Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

rungsrate bereits das fünfte Jahr in Folge eine Null vor dem Komma. Dagegen hatten die gesetzlichen Krankenkassen, die diese Betriebskosten zahlen, zum vierten Mal hintereinander ein positives Jahresergebnis und steuern auf eine vollständige Entschuldung zu. Das ändert auch nichts daran, dass sie in diesem Jahr vielleicht ein kleines Minus haben. Wir sagen, im Moment wiegt die Problematik bei den Krankenhäusern höher als bei den Kassen, und deshalb müssen wir von uns aus aktiv werden.

Was ist zu tun? Aus Sicht der Koalition in Bremen wollen wir, dass der Sanierungsbeitrag im Gegensatz zu Ihrem Antrag sofort entfällt und die neuerliche Tarifsteigerung zumindest teilweise erstattet und der Pflegebereich gestärkt wird, denn eine gute Pflege unterstützt den Heilungsprozess, und es ist ein entscheidender Faktor im Qualitätswettbewerb.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Inzwischen ist durch ein gemeinsames Vorgehen der Ländervertreter, auch der Senat war bereits aktiv, Bewegung in die Problematik der Deckung des Krankenhausbudgets gekommen. Das Bundesgesundheitsministerium will die aktuellen Finanzprobleme der Krankenhäuser lindern. Bundesgesundheitsministerin Schmidt will den Sanierungsbeitrag und die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung streichen. Für sie gibt es ebenfalls Anzeichen, dass die Einnahmen der Kassen sich deutlich verbessert haben, und sie will in Zukunft, dass vertragliche Lösungen die heutige strikte Grundlohnbindung ablösen. Das hat sie auf dem Ärztetag mitgeteilt. Sie will dem Koalitionspartner und dem Bundestag vorschlagen, dass bis zu einer vertraglichen Lösung ein Teil der Tariferhöhung durch die Kassen finanziert wird. Auch will sie ein Einstellungsprogramm für Pflegekräfte in den nächsten drei Jahren auf den Weg bringen.

Meine Damen und Herren, das sind kurzfristige Vorschläge, die wir natürlich von hier aus unterstützen sollten,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

denn Sie helfen unseren Krankenhäusern unmittelbar vor Ort.

Meine Damen und Herren, wir wollen im Gegensatz zur FDP bereits in diesem Jahr, wie gesagt, den Sanierungsbetrag rückgängig machen. Machen wir endlich ernst, dass auch die Krankenpflegerinnen und -pfleger ihren entsprechenden Anteil am volkswirtschaftlichen Wachstum erhalten, denn sie haben einen der härtesten Jobs in unserer Gesell

schaft! Wertschätzung allein kann es nicht durch warme Worte geben, sondern muss auch finanziell ordentlich unterfüttert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deshalb sagen wir: Der Deckel muss geöffnet werden. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser aussieht, darüber haben wir hier im Haus sehr oft gesprochen, zuletzt erst gestern. Hier ging es meist um die vier kommunalen Krankenhäuser, aber nicht nur bei den kommunalen Krankenhäusern, sondern bei allen Krankenhäusern hat der Sanierungsbeitrag zu der wirtschaftlich schlechten Situation geführt, das hat sich noch erheblich verschärft.

0,5 Prozent der Erlöse, die die Krankenhäuser zur finanziellen Sanierung an die gesetzliche Krankenkasse zahlen müssen, das hört sich erst einmal gar nicht so dramatisch an. Wenn wir das in Zahlen sehen, dann sind das 20 Millionen Euro pro Monat. Insgesamt sind es 350 Millionen Euro, die den Krankenhäusern darüber bis jetzt entzogen worden sind. Ich denke, das ist eine gewaltige Summe, die den Häusern fehlt, gerade in einer Zeit der Umstrukturierung auf die sogenannten Fallpauschalen, und sie mussten sich wirtschaftlich neu aufstellen. Ich denke, das war ein sehr schlechter Zeitraum, das überhaupt zu erheben. Ich mache auch keinen Hehl daraus, das habe ich hier damals auch gesagt, als dieses Gesundheitsmodernisierungsgesetz in Kraft getreten ist, dass ich das als Grüne oder wir Grüne das für falsch halten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine Expertise des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung in Essen vom Februar 2008 prognostiziert für 2008 ein MilliardenEuro-Loch bei den Krankenhäusern. Krankenhäuser werden vom Markt gehen. Das ist nicht unbedingt schlecht, ich denke, wir haben immer noch zu viele Krankenhausbetten, bloß interessant finde ich es, dass dort auch zu lesen ist, dass Wirtschaftlichkeit nicht unbedingt auf Kosten der Qualität geht und dass es eine Verbindung zu geben scheint zwischen Unwirtschaftlichkeit und Qualität. Das finde ich sehr interessant. Aber ich denke, das muss man doch einmal neu bewerten.

