Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Pädagogen sind davon überzeugt, dass Kinder am besten lernen, wenn unterschiedliche Leistungsniveaus in den Klassen herrschen.

(Beifall bei der SPD)

Das funktioniert laut Aussage der Experten nur, wenn etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler auf Gymnasialniveau sind. In dem vorliegenden Antrag beschreibt die CDU-Fraktion ganz richtig die Probleme, die wir mit den sechsjährigen Grundschulen in Bremen haben. Die Feststellung der Evaluatoren und ein Blick auf die Anwahlzahlen in der fünften Klasse an den sechsjährigen Grundschulen zeigen deutlich das Problem der Entmischung. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler verlassen die sechsjährige Grundschule bereits nach Klasse vier, um zum Beispiel auf das Gymnasium zu wechseln.

Die verbleibenden Klassen für die Jahrgangsstufen fünf und sechs setzen sich dann überwiegend aus den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern zusammen. Eine wünschenswerte Zusammensetzung einer heterogenen Lerngruppe, wie uns auch die Experten im Fachausschuss Schulentwicklung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nahelegen, kommt hier nicht zustande. Im Gegenteil, es entstehen homogene Lerngruppen, leistungsschwache Gruppen, deren Nachteile eben auch nur schwer zu kompensieren sind. Das heißt aber nicht, dass die sechsjährige Grundschule ein falscher Weg ist. Es zeigt uns nur, dass vierjährige und sechsjährige Grundschule parallel nicht funktionieren, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist, mit längerem gemeinsamen Lernen kann der Ausgleich von Bildungsnachteilen geschaffen werden. Dafür kann die sechsjährige Grundschule, Herr Rohmeyer, ein guter Anfang sein, allerdings auch nur, wenn sie flächendeckend existiert.

(Beifall bei der SPD)

In der Stadt Bremen, Sie haben von einigen gesprochen, haben wir nur 5 von insgesamt 74 Grundschulstandorten, die sechsjährig sind.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ja, einige!)

Ja, nur 5 von 74!

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Wir haben es verstanden, Herr Rohmeyer!)

Durch die daraus entstehenden und eben von mir beschriebenen – falls Sie zugehört haben, Herr Rohmeyer – Entmischungseffekte kann das einfach kein Erfolgsmodell werden. Berlin zeigt uns aber – und da würde ich Sie einfach einmal bitten, Herr Rohmeyer, nicht nur einen Artikel zu lesen, sondern vielleicht auch noch einmal andere Artikel von anderen Experten zu der gleichen Studie zu lesen, die sagen nämlich etwas anderes –, dass eben in der sechsjährigen Grundschule die Leistungsunterschiede ausgeglichen werden können.

Nachdem diese umstrittene Elementstudie im Internet stand, haben viele andere Experten festgestellt, sechsjährige Grundschule schadet auch nicht. Es gibt keine signifikanten Leistungsunterschiede, die den Vorsprung der Gymnasiasten kennzeichnen. Der Abstand im Bereich Leseverständnis, nur um ein Beispiel anzuführen, sank von 17 auf 13 Punkte. Diese Studie kann uns hier also nicht als Diskussionsgrundlage dienen. Aus dem Grund haben auch einige Experten über den Forscher Rainer Lehmann gesagt, was der Mann sagt, ist durch das, was er schreibt, gar nicht gedeckt.

Wir haben hier gemeinsam, heute wurde auch schon mehrfach darauf hingewiesen, mit vier Fraktionen – schade, dass die CDU nicht dabei war –, einen Fachausschuss zur Schulentwicklung eingerichtet. Zu dessen Aufgaben gehört eben auch das Ermöglichen

eines längeren gemeinsamen Lernens. Auch wenn Sie dieses Thema heute nicht auf die Tagesordnung gebracht hätten, die Zukunft der sechsjährigen Grundschule im Land Bremen wäre im Rahmen des Schulentwicklungsplans ohnehin zu diskutieren gewesen.

Wir werden aber hier vorab keine Entscheidung beschließen, sondern schlagen heute natürlich vor, das in den zuständigen Fachausschuss Schulentwicklung zu überweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU legt hier einen Antrag vor und weiß ganz genau, dass dieses Thema in einen großen Gesamtkontext gehört, nämlich in die Diskussion, wie es weitergeht mit dem bremischen Schulsystem. Diesen Auftrag hat der Fachausschuss für Schulentwicklung aus diesem Haus bekommen, und deswegen ist und bleibt das hier ein durchsichtiges Manöver der CDU.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die CDU will die SPD alt aussehen lassen mit dem, was man damals bei der alten Schulgesetznovelle verhandelt hat. Die SPD, die damals die flächendeckende Einführung der sechsjährigen Grundschule durchsetzen wollte, hat es nicht geschafft, die CDU hatte sich damals weitgehend durchgesetzt. Darüber haben wir an dieser Stelle hier im Haus oder im Rathaus, da waren wir kurze Zeit zu Gast, während der Zeit dort auch häufig diskutiert.

