausgebaut werden soll und Bremen in Fragen der Deregulierung eine innovative Rolle übernehmen soll. Ich weiß nicht, ob es an Ihnen vorbeigegangen ist: Offiziell sind wir keine Modellregion mehr, und wie innovativ Ihre Modelle aussehen, dazu möchte ich dann ein bisschen konkreter werden!

Nehmen wir da einmal zum Beispiel die Umweltzone! Was da geplant ist, ist ein Regulierungsmonster. Das ist nicht überprüfbar, das ist nicht durchschaubar, weder für Bürger noch für Touristen, noch von der Wirtschaft, das bringt finanzielle Belastungen mit, und von den Kontrollmöglichkeiten will ich hier gar nicht reden. Das ist also das Gegenteil von Deregulierung und passt nun überhaupt nicht zu einer Modellregion.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Beispiel Schilderwald ist bereits genannt worden. Das Gaststättengesetz, das auch auf Konzessionen für Gastwirte verzichten sollte und wollte, wird seit Monaten nicht vorgelegt. Ob die Mittelstandsprüfklausel im Mittelstandsfördergesetz überhaupt abgearbeitet wird, das entzieht sich unserer Kenntnis, denn in den Vorlagen wird dies nicht vermerkt. Weil es nun nicht vermerkt wird, bin ich da eher zweifelnd und kann an dieser Stelle nur fordern, dass flächendeckend diese gesetzliche Regelung nun endlich umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU)

Beim Bremer Modell, also Kfz-Zulassung online, hatten wir deutschlandweit eine Vorreiterrolle übernommen und wurden dort in Baden-Württemberg und Bayern gelobt. Jetzt aber liegt die Federführung dieses

Projektes seit Herbst 2007 leider bei Hamburg, wir haben es dorthin abgegeben. Die Frage neun zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, gerade auch zum Thema Privatisierung von Kfz-Zulassungen, wurde leider überhaupt nicht beantwortet.

Insgesamt, sehr geehrte Kollegen der Regierung, habe ich mir Bürokratieabbau anders vorgestellt. Bunte Broschüren allein helfen Wirtschaft und Bürgern nicht. Gerade die Wirtschaft braucht weitere Entlastungen, und hierzu hat in der Tat die Handelskammer eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich will sie jetzt hier nicht im Einzelnen diskutieren, sie sind zum Teil hier in den fünf Minuten nicht abhandelbar.

Lassen Sie mich aber wenigstens ein Beispiel nennen, weil Sie immer wieder auf die Modellregion in der Antwort zu sprechen kommen! Natürlich wäre es gut, der Senat würde für eine Testregion kämpfen, eine Testregion zum Beispiel oder gerade auch in Bremerhaven, in der man wirklich auch einmal Neuland beschreiten kann, Gesetze abschaffen und überprüfen kann, ob neue Wege möglich und gangbar sind. Darum wäre es gut, dass man sich um eine solche Möglichkeit in einer strukturschwachen Region kümmern würde.

Wir werden das Thema weiter kritisch begleiten. Es ist richtig, Verwaltungsvorschriften sind nicht überschaubar, und vieles andere mehr wäre hier zu erwähnen, was in den fünf Minuten leider nicht geht, aber wir werden mit der FDP an diesem Thema bleiben. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ella.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Busch, wenn ich die Verwaltung lobe, dann meine ich das erstens ernst, und zweitens meine ich die Verwaltung und sicherlich nicht die Koalition oder die Arbeit der Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen habe ich für die Koalition auch noch einige Anregungen, auch konstruktiver Natur. Ich möchte deshalb zunächst noch einmal auf unsere Frage elf eingehen! Hier freuen wir uns über die detaillierte Auflistung der Kooperationen Bremens mit anderen Bundesländern. Hier gibt es aber noch Potenzial für weitere Zusammenarbeit, gerade auch die Zusammenlegung von Behörden, liebe Kolleginnen und Kollegen, bietet Chancen, Synergieeffekte zu heben. Die Zusammenlegung der statistischen Landesämter Niedersachsens und Bremens ist ja schon öfter diskutiert worden. Wer hier nicht versucht, Sparpotenziale zu heben und die Verwaltungsstrukturen zu

verschlanken, tut dies immer auch ein wenig auf Kosten der Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der FDP)

Aufgaben zu teilen, die nicht originär für einen eigenständigen Staat sind, sichert unsere Zukunft!