Wir wissen aber, dass viele Krankenhäuser sich schon auf einen guten Weg gemacht haben, um wirtschaftlich gut dazustehen, andere weniger. Deshalb denke ich, die Krankenhäuser, die sich schon auf den Weg gemacht haben, dürfen durch diesen Sanierungsbeitrag nicht noch mehr bestraft werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb ist es auch richtig, den jetzt zu streichen.

Steigende Energiekosten, Mehrwertsteuer und Tarifsteigerungen, darauf wurde überall schon hingewiesen, dass das die Folgen sind, weshalb die Krankenhäuser jetzt in dieser Situation sind. Natürlich hat das Pflegepersonal – und besonders das! – diese Tarifsteigerung verdient. Wir wissen alle, dass besonders das Pflegepersonal in den Krankenhäusern nicht gerade zur Vermögensberatung geht. Jedenfalls sind die Krankenhäuser deshalb nicht in der Lage, diesen Effekten gegensteuern zu können, sondern es tritt ein gegenteiliger Effekt ein. Je mehr sie unter Druck geraten, desto mehr müssen sie am Personal sparen, das erleben wir ja auch hier, weil 70 Prozent der Kosten Personalkosten sind. Deshalb ist es richtig, den Sanierungsbeitrag zu streichen und die Tarifsteigerungen angemessen von den Krankenkassen finanzieren zu lassen.

Dies verschafft den Häusern aber nur kurzfristig Luft und wendet, ich sage das jetzt nur einmal so, nur eine besondere Härte ab in der momentanen Situation. Ich denke, es ist richtig, dass es langfristige Lösungen geben muss, wie die Krankenhäuser auch in Zukunft langfristig finanziert werden können. Wir dürfen nicht immer Feuerwehreinsätze in dem Bereich fahren. Da muss der ordnungspolitische Rahmen geändert werden, das findet jetzt auch auf Bundesebene statt. Es sind Eckpunkte vorgelegt worden, die müssen wir bewerten, um, wie gesagt, die nächsten Notoperationen uns ersparen zu können. Wir haben in der letzten Woche auch über monistische Finanzierung oder landesweite Baupauschalen im Krankenhausausschuss debattiert. Ich denke, hier müssen wir einen Weg finden, denn diese Bezugsgröße auf die Grundlohnsumme ist falsch.

Wir Grünen haben schon immer gesagt, der Weg der Bürgerversicherung wäre hier der Richtige, um eine langfristige bessere Finanzierung der Krankenversicherung sicherzustellen. Daran sollten wir auch weiterhin festhalten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben es gerade gehört, es findet die Gesundheitsministerkonferenz statt, drei Milliarden Euro sollen nächstes Jahr für Tarifsteigerungen ausgegeben werden, der Sanierungsbeitrag soll nächstes Jahr gestrichen werden. Wir bleiben dabei, der

Beitrag soll jetzt gestrichen werden! Das Programm für Pflege halte ich persönlich für nicht so richtig. Ich denke, man sollte den Häusern mehr Eigenständigkeit geben.

Noch zum Schluss ein paar Sätze! Herr Dr. Möllenstädt, Sie haben gesagt, wir haben den Antrag hastig nachgereicht, er wäre unglaubwürdig und: Was hat der Senat unternommen? Sie tun so, als hätten Sie uns bei dem Thema erst einmal den Wecker gestellt. Ich sage Ihnen, wir waren schon unterwegs gewesen, um dieses Thema zu bewegen. In anderen Landtagen haben unsere Kollegen auch diese Anträge gestellt. Von daher, denke ich, ist das eine Illusion von Ihnen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Erlanson.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Und jetzt das Original!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Anfang sagen, das ist wirklich schwer!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Schöne Grüße von Herrn Erlanson!)