Man kann bei der sechsjährigen Grundschule deutlich sehen, ich habe damals gesagt, es ist eine Insellösung, die Übergänge stimmen nicht. Die Übergänge wurden damals auch nicht geklärt, es wurde auch anderes versprochen. Es wurde gesagt, ganze Klassen können von der sechsjährigen Grundschule in integrierte Systeme übergehen. Darum wurde sich damals aber auch nicht weiter gekümmert. Das würde ich auch heute immer noch an dieser Stelle kritisieren, dass man eine Schulform beibehalten hat, ohne dass sich die Bildungsbehörde darum gekümmert hat, dass die Übergänge für die Kinder stimmen. Die Eltern wurden damit alleingelassen und die Schulen auch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Wir haben damals die SPD immer unterstützt und haben auch gesagt, wenn wir uns mit den erfolgreichen Ländern vergleichen, die bei Bildungsstudien gut abschneiden, dann ist auffällig, dass die Länder gut abschneiden, Herr Rohmeyer, die die Kinder nicht so früh auf verschiedene Bildungswege aufteilen. Ich sage es auch noch einmal deutlich, frühe Selektion schadet den Kindern und verhindert höherwertige Bildungsabschlüsse. Das muss die CDU zur Kenntnis nehmen, und das ist auch eine Aussage aus der Berliner Elementstudie, die sagt, wie Herr Güngör es eben auch ausgeführt hat, längeres gemeinsames Lernen ist für alle Kinder gut und schadet auch nicht den besonders Begabten, sondern sie lernen genauso gut wie in ihrem getrennten Gymnasium. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen werden wir das Thema längeres gemeinsames Lernen auch weiter diskutieren, und wir werden auch nicht haltmachen und sagen, wir diskutieren nur sechsjährige Grundschulen. Die Koalition wird auch weiter über längeres gemeinsames Lernen in zehnjährigen Schulen diskutieren oder, wie die skandinavischen Länder es vormachen, neunjährige Schulen und dann erst die Spezialisierung der Schülerinnen und Schüler, das sind die Erfolgsmodelle.

Damit will sich die CDU nicht auseinandersetzen. Sie wollen hier in einem durchsichtigen Manöver wieder Ihre Ideologie unter die Leute bringen. Das klappt an dieser Stelle aber einfach nicht, Herr Rohmeyer! Sie haben damals auch Verantwortung für die Gründung der sechsjährigen Grundschulen getragen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Was habe ich eben gesagt? Haben Sie zugehört?)

Ich habe Ihnen eben zugehört, aber ich verstehe nicht so richtig, warum Sie sich nie im Fachausschuss bei Anhörungen zu Wort melden. Wir hatten Experten da, Herrn Preuss-Lausitz, Frau Prengel. Sie sagen, das ist nur zum Anhören. Die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen stellen aber auch Fragen. Dort hätten Sie die Fragen, die Sie heute hier formuliert haben, auch einmal stellen können: Wie sind die Erfahrungen in Berlin?

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das sind An- hörungen!)

Sie haben Angst vor den positiven Antworten, die Ihnen womöglich gegeben worden wären!

Die Koalition wird über die Zukunft der sechsjährigen Grundschulen diskutieren. Das werden wir sorgfältig machen. Wir werden aber hier jetzt auch nicht leichtfertig Sachen zerschlagen, sondern man muss mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, den Schulleitungen und den Eltern diskutieren, wie es dort

weitergehen soll. Die Grünen können sich auch vorstellen, dass man diese Standorte weiterentwickelt zu weitaus längerem gemeinsamen Lernen, aber das werden wir mit Ihnen auch noch einmal im Schulausschuss diskutieren.

Diesen Antrag werden wir überweisen. Wir hätten ihn heute auch ablehnen können, aber ich denke, wir sollten uns im Fachausschuss darüber noch einmal austauschen, wie die Schulentwicklung an dieser Stelle weitergeht. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sechsjährige Grundschule ist im Versuch gescheitert, weil es nicht geht – darauf ist hingewiesen worden –, zwei parallele Systeme miteinander konkurrieren zu lassen. Eine sechsjährige Grundschule und eine vierjährige Grundschule, wo einige Schülerinnen und Schüler sich auch noch entscheiden, vorher an andere Schulen zu gehen und dann weg sind, und es dann zu einer anderen Zusammensetzung kommt, das geht nicht. Wir haben die Schulanwahlzahlen gesehen, die Hälfte der Schülerinnen und Schüler hat die Schule verlassen. So ist das nicht zu machen!