(Beifall bei der FDP)

Noch einige Worte zum RAL-Gütezeichen „mittelstandsfreundliche Kommunalverwaltung“! Der Senat sieht aus Spargründen, lobenswert, von der Teilnahme an der Gütegemeinschaft ab. Zu Recht werden die von der Gütegemeinschaft gesetzten Ziele als wertvolle Anregung bezeichnet. Hier wäre es deshalb schon interessant, ob die bremische Verwaltung die Ziele in etwa einhalten könnte. Schaffen wir es wirklich, in 40 Arbeitstagen jeden Baugenehmigungsantrag bescheiden zu lassen? Können wir mit unserem Existenzgründungssystem mit dem Lotsenmodell mithalten? Ist die Wirtschaftsförderung aus einer Hand, die schnelle und qualifizierte Betreuung jeder Anfrage gewährleistet, meine Damen und Herren?

Ostwestfalen-Lippe, neben Bremen eine der Modellregionen Bürokratieabbau, hat schon eine sehr hohe Zufriedenheit der Unternehmen und Menschen vor Ort mit der eigenen Verwaltung erreicht. Daran müssen wir uns messen lassen! Eine effiziente Verwaltung ist maßgeblich für das Gewinnen von Unternehmen, für den Standort, für das Gewinnen von Neubürgerinnen und Neubürgern. Die Verwaltung muss sich gegenüber den Menschen beweisen, im Übrigen muss dies auch die Politik tun.

(Beifall bei der FDP)

Die Politik ist gehalten, schnell und qualitativ hochwertig zu handeln, sonst lesen wir noch öfter, wie im Masterplan Logistik – Sie kennen ihn alle –, dass es in Bremen lange politische Entscheidungswege gibt.

(Beifall bei der FDP)

Nur drei der Beispiele der Region OstwestfalenLippe: Mindener Modell zur Flexibilisierung der Lehrerarbeitszeit, Abschaffung der doppelten Anzeige und Prüfung der Qualifikationsnachweise bei Angehörigen von Heilberufen, Beschleunigung des Verfahrens zur Festsetzung von verkaufsoffenen Sonntagen! Letztgenanntes will der Bürgermeister in unserem Fall allerdings wieder konterkarieren. Egal wie schnell die Verwaltung hier entscheidet, der Bürgermeister hebt es doch wieder auf!

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Schnelligkeit ist nicht das einzige Merkmal!)

Die Antwort des Senats, so ausführlich wie sie war, zeigt auch, dass die Koalition in einem Jahr ihres Bestehens noch nicht allzu viel erreicht hat. Wir werden darauf drängen, dass sich für Bremen und Bremerhaven mehr tut. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Busch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Ella, wenn Sie so über Bürgerfreundlichkeit, Bürokratieabbau reden, dann finde ich, gehört auch Ehrlichkeit dazu. Die hat mir bei Ihnen gefehlt, ebenso wie das Wort konzeptionslos, das Sie sonst immer in Ihren Reden verwenden. Dieses Mal haben Sie es irgendwie vermissen lassen, aber gut.

(Abg. E l l a [FDP]: Ein bisschen müssen wir Ihnen ja auch überlassen!)

Ach so, das sollte ich dann bringen, okay, dann habe ich das erfüllt!

Ich gehe einmal auf den Punkt, den Sie vorhin genannt haben, das Standardkostenmodell, ein! Da gehen Sie ja unlauter mit der Antwort um, die Sie vom Senat bekommen haben. Sie zitieren, was Ihnen passt, und lassen den größten Teil weg. Sie haben hier zitiert, dass Bremen gesagt hat, eine SKM-Messung des Landesrechts ist in Bremen nicht geplant. Alles, was danach kommt und begründet, warum Bremen das so macht, lassen Sie natürlich außer Acht

(Zuruf des Abg. E l l a [FDP])

lassen Sie mich ausreden! –, weil man nämlich in der Tat Aufwand und Ertrag gegenrechnen muss, und dann stellt man fest, dass es sich nicht lohnt.