Nein, einmal ganz im Ernst! Ich glaube, dass viele Krankenhäuser in dieser Republik privatisiert worden sind, weil Krankenhausfinanzierung so ein schweres Thema ist und viele Verwaltungen und Parlamente sehr froh waren, als sie das losgeworden sind und sich nicht mehr damit beschäftigen mussten. Das ist nämlich ein Teil der Schwierigkeit.

Lassen Sie mich zunächst sagen: Was bisher – und das muss man einfach an so einem Punkt, wenn man die drei Anträge anschaut, konstatieren – an Gesundheitspolitik in Berlin von Rot-Grün und jetzt Rot-Schwarz gemacht wurde, ist eine einzige Krankheit! Die Krankheit besteht in vielen Punkten einfach darin, dass es eine ungeheure Lobbyistenveranstaltung ist, die sich da um einen großen Kuchen balgt. Einmal gewinnt die eine Fraktion und einmal die andere. Das findet dann hin und wieder in der Rechtsverordnung oder auch einmal in der Änderung des Gesetzes statt.

Die richtig geforderte Abschaffung des Sanierungsbeitrags ist eigentlich nur so entstanden, wenn man sich das anschaut, weil Ulla Schmidt von den Lobbyisten gejagt wurde, und diese 0,5 Prozent, die dann an die Krankenkassen abgeführt worden sind, wurden im Gegenzug wiederum an die niederge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lassenen Ärzte weitergeleitet, weil deren Lobbyisten stärker waren. Das war die Situation damals gewesen. Da sieht man schon, da wird es richtig schwierig.

Ich meine, natürlich auch die Forderung nach der Bezahlung nach Tarif ist ja normalerweise selbstverständlich. Das sind private Betriebe, öffentliche Betriebe, die führen Tarifverhandlungen, und dann kommt ein Ergebnis dabei heraus, und natürlich muss das irgendwie gezahlt werden.

Natürlich ist es aber wiederum so, dass es auf der einen Seite alle möglichen Tricks gibt und sich die verschiedenen Krankenhausträger, von den kommunalen bis zu den anderen, irgendwelche Tricks einfallen lassen, dass sie kurzzeitig erst einmal nicht zahlen oder ein paar Monate später oder wie auch immer. Das Problem ist dabei, wie auch bei der Krankenhausfinanzierung selbst, dass es leider in Deutschland nicht so etwas wie eine Verbandsklage gibt.

Bei den Tarifen würde das zum Beispiel einfach bedeuten, dass ein Verband wie die Gewerkschaft gegen Nichteinhaltung von Tarifverträgen klagen könnte. Das würde relativ schnell und einfach gehen. Momentan sieht es so aus: Man muss Gewerkschaftsmitglieder mobilisieren, die müssen erst einmal Widerspruch einlegen, dann fangen sie an zu klagen, dann gibt es die erste Instanz, dann gehen die Arbeitgeber in die zweite Instanz. So wird das dann im Einzelfall geregelt, bis hin zu solchen Zuständen, dass dann nur diejenigen, die geklagt haben, auch bestimmte Zuschläge bekommen. Das haben wir alles schon erlebt, das ist gelebte Praxis.

Das Erschreckende ist, um es auch noch einmal zu sagen, die beiden Systeme ähneln sich ein bisschen. Im Grunde genommen ist relativ klar, dass die Tarifsteigerungen von den Krankenkassen zu zahlen sind, weil wir ein duales Finanzierungssystem in Deutschland haben. Es gibt ein Krankenhausfinanzierungsgesetz, das in jedem Land diese duale Finanzierung vorschreibt, und da ist eigentlich ganz klar: Für das operative Geschäft und für Tarifsteigerungen sind die Krankenkassen zuständig. Man sieht, sie versuchen sich natürlich herauszumogeln und tun das nicht oder sagen dann einfach, das müsst ihr eben aus dem laufenden Betrieb erwirtschaften. Dieses Erwirtschaften führt dann natürlich dazu: Wenn man ein Dienstleistungsunternehmen hat, in dem man 70 Prozent Personalkosten hat, wenn man etwas selbst erwirtschaften kann, macht man das am ehesten, indem man Tarife absenkt oder Personal reduziert und so weiter.

