Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben vier verschiedene Herren gehört, die alle ihre besondere Betrachtungsweise auf Europa haben. Manchmal kam es mir ein bisschen so vor, als ob es ein Wunschkonzert ist, weil sich jeder das herausgesucht hat, wo er sich vielleicht auch auskennt: ein bisschen Industrie und Wirtschaft, Binnenmarkt, hier kam die Forschung und der Hafen, da kam ein bisschen Soziales, und jeder macht es so, wie er gerade denkt. Das soll aber natürlich nicht die Strategie sein, wie wir hier Europapolitik in Bremen gestalten wollen.
Es ist sicherlich richtig, dass das die erste Strategie der Freien Hansestadt Bremen ist, in BadenWürttemberg gibt es schon 12 davon. Da gibt es natürlich manche Dinge, die noch etwas ausführlicher entwickelt worden sind. Trotzdem, finde ich, ist es der richtige Weg, jetzt eine gemeinsame Strategie zwischen den Ressorts zu entwickeln und auch dort zu schauen, wie man gemeinsam in Europa auftritt.
Ich will jetzt gar nicht in die einzelnen Handlungsfelder hineingehen und da und dort ein bisschen zitieren, wie es gerade passt. Ich will aber doch noch einmal deutlich machen, welche wichtigen Punkte in dieser Strategie formuliert sind und auch daran deutlich machen, dass es viel facettenreicher ist, was Sie da als Papier bekommen haben.
Es geht zum einen um die regionale Wirtschaftspolitik. Dort ist sehr viel benannt worden, unter anderem aber auch der Punkt, wo die mittelständischen und kleinen Unternehmen benannt worden sind, ein hochaktuelles Thema! Letzte Woche, als wir in Brüssel waren, wurde gerade der Small Business Act dargestellt, Herr Kastendiek konnte leider nicht mitfahren, deswegen weiß er das vielleicht noch gar nicht. Da gibt es einen ganz konkreten Bezug auf das, was auch in dieser Strategie steht, dass wir eben genau für kleine und mittelständische Unternehmen eine bessere Beratung, Unterstützung und Förderung wollen. Das steht in der
Ein weiterer Punkt, der auch hier noch nicht benannt worden ist, ist die Stadtentwicklung. Auch das ist in der Strategie vorgestellt worden, und zwar durch die Leipziger Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, wo zum einen deutlich gemacht wird, dass Städte ein Motor für soziale Stadtentwicklung sind, aber auch für andere Bereiche wie Kreativität, Wirtschaft, Hafen und so weiter. Dies muss unterstützt werden, und es ist notwendig, dass die Fördermaßnahmen in eine soziale Stadtentwicklung stärker ausgebaut werden.
Ich möchte noch auf einen anderen Bereich eingehen, den Herr Erlanson, finde ich, hier nicht sehr seriös dargestellt hat! In der Strategie ist auch ein Handlungsfeld „Humanressourcen“ benannt worden. Ich finde diesen Begriff nicht besonders gelungen. Es ist ein klassisch europäischer Begriff, weil er natürlich eigentlich nur einen Teil von dem, was er aussagen will, deutlich macht. Es geht nämlich nicht nur darum, dass Menschen einen Arbeitsplatz finden und der Wirtschaft zugereicht werden, sondern es geht um bessere Lebenssituationen für unsere Bürgerinnen und Bürger, und dazu gehören natürlich Arbeitsplätze und die Wirtschaft, aber das ist es nicht ausschließlich.
In diesem Handlungsfeld, in dem ich davon ausgehe, dass es auch in der nächsten Zeit oder in den nächsten Jahren stärker ausgebaut wird, geht es um berufliche Entwicklung, soziale Eingliederung, Beschäftigungschancen, lebenslanges Lernen und Bildung. Das Ziel ist, und so ist es dort formuliert – es gibt übrigens auch andere Stellen, an denen Ziele formuliert sind, Herr Kastendiek –, der Abbau von Arbeitslosigkeit und eine bessere Lebensqualität in der Stadt.
