Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

Ich denke, der Bürgermeister ist gefordert, hier deutlich Position zu beziehen, denn sonst müssten wir uns an einen bekannten Fernsehkommentar erinnern, der hieß etwas anders, ich wandele ihn ab: Wo ist Böhrnsen? Hier muss der Kapitän auf die Brücke, da kann er sich bei stürmischer See nicht

in die Kajüte zurückziehen, und deshalb erwarte ich heute auch deutliche Aussagen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu einigen Äußerungen noch einmal kurz Stellung nehmen! Ich habe gemerkt, dass Nebelkerzen zu werfen die einzige Antwort ist, die jetzt vonseiten der Grünen und auch vonseiten der SPD kam. Es wird versucht, auf andere Bundesländer zu verweisen oder ähnliche Sachen zu machen. DIE LINKE regiert mit der SPD in Berlin, und im Gegensatz zu der Tatsache, dass dort möglicherweise an der einen oder anderen Stelle auch Kürzungen notwendig sind, würde ich mir wünschen, dass wir zumindest das Sozialticket hier in Bremen hätten, das gibt es in Berlin.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht kann man auch einmal mit einem Beispiel vorangehen!

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen: Das wollen wir nicht!)

Ihr wollt es nicht?

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen: Wie viel kostet das denn?)

Berlin ist ein kleines bisschen größer als Bremen, und das normale Ticket ist deutlich teurer als diese 35 Euro. Dann, schlage ich vor, unterhalten wir uns einmal über eine Bundesratsinitiative zur deutlichen Anhebung des Regelsatzes! Sie werden in uns keine Gegnerinnen und Gegner finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wurde gesagt, wir machen Maximalforderungen. Diese Formen von Maximalforderungen ergeben sich aus der Zwangsläufigkeit der Rechnungen, das hat der Kollege Röwekamp auch gesagt. Jeder, der behauptet, es gäbe irgendeine Form von Lösung für den Haushalt Bremens außerhalb von Altschuldenregelung, außerhalb von Einnahmeverbesserung nur durch Zinsbeihilfen, macht sich etwas vor. Das kann man nicht rechnen! Das ist so ein Vorwurf, ich hätte jetzt wie eine junge Frau gerechnet, die für das Milchholen zuständig ist; ich fin––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

de, das ist eine förmliche Diskreditierung von weiblichen Landwirten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist jedoch an keiner Stelle nachgewiesen worden, dass das, was wir hier gerechnet haben, falsch ist. Es gibt sozusagen noch nicht einmal an dieser Stelle, an der es eine Debatte gibt, vonseiten derjenigen, die diese Föderalismusreformkommission schönreden, irgendeine Form von Beispielrechnung, wie das Szenario dann ausgeht. Das hätte ich wenigstens erwartet.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn denn unsere Rechnungen falsch sind, wo sind dann die richtigen Rechnungen? Wo sind dann die Rechnungen, die tatsächlich aus dieser Krise herausführen? Ich sage Ihnen, es gibt sie nicht! Das, was wir machen, ist ein Szenario, und es ist kein Szenario, das unrealistisch ist. Möglicherweise stimmt es nicht auf den Euro genau, aber es ist realistisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird hier so getan, als hätten wir schon Eigenleistungen erbracht, und die würden ausreichen. Dann muss man mir das einmal vorrechnen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Was folgt daraus?)

In der Perspektive haben wir Eigenleistungen in den mittelfristigen Finanzplan hereingeschrieben. Ja! Nach wie vor haben wir aber diese 650, 700 oder 800 Millionen Euro, und wie wollen wir denn ohne Zinshilfen und ohne entsprechende Eigenleistungen auf diese 100 bis 130 Millionen Euro kommen in der Perspektive? Rechnen Sie das doch einmal vor, Herr Kollege Sieling! Entwickeln Sie doch einmal ein Szenario, wie wir dahin kommen ohne weitere Eigenleistungen und ohne die jetzt schon eingestellten Eigenleistungen noch weiter zu erhöhen! Ich wäre froh, wenn es ginge. Ich bin nicht dafür, dass es so ist, sondern ich wäre froh, es ginge. Diese Formen von Rechnungen sind meines Erachtens alles andere als falsch, sondern sie sind durchaus realistische Szenarien, und die Folgen sind uns allen klar.

Eine Randbemerkung, die ich mir nicht verkneifen kann, Herr Kollege Güldner: Sie und Ihre Partei, zusammen mit der SPD, sind verantwortlich für einen der größten Umverteilungsprozesse, die dieses Land je erlebt hat. Sie sind es, die Steuern mit beschlossen haben, zweistellige Milliardenbeträge für Private, für Firmen und Unternehmen und große Vermögen. Sie haben die Agenda 2010 beschlossen, Sie haben die Mehrwertsteuererhöhung mit

beschlossen, die SPD. Sie haben ein gigantisches Armutserzeugungsprogramm aufgelegt.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil es vorher keine Armut gab in Deutschland?)