Die andere Seite der Medaille dieser dualen Finanzierung ist, dass wir eigentlich nach wie vor auch die klare Regel haben, dass die Kommunen und das Land die Investitionen in den Krankenhäusern

bezahlen. Das kennen wir auch, das war gestern und auch sonst schon öfter Gegenstand der Diskussion. Das wird von den Kommunen nicht bezahlt, und dann bedeutet es wieder das Gleiche: Es wird nämlich wieder nachgeschoben. Alle sagen: Wir haben kein Geld, das müsst ihr selbst erwirtschaften! In einem Dienstleistungsbetrieb mit 70 Prozent Personalkosten bedeutet das letztendlich Personalabbau, und so fressen sich stückweise die Krankenhäuser langsam selbst von innen auf.

Lassen Sie mich noch ein Letztes zu diesem berühmten Deckel sagen, der jetzt auch von Herrn Brumma und anderen Vorrednern erlebt wurde. Es ist nicht falsch, dass der Deckel weg ist, weil der Deckel zurzeit bedeutet, dass Krankenhäuser – welche auch immer, ob es nun private oder kommunale sind – mit den Krankenkassen eine bestimmte Anzahl von Fällen vereinbaren. Wenn sie mehr behandeln, weil offensichtlich ein Mehrbedarf da ist oder weil sie so eine gute Qualität bieten, dass mehr Leute zu ihnen kommen, werden ihnen aber die Fälle, die sie mehr behandelt haben, nicht bezahlt. Wenn sie sie nicht bezahlt bekommen, woher bekommt man es dann? Als Dienstleister mit 70 Prozent Personalkosten muss man Personal einsparen, das ist die Konsequenz daraus. Von daher ist es natürlich richtig: Der Deckel muss weg, denn wenn er weg ist, werden Krankenhäuser wenigstens annähernd nach ihren Leistungen und ihren Fällen, die sie tatsächlich behandelt haben, bezahlt. Das ist eine gute Forderung.

Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, wenn der Deckel wegkommt, bedeutet das natürlich, dass das überhaupt erst der Startschuss für die mörderische Konkurrenz unter den Krankenhäusern ist, weil dann natürlich das Hauen und Stechen beginnt: Jedes Krankenhaus, freigemeinnützig gegen kommunal und umgekehrt, wird dann anfangen, für sich die Patientenströme zu gewinnen, um Mehrleistungen fahren zu können. Über die Mehrleistungen können sie sich weiter finanzieren und den Finanzierungsdruck überhaupt aushalten.

Das Stichwort Monistik ist hier auch gefallen. Es ist ja ganz schön, es wird seit Jahren in der Krankenhausdiskussion debattiert, ob man Monistik haben will oder duale Finanzierung. Bei der Monistik wird man aber leider feststellen: Das bedeutet ja, dass die Krankenkassen bei ihren Erlösen, also ihren Preisen, die sie für die behandelten Fälle bezahlen, in diesem Fall die Investitionskosten in jeden Fall mit einrechnen. Da ist aber das Problem, dass es durchaus auch eine gute Idee zu sein scheint, nur alle würden in dem Moment sagen: Das würde ja bedeuten, dass die Lohnnebenkosten steigen würden, weil die Krankenkassen mehr Geld in die Hand nehmen müssten. Das wiederum würde zur Steigerung der Lohnnebenkosten führen und das wiederum die Profite der Unternehmen

lindern oder abmindern, und das will außer der LINKEN niemand.

Ich komme zum Schluss, letzter Satz! Wir werden auf jeden Fall dem SPD-Antrag zustimmen, weil er einfach am weitesten geht bei der Streichung des Sanierungsbeitrags, weil das sicherlich eine gute Sache ist. Wir werden auch dem zweiten SPDAntrag bei den Tarifsteigerungen zustimmen, weil es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist ein Koalitionsantrag!)

Entschuldigung, der Koalition! Beiden werden wir zustimmen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)