In diesem Handlungsfeld gibt es verschiedene Punkte, die ich noch etwas näher darstellen will! Es geht zum einen um das Konzept Flexicurity. Dazu werden wir morgen im Rahmen der Lissabon-Strategie sicherlich auch noch einmal debattieren und haben das auch schon in unseren Ausschüssen getan. Bei dem Konzept Flexicurity geht es darum, dass die Flexibilität und die soziale Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt zusammengebracht werden sollen. Es hat das Modell der Arbeitsmarktpolitik in
Dänemark zum Vorbild. Wir haben an dieser Stelle Bedenken, dass es eine Schieflage zwischen zu schneller Flexibilität und zu wenig sozialer Sicherheit gibt. Deshalb ist es uns wichtig, dass dieser Punkt auch vom Senat sehr intensiv begleitet wird, weil unser Ziel die soziale Absicherung auf einem möglichst hohen Niveau in ganz Europa ist.
Ein weiterer Punkt, der dort benannt ist, ist die Berufsbildung. Auch da gibt es eine große Auseinandersetzung auf europäischer Ebene. Zum einen verfügen wir über ein duales Bildungssystem, wovon wir auch überzeugt sind, weil es die Möglichkeit bietet, dass Menschen in unterschiedlicher Art und Weise eine Berufsausbildung machen können. Wir wünschen, dass das Engagement für dieses System auf europäischer Ebene auch eingebracht wird.
Als Letztes möchte ich noch zu diesem Bereich das lebenslange Lernen benennen. Ich glaube, auch das ist ein Thema, das unsere Bürgerinnen und Bürger sehr beschäftigt. Lebenslanges Lernen für alle in ein neues Recht auf europäischer Ebene einzubringen muss das Ziel sein, damit Menschen die Möglichkeit haben, ihr ganzes Leben lang zu lernen.
Ich möchte jetzt noch kurz Anforderungen benennen, die wir, nicht nur vom Senat, sondern auch von uns, erwarten und die wir zukünftig in einer europäischen Politik weiterentwickeln sollen! Dazu gehört der Ausbau sozialer und ökologischer Schutzstandards. In dieser Europastrategie ist es sehr gut gelungen, dass nicht nur ökonomische Themen benannt worden sind, sondern gerade die ökologischen und auch die sozialen Themen dort aufgegriffen worden sind. Das zeigt, dass es eben wirklich wichtig ist, dass wir schauen, was die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land beschäftigt: der Ausbau von sozialen und ökologischen Schutzstandards, die Stärkung der kollektiven und individuellen Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen – da wissen Sie alle, dass gerade die letzten Rechtsprechungen des EuGH-Urteils eine andere Richtung aufweisen, was auch zu vielen Ängsten in der Bevölkerung führt – und eine wirksame Armutsbekämpfung und Prävention. Gerade hierfür wird das Jahr 2010 ein sehr wichtiges Jahr sein, da es gerade vom Europaparlament als Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung beschlossen worden ist.
Als Letztes möchte ich noch auf die öffentliche Dienstleistung der Daseinsvorsorge hinweisen, die auch weiterhin ein zentrales und unverzichtbares Element des europäischen Sozialmodells bleiben soll. Das heißt konkret, dass wir auf europäischer Ebene eine Rechtsvorschrift zum Schutz öffentlicher Dienstleistung auch im Gesundheits- und
Sozialbereich fordern. Sie merken, es gibt ganz viele konkrete Möglichkeiten, die wir weiter verfolgen sollten und bei denen wir uns gemeinsam auf den Weg machen sollten.