Jetzt gerade zynisch zu sagen, wir müssen jetzt aus Verantwortung für Generationen weiter kürzen und den Armen noch mehr Geld wegnehmen, und uns sozusagen vorzuwerfen, wir wären unrealistisch, das ist eine so hochgradig zynische Politik, wo ich mir richtig wünsche, dass das hier in diesem Haus so nicht stattfindet!

(Glocke)

Herr Abgeordneter Rupp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Sieling?

Bitte, Herr Kollege!

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss sind? Gehe ich dann auch recht in der Annahme, dass Sie die mittelfristige Finanzplanung mit beschlossen oder mit beraten haben?

(Abg. R u p p [DIE LINKE.]: Ich habe sie mit beraten!)

Dann müssten Sie aber wissen, wenn Sie uns hier erzählen, dass wir ein Finanzierungsdefizit von 700 Millionen Euro haben – das ist in der Tat so! –, dass aber schon für das Jahr 2011 ein Finanzierungsdefizit von 465 Millionen Euro in der mittelfristigen Finanzplanung steht und dass das die Eigenleistung ist, von der ich sprach, die wir als rot-grüne Regierung und als rot-grüne Koalition vorsehen, angehen und auch realisieren werden. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen!

Das nehme ich gern zur Kenntnis! Spielen wir das Spiel andersherum: Dann sind es noch 465 Millionen Euro. Das Bruttosozialprodukt wird sich möglicherweise ein bisschen erhöhen. Dann bekommen wir 150 Millionen Euro Neuverschuldung. Dann dürfen wir von den 465 oder sagen wir ruhig 450 Millionen Euro 150 Millionen Euro nehmen. Was machen wir mit den restlichen 300 Millionen Euro? Bekommen wir dann noch einmal 150 Millionen Euro Zinsbeihilfe und müssen wir noch weitere 150 Millionen Euro Eigenleistung bringen? Nein, Herr Sieling, so funktioniert es nicht! Lassen Sie uns uns einmal zusam

men hinsetzen, dann rechnen wir das einmal gemeinsam durch!

Auch bei 450 Millionen Euro Defizit reichen die bis dahin gemachten Eigenleistungen nicht aus. Wir werden dann nicht 300 Millionen Euro Zinsbeihilfe bekommen nach der Logik dieses komischen Oettinger-Papiers.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Sortieren Sie Ihre Zahlen, und dann denken Sie noch einmal über das Oettinger-Papier nach! – Glocke)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen!

Dann bedanke ich mich freundlich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, ich bin etwas überrascht! Wir reden hier heute in der Aktuellen Stunde über nicht weniger – jetzt von der nationalen Bedeutung her – als über die finanzielle Grundlage für die Selbstständigkeit unseres Bundeslandes, und ein Teil dieses Hauses streitet sich darüber, wie hoch die Hartz-IV-Regelsätze in Berlin sind. Meine Damen und Herren, diese Debatte wird dem Thema nicht gerecht, das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen!

(Beifall bei der CDU)

Ich war auch ein bisschen überrascht von Ihren Angriffen, Herr Dr. Güldner, und Ihren parteipolitischen Sortierungen, wer nun zum Gelingen und zum Erfolg beigetragen und wer welche Tagesordnung aufgestellt hat. Ich sage Ihnen ganz offen, die Arbeit in der Föderalismusreformkommission II ist so auf Überparteilichkeit und so auf wechselseitige Abhängigkeit ausgerichtet, dass nicht am Ende eine CDU-Mehrheit in der Kommission oder eine Große Koalition oder eine FDP oder die Grünen darüber entscheiden, welchen gemeinsamen Weg wir in Deutschland bei den staatlichen Finanzen nehmen werden, sondern sie ist auf Konsensualität angelegt. Deswegen wehre ich mich dagegen, dass Sie die Verantwortung für die Ergebnisse irgendwelcher Papiere jetzt einer Partei zuführen wollen oder auch nicht.

Ich sage für die CDU-Bürgerschaftsfraktion hier ganz deutlich, entweder gelingt es uns allen gemeinsam, in dieser Kommission zu einer Begren

zung staatlicher Verschuldung, zu einem Frühwarnsystem und zu solidarischer Hilfe zu kommen, oder es gelingt uns nicht. Wir brauchen diese Gemeinsamkeit und nicht die parteipolitische Ausdifferenzierung, die Sie hier in Ihrer Debatte vorgenommen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen sage ich auch einen dritten Satz: In den Bewertungen von Zwischenergebnissen können wir doch auch auseinanderliegen. Herr Dr. Sieling, Sie haben doch auch gejubelt, dann kann ich doch wenigstens sagen, ich bin enttäuscht. Ich finde, beide Gefühlsregungen sind doch bei der Bewertung von Zwischenergebnissen zulässig. Das heißt doch nicht, dass wir nicht weiter das gemeinsame Ziel sowohl nationalstaatlich als auch für Bremen verfolgen. Man kann doch über die Zwischenergebnisse unterschiedlicher Auffassung sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich hätte mir mehr davon versprochen, das sage ich noch einmal. Es kann sein, dass Sie zufrieden sind. Ich bin für Bremen nicht zufrieden, was die Ergebnisse dieses Papiers betrifft, und das sage ich hier auch ganz offen, und nichts anderes habe ich auch da gesagt.