SED ganz zurückhaltend sein, sonst reden wir einmal über Ihre Verhältnisse in den achtziger Jahren zur SED, meine Damen und Herren!
Sie sparen sich Ihre Zwischenrufe, und wir debattieren hier fachlich und sachlich, einverstanden? Danke!
Wir haben auf die Anfrage, wofür die ich mich bei Ihnen, Frau Jügens-Pieper, bedanke, eine sehr umfangreiche Antwort bekommen. Es wird auch auf eine aktuelle Initiative unter der Schirmherrschaft von Bundesbildungsministerin Frau Dr. Schavan verwiesen: „Deine Geschichte“, wo insbesondere Schülerinnen und Schüler angeregt werden, sich mit der deutschdeutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Das ist ganz wichtig, wenn ich auf die Studie, die der Forschungsverbund der Freien Universität vorgestellt hat, verweise. Es wissen eben nur wenige Schülerinnen und Schüler von Unterdrückung, Stasi und Unrechtsstaat, und es ist richtig, dass wir uns damit beschäftigen, denn als Demokratie müssen wir wehrhaft sein gegen beide Seiten. Wichtig ist auch, dass wir uns auch heute damit beschäftigen, was bis vor 20 Jahren in Deutschland eben auch möglich war.
Ich habe ein, zwei Anmerkungen, die ich öfter in Bildungsdebatten mache, nämlich dass wir in Bremen im Gegensatz zu anderen Bundesländern immer sehr weitreichende Formulierungen haben und wenig Konkretes in den Bildungsplänen – früher Lehrpläne genannt – steht. Im Anhang zur Senatsvorlage sind ja die verschiedenen Bereiche aufgeführt, aber gerade in Bremen – und das ist vielleicht auch eines unserer Probleme, wenn ich auf Ergebnisse von Bildungsstudien schaue – ist es dann doch immer im Belieben des jeweiligen Lehrers, der jeweiligen Lehrerin, was tatsächlich dem Schüler vermittelt wird. Etwas konkreter, etwas genauer eingekreist, welche Kompetenzen erworben werden, aber auch welche Wissensgebiete tatsächlich behandelt werden, das täte, glaube ich, auch bremischen Schülerinnen und Schülern gut.
Ich will auch auf eine ganz aktuelle Initiative verweisen, die wir in der letzten Woche zur Kenntnis bekommen haben. Unter dem Titel „Demokratieerziehung stärken“ haben die Bildungsminister und -senatoren aus Brandenburg, Berlin, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen – wer aufmerksam aufpasst, das sind alle fünf SPD-Bildungsminister, die es in Deutschland gibt – eine Initiative gestartet, dass auch vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages des Grundgesetzes und eben auch des 20. Jahrestages
des Falls der Mauer und der friedlichen Revolution eine Stärkung der Demokratieerziehung hier vorgenommen werden soll. Frau Jürgens-Pieper, Sie haben uns da ganz an Ihrer Seite, oder Sie sind an unserer Seite, je nachdem, wir wollen nicht darüber diskutieren, wer jetzt früher welche Initiativen gemacht hat.
Ich glaube aber, es ist wichtig, dass Demokraten zusammenstehen, wenn es darum geht, gerade auch junge Menschen an die Demokratie, an die parlamentarische Demokratie, an den Rechtsstaat heranzuführen. Dass es da Probleme gibt, sehen wir bundesweit manchmal auch bei Wahlergebnissen von Jung- und Erstwählern. Es ist nämlich ganz einfach, ganz einfache Parolen zu verbreiten, die wenig mit konkreten Problemlösungen zu tun haben. Dies ist ein Problem von Rechts und Links, die die Demokratie angreifen. Darum müssen die Demokraten in einem Rechtsstaat auch zusammenstehen, und darum muss man auch komplizierte Sachverhalte in etwas komplizierteren Verfahren als einfachen platten Parolen erklären, meine Damen und Herren!
Da man Geschichte am besten auch durch sehen und begreifen lernt, haben wir angeregt, wie es denn wäre, wenn man es auch in Bremen aufnimmt, dass Schülerinnen und Schüler an einem außerschulischen Lernort, wie zum Beispiel dem ehemaligen Stasigefängnis in Berlin-Schönhausen, dann auch tatsächlich sehen, was dort in der Vergangenheit passierte. Auch hier kommen wir wieder zu dem Punkt: Es ist manchmal ganz gut, wenn in Bremen nicht nur alles in der Beliebigkeit der jeweiligen Lehrkraft steht, sondern wenn wir da etwas konkreter werden. Frau Jürgens-Pieper, nach anderthalb Jahren in Bremen haben Sie ja auch festgestellt, dass es manchmal ganz gut sein kann, wenn wir in Bremen etwas konkreter werden. Von daher hoffe ich, dass wir uns in dieser fruchtbaren Debatte diesem Schritt etwas annähern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Was wissen Kinder und Jugendliche über die ehemalige Deutsche Demokratische Republik und insgesamt über die Nachkriegsgeschichte, den Mauerbau, den Mauerfall und die Wiedervereinigung? Wer weiß heute von den Jugendlichen, dass „Wir sind das Volk“ kein Werbespruch eines Kaufhauses ist, sondern der Slogan der Montagsdemonstranten? ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 war das Ende des Staates DDR besiegelt. Heute, fast 20 Jahre später, droht die Erinnerung an die Lebenswirklichkeit in der DDR verloren zu gehen. Wir müssen über den Alltag und das Unrecht in der DDR aufklären statt verklären, das fand ich eine sehr gute Aussage von Herrn Rohmeyer, und ich möchte das auch ganz dick unterstreichen.
Aufklären, diskutieren, zuhören, miteinander sprechen – die sogenannte Ostalgiewelle ist ein guter Anlass, über Dichtung und Wahrheit in der Geschichtsschreibung der DDR zu sprechen und auch zu streiten.
Im nächsten Jahr jährt sich der Mauerfall. Viele Schulen werden das Thema im Unterricht in unterschiedlichen Formen behandeln, und das ist gut. Die Bildungsdeputation unterstützt – das hat auch die Senatorin deutlich gemacht –, dass das im kommenden Jahr ein wichtiges Thema im Bereich der politischen Bildung und in vielen Unterrichtsfächern sein wird. Gespräche mit Zeitzeugen, mit ehemaligen Bürgerrechtlern sollten dabei nicht fehlen.
Eine im Sommer von der Freien Universität Berlin veröffentlichte Studie war ziemlich erschreckend. Hören Sie gut zu! So meinen etliche der 5200 befragten Schülerinnen und Schüler, Willy Brandt sei ein bekannter Politiker der DDR gewesen. Nicht wenige waren der Meinung, die Bundesrepublik habe die Mauer gebaut. Nur die Hälfte der im Westen befragten Jugendlichen wusste, dass die DDR keine Demokratie war. Immer wieder fragen mich Schülerinnen und Schüler: Was bedeutet eigentlich das Bündnis 90 bei den Grünen? Sie wissen leider nicht mehr, dass sich im Februar 1990 die Bürgerrechtsbewegungen „Neues Forum“, „Demokratie jetzt“ und „Initiative Frieden und Menschenrechte“ zum Bündnis 90 zusammenschlossen.
Die Listenverbindung trat damals für eine stufenweise Annäherung der beiden deutschen Staaten ein, und doch ist es ganz anders gekommen. Andere Parteien forderten die umgehende Wiedervereinigung. Im August folgte die Gründung einer gesamtdeutschen Listenvereinigung als Bündnis 90/Die Grünen für die im Dezember anberaumte erste gesamtdeutsche Bundestagswahl. Warum gab es so viele Bürgerrechtsbewegungen, fragte jüngst eine Besuchergruppe. Das sind wichtige Fragen, die gestellt werden.
Es wird ja oft Jugendlichen vorgeworfen, sie würden sich nicht für Geschichte interessieren. Ich habe das auch anders erlebt. Viele Jugendliche haben Interesse, wenn die Geschichte anfassbar wird, wenn Zeitzeugen da sind, die etwas erzählen können. Meine
Auffassung ist es, dass die ältere Generation auch Antworten geben muss und sich nicht davonstehlen darf. Die Arbeit mit Zeitzeugen sollte sich nicht nur auf den Nationalsozialismus in Deutschland beschränken, sondern auch das Kapitel DDR und das Zusammenwachsen beider deutscher Staaten mitbeleuchten. Das finde ich ausgesprochen wichtig!
Die verbreitete Unkenntnis über die DDR-Geschichte und den Charakter des SED-Regimes unter der jungen Generation legt jedenfalls nahe, dass mehr geschehen muss. Als ich als Jugendliche – gestatten Sie mir jetzt einige persönliche Ausführungen – häufiger in der ehemaligen DDR war, wurde uns quasi ein sozialistisches Wunderland vorgegaukelt. Den Begriff blühende Landschaften hat zwar jemand anders erfunden, aber mir kam es gerade so vor. Kritische Fragen nach Atomkraftwerken wurden abgebügelt. Es wurde gesagt: „natürlich sind im Osten die Atomkraftwerke sicher, im imperialistischen Ausland sind sie unsicher“, keine Arbeitslosigkeit, völlige Gleichberechtigung der Frauen, völlige Aufarbeitung der Nazi-Greueltaten und eine funktionierende Planwirtschaft. Bei genauerem Hinsehen und Nachhaken entpuppen sich viele Dinge als purer Schwindel und verzerrte Darstellung. In meinem Freundeskreis war die DDR ziemlich angesagt, da der Osten spannend war. Er war anders, und der Sozialismus war furchtbar in. Diese Einstellung änderte sich rabiat, als wir mitbekamen, wie mit Andersdenkenden verfahren wurde. Manche Menschen flüsterten einen ängstlich auf der Strasse an. Zuerst waren wir belustigt, fanden das merkwürdig, später wurden wir nachdenklich. Wir erkannten, wer unbequeme Fragen stellte, wurde an die Seite genommen, bekam Ärger in der Schule, bekam keinen Studienplatz und hatte jede Menge Repressalien zu ertragen. Einem guten Freund von mir, der häufig nach Ostberlin fuhr, weil er dort eine Freundin hatte und an Ostberlin insgesamt interessiert war, wurde die Einreise mit der Auskunft verweigert, er sei eine Persona non grata in der DDR, eine nicht erwünschte Person. Ich finde es ungeheuer wichtig, dass die Geschichte der DDR nicht verniedlicht wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Punkt ist ja auch angesprochen worden, Herr Rohmeyer sagte, manche finden Ampelmännchen süß. In der Tat, die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger in der DDR haben auch positive Sachen aus ihrem persönlichem Hintergrund erlebt: Familie, Erfolge im Job, persönliche Erfahrungen, positive Erlebnisse, die man zurückbehält. Aber bei alldem, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht vergessen: Die DDR war eine Diktatur!
Freiheit und Demokratie – mit 17 oder 18 Jahren hätte ich nie gedacht, dass mir das so über die Lippen kommt – sind zwei Grundelemente unseres Landes, und die gilt es zu verteidigen, und das finde ich auch wichtig, dass man das deutlich macht.
Der Einfluss der Stasi wird offensichtlich bei den verschiedenen Entführungsfällen und der Bekämpfung von Dissidenten, bei der Aufdeckung von Fluchtplänen und bei der Enttarnung von Fluchthelfern. Schwieriger aus den Stasi-Akten herauszulesen ist der Einfluss auf die Parteien, deswegen ist die Erinnerung von Zeitzeugen so wichtig. Dabei kam heraus, dass besonders die CDU und die Grünen bespitzelt wurden. Ziel der Stasi war die Sicherung der Herrschaft der SED, wer die Deutschlandpolitik der DDR in Frage stellte, der sollte bekämpft werden. Auch die Alternative Liste, der Vorläufer der Grünen, war Ziel der Stasi-Aktivitäten. Aufgrund der Kontakte zu Bürgerrechts- und Umweltgruppen wurde die Alternative Liste als Feindobjekt eingestuft, das subversiv gegen die DDR vorginge.
Einer der bekanntesten informellen Mitarbeiter, Dirk Schneider, alias IM Ludwig, war Pressesprecher und Bundestagsabgeordneter der Alternativen Liste, und manche erinnern sich auch noch gut an ihn. Von Joschka Fischer wurde er spaßeshalber immer als ständige Vertretung der DDR bezeichnet, und alle dachten, er ist ein aufrechter Kämpfer für den Sozialismus. Als damals herauskam, er war ein Stasi-Spitzel, fielen doch einige aus den Latschen und waren darüber erschrocken. Ich habe heute gehört, Reinhard Loske schrieb eine kritische Diplomarbeit über Umweltschutz in der DDR. Die wurde nicht veröffentlicht, weil der Herr Schneider zusammen mit Petra Kelly darüber abstimmte, ob sie veröffentlicht wird. Frau Kelly war dafür, und Herr Schneider organisierte eine vier zu drei Mehrheit, dass diese Diplomarbeit nicht veröffentlicht wurde. Daraufhin wurde Reinhard Loske im laufe der Zeit auch die Einreise in die DDR verwehrt. Ich finde, solche Sachen muss man einfach bewusst machen, erzählend deutlich machen, was damals passiert ist, weil es nicht richtig ist, dass Meinungen unterdrückt werden, dass Veröffentlichungen aufgehalten werden, weil sie kritisch sind.
Wenige wissen, dass Westberlin ein Haupteinsatzgebiet der inoffiziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stasi war, die im Westen im Einsatz waren. Die Parteien in Westberlin waren ein wichtiges Ziel der Stasi. Es ist kaum vorstellbar, dass diese große IM-Dichte ohne Folgen geblieben ist. Keine andere bundesdeutsche Stadt war so von der Stasi durchsetzt wie Westberlin. Bis heute gibt es keinen genauen Überblick über inoffizielle Mitarbeiter in Westberlin. Ungefähr 800 bis 1000 waren hier tätig, wird geschätzt,
und damit 25 Prozent aller in der Bundesrepublik eingesetzten informellen Mitarbeiter. Es gab sie in allen gesellschaftlichen Bereichen, sozialen Schichten, in der Verwaltung, in den Universitäten, bei der Kirche und in den Medien. Viele waren auf Ex-DDRBürger angesetzt, die in Westberlin lebten.
Aufklärung statt Verklärung tut Not, nicht nur in der Schule, sondern auch in den Medien und in der Öffentlichkeit, 20 Jahre nach dem Mauerfall, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr denn je. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit der Großen Anfrage und dem sehr wichtigen Thema der Geschichte der DDR im Schulunterricht. Dieses wichtige Thema wird im Schulunterricht oftmals beschönigt oder nur unzureichend behandelt. Darum sollte die Geschichte der ehemaligen DDR auch schnellstens durch beschlussfähige Anträge im wahrsten Sinne des Wortes untermauert werden, damit die Schüler und Schülerinnen, aber nicht nur hier im Land Bremen, ohne Einschränkung und einseitige Beschönigung endlich erfahren, dass diese ehemalige kommunistische DDR-Diktatur in Mitteldeutschland eine unendliche menschenunwürdige Geschichte hat und die DDR für die Weltöffentlichkeit ein reines kommunistisches Propagandalügengebäude gewesen ist.
Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte gehört aber auch die Tatsache, dass Millionen Menschen durch den Mauerbau über Jahrzehnte praktisch eingekerkert waren. Man hat Millionen von Menschen menschenunwürdig ihrer Achtung, Würde und Freiheit beraubt. Man hat Millionen von Menschen über Jahrzehnte brutal unterdrückt. Die Mutter der Nation, Mama Honecker, hat Kinder von Regimekritikern und Andersdenkenden skrupellos zwangsadoptieren lassen. Familien wurden gnadenlos auseinandergerissen, über grausame Morde, Folter und andere Verbrechen der Stasi gibt es unzählige Tatsachenberichte. Es gab zahlreiche politische Lager für Mitglieder von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen. Es gab in der DDR die Todesstrafe durch Genickschuss. Flüchtlinge, die einfach nur in Freiheit leben wollten, wurden oftmals sogar von hinten wie die Hasen abgeschossen. In der DDR gab es so gut wie keinen Umweltschutz. Die Lebensmittelversorgung war äußert unzureichend und katastrophal. Einschränkungen im täglichen Leben ohne Ende, Bespitzelungen in diesem kommunistischen Überwachungsstaat rund um die Uhr und so weiter. Wir könnten bis morgen früh hier noch darüber reden.
Mauerbau, Menschenrechtsverletzungen, brutale Unterdrückung, Folter, Todesschüsse, Todesstrafe, Stasi-Verbrechen und so weiter begleiten und prägen die Geschichte der ehemaligen kommunistischen DDR-Diktatur. Darum kann man nur jedem jungen Menschen dringend raten, sich solche Filme wie zum Beispiel „Wir sind das Volk“ oder „Das Leben der Anderen“ sehr genau anzuschauen. So sieht nämlich eine menschenverachtende Politik von kommunistischen Diktatoren in der Realität aus, und das nicht nur in der ehemaligen DDR. Vielleicht könnte ein korrektes, nicht einseitiges Bild und eine Geschichtsaufarbeitung der DDR im Schulunterricht gerade für die jüngeren Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE bundesweit sehr lehrreich und hilfreich sein.
Bringen Sie also dementsprechende Anträge ein, dass zum Beispiel jeder Schüler und jede Schülerin im Laufe der Schulzeit eine Gedenkstätte der Opfer der SED-Stasi besuchen sollte sowie dass landesweite Projektwochen an Schulen zum Thema Geschichte der kommunistischen DDR-Diktatur durchzuführen sind! Diese Anträge werde ich selbstverständlich uneingeschränkt unterstützen, denn es fehlt an einer ehrlichen Analyse dessen, was wirklich in der ehemaligen DDR passiert ist. So etwas darf sich nie wieder wiederholen, wehret den Anfängen! – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne, möchte ich doch noch drei Worte zu dem verlieren, was wir eben gehört haben.
Das war auch nicht weiter wichtig, aber es ist schlichtweg so, dass ich mich gefragt habe: Wenn Sie so etwas ernsthaft hier vortragen, Herr Tittmann, wieso tragen Sie das nicht über den anderen Teil der deutschen Geschichte auch so vor?
Solange Sie nicht objektiv mit der ganzen deutschen Geschichte umgehen, kann ich Ihnen solche Reden hier nicht abnehmen und nehme sie auch nicht weiter ernst.
Der Applaus des Restes des Hauses gibt mir Recht, das sehen auch andere hier so. Wir reden hier darüber,
was im Geschichtsunterricht behandelt werden sollte. Da gibt es viele Bereiche, die Erwähnung finden sollten. Es ist wichtig, dass die deutsche Geschichte entsprechend berücksichtigt wird, und die fängt ja viel früher an. Es fängt zumindest im Mittelalter an, von den Karolingern über die Ottonen und das Marktrecht, das sie für Bremen gebracht hat, den Dreißigjährigen Krieg bis hin zum Kaiserreich, bis hin zur Weimarer Republik und zum Faschismus, den wir nicht vergessen dürfen, der eben eine riesige Diktatur war, ein menschenverachtendes Regime. Wir dürfen genauso nicht vergessen, dass es ein weiteres damit nicht zu vergleichendes, aber diktatorisches Regime in Deutschland gab. Auch daran muss erinnert werden, auch das muss in den Geschichtsunterricht entsprechend einfließen, denn es ist schon gesagt worden, es ist erschreckend, wie wenig einige über die Zeit der DDR wissen. Wenn nur jeder dritte Deutsche weiß, dass die Berliner Mauer am 9. November fiel, ist das erschreckend.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass wir an diesem Tag auf meine Mutter warteten, die bei Verwandten in Zittau zu Besuch war, und wir die Nachrichten verfolgten und wussten, sie saß im Auto, wird davon gar nichts mitbekommen können. Wie kommt sie über die Grenze, und was passiert da eigentlich?
Solche Erfahrungen weiterzugeben, die vielleicht der eine oder andere auch gemacht hat, ist wichtig, Erfahrungen, wie es war in der Friedrichstraße nach Ostberlin durch die verschachtelten Gänge einzureisen, wie man sich da bedrückt und wie beklommen man sich da vorkam, wie man – damals ich – in Marienborn in einer großen Halle mit dem Rettungswagen stand, DDR-Bürger zurückbrachte und dann irgendein Barkas-Rettungswagen ankam und sie übernahm, man dort Stunden um Stunden wartete, bis diese Übergabe stattfinden konnte und die ganzen Herrschaften in ihren Uniformen dabei standen. Welch beklemmenden und bedrückenden Erfahrungen das waren, die man mit diesem Unrechtsstaat machen konnte! Dabei spürte man, wie diese Unterdrückung der Leute dort stattfand. Erfahrungen, die wir in unserer Kirchengemeinde an der Stelle gemacht haben, als es darum ging, Austausch mit Rügen zu haben und sich mit einzelnen Leuten in der Tschechoslowakei zu treffen, einfach um ein wenig in der Tatra Ruhe zu finden und sich austauschen zu können, ohne dass dabei immer jemand mithört!