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch kurz auf den zweiten Schwerpunkt eingehen, und zwar die Europafähigkeit der Verwaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit! Ich habe gesehen, einige Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich sind hier und hören sich die Debatte an, was ich sehr gut finde. Ich denke, es ist und wird für uns immer notwendiger sein, dass die Verwaltung europafähiger wird. Wir haben vorhin selbst in der Debatte zum Plattdeutsch gehört, Europa spielt fast überall eine Rolle. In allen Bereichen, in denen Sie in den Ausschüssen und Deputationen sind, wird es immer mehr zu europäischen Themen kommen. Zwei Drittel der nationalen Gesetze, mit denen wir uns beschäftigen, sind auf Initiative von Brüssel entstanden. Deswegen ist es notwendig, dass das Personal gut geschult ist, dass die Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, sich in Brüssel zu qualifizieren, daraufhin auch gute Möglichkeiten haben, ihr Wissen hier weiter voranzubringen. Es ist ganz wichtig, das gute und hohe Engagement der Bremischen Landesvertretung in Brüssel, aber auch hier vor Ort – besonders auch im Europapunkt – zu unterstützen und weiter zu fördern.
Ich finde – und wir als SPD natürlich auch –, die Europastrategie ist ein sehr gutes Instrument für ein transparentes und bürgernahes Europa. Jeder kann sich die Strategie anschauen, sie lesen und dort auch seine Punkte weiter diskutieren. Ich denke, es ist wünschenswert, dass diese Strategie alle zwei Jahre weiterentwickelt wird, so wie zum Beispiel auch in Baden-Württemberg. Es wäre auch wünschenswert, über ressortübergreifende Handlungsfelder schon alle Aktivitäten in den Ressorts aus Bremen und Bremerhaven zu benennen. Da sind zum Beispiel der Bereich Kultur, Finanzen und Inneres sowie die Netzwerke und Tätigkeiten im Europarat bislang nicht dargestellt. Natürlich wäre es schön, die Erfolge, aber auch die zukünftigen Ziele dort weiter auszubauen.
Meine Damen und Herren, die Politik der Europäischen Union muss von der Freien Hansestadt Bremen weiterhin engagiert und kritisch in einer Weise begleitet und gestaltet werden, die deutlich macht, dass es in Europa nicht nur um Märkte, sondern vor allem um Menschen gehen muss. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der letzte Satz meiner Kollegin Frau Hiller ist zweifellos richtig. Ich persönlich bin allerdings nicht der Meinung, dass es gegenwärtig in Europa nur um Märkte geht. Es wird manchmal der falsche Eindruck erweckt, als wäre das gegenwärtig so. Wir sind uns in dem Ziel einig, vielleicht unterscheiden wir uns manchmal ein bisschen in der Zustandsbeschreibung, wenn man das Ganze nimmt und nicht nur einzelne Facetten. Wenn man das Ganze nimmt, bin ich der Auffassung, dass die EU eine politische Veranstaltung ist, bei der es von Anfang an um Frieden, Sicherheit und um Freiheit gegangen ist, um wirklich emphatische Freiheit, nicht nur für die Freiheit der Märkte, sondern insgesamt um Freiheit und um die Frage, wie wir überhaupt die Möglichkeit haben, in Europa, in der Welt mit einer Stimme unsere Interessen und unseren Einfluss geltend zu machen. Wir sind uns, glaube ich, ganz einig; wir würden es vielleicht im gegenwärtigen Zustand manchmal mit ein bisschen anderen Nuancen beschreiben. Bei dem, was Sie – und da würde ich gern einige Dinge aufgreifen – an wichtigen Themen, gerade in dem Bereich der Sozialpolitik oder der Bildungspolitik, genannt haben, finde ich, müssten wir wirklich schauen – das gilt auch für die Einwände von Ihnen, Herr Kastendiek! –, wie das Parlament in der Vereinbarung berücksichtigt wird. Die Länder bekommen mehr Rechte, aber wir können unsere Rechte als Landesparlament nur dann geltend machen, wenn wir sie ergreifen. Es macht wenig Sinn, vom Senat dies oder jenes zu fordern, zum Beispiel Informationen. Das können wir alles machen, aber wir müssen selbst die Initiative ergreifen! Wir haben uns auch vorgenommen, dass wir das machen, Debatten anzustoßen, Politikformulierungen in Bezug auf Europa zu machen, wo wir dann vielleicht auch merken: Wo ist Europa gefordert und wo sind wir gefordert? Zum Beispiel bei der Weiterbildung ist es so, dass Deutschland Schlusslicht in Europa ist, was lebenslanges Lernen angeht. Da müssen wir unsere Hausaufgaben hier eher machen, als dass wir große Anforderungen zu formulieren hätten. Zu Herrn Kastendiek möchte ich sagen: Erstens, das mit der Ressortübergreifung ist so ein bisschen die Frage von dem Glas Wasser. Dieses hier ist ganz voll. Das ist die Europastrategie noch nicht, das ist völlig richtig. Dass aber das jetzt in einem Papier des Senats formuliert ist und auch die Felder und der Umfang dieser ressortübergreifenden Zusammenarbeit benannt sind, ist doch ein riesiger Fortschritt. Ich meine, das muss gefüllt, das muss gemacht werden, aber ich finde, das ist ein Durchbruch, dass sich erst einmal darüber verständigt
Im Übrigen haben Sie in Ihrer Rede – ich bin da vielleicht durch meine Vergangenheit ein bisschen geschulter – Strategie und Taktik verwechselt. Es handelt sich um eine Europastrategie, und wer davon erwartet, dass auf Haushaltsstelle oder Einzelprojekte genau dargestellt wird, was wir da machen – –. Es handelt sich um die Darlegung der Philosophie, wie Bremen seine eigene gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung, seine Forschungslandschaft ins Verhältnis zu europäischen Ideen setzt. Darum handelt es sich! Diese Strategie erst einmal in einigen Feldern zu formulieren ist das Erste, und das Zweite ist dann die jährliche Umsetzung. Sie haben Recht, das muss kommen, aber das kann man nicht der Strategie anlasten, sondern mit der Strategie ist die Grundlage dafür gelegt, dass der Senat das nun machen wird, und das muss er allerdings auch machen. Darauf warten wir dann genauso wie Sie, da haben Sie Recht!
Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Bevor ich zu meinem eigenen Beitrag komme, möchte ich kurz auf einige Sachen von Herrn Dr. Möllenstädt, Herrn Erlanson und Herrn Kastendiek eingehen!
Zunächst einmal: Herr Dr. Möllenstädt, in dieser Zuschnittsfrage, wo das am besten ressortiert: Sie können sich sicher sein, dass das bei mir gut ressortiert! Auch der Zuschnitt passt gut, denn viele der Themen, die bei der EU eine ganz hohe Zuständigkeit haben – Umwelt, Energie, Verkehr, auch Fragen der zukünftigen nachhaltigen Stadtentwicklung und so weiter –, bekommen wir sehr gut hin. Ich habe im ersten Jahr meiner Amtszeit – wir sind ja als Senat jetzt ein Jahr im Amt – sowohl mit dem Verkehrskommissar Barrot als auch mit Umweltkommissar Dimas als auch mit dem Kommissar für maritime Angelegenheiten, Borg, gesprochen. Ich glaube, es gibt nicht viele Landesminister, die in einem Jahr mit diesen Kommissaren gesprochen haben. Insofern können Sie sicher sein, dass wir das uns zur Verfügung stehende Instrumentarium auch nutzen, auch im Interesse des Gesamtsenats, denn auch der Kollege Nagel ist einer derjenigen – anders als frühere Wirtschaftssenatoren –, die regelmäßig in Brüssel sind. Eines können Sie von mir nicht wirklich ernsthaft erwarten: dass ich als Lobbyist der Rüstungsindustrie in Brüssel auftrete.
Zweitens zu dem Punkt von Herrn Erlanson: Ich meine, ich respektiere alles, was Sie gesagt haben an Einführung und so weiter. Das nehme ich Ihnen auch voll ab. Ich finde aber schon, dass Sie ein bisschen präziser sein sollten, wenn Sie sagen, Polen sei ja jetzt auch dagegen. Die Wahrheit ist, dass der nationalkonservativ-religiöse Präsident Kaczy´nski, über den man vielleicht unterschiedlicher Meinung sein kann, gesagt hat, er werde das nicht unterzeichnen, und dass der Premierminister Tusk gesagt hat: „Dafür schäme ich mich, wir wollen auf jeden Fall ein gutes europäisches Land sein.“ In dieser Zeit war der Kollege Kaczy´nski in der Luft, ich weiß nicht, vielleicht nämlich gerade zu einem Staatsbesuch nach Kasachstan. Als er gelandet ist und dort interviewt wurde, hat er schon wieder ganz anders gesprochen und gesagt, er werde sich dem europäischen Integrationsprozess selbstverständlich nicht in den Weg stellen, wenn Irland einen Weg findet, um diesen Ratifizierungsprozess ordentlich hinzubekommen. Deswegen finde ich schon, dass man etwas präziser sein sollte. Wenn Sie – auch, wenn Sie völlig unterschiedlich sind – hier zu dem gleichen Ergebnis kommen wie der heute abwesende Abgeordnete Tittmann, dann sollte Ihnen das vielleicht in dem einen oder anderen Fall schon zu denken geben, das muss ich schon sagen!
Es ist natürlich das Problem – –. Wofür ich im Prinzip auch eine große Sympathie habe, sind Volksbefragungen und Volksabstimmungen. Ich bin ein großer Anhänger davon, wenn Fragen klar definiert sind. Nur, bei diesen Themen ist es häufig so, dass es, wenn so eine komplexe Sache wie dieser Vertrag von Lissabon oder davor sogar der Europäische Verfassungsvertrag zur Debatte gestellt werden und dann in einem nationalen Kontext oder sogar in einer wahlkampfähnlichen Situation diskutiert werden, dann kommt es natürlich sehr schnell dazu, dass alle möglichen anderen Fragen mit hineingemischt werden. Wer der Regierung einmal so eben einen mitgeben will, kann das in diesem Abwasch auch machen. Die Abtreibungsgegner und die Gegner des Überwachungsstaates, alle mischten sich durcheinander.
Nachdem das Votum gewesen ist, gab es eine Woche später eine Umfrage, die angeblich empirisch belastbar war und besagte, 65 Prozent der Iren seien für die Europäische Union. Das heißt nicht, dass ich jetzt gegen Volksabstimmung bin. Nur, wenn man so etwas einmal perspektivisch ins Auge fasst, dann muss man die Fragestellung klarmachen. So, wie sie heute ist, finde ich, ein komplexes Verfassungs- oder Vertragswerk im Detail im Rahmen
einer Volksabstimmung abstimmen zu lassen, das ist nicht ohne. Ich will jetzt nicht generell dagegen reden, aber es gibt auch gute Argumente dagegen, das will ich schon noch einmal sagen.
Dritter Punkt, Herr Kastendiek: Es ist die erste europapolitische Strategie. Wenn Sie sagen, noch ein, zwei Monate länger: Gut, das Ganze hat ein halbes Jahr gedauert. Ich fand es, ehrlich gesagt, schon ziemlich lange. Das war für mich ein angemessener Zeitraum. Wir haben uns bemüht, Kohärenz herzustellen und alles so weit wie möglich zusammenzuführen. Das ist im Moment vor allen Dingen erst einmal eine Klammer und einige Leitbilder, die auch vorgegeben sind. Was man schon auch noch einmal sagen darf: Die Tatsache, dass es die erste europapolitische Strategie des Senats ist, sollten Sie nicht beklagen, denn in den zwölf Jahren vorher gab es keine.
Jetzt möchte ich gern zum Thema und zur Strategie selbst kommen! Ich betrachte es, wie gesagt, als einen sehr großen Fortschritt, dass wir im Senat am 22. April 2008 erstmals eine EU-Strategie für die Freie Hansestadt Bremen beschlossen haben. Ich bin froh darüber, dass wir nach einer langen ressortübergreifenden Diskussion zu diesem Ergebnis gekommen sind. Es wurde ja auch klar – Frau Hiller hat es angesprochen –, das Ganze basiert natürlich auch ein bisschen auf dem, was wir als unser tägliches Brot im Ausschuss für Bundesund Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit besprechen. Ich war sehr froh darüber, dass letzte Woche der Ausschuss in Brüssel zu Gast war und ich auch gehört habe, dass die Gespräche, die dort mit Vertretern der EU-Kommission und Abgeordneten des Parlaments geführt worden sind, von allen als fruchtbar empfunden wurden.
Der Senat ist sich voll darüber bewusst, dass die Anforderungen an die deutschen Länder bezüglich ihrer Europapolitik substanziell wachsen werden, das ist ganz sicher. Das heißt, wer Landespolitik macht, muss in Zukunft immer nicht nur an drei Ebenen denken, sondern diese auch praktisch bearbeiten, nämlich Bremen, Berlin und Brüssel. Wir müssen uns frühzeitig umfassend über europäische Strategien, natürlich auch über europäische Fördermittel – dazu komme ich gleich ausführlich! –, über neue Initiativen der Gesetzgebung, die uns betreffen, beispielsweise Stichwort Container Scanning, und die Entwicklung der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs – und auch dazu komme ich gleich noch! – informieren.
Ich möchte gern einige Beispiele nennen, fünf an der Zahl, die die Bedeutung der EU für unser Land illustrieren! Ich möchte mit dem Thema an
fangen, das schon mehrfach besprochen wurde: der Reformprozess! Es ist so, dass er ins Stocken geraten ist, aber wenn man sich noch einmal die materielle Substanz anschaut, dann kann man ohne Weiteres sagen, dass dieser Vertrag von Lissabon die Europäische Union demokratischer, transparenter und handlungsfähiger machen würde und dass er auch – das ist auch ein relevanter Faktor – die Stärkung der Kontrollrechte von Bundestag und Bundesrat und damit eben auch der Länderparlamente sicherstellt. Das heißt, gegenüber dem, was jetzt ist, ist er ein Fortschritt, und ich und der Senat insgesamt sind sehr froh darüber, dass der europäische Gipfel am 19. und 20. Juni 2008 zwei richtige Signale gesetzt hat:
Einmal, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt wird, es sind „nur“ noch acht Mitgliedsstaaten, in denen die parlamentarische Zustimmung zu dem Vertrag von Lissabon nicht vorliegt. Es wird ausdrücklich daran festgehalten, den Ratifizierungsprozess abzuschließen. Zweitens ist mindestens genauso wichtig, den Iren die Türen nicht zuzuschlagen, sondern ihnen die notwendige Zeit einzuräumen, um einen angemessenen Weg zu finden, der einerseits die irischen Interessen berücksichtigt, aber andererseits auch das Inkrafttreten des Vertragswerks ermöglicht. Man muss allerdings auch sagen, viel Zeit bleibt nicht mehr, weil am 7. Juni 2009 die Wahlen zum Europaparlament sind, und dann wird man natürlich bis dahin zu Potte gekommen sein müssen, weil dann nicht nur das Parlament neu gewählt wird, sondern auch die Kommission. Deswegen ist es gut, dass man den Iren die Tür nicht zugeschlagen hat, das halte ich für sehr wichtig, dass man ihnen auch eine Bedenkzeit eingeräumt hat. Aber diese kann auch nicht länger als ein knappes Jahr oder in Wahrheit natürlich weniger sein.
Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist, dass der Europäische Rat, die EU-Kommission und das Europaparlament das Thema Umwelt, Klimaschutz und Energie ganz oben auf die Agenda der EU gesetzt haben und ein Maßnahmenpaket für die CO2-Minderung in den 27 Mitgliedsstaaten vorgelegt haben, konkrete Ziele zur Förderung erneuerbarer Energien zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Ausweitung des Emissionshandels formuliert haben, also das zentrale Klimaschutzinstrument. Um das alles zu erreichen, werden europaweit Technologien benötigt, die zum Beispiel hier bei uns in Bremen vorhanden sind. Ich war gestern auf der großen Konferenz „Windstärke 08“, die wir in Bremerhaven veranstalten, wo wirklich aus ganz Europa Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmensvertreter und so weiter waren. Die Kompetenz, die wir in diesem Feld aufgebaut haben, ist doch mitlerweile enorm. Wir haben sie vor wenigen Monaten in unserer Landesvertretung in Brüssel vorgestellt, verschiedene Unternehmen dort vorsingen lassen, wenn ich das