Deswegen muss die Diskussion in der Tat geführt werden, wie lang die Grundschule sein soll, welche Art von Grundschule besser ist. Diese Diskussion haben wir im Fachausschuss ansatzweise geführt und müssen sie weiter führen. Gleichzeitig müssen wir dabei auch eines beachten, und ich glaube, das setzt dann dem Wunschdenken in Bremen an der einen oder anderen Stelle Grenzen: Welche Ressourcen haben wir in den Grundschulen, wie groß sind unsere Grundschulen? Können sie überhaupt so viel länger unterrichten, dass wir sechsjährige Grundschulen machen können, oder geht es nur, dass wir vierjährige Grundschulen einrichten? Das heißt, wir müssen dort neben der pädagogischen Frage auch die Ressourcenfrage beachten und auch sorgfältig diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Aber eines ist klar: Das Nebeneinander eines Versuchs sechsjährige Grundschule neben einer vierjährigen Grundschule geht nicht und ist zu beenden! Deswegen hätten wir auch kein Problem, heute dem Antrag der CDU zuzustimmen, werden aber, wenn gewünscht, sehr intensiv weiter an der Debatte teilnehmen, wie wir die Grundschule gut aufstellen, und auch weiter diskutieren, wie wir es schaffen, durchgängige Systeme an der einen oder anderen Stelle zu schaffen, ob es Schulversuche gibt, die Schulen

weiter zu verbinden über das sechste Schuljahr hinaus. Auch demgegenüber sind wir aufgeschlossen, auch das sind wir gern bereit mitzudiskutieren, denn es geht darum zu schauen, ob diese Schulformen als Schulformen besser geeignet sind, um das Ganze voranzubringen, nämlich die Qualität des Unterrichtens und der Bildung unserer Kinder zu verbessern, und wie motiviert Lehrerinnen und Lehrer in diesen Schulen unterrichten und wie dort die Motivation zu steigern ist. Es wird immer auf die skandinavischen Länder hingewiesen. Dort schneidet nicht jedes skandinavische Land so gut ab, das integrativ unterrichtet. Das möchte ich auch einmal in Erinnerung rufen. Es gibt Länder, die nicht integrativ unterrichten, die auch gut abschneiden, so ganz eindeutig sind die Aussagen in dieser Frage also nicht. Wenn wir aber hier schon einiges andeuten von der Frage, wie die Schulentwicklung aussehen wird, so möchte ich sagen: Wir werden, glaube ich, zu mehr durchgängigen Systemen kommen müssen. Das ist ein guter Weg, diesen Weg wollen wir beschreiten, und dann werden wir auch diese Frage lösen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Der Kollege Herr Rohmeyer hat hier wieder einmal etwas gefunden, und er sagt, das sei ein Problem des doppelten Screenings, und er hat auch gesagt, was er damit meint.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Creaming!)

Ja, ja! Ich übersetze das einmal: Das Problem ist das Gymnasium ab Klasse fünf, denn das macht das Problem für diese sechsjährige Grundschule, diese Konkurrenz, die Sie ganz gern noch ein bisschen verschärfen wollen, sie reißt die Kinder auseinander. Trennung ab Klasse fünf stört, und das merkt man auch hier. Die Schulen machen dann trotzdem eine hervorragende Arbeit mit guten Ergebnissen. Es ist eigentlich naheliegend, diese Schulen zu fördern und auch gymnasiale Qualität und auch eine Aufbaumöglichkeit zu verschaffen. Sinngemäß habe ich das auch schon bei den Vorrednerinnen herausgehört, dass wir das in einem Gesamtkonzept besprechen müssen. Das ist eigentlich ziemlich einfach und naheliegend. Man könnte jetzt hier schon sagen: „Schwamm darüber“, wir überweisen es, das ist auch schon ein Angebot zur Güte! Lassen Sie mich aber noch sagen, dass immerhin die CDU in Hamburg, das geht jetzt eigentlich an den ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Kollegen Herrn Rohmeyer, der wird gerade abgelenkt, sage ich jetzt einmal so im Spaß – –.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Wir reden über Hamburg!)

Ja, das passt ja gerade! Es ist schön, dass wir gemeinsam, unabhängig voneinander, gleichzeitig über dasselbe reden.

(Beifall bei der